Minijob und Midijob

Mit dem Gesetz zur Erhöhung des Mindestlohns, das vermutlich im Mai im Bundestag behandelt wird, wird zugleich die Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro auf 520 Euro angehoben. Ebenfalls ausgeweitet wird der sogenannte Übergangsbereich, der dann für Verdienste zwischen 520,01 Euro und 1.600 Euro gilt. (Zur Zeit noch: 450,01 bis 1.300 Euro). Über das Gesetzespaket berichteten wir im schon im Februar 2022.

Mindestlohn bestimmt Minijobgrenze

Die Geringfügigkeitsgrenze soll zukünftig einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen entsprechen. Außerdem soll sie dynamisiert werden, das heißt, dass in Zukunft nicht mehr ein Euro-Betrag als Geringfügigkeitsgrenze festgelegt wird, sondern dass die Geringfügigkeitsgrenze von der Höhe des Mindestlohns abhängt. Der Mindestlohn für 10 Stunden wird dann mit 4 1/3 (das entspricht der durchschnittlichen Anzahl von Wochen in einem Monat) multipliziert und auf volle Euro aufgerundet. Ab Oktober also 10 mal 12 = 120; 120 mal 4 1/3 = 520. -> 520 Euro ist die monatliche Geringfügigkeitsgrenze.

Bis 1.600 im Übergangsbereich

Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich wird von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben. Diese Maßnahme soll dem Anstieg der Löhne
und Gehälter Rechnung tragen. Er soll eine weitergehende Entlastung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten mit geringem Arbeitsentgelt als bisher bewirken.

Übergang von Mini zu Midi geglättet

Zudem werden Beschäftigte im unteren Übergangsbereich noch stärker entlastet, um die Grenzbelastung beim Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu glätten und damit die Anreize für geringfügig Beschäftigte zu erhöhen, ihre Arbeitszeit über einen Minijob hinaus auszuweiten.

Änderung im Faktor F

Nach geltendem Recht leisten geringfügig Beschäftigte bei einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht keinen Beitrag zur Sozialversicherung. Bei einem Entgelt von nur einem Cent oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze setzen die Regelungen zum Übergangsbereich ein, wonach die Beschäftigten zunächst Beiträge in Höhe von rund 10 Prozent leisten müssen. Insoweit sinkt nach dem bisherigen Beitragsrecht der Nettolohn um rund 45 Euro, so dass ein Nettolohn von mehr als 450 Euro erst wieder ab einem Bruttolohn von etwa 510 Euro erreicht wird. Die Neuregelung beseitigt diesen Belastungssprung. Die Formel zur Entlastung der Beschäftigten im Übergangsbereich wird so geändert, dass der Belastungssprung im Beitragsrecht beim Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung künftig entfällt. Sie beseitigt damit einen Fehlanreiz für geringfügig Beschäftigte, ihre Arbeitszeit nur deshalb zu begrenzen, um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Ermöglicht wird das durch eine Änderung der Berechnung des Faktors F, der für die Berechnung des Entgelts im Übergangsbereich wesentlich ist. Faktor F ergibt sich ab 1.10.2022, wenn 28% durch den Gesamtsozialversicherungsbetrag (2022: 39,95%) geteilt werden. (Bisher 30% geteilt durch 39,95%).

Familienversicherungsgrenze wird angepasst

Eine weitere Änderung im SGB V betrifft Menschen, die geringfügig beschäftigt sind und über ihren Partner oder ihre Partnerin familienversichert sind.

In der Regel können nur Personen in der gesetzlichen Krankenkasse mittels Familienversicherung kostenfrei mitversichert werden, wenn ihr regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen ein Siebtel der monatlichen
Bezugsgröße nach § 18 SGB des Vierten Buches nicht überschreitet (2022: 470 Euro monatlich). Zukünftig gilt bei einer geringfügigen Beschäftigung die neue Geringfügigkeitsgrenze (520 Euro), die noch eine Familienversicherung möglich macht.

Quelle: BMAS

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Minijobgrenze steigt

Mitte 2020 gab es in Deutschland etwa 7 Millionen Menschen, die einen Minijob ausübten. Die Mehrzahl davon waren Frauen. In der Reinigungsbranche arbeiten etwa 1,1 Millionen Minijobber*innen. Sie verdienen im Höchstfall 450 Euro im Monat. Die soziale Absicherung ist eher mäßig bis schlecht. Viele Minijobs verdrängen reguläre Arbeitsplätze, weil oftmals für Arbeitgeber das Anbieten von Minijobs attraktiver ist als das Einrichten regulärer Arbeitsplätze.

Immer weniger Stunden bis zur Obergrenze

Seit 2015 müssen auch Minijobber mindestens den gesetzlichen Mindestlohn bekommen. Der Mindestlohn damals betrug 8,50 Euro. Im Laufe der Jahre stieg der Mindestlohn an, die Minijobgrenze aber blieb. Das bedeutete, dass Minijobber immer weniger Stunden brauchten, um an die Obergrenze von 450 Euro zu stoßen:

JahrHöhe (in EUR)Stunden (pro Monat)
20158,5052,9
20178,8450,9
20199,1949,0
20209,3548,1
1.1.20219,5047,4
1.7.20219,6046,9
1.1.20229,8245,8
1.7.202210,4543,1

Ziel: 10-Stunden-Woche

Mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro würden ab Oktober 2022 schon 37,5 Monatsstunden reichen, um auf 450 Euro zu kommen. Deswegen plant das BMAS eine gleichzeitige Erhöhung der Minijobgrenze auf 520 Euro. Das bedeutet, dass dann 43,3 Stunden, also ziemlich genau eine 10-Stunden-Woche, reichen, um die Obergrenze zu erreichen, also in etwa so viel wie im Juli 2022, aber weniger als Anfang 2022. Um auf die 52,9 Stunden wie 2015 zu kommen, bräuchte es eine Obergrenze von 635 Euro.

Auch Midijobs betroffen

Gleichzeitig, so der Plan, wird auch die Obergrenze für Midijobs von 1300 Euro auf 1600 Euro steigen. In diesem Übergangsbereich (früher: Gleitzone) steigt der Arbeitnehmerbeitrag für die Sozialversicherung von ca. 10 % linear auf den vollen Anteil von ca. 20 % an. Der Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung bleibt unverändert bei ca. 20 %.

Dynamisierung

Zu vermuten ist, dass die Obergrenze für Minijob und Übergangsbereich an die Höhe des Mindestlohns gekoppelt und damit dynamisiert wird.

Damit würde eine Vorgabe des Koalitionsvertrags erfüllt: „Bei den Mini- und Midi-Jobs werden wir Verbesserungen vornehmen: Hürden, die eine Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung erschweren, wollen wir abbauen. Wir erhöhen die Midi-JobGrenze auf 1.600 Euro. Künftig orientiert sich die Minijob-Grenze an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Sie wird dementsprechend mit Anhebung des Mindestlohns auf 520 Euro erhöht. Gleichzeitig werden wir verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden. Die Einhaltung des geltenden Arbeitsrechts bei Mini-Jobs werden wir stärker kontrollieren.

Abbau von Hürden?

Allerdings kann von einem „Abbau von Hürden bei der Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung“ nicht wirklich die Rede sein kann, solange so ein bürokratisches Berechnungsmonster weiter existiert.

Gewerkschafts-Forderungen

Die Gewerkschaften fordern schon länger für Minijobber*innen einen besseren Schutz vor Arbeitslosigkeit und Anspruch auf Krankengeld. Auch müsse der Minijob mehr für die Rente bringen. Daher sollten Minijobs ausnahmslos rentenversicherungspflichtig werden. Der DGB will, dass hier der volle Sozialversicherungsbeitrag durch den Arbeitgeber übernommen wird. Arbeitnehmer können dann mit steigendem Bruttolohn schrittweise bis zur Parität an der Finanzierung beteiligt werden. Nur so könnten Hürden für die Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung abgebaut werden und verhindert werden, dass Minijobs weiterhin zur Teilzeit- und Armutsfalle für Frauen würden.

Erster Anlauf schon 2019

Einen Anlauf zur Anhebung und Dynamisierung der Minijob-Grenze war schon 2019 im Gespräch. Damals gab es dazu Länderinitiativen und sogar ein Eckpunktepapier des damaligen Wirtschaftsministers Altmeier im Rahmen des Bürokratieentlastungsgesetzes.

Quellen: SOLEX, RND FOKUS-Sozialrecht

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