Mit Kinderrechten in die Zukunft

Ziemlich genau vor fünf Jahren erschien hier ein Artikel mit dem Titel „20. September – Kampftag für Klima und Kinderrechte“ Es ging um den globale Klimastreik von Fridays For Future und um den am gleichen Tag stattfindenden Weltkindertag. Das war 2019.

Weltkindertag

Am 20. September 2024 fallen wieder beide Ereignisse auf den gleichen Tag. Der Weltkindertag steht dieses Jahr unter dem Motto: „Mit Kinderrechten in die Zukunft“. Auch vor fünf Jahren wurden in dem damaligen FOKUS-Sozialrecht-Beitrag die Kinderrechte thematisiert, sowohl die Uno-Kinderrechtskonvention, als auch die Bemühungen, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Obwohl dieses Ziel auch ausdrücklich in der Koalitionsvereinbarung der Ampelregierung verankert wurde, ist die Umsetzung bis heute nicht gelungen.

UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk fordern zum 70. Geburtstag dieses Tages, dass die Politik ihre Prioritäten verstärkt auf Kinder ausrichten muss. Denn jeder junge Mensch ist eine große Chance für die Zukunft unserer Gesellschaft. Und es ist das Recht jedes Kindes, sich gut zu entwickeln und sein Leben gestalten zu können – ganz gleich, woher es kommt oder welchen Aufenthaltsstatus es hat. In Kinder zu investieren, ist gerade jetzt notwendig, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Gleichzeitig gilt es, die Kinder- und Menschenrechte als demokratische Gesellschaft gegenüber jeglicher Form von Diskriminierung zu verteidigen.

Zum Weltkindertag werden auch in diesem Jahr wieder bundesweit in vielen Städten und Gemeinden Demonstrationen, Feste und andere Veranstaltungen mit bunten Straßenaktionen für Kinder und Familien stattfinden. Zahlreiche Vereine und Initiativen machen so auf die Lage von Kindern und Jugendlichen aufmerksam.

Kinder sind besonders bedroht

Unicef machte in der Vergangenheit schon mehrfach deutlich, dass die drohende Klimakatastrophe gerade Kinder besonders bedroht. Kinder und Jugendliche seien am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich, leiden allerdings am häufigsten unter seinen Auswirkungen. 530 Millionen Kinder leben in Regionen, die von Überschwemmungen betroffen sind, vor allem in Afrika und Asien. Die Klimaveränderungen und die dadurch ausgelösten Wetterbedingungen trügen zur Ausbreitung von Malaria, Durchfallerkrankungen und Mangelernährung bei.

Stürme, Tsunamis, Überschwemmungen und Erdrutsche zerstören Häuser und Straßen. Dadurch gibt es oft kein sauberes Wasser und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen. Weil Schulen verwüstet oder schwer beschädigt werden, können Kinder und Jugendliche oft monatelang nicht zur Schule gehen. Fast 160 Millionen Kinder leben in Gegenden, die von extremer Dürre bedroht ist, vor allem in Afrika und Asien. Das Bohren von Brunnen wird aufwändiger, weil der Grundwasserspiegel immer tiefer absinkt oder das Wasser mit Schadstoffen belastet ist. Dürren führen zu Missernten und steigenden Preisen für Lebensmittel.

Globaler Klimastreik

Beim globale Klimastreik am 20.September wird unter anderem an die vor fünf Jahren von Fridays For Future formulierten Forderungen erinnert:

  • Nettonull 2035 erreichen
  • Kohleausstieg bis 2030
  • 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035
  • Das Ende der Subventionen für fossile Energieträger
  • 1/4 der Kohlekraft abschalten
  • Eine CO2-Steuer auf alle Treibhausgasemissionen. Der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen muss schnell so hoch werden wie die Kosten, die dadurch uns und zukünftigen Generationen entstehen. Laut UBA sind das 180€ pro Tonne CO2.

Alle Forderungen sind nach einer Machbarkeitsstudie von 2020 des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie technisch umsetzbar.

Verfassungsgerichtsurteil wird ignoriert

Die Klimapolitik der Bundesregierung bedroht die Freiheitsrechte vor allem von Kindern und Jugendlichen. Wird hier nicht erheblich nachgebessert, droht ab 2030 eine unverhältnismäßig große Belastung der jüngeren Generationen, weil dann nur unter massiven Einschränkungen der Freiheitsrechte das Schlimmste verhindert werden kann. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 29. April 2021. Trotz dieses Urteils wird der Schutz der natürlichen Umwelt und damit der existenzielle Schutz der nachfolgenden Generationen auf der politischen Agenda immer wieder aufgrund wichtiger erscheinender Themen nach hinten gedrängt.

Kampftag für Klima und Kinderrechte

Um so wichtiger ist es, am 20. September gemeinsam wieder ein Zeichen zu setzen für effektiven Klimaschutz und damit auch dafür, die Lebensgrundlagen für die Kinder zu erhalten.

Quellen: FOKUS-Sozialrecht, Unicef, Deutsches Kinderhilfswerk, Fridays For Future, Wuppertal-Institut, Bundesverfassungsgericht

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Kinderkommission zum Internationaler Kindertag 2024

Zum Internationalen Kindertag am 1. Juni erinnert die Kinderkommission des Deutschen Bundestages daran, die Kinderrechte endlich im Grundgesetz zu verankern. Sie begrüßt die zahlreichen Aktionen und Spielmöglichkeiten mit Spaß, Unterhaltung und Information.

Geschichte und Bedeutung des Internationalen Kindertages

Der Internationale Kindertag, der am 1. Juni gefeiert wird, hat eine lange und bedeutungsvolle Geschichte. Er wurde erstmals 1925 auf der Genfer Weltkonferenz für das Wohlergehen der Kinder ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Rechte von Kindern weltweit ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Obwohl der Tag in Deutschland kein gesetzlicher Feiertag ist, finden zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen statt, die auf Kinderrechte aufmerksam machen und deren Schutz betonen.

Kinderarmut

Ein zentrales Thema ist die Kinderarmut. Trotz des Wohlstands in vielen Ländern leben Millionen Kinder in Armut, was ihre Bildungschancen und ihre allgemeine Entwicklung erheblich beeinträchtigt. Der Internationale Kindertag bietet eine Plattform, um diese Missstände aufzuzeigen und politische sowie gesellschaftliche Veränderungen zu fordern.

Bildungschancen

Bildungschancen sind ein weiteres wichtiges Anliegen. Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft, und der Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung sollte für alle Kinder selbstverständlich sein. Aktionen an diesem Tag betonen die Notwendigkeit von Chancengleichheit und der Förderung von Bildung für alle Kinder, unabhängig von ihrer sozialen oder wirtschaftlichen Herkunft.

Kinderschutz

Kinderschutz ist ebenfalls ein kritischer Punkt. Kinder müssen vor Missbrauch, Vernachlässigung und Ausbeutung geschützt werden. Der Internationale Kindertag erinnert daran, dass es gemeinsamer Anstrengungen bedarf, um ein sicheres und förderliches Umfeld für alle Kinder zu schaffen.

Auch in der Sozialwirtschaft und in Wohlfahrtsverbänden spielt der Internationale Kindertag eine wichtige Rolle. Er dient als Anlass, um auf die Herausforderungen und Bedürfnisse von Kindern aufmerksam zu machen und gleichzeitig die Bedeutung der Arbeit dieser Einrichtungen zu unterstreichen.

Zwei Tage für die Rechte von Kindern

Deutschland ist weltweit wahrscheinlich das einzige Land das zwei Kindertage im Jahr begeht. Der „Internationale Kindertag“ am 1. Juni wurde in der ehemaligen DDR gefeiert, während seit 1954 in der Bundesrepublik der 20. September als von der UN ins Leben gerufene „Weltkindertag“ begangen wird. Seit der Wiedervereinigung werden in Deutschland deshalb zweimal im Jahr die Anliegen der Kinder besonders in den Blick genommen. Beide Tage sollen die Rechte und Bedürfnisse von Kindern ins öffentliche Bewusstsein und Handeln rücken.

Der Internationale Kindertag ist also weit mehr als nur ein symbolischer Tag – er ist ein wichtiger Meilenstein im Kampf für die Rechte und das Wohlergehen der Kinder weltweit.

Quellen: www.bundestag.de, augsburger-allgemeine.de

Kinderrechte ins Grundgesetz – die unerfüllte Mission

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, am 23. Mai 1949 in Kraft getreten, feiert seinen 75. Geburtstag. Ein Meilenstein der deutschen Geschichte, der die Werte von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verankert. Doch es gibt einen Schatten, der über diesem Jubiläum liegt: die fehlende explizite Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.

Vergangene Anstrengungen zur Verankerung der Kinderrechte

Die Forderung nach einer Aufnahme der Kinderrechte in unsere Verfassung hat eine lange Vorgeschichte. Insbesondere seit der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1992 wird eine stete Diskussion um die mögliche Aufnahme spezifischer Kindergrundrechte in das Grundgesetz geführt. Auch die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte setzt sich seit ihrer Einrichtung 2015 für diese Grundgesetzerweiterung ein. Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat wiederholt entsprechende Empfehlungen an Deutschland gerichtet.

Im Januar 2021 unternahm die damalige Bundesregierung einen erneuten Anlauf, indem sie einen Gesetzentwurf vorlegte, der die Kinderrechte in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes verankern sollte. Trotz der Bemühungen scheiterte dieser Versuch an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Auch die aktuelle Regierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Kinderrechte i Grundgesetz zu verankern – zumindest ist dies dem Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode zu entnehmen. Auf Seite 77 ist dort zu lesen:

„Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Dafür werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen und zugleich das Monitoring zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausbauen.“

Geschehen ist das bisher nicht.

Warum die Aufnahme bisher scheiterte

Die Gründe für das Scheitern sind vielschichtig. Kritiker befürchten, dass eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz zu Widersprüchen und Überschneidungen mit bestehenden Artikeln führen könnte. Als Argument wird dabei angeführt, dass die allgemeinen Grundrechte des Grundgesetzes – etwa die Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder das Diskriminierungsverbot – auch Kindern zugutekämen und daher eine zusätzliche Verankerung der Kinderrechte nicht notwendig bzw. eben zu Überschneidungen führen könnte.

Insbesondere besteht auch die Sorge, dass eine explizite Verankerung der Kinderrechte das im Grundgesetz festgeschriebene Elternrecht einschränken könnte.

Was wären die Vorteile einer Verankerung?

Durch den Beitritt zur UN-Kinderrechtskonvention hat sich Deutschland dazu verpflichtet, die darin verankerten umfassende Rechte von Kindern und Jugendlichen umzusetzen. Die Konvention bietet einen umfassenden Rahmen für den Schutz von Kindern. Sie legt fest, dass Kinder das Recht auf Leben, Gesundheit, Bildung, Schutz vor Ausbeutung und Diskriminierung haben. Sie betont auch die Bedeutung der Beteiligung von Kindern an Entscheidungen, die sie betreffen.

Allerdings sind die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention im deutschen Recht noch nicht vollständig verankert. Eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz würde diese Lücke schließen. Es würde unterstreichen, dass Deutschland die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern anerkennt und ihre Interessen zum Maßstab des Handelns macht.

Eine explizite Verankerung im Grundgesetz würde

  • den Schutz von Kindern stärken und sie als eigenständige Rechtssubjekte anerkennen,
  • die Rechtsdurchsetzung im Bereich des Kinderschutzes verbessern, da Gerichte und Behörden sich explizit an den Kinderrechten orientieren müssten,
  • die Beteiligung von Kindern an Entscheidungen, die sie betreffen, fördern.

Zudem hätte die Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz eine starke Signalwirkung an die gesamte Gesellschaft, dass Kinderrechte ernst genommen werden.

Vor allem aber wäre es ein Geschenk an die junge Generation und zugleich ein Ausdruck unseres Selbstverständnisses als moderner, kinderfreundlicher Rechtsstaat.

Quellen: BMFSJ, Deutsches Institut für Menschenrechte, Wissenschaftlicher Dienst Deutscher Bundestag

Abbildung: Adobe Stock, 216506289, Urheber: Azazello

Petitionen zu Kinderrechten

Bis kurz vor der letzten Bundestagswahl gab es hier mehrere Artikel zum Thema Kinderrechte ins Grundgesetz (hier, hier, hier, hier und hier). Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wird ausdrücklich die Absicht verkündet, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Das stand allerdings auch schon im Koalitionsvertrag der letzten Merkel-Regierung.

Eine Grundgesetzänderung braucht eine Zweidrittel-Mehrheit und die kommt seit Jahren nicht zustande, weil man sich bislang nicht auf gemeinsame Formulierungen einigen konnte.

Einige dafür, eine dagegen

Jetzt wurden im Bundestag Petitionen beraten, die die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz befürworten und eine Petition, die dies verhindern will.

Petition angenommen

Mit den Stimmen aller Fraktionen – mit Ausnahme der AfD-Fraktion – verabschiedete der Ausschuss die Beschlussempfehlung an den Bundestag, eine öffentliche Petition (ID 95231) mit der Forderung, das Kindeswohl verfassungsrechtlich zu garantieren und Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz mit dem Zusatz „Das Wohl des Kindes steht im Vordergrund.“ zu ergänzen, dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) sowie dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) „als Material“ zu überweisen und sie den Fraktionen zur Kenntnis zu geben.

Orientierung an der UN-Kinderrechtskonvention

„Kinder sollen nicht nur als Rechtsobjekte angesehen werden, sondern auch als Rechtssubjekte mit eigenen Rechten, die sowohl von Erziehungsberechtigten als auch von Behörden vorrangig zu beachten sind“, heißt es in der Petition. Eine erste Orientierung könne die UN-Kinderrechtskonvention bieten, die von der Bundesrepublik Deutschland bereits im Jahr 1992 ratifiziert worden sei, schreibt der Petent. Zu den Kinderrechten gehören seiner Aussage nach der Schutz vor Diskriminierung, Ausbeutung und Gewalt sowie der ungehinderte Zugang zu Nahrung, Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Auch gehörten das Recht auf Erziehung, Bildung und Ausbildung ebenso wie das Recht auf Partizipation in Schule und Gesellschaft zu den Kinderrechten. Aufgeführt wird des Weiteren das Recht der Kinder auf Mitsprache in allen Angelegenheiten, die ihr seelisches, geistiges und körperliches Wohlergehen betreffen, sowie grundsätzlich das Recht zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit.

Petition verworfen

Petition verworfenDen Abschluss des Petitionsverfahrens sieht die mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke verabschiedete Beschlussempfehlung zu einer weiteren öffentlichen Petition (ID 104010) vor, in der die Ablehnung einer Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz gefordert wird.

Grundgesetz schützt Kinder schon

Aus Sicht der Petentin gibt es keine verfassungsrechtliche Schutzlücke. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits in einem Beschluss im Jahr 1968 festgehalten, dass das Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) sei, heißt es in der Eingabe. Somit schütze das Grundgesetz Kinder bereits heute in vorbildlicher Weise. Der Begriff „Kinderrechte“ lasse zudem offen, wie diese Rechte genau definiert werden, wird kritisiert. Dies berge die Gefahr, dass die Politik künftig eigene Ziele, die Kinder betreffen, zu einem Kinderrecht erklären könnte. Denkbar seien beispielsweise die Einführung einer „Kindergartenpflicht“ oder gar einer „Krippenpflicht“ gestützt auf ein kindliches Recht auf Bildung. Hingegen sei es vermutlich im Sinne der Verfasser des Grundgesetzes gewesen, zukünftig Generationen vor dem Verlust von Freiheitsrechten zu schützen, schreibt die Petentin.

Verweis auf Koalitionsvertrag

In den Begründungen des Petitionsausschusses zu den beiden Beschlussempfehlungen wird jeweils auf den Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP für die 20. Legislaturperiode verwiesen, in dem vereinbart worden sei, die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern und sich dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention zu orientieren. Die konkrete Ausgestaltung, so heißt es, bleibe abzuwarten.

Angesichts dessen hält die Ausschussmehrheit die erst genannte Eingabe für geeignet, in die diesbezüglichen Diskussionen und politischen Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden, während sie sich dem mit der zweiten Petition verfolgten Anliegen nicht anzuschließen vermag.

Quellen: Bundestag-Petitionsausschuss, FOKUS-Sozialrecht

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Wie ein Friedensnobelpreisträger Kinder- und Menschenrechte verletzt

2012 erhielt die Europäische Union den Friedensnobelpreis. Das Nobelkomitee in Oslo erklärte damals, die EU habe aus einem Kontinent des Krieges einen Kontinent des Friedens gemacht. Ich kann mich erinnern, dass ich damals sogar ein wenig stolz war, ein kleines bißchen Nobelpreisträger zu sein.

Menschenverachtendes Gesicht

Seitdem hat die EU vielfach bewiesen, dass selten ein Nobelpreis dermaßen zu Unrecht vegeben wurde wie 2012. Die EU hat vor allem an ihren Außengrenzen ihr menschenverachtendes Gesicht gezeigt. Tausende Ertrunkene im Mittelmeer gehen auf das Konto der EU, gezielte Pushbacks an den Grenzen in Griechenland, Kroatien und jetzt Polen gehen auf das Konto der Wiege des christlichen Abendlands.

Vertuschen und Verharmlosen

Asylsuchende werden auf ihrem Weg nach Norden systematisch verprügelt, misshandelt, bestohlen, gedemütigt und gewaltsam zurückgestoßen. Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex sieht tatenlos zu, wie Boote oder Rettungsflöße mit Seilen weiter aufs Meer gezogen, die Geflüchteten mit Waffen bedroht und beschossen werden. Hunderte solcher Fälle sind dokumentiert. Natürlich ist das alles illegal, wird aber nicht weiter verfolgt. Statt dessen versuchen die europäischen Regierungen, die Vorfälle zu vertuschen oder sie als Einzelfälle zu verharmlosen.

Verbrechen sollen legalisiert werden

Bis jetzt wurden diese Verbrechen zwar geduldet, gelten aber immer noch als illegal. Nun hat Polen allerdings im Oktober die Pushbacks offiziell legalisiert. Dies verstößt zwar gegen EU-Recht, wird aber hingenommen. Innenminister Horst Seehofer findet das polnische Vorgehen „zutiefst europäisch“.

Um die Genfer Flüchtlingskonvention weiter systematisch auszuhöhlen haben 12 EU-Mitgliedstaaten (Österreich, Dänemark, Ungarn, Polen, Griechenland, Tschechien, Zypern, Estland, Lettland, Litauen, Slowakien, Bulgarien) die EU aufgefordert, die Regeln „an die neue Realität“ anzupassen. Sie fordern zum Beispiel den Bau von Mauern (Trump lässt grüßen) und die Legalisierung von Pushbacks. Schließlich sei man im Krieg und Flüchtlinge seien die Waffen. Damit ist die Entmenschlichung der Flüchtlinge perfekt.

Menschen in auswegloser Situation

Was gerade an der belarussischen – polnischen Grenze passiert, sind massive Menschenrechtsverletzungen unter denen auch viele Kinder und Familien leiden müssen. Dort campieren tausende Menschen obdachlos in einem Waldgebiet trotz der stetig fallenden Temperaturen. Der Zugang zu sanitären Anlagen, Lebensmitteln oder medizinischer Versorgung ist faktisch nicht vorhanden und wird nur durch das Engagement der Zivilgesellschaft und engagierter Bürger:innen ermöglicht. Die betroffenen Geflüchteten, unter ihnen viele Kinder und Jugendliche, befinden sich in einer ausweglosen Situation: Sie können nicht in die EU einreisen und gleichzeitig ist ihnen der Weg durch Belarus versperrt.

Appell an Bundesregierung und EU

Gegen diese Kinderrechts- und Menschenrechtsverletzung fordert ein Bündnis von 27 Organisationen die Bundesregierung und die EU-Kommission auf, die Rechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen endlich zu beenden. Statt Abschottung und rechtswidrigen Pushbacks fordern die unterzeichnenden Organisationen humanitäre Unterstützung und insbesondere Zugang zu einem fairen Asylverfahren in Europa! Dies gilt nicht nur für die belarussisch-polnische Grenze, sondern für alle EU-Außengrenzen.

Extrem besorgt

Die unterzeichnenden Organisationen sind extrem besorgt hinsichtlich des europa- und völkerrechtswidrigen Vorgehens der EU-Mitgliedstaaten bei Grenzübertritten. Gewaltsame Pushbacks, wie sie von Kroatien seit Jahren straflos praktiziert werden, sind auch in Polen zur gut dokumentierten Praxis des Grenzschutzes geworden. Menschen werden im Grenzgebiet aufgespürt und ohne individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs oder ihrer Einreisegründe unter Zwang vor die europäischen Außengrenzen zurückgebracht. Eine klare Verurteilung dieses Vorgehens durch die EU Kommission und andere Mitgliedstaaten – wie etwa Deutschland – fehlt. Und inzwischen werden schutzsuchende Menschen sogar in Herkunftsstaaten wie den Irak zurückgebracht, ohne vorher zu prüfen, ob sie dort Verfolgung oder sonstigen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung und die EU-Kommission deshalb auf:

  1. Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen die betroffenen Menschen, allen voran Kinder und Familien, aus den entsprechenden Regionen evakuieren und auf die EU-Staaten umverteilen.
  2. Die Praxis der Push-Backs muss sofort unterbunden und der Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren sichergestellt werden. Mitgliedstaaten, die sich dem verweigern, müssen sanktioniert werden.
  3. Den betroffenen Menschen, insbesondere Kindern und Familien, in den Grenzregionen müssen umgehend ein festes Dach über dem Kopf, eine regelmäßige Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung sowie Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährt werden.

und der Außenminister?

Was sagt eigentlich Heiko Maas, Noch-Außenminister dazu? Man müsse mit dem Asylrecht halt „konstruktiv“ umgehen. Ob nicht den Menschen an der polnischen Grenze ihr Grundrecht auf Asyl verwehrt werde? Heiko Maas: „Na ja.“

Es wird Zeit, dass die EU ihren Friednsnobelpreis zurückgibt.

Quellen: Paritätischer Gesamtverband, Spiegel vom 23.11.2021 , Spiegel vom 8.12.2020, Süddeutsche vom 6.2.2021, Telepolis vom 23.11.2021

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(Keine) Kinderrechte im GG

Ist das Wohl des Kindes angemessen, maßgeblich, oder vorrangig zu berücksichtigen? An dieser Streitfrage scheiterte jetzt wohl ein weiteres ehrgeiziges Ziel der Großen Koalition: die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.

In der UN-Kinderrechtskonvention lautet Artikel 3 Absatz 1:

„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“

Die UN-Kinderrechtskonvention hat in Deutschland die Geltung eines Bundesgesetzes. Da stellt sich die Frage, warum das Grundgesetz hinter der UN-Kinderrechtskonvention zurückbleiben soll.

In der EU Grundrechtecharta lautet Artikel 24 – Rechte des Kindes Absatz 2:

„Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.“

Warum dann nur „angemessen“?

CDU/CSU und das konservative Lager fürchten eine Schwächung der Elternrechte. Sie möchten nicht, dass das grundgesetzlich verankerte Dreiecksverhältnis von Kindern, Eltern und Staat angetastet wird. Dies wäre der Fall, wenn die Interessen der Kinder vorrangig berücksichtigt werden.

Allerdings hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen festgestellt, dass das Elternrecht im Grundgesetz kein Recht am Kind ist, sondern ein Pflicht-Recht der Eltern zum Wohle des Kindes (u.a.: 1 BvR 1620/04, 01.04.2008).

Kinderrechte stärken ohne die Elternrechte zu schwächen

Es geht bei einer Verankerung der Kinderrechte nicht darum, die Elternrechte zu schwächen, sondern es geht darum, die Kinderrechte zu stärken. Im Gegenteil erhalten Eltern durch die Einführung der Kindergrundrechte bessere Möglichkeiten, die Rechte ihrer Kinder gegenüber staatlichen Einrichtungen durchzusetzen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte sich auf die „angemessen“-Lösung eingelassen, obwohl die SPD eigentlich auch für „vorrangig“ war. Man wollte zu Potte kommen.

Keine Zweidrittel-Mehrheit

Für eine Grundgesetzänderung braucht man aber eine Zweidrittel-Mehrheit. Das war nicht so einfach. Die AfD wollte gar keine Änderung, die FDP sah die Kinderrechte im Grundgesetz eigentlich schon geschützt und beklagt mangelnde konstruktive Vorschläge. Die Linksfraktion hatte schon 2019 einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, in der das Wohl des Kindes einfach nur zu berücksichtigen sein. Das Wörtchen „angemessen“ taucht einen Satz später auf, wenn es um eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei allen staatlichen Entscheidungen, die sie betreffen, geht.

Grüne und das Aktionsbündnis Kinderrechte, ein Zusammenschluss von Kinderrechtsverbänden wie dem Kinderschutzbund und dem Deutschen Kinderhilfswerk, bemängelt, es fehle der Anspruch auf kindliche Beteiligung. Statt „angemessen“ wollen sie das Kindeswohl „vorrangig“ berücksichtigt sehen.

Kaugummibegriff

„Angemessen“ ist ein sehr dehnbarer Begriff, der spätestens seit der Diskussion um das Bundesteilhabegesetz als Kaugummibegriff berüchtigt ist. Hier ging es um die „angemessene“ Berücksichtigung von Wünschen, wenn es um die Frage nach dem Wohnort von Menschen mit Behinderung geht: Ist die eigene WG zu teuer, ist sie halt nicht angemessen.

Zudem befürchtet man, dass mit diesem Begriff sogar eine Verschlechterung der Situaton der Kinderrecht einhergehen könnte. Welche Rolle das Kindeswohl nach der Grundgesetzänderung tatsächlich für „staatliches Handeln“ spielen würde, hinge am Ende davon ab, wie Gerichte, Jugendämter und andere Behörden „angemessen“ definieren. Zugespitzt könnte man sagen: In der geplanten Form öffne die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz willkürlichen Entscheidungen zulasten der Kinder Tür und Tor.

Maßgeblich

Die Grünen brachten einen weiteren Begriff ins Spiel. Die Vorstellung, dass Eltern automatisch immer das Richtige und Gute für ihre Kinder machten, entspreche nicht der Realität. Es entspreche auch nicht der Realität, dass der Staat, wenn er die Kinderrechte nicht maßgeblich berücksichtigen muss, automatisch das Richtige für die Kinder tue.

Aber auch mit „maßgeblich“ konnten die Sorgen der Konservativen nicht aus dem Weg geräumt werden. Somit ist das Vorhaben also gescheitert. Ob die Zusammensetzung des neuen Bundestags ab Herbst noch mal eine Chance eröffnet, zwei Drittel für eine vernünftige Lösung zusammen zu bekommen, ist fraglich.

Quellen: Tagesschau, Deutschlandfunk, Kinderrechte-ins-Grundgesetz

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Lieferketten und Kinderrechte

Am 17. Mai fand eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über ein „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ statt.

Ziel

Die Bundesregierung will Unternehmen verpflichten, menschenrechtliche Standards in all ihren globalen Produktionsstätten einzuhalten. Die Verantwortung der Unternehmen soll sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten sollen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer sollen einbezogen werden, sobald das Unternehmen über substanzielle Kenntnisse von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene verfügt. Die Unternehmen werden verpflichtet, eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchzuführen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten.

Freiwillige Selbstverpflichtung reicht nicht

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Bedeutung der Unternehmensverantwortung bei transnationalen Aktivitäten stetig gestiegen. 2011 hat die Weltgemeinschaft mit den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte erstmals einen globalen Verhaltensstandard für Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte in Lieferketten geschaffen. Die dort verankerten, rechtlich nicht bindenden Sorgfaltspflichten auf dem Gebiet der Menschenrechte sind in die wesentlichen Rahmenwerke der ILO und der OECD zur verantwortungsvollen Unternehmensführung eingeflossen. Gleichzeitig bilden sie die Grundlage für den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und
Menschenrechte (Nationaler Aktionsplan), den die Bundesregierung 2016 beschlossen hat. Im Zuge der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans ist deutlich geworden, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreicht, damit Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt angemessen nachkommen. Deshalb ist eine gesetzliche Verankerung mit behördlichen Durchsetzungsmechanismen geboten.

Nur Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten

Das Lieferkettengesetz sieht vor, ab 2023 Unternehmen ab 3000 Beschäftigten zu verpflichten, menschenrechtliche Risiken in ihren Lieferketten zu analysieren, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten. Der Anwendungsbereich soll dabei schrittweise auf Unternehmen ab 1000 Beschäftigten ausgeweitet werden.

Nicht die ganze Lieferkette betroffen

Der aktuelle Regierungsentwurf verpflichtet Großunternehmen lediglich dazu, menschenrechtliche Risiken in ihren eigenen Betrieben und bei ihren direkten Zulieferern zu bewerten und auf solche Risiken zu reagieren. Bei Zulieferern, die weiter unten in der Lieferkette angesiedelt sind, sieht das Gesetz vor, dass Unternehmen nur eine „anlassbezogene“ menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung durchführen müssen, sobald sie „substantiierte Kenntnisse“ von potenziellen Menschenrechtsverletzungen haben. Damit fällt der Entwurf hinter die Empfehlungen der EU-Kommission zur Sorgfalts- und Rechenschaftspflicht für Unternehmen zurück, in denen auch die Berücksichtigung branchenspezifischer Leitlinien gefordert wird.

Kinderarbeit am Beginn der Kette

Unicef und andere Kinderrechtsorganisationen (Kindernothilfe, Plan International Deutschland, Save the Children) betonen in einem gemeinsamen Appell, die Größe eines Unternehmens sei nicht in jedem Fall aussagekräftig. Auch kleinere Unternehmen in Risikobranchen, wie dem Textilsektor oder in der Landwirtschaft, können zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden beitragen. Daher ist aus kinderrechtlicher Sicht ein risikobasierter Ansatz zielführender als die ausschließliche Konzentration auf die Größe der Unternehmen.

Die meisten der Rechtsverletzungen, darunter auch Kinderarbeit, finden am Beginn der Wertschöpfungskette statt, wie in Minen und in der Landwirtschaft. Deshalb sollte ein Sorgfaltspflichtengesetz den gesamten Lebenszyklus eines Produkts oder einer Dienstleistung und deren umfassende Wertschöpfung einbeziehen.

Quelle: Bundestag, Unicef

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Kinderrechte im Grundgesetz

Heute (27.1.2021) hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf beschlossen, mit dem Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden.

Ergänzt wird Artikel 6 Absatz 2. Er lautet zurzeit:

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Angefügt werden sollen die Sätze:

Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.

Diskussionsprozess

Vorausgegangen ist dem Gesetzentwurf ein breit angelegter Diskussionsprozess, über den hier mehrfach berichtet wurde:

Vier Elemente

Die angestrebte Gesetzesänderung enthält vier Elemente:

  • Der Entwurf stellt klar, dass Kinder Träger von Grundrechten sind, die zu achten und zu schützen sind. Dies umfasst insbesondere das Recht der Kinder, sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu entwickeln.
  • Das Kindeswohl ist angemessen zu berücksichtigen. Damit wird das Kindeswohlprinzip auf Verfassungsebene verankert. Gleichwohl wird durch die Formulierung „angemessen“ sichergestellt, dass auch die Interessen anderer Grundrechtsträger berücksichtigt werden, indem diese gegebenenfalls widerstreitende Interessen mit dem Kindeswohl in einen verhältnismäßigen Einklang zu bringen sind.
  • Des Weiteren wird der Anspruch auf rechtliches Gehör bekräftigt. Denn das Kindeswohl kann bei Entscheidungen nur dann angemessen berücksichtigt werden, wenn vorher ermittelt wurde, wie die konkreten Interessen des betroffenen Kindes aussehen.
  • Weder an der Erstverantwortung der Eltern noch am staatlichen Wächteramt bei Gefährdungen des Kindeswohls – die beide schon im Grundgesetz geregelt sind – ändert der Gesetzentwurf etwas.

UN-Kinderrechtskonvention

Die Bundesregierung stellt bei der neuen Formulierung einen Bezug zur UN-Kinderrechtskonvention her. Der nun vorliegende Regelungstext greift die Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention, insbesondere aus den Artikeln 3 und 12 UN-Kinderrechtskonvention, aber nur unzureichend auf. Damit besteht die Gefahr, dass nationales Recht hinter das völkerrechtlich vereinbarte Recht der UN-Kinderrechtskonvention sowie hinter die geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückfällt.

angemessen – vorrangig

Nach dem Gesetzentwurf soll das Kindeswohl „angemessen“ zu berücksichtigen sein, während das Kindeswohl nach Art. 3 Abs. 1 UN-KRK als „vorrangig“ zu berücksichtigen gilt. Würde das Kindeswohl bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, als vorrangig berücksichtigt, wären Verantwortliche in Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen verpflichtet, Erwägungen im Sinne des Kindeswohls immer zuerst in den Blick zu nehmen und bei allen Entscheidungen und Handlungen zu berücksichtigen. Andere Interessen würden nicht automatisch dahinter zurückgestellt, es müsste aber genau begründet werden, wenn sie das Kindeswohl beieinträchtigen könnten.
Die Begründung der Bundesregierung für das Wort „angemessen“, die getroffene Wortwahl füge sich besser in die Sprache des Grundgesetzes ein, klingt nicht besonders überzeugend. 

rechtliches Gehör

Die in Artikel 12 UN-Kinderrechtskonvention ebenfalls geregelte Berücksichtigung der Meinung des Kindes wird nicht aufgegriffen. Der Artikel sieht eine weitergehende Beteiligungsmöglichkeit als nur einen Anspruch auf rechtliches Gehör vor, indem die Kinder alters- und reifeangemessen in allen sie berührenden Angelegenheiten beteiligt werden sollen. Zudem schließt Art. 12 UN-KRK andere Angelegenheiten ein, die für ein Kind oder Gruppen von Kindern von Bedeutung sein können. Im Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 14.10.2019 findet man die Formulierung: „Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte betreffen, einen Anspruch auf Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“ Dies würde den Ansprüchen der UN-Kinderrechtskonvention eher genügen.

Elternrechte

Im Grunde bedeutet der Satz: „Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“ nichts anderes als der schon in Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 stehenden Formulierung, ist also überflüssig. Die Bundesregierung hat die Elternrechte damit dennoch noch einmal betont, weil, wie sie mitteilt, ein Kernanliegen dieser Grundgesetzänderung sei, das Elternrecht und die Elternverantwortung nicht zu beschränken.
Bei dem Anliegen der Initiativen, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, war jedoch nicht der Schutz und die Stärkung der Elternrechte im Fokus, sondern die Beteiligungsrechte und die Rolle von Kindern und Jugendlichen als handelnde Subjekte. Es geht nicht darum, das Elternrecht zu schwächen, sondern die Kinderrechte zu stärken.

Quellen: Bundeskabinett, Deutscher Bundesjugendring, Kompetenzzentrum Jugend-Check

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