Impfpflicht durch die Hintertür?

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) gewährt in § 56 Absatz 1 Personen eine finanzielle Entschädigungsleistung, denen von der zuständigen Behörde die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise untersagt bzw. eine Absonderung angeordnet wurde. Ausdrücklich sieht das IfSG von der Gewährung einer Entschädigungsleistung ab, wenn das Tätigkeitsverbot oder die Quarantäneanordnung durch Inanspruchnahme einer öffentlich empfohlenen Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe hätte vermieden werden können.

Ergebnis des Masernschutzgesetz

Dieser Passus, Satz 4 des § 56 Absatz 1, wurde mit dem Masernschutzgesetz am 10.2.2020 in das Infektionsschutzgesetz eingefügt. Es ging dabei offensichtlich – auch wenn der Satz allgemein formuliert ist und eine spezielle Krankheit nicht erwähnt wird – um die Masernimpflicht für Personen, die beispielsweise in Kindertagseinrichtungen und Schulen tätig sind. Ihnen kann die Tätigkeit untersagt werden, wenn sie ohne triftige Gründe keinen Masernimpfschutz nachweisen können. Der eingefügte Satz bedeutet, dass jemand, der seine Quarantäne quasi durch seine Nicht-Impfung selber verursacht hat, dann auch keine Entschädigung verlangen kann.

Ausweitung auf COVID-19

Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hat nun die Anwendung dieser Regelung auf die Covid19-Schutzimpfung ausgeweitet.

In dem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz wird dies damit begründet, dass mittlerweile ausreichende Mengen Impfstoff zur Verfügung stünden, um allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland eine Impfung gegen COVID-19 anbieten zu können. Impfwillige Personen könnten flächendeckend, niedrigschwellig und ohne Wartezeiten eine Impfung gegen COVID-19 erhalten. Personen, für die eine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission vorliege, erhielten nach dem IfSG als Kontaktpersonen oder Reiserückkehrer aus Risikogebieten aufgrund der flächendeckenden Verfügbarkeit von Impfangeboten zukünftig keine Entschädigung auf Kosten der Allgemeinheit, wenn im Falle eines Tätigkeitsverbots bzw. einer Quarantäneanordnung kein vollständiger Impfschutz vorliege. Personen mit vollständigem Impfschutz unterliegen im Übrigen grundsätzlich keiner Quarantänepflicht mehr.

Beschluss der GMK

Der Beschluss lautet daher:

1. Die Länder werden spätestens ab dem 1. November 2021 denjenigen Personen keine Entschädigungsleistungen gemäß § 56 Absatz 1 IfSG mehr gewähren, die als Kontaktpersonen oder als Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet bei einem wegen COVID-19 behördlich angeordneten Tätigkeitsverbot oder behördlich angeordneter Absonderung keine vollständigen Impfschutz mit einem auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts (www.pei.de/impfstoffe/covid-19) gelisteten Impfstoff gegen COVID-19 vor-weisen können, obwohl für sie eine öffentliche Empfehlung für eine Schutzimpfung nach § 20 Absatz 3 IfSG vorliegt.

2. Die Entschädigungsleistung gemäß § 56 Abs. 1 IfSG wird weiterhin Personen gewährt, für die in einem Zeitraum von bis zu acht Wochen vor der Absonderungsanordnung oder des Tätigkeitsverbots keine öffentliche Empfehlung für eine Impfung gegen COVID-19 vorlag. Gleiches gilt, sofern eine medizinische Kontraindikation hinsichtlich der COVID-19-Schutzimpfung durch ärztliches Attest bestätigt wird.

Kritik

Kritisiert wird der Beschluss von den Gewerkschaften und vom VDK. Damit würde Druck auf Ungeimpfte weiter erhöht. Die Verantwortung für den Kampf gegen die Pandemie bei den Beschäftigten abgeladen. Außerdem bedeute die Neuregelung auch, dass Beschäftigte dem Arbeitgeber ihren Impfstatus offenlegen müssten. Die VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte, es gebe immer noch etliche Menschen, die noch nicht über ein Attest bei einer chronischen Erkrankung verfügten, weil es noch keine ausreichende Studienlage gebe. Gerade für die Menschen, die deswegen Sorge hätten, sich impfen zu lassen und kein Attest bekämen, wäre die Existenzgefährdung sehr hart.

Versteckte Pandemie

Auch wurde die Befürchtung geäußert, dass unter Umständen Menschen dann nicht mehr angäben, wenn sie ein positives Testergebnis hätten, sich nicht mehr in Quarantäne begäben und damit wieder zur Gefahr für andere würden. So drohe eine versteckte Pandemie. Notwendiger erster Schritt wäre gewesen, dass am Arbeitsplatz konsequenter getestet werde und 3G-Regeln am Arbeitsplatz eingeführt würden. Bei einer anhaltend niedrigen Impfquote müsse eher an eine Impfpflicht für einzelne Berufsgruppe gedacht werden.

Quellen: Gesundheitministerkonferenz, Tagesschau

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