Die Bereicherung der Schüler

Nutznießer des drei Monate geltenden 9-Euro-Tickets sind auch Schüler aus Hartz IV- Familien. Vielen der Betroffenen wurde das Geld für eine reguläre Schülermonatskarte von um die 40 Euro bereits erstattet. Für die Geltungsdauer des 9-Euro-Tickets wurde diesen Schülern also zu viel gezahlt.

ungerechtfertigte Bereicherung?

Einige Bundesländer wollen dieses Geld nun zurückfordern, weil es sich dabei um eine „un­gerechtfertigte Bereicherung“ handele. Angesichts der zusätzlichen Milliardengewinne der Mineralölkonzrne aufgrund des „Tankrabatts“ klingt diese Begründung ein wenig zynisch.

Appell vom Minister

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat daher reagiert und die Länder aufgefordert, auf Rückzahlungen entsprechender Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu verzichten. Da für die Umsetzung des verbilligten Tickets die Kommunen unter der Rechtsaufsicht der Bundesländer zuständig sind, kann das BMAS hier nur appellieren. 

„kaltherzig, bürokratisch und völlig empathielos“

Auch der Paritätische Gesamtverband zeigt sich empört, dass einige Bundesländer offenbar Rückforderungen von Zuschüssen für Schülerfahrkarten von Familien in Hartz IV vorsehen, sofern sich durch das bundesweite 9-Euro-Ticket Einsparungen ergeben. “Wie kaltherzig, bürokratisch und völlig empathielos hier mit armen Familien umgegangen wird, ist einfach schäbig und eines Sozialstaats unwürdig”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. “Wer wie das baden-württembergische Wirtschaftsministerium im Falle einer Nicht-Rückzahlung von einer ‘ungerechtfertigten Bereicherung’ spricht, hat offenbar jeglichen Bezug zu Realitäten verloren und will offensichtlich Neiddebatten schüren.”

Kosten drei mal so hoch

Laut § 40 Abs. 6 S. 3 SGB II sind im Übrigen Rückforderungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket ausgeschlossen, es sei denn man weist in jedem Einzelfall eine „mißbräuchliche“ Verwendung nach. Der Verwaltungsaufwand wäre erheblich. Die Kosten, die die Jobcenter ausgeben, um zu viel gezahltes Geld einzutreiben, sind bis zu drei mal so hoch wie der zurürckgeforderte Betrag. Dies hat die Redaktion von hartziv.org schon 2019 ausgerechnet. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber.

Quellen: Spiegel, Süddeutsche Zeitung, HartzIV.org, Paritätischer Gesamtverband

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Kinderfreizeitbonus – Nachzahlung für 160.000 Kinder

Der Kinderfreizeitbonus in Höhe von 100 Euro sollte Kindern aus Familien mit k(l)einen Einkommen Ferien- und Freizeitaktivitäten ermöglichen. Der Anspruch auf den Bonus hing davon ab, ob ein Kind im August 2021 Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften SGB bezogen hat oder ob für das Kind Kinderzuschlag oder Wohngeld gezahlt wurde. Der Kinderfreizeitbonus war Teil des Programms „Aufholen nach Corona„.

Rechtsgrundlage

Voraussetzung eines Anspruchs auf den Kinderfreizeitbonus nach § 71 Absatz 2 Satz 1 SGB II ist ein Anspruch von Minderjährigen auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld für August 2021. Bei Bildungs- und Teilhabe-Leistungen handelt es sich nicht um Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld (vgl. § 19 Absatz 1 Satz 3 SGB II). Minderjährige, die für den Monat August 2021 allein wegen ihrer BuT-Bedarfe hilfebedürftig waren und deswegen nur BuT-Leistungen bezogen haben, hätten nach dem Wortlaut des § 71 Absatz 2 SGB II somit keinen Anspruch auf den Kinderfreizeitbonus.

Proteste

Dagegen gab es Proteste von Verbänden und Politiker*innen. Offenbar mit Erfolg. Denn zu den Betroffenen gehörten vielfach Kindern von Alleinerziehenden, wenn der altersabhängige Regelbedarf und die anteiligen Wohnkosten bereits durch Unterhaltsleistungen und Kindergeld gedeckt sind.

Familienministerium lenkt ein

Nachdem die Bundesregierung zunächst Abhilfe abgelehnt hat, hat das Bundesfamilienministerium sich nun anders besonnen. Es stellt klar, dass auch Kinder, die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket beziehen, den Kinderfreizeitbonus erhalten sollen. Eine entsprechende Weisung wurde bereits an die Jobcenter herausgegeben.

Nachzahlung noch im Dezember

Schätzungen zufolge sind rund 160.000 Kinder betroffen. Die Auszahlung an bisher nicht berechtigte Familien soll im Dezember erfolgen. Wer dann immer noch kein Geld erhält, sollte sich an das zuständige Jobcenter wenden und die Nachzahlung so erwirken.

Quellen: hartz4widerspruch.de, Arbeisagentur, FOKUS-Sozialrecht

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Sparen durch Bürokratie?

Seit es das Bildungs- und Teilhabepaket gibt, also seit zehn Jahren, verstummt die Kritik nicht, es sei zu kompliziert und bürokratisch, zu undurchschaubar und komme bei den betroffenen Familien mit Hartz IV-Bezug nicht an, obwohl der Anspruch besteht.

Abschreckung durch Antrag

Auch beim Inkrafttreten des „Starke Familien-Gesetzes“ vor drei Jahren war dies einer der Hauptkritikpunkte. Dabei sollte gerade dieses Gesetz dafür sorgen, dass die Leistungen besser angenommen würden. Viel hat sich nicht geändert. Immer noch weiß ein Großteil der Betroffenen gar nicht, worauf sie Anspruch hätten und wenn sie dann doch den Antrag vor sich liegen haben, schreckt dieser durch seine Unmengen an oft nicht verständlichen Fragen und verlangten Nachweisen ab.

Die Bundesagentur für Arbeit hat nun eine Statistik für das Jahr 2020 veröffentlicht, in welchem Umfang Leitungsberechtigte die Leistungen überhaupt abrufen. Insgesam sind etwa zwei Millionen Kinder unter 15 Jahre leistungsberechtigt, davon erhielten aber nur 55 Prozent Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket.

Beispiele:

  • 7,3 % aller leistungsberechtigten Schüler*innen bekam Geld für einen eintägigen Schulausflug,
  • 11,1 % für Lernförderung (Nachhilfe),
  • 14,7 % Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, z. B. Vereinsbeiträge.

Nur SGB II-Berechtigte in der Statistik

Nicht enthalten in der Statistik der Bundesagentur sind u. a. Daten über leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche aus Familien, die Asylbewerberleistungen, Wohngeld oder den Kinderzuschlag erhalten. Die Bundesagentur für Arbeit weist zudem darauf hin, dass ihre Zahlen aus methodischen Gründen nicht geeignet seien, genaue Inanspruchnahme-Quoten des Bildungs- und Teilhabepakets zu errechnen. Aus Sicht von Experten zeigen sie dennoch eindeutig, dass das Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu viele Kinder nicht erreicht.

Ansprüche eindampfen

Vielleicht hat der Sozialwissenschaftler Stefan Sell recht. Er betreibt den Blog Aktuelle Sozialpolitik und schreibt: „Das komplexe System ist letztendlich nur erklärbar mit der Zielsetzung, die Inanspruchnahme dieser Rechtsanspruchsleistungen einzudampfen und darüber Geld einzusparen.“

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Tagesschau, Monitor

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