BSG-Urteil zur Angemessenheitsfiktion

Das BSG hat mit Urteil vom 14. Dez. 2023 – B4 AS 4/23 R entschieden, dass die Angemessenheitsfiktion der Unterkunfts- und Heizkosten des § 67 Abs. 1 und Abs. 3 SGB II im gesamten Zeitraum aller Bewilligungsabschnitte, die zwischen 03/2020 bis 12/2022 begonnen haben, anzuwenden ist.

Bedarfe für Unterkunft und Heizung

Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hält, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen. Dies gilt allerdings nicht bei einem Umzug. Hier muss vorab eine Zusicherung eingeholt werden vom zuständigen Jobcenter. Bei Fehlen einer Zusicherung werden nur die angemessenen Kosten übernommen.

Sonderregelung aufgrund Corona

Welche Kosten angemessen sind, richtet sich im vorliegenden Fall jedoch nach der aufgrund der Corona-Pandemie geschaffenen Sonderregelung des § 67 Absatz 1 und Absatz 3 SGB II. Diese Regelung ist hier in zeitlicher Hinsicht anwendbar, weil der streitbefangene Bewilligungszeitraum am 1. Februar 2021 und damit innerhalb des von § 67 Absatz 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung ausdrücklich umschriebenen Zeitraums begonnen hat. Auch steht dem nicht entgegen, dass die Kläger bereits vor dem Februar 2021 Leistungen nach dem SGB II bezogen haben. § 67 Absatz 1 und Absatz 3 SGB II erfasst nicht nur erstmalige Bewilligungen, sondern auch Weiterbewilligungszeiträume. Die sich aus § 67 Absatz 3 Satz 1 SGB II ergebende Rechtsfolge der unwiderlegbaren Vermutung, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind, tritt zudem in jedem
Bewilligungszeitraum erneut ein, der innerhalb des in § 67 Absatz 1 SGB II genannten Zeitraums beginnt.

Dies gilt auch, wenn der Leistungsberechtigte während des Leistungsbezugs umgezogen ist. Der Normwortlaut des § 67 Absatz 3 SGB II beschränkt seine
Fiktionswirkung zwar auf § 22 Absatz 1 SGB II. Er erstreckt sich nicht auf § 22 Absatz 4 SGB II. Dies führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Die durch die fehlende Zusicherung bewirkte Begrenzung auf die angemessenen Kosten im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II aktiviert im hier streitbefangenen Zeitraum gerade die Fiktion des § 67 Absatz 3 Satz 1 SGB II.

Kein Hinweis auf Rechtsmissbrauch

Allerdings greift die Fiktionswirkung dann nicht ein, wenn ein Leistungsbezieher
rechtsmissbräuchlich gehandelt hat. Dies kann im vorliegenden Kontext etwa der Fall sein, wenn eine offensichtlich unangemessen teure Wohnung allein deswegen angemietet wurde, um die eigenen Wohnverhältnisse unter Ausnutzung der Corona-Sonderregelung des § 67 Absatz 3 SGB II zu Lasten der Allgemeinheit zu verbessern. Dafür, dass es sich im vorliegenden Fall so verhält, bieten die Feststellungen des Landessozialgerichts indes keine Anhaltspunkte.

Stellungnahme von Tacheles

Harald Thome vom Wuppertaler Verein Tacheles e.V. meint zu dem Urteil, es werfe ein Schlaglicht auf eine heftige Realität. Geltendes Recht sei in einer Vielzahl von Fällen, wenn nicht sogar systematisch, von Jobcentern und Sozialämtern nicht umgesetzt worden. Verschiedene LSG’s, sei es das LSG Niedersachsen-Bremen oder das LSG NRW hätten im Wahn reaktionärer, behördenkonformer Rechtsauslegung die Nichtanwendung der Angemessenheitsfiktion für Umzugsfälle festgestellt. Sie hätten damit in der maßgeblichen Zeit den Boden dafür geschaffen, dass die Jobcenter und Sozialämter das Recht brechen konnten, weil sie diese LSG Entscheidungen im Rücken hatten.

Das BSG habe nun endlich in dem Urteil das Recht klargestellt. Es mache klar, dass die Angemessenheitsfiktion im SGB II und SGB XII gegolten hat und Umzüge innerhalb der „Sozialschutzpaketzeit“ grundsätzlich keiner Zustimmung bedürfte um die tatsächlichen KdU und Heizung zu erhalten, außer sie waren „rechtsmissbräuchlich“.

Quellen: Bundessozialgericht, Tacheles e.V.

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Bürgergeld und Grundsicherung nicht zu hoch

Das ist das Fazit von Dr. Irene Becker in ihrer Expertise im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes über die Entwicklung der Kaufkraft in der Grundsicherung. Die zentrale Aussage ist: „Bürgergeld: Erhöhungen gleichen Kaufkraftverluste in früheren Jahren nicht aus“.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • In den drei Jahren 2021 bis Ende 2023 haben die Leistungsbeziehenden in der Grundsicherung / Bürgergeld massive Kaufkraftverluste erlitten. Besonders gravierend waren die Kaufkraftverluste in den beiden Jahren 2022 und 2023 – auch bei Gegenrechnung der Einmalleistung 2022 und der Energiepreispauschale für Erwerbstätige und Rentner*innen. Trotz der Anpassung mit der Einführung des Bürgergelds um 11,7 % zum 1. Januar 2023 ergibt sich in der Gesamtbetrachtung des Jahres ein massiver Kaufkraftverlust. Zur Vermeidung eines Kaufkraftverlustes hätte der Regelbedarf für eine alleinstehende Person bereits im Januar 2023 bei 527 Euro statt 503 Euro liegen müssen.
    Singlehaushalt
    Die Kaufkraftverluste bewegen sich in der Gesamtsumme bei einem Singlehaushalt auf bis zu 1.012 Euro (diese Summe reduziert sich um 300 Euro Energiepreispauschale als Sonderzahlung im Jahr 2022, sofern Erwerbstätigkeit oder Rentenansprüche vorlagen, also auf 712 Euro).
    Paarhaushalt
    Bei einem Paarhaushalt mit zwei Kindern (über 14 Jahre) summiert sich der Kaufkraftverlust auf bis zu 3.444 Euro (Reduktion wiederum um 300 Euro, sofern Erwerbstätigkeit oder Rentenleistung vorlag; Annahme: nur ein Teil des Haushalts mit entsprechendem Anspruch, da zwei Erwerbstätige und / oder Rentner*innen in der Regel nicht hilfebedürftig sind).
  • Der Anstieg der Regelleistung für eine Erwachsene („Regelbedarfsstufe 1“) zum 1.1.2024 von 502 auf 563 Euro ist – entgegen der Darstellung einiger politischer Akteure – keine exorbitante Steigerung, sondern lediglich eine teilweise Kompensation der bisherigen Kaufkraftverluste und reicht nicht einmal aus, um etwa aufgelaufene Schulden zu begleichen. Für die Leistungsberechtigten ist die Anpassung gleichwohl eine wichtige und spürbare Erleichterung. Der reale Wert der Regelbedarfe übersteigt nunmehr geringfügig den Standard aus 2021.
  • Mit der bestehenden Anpassungsformel im Gesetz droht zum Jahreswechsel 2025 eine Nullrunde bei der nächsten Anpassung und damit ein neuerlicher Kaufkraftverlust.

Forderungen

Der Paritätische leitet daraus folgende Forderungen ab:

  1. Der Regelbedarf muss endlich auf ein armutsfestes Niveau angehoben werden. Nach den jüngsten Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle wäre hierfür ein Regelbedarf von 813 Euro (2024) sachgerecht.
  2. Die Regelbedarfsanpassung in den Jahren zwischen der Neuermittlung der Regelbedarfe muss kurzfristig reformiert werden, damit eine neuerliche Entwertung der Leistungen vermieden werden kann. Dazu muss insbesondere die Anpassung zeitnäher organisiert und im Ergebnis ein Kaufkraftverlust vermieden werden.

Quelle: Paritätischer Gesamtverband

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Verordnung zur Personalbemessung in Krankenhäusern

Die Diskussion um die Personalsituation im Pflegedienst der Krankenhäuser wird seit mehreren Jahrzehnten geführt. Bereits in den achtziger Jahren haben verschiedene Entwicklungen, unter anderem

  • die Zunahme diagnostischer und therapeutischer Verfahren durch den technischen Fortschritt und damit
  • eine Leistungsausweitung in der stationären Pflege,
  • demographische Entwicklungen und ein ständig wachsender Anteil älterer Patienten

dieses Thema in den Mittelpunkt in der sozialpolitischen Auseinandersetzung gerückt.

Verordnung der Bundesregierung

Mit der „Verordnung über die Grundsätze der Personalbedarfsbemessung
in der stationären Krankenpflege (Pflegepersonalbemessungsverordnung – PPBV)“, der der Bundesrat am 26. April 2024 zugestimmt hat, beabsichtigt die Bundesregierung, eine bedarfsgerechte Pflege von Patientinnen und Patienten sicherzustellen und die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte im Krankenhaus zu verbessern. So soll gewährleistet werden, dass auch in Zukunft genügend Fachkräfte im Bereich der Pflege zur Verfügung stehen.

Regelungen zu den folgenden Bereichen:

  • Personalbemessung auf Normalstationen für Erwachsene,
  • Personalbemessung auf Normalstationen für Kinder,
  • Personalbemessung auf Intensivstationen für Kinder,
  • Übermittlung der erhobenen Daten an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK)

Bereits im Jahr 2019 hatten sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Pflegerat und die Gewerkschaft ver.di auf die Einführung des Pflegepersonalbemessungsinstruments PPR 2.0 verständigt und dieses im Jahr 2023 erprobt. Die Ergebnisse der Erprobung flossen in die Verordnung ein.

Bundesrat fordert weitere Maßnahmen

Der Bundesrat hat auf den Inhalt der Verordnung durch mehrere Maßgabe-Änderungsanträge, die vor allem den Anwendungsbereich und die Systematik der Regelungen betreffen, direkt Einfluss genommen.

In einer begleitenden Entschließung bittet er die Bundesregierung zu prüfen, ob die Verordnung nicht auch für Erwachsenen-Intensivstationen gelten müsse, um den Personalbedarf in Krankenhäusern vollständig zu ermitteln. Zudem kritisiert er die beschlossenen Regelungen als nicht ausreichend für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege in Krankenhäusern und fordert schnellstmöglich weitere Maßnahmen, wie z.B. Bürokratieabbau und Steuererleichterungen für Pflegekräfte.

In-Kraft-Treten

Sofern die Bundesregierung mit den Maßgabe-Änderungen des Bundesrates einverstanden ist, tritt die Verordnung zum 1. Juli 2024 in Kraft. In einem späteren Verordnungsverfahren werden Regelungen zum Personalaufbau getroffen. Mit ihnen soll das Ziel der Erfüllung der Soll-Besetzung erreicht werden.

Quellen: Bundesrat, Bundestag

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BAföG im Bundesrat

Der Bundesrat beriet am 26. April 2024 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur 29. Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). In einer Stellungnahme fordert der Bundesrat Nachbesserungen. Mehr zum Entwurf hier.

Studienstarthilfe

Der finanzielle Rahmen der Reform von 150 Millionen Euro, den der Haushaltsausschuss des Bundestages vorgegeben hatte, wurde nicht ausgeschöpft. Es wäre möglich gewesen, die geplante Studienstarthilfe auf alle Studienanfänger auszudehnen, da man davon ausgehen könne, dass jeder, der BAföG beziehe, bedürftig sei. Das Prüfen weiterer Voraussetzungen und Nachweise für die Zahlung der Pauschale koste zusätzlich Geld und Zeit.

Bedarfssätze

Der Bundesrat hält es für erforderlich, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die
Bedarfssätze mindestens auf das Bürgergeld-Niveau anzuheben. Der derzeitige BAföG-Bedarf für Studierende liegt mit 452 Euro deutlich unter dem Grundbedarf beim Bürgergeld in Höhe von 563 Euro. Eine derartige Ungleichbehandlung ist nicht zu rechtfertigen. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten sollten bei den Bedarfssätzen berücksichtigt werden, damit das BaföG existenzsichernd ausgestaltet ist.

Flexibilitätssemester

Die Intention der Einführung eines Flexibilitätssemesters ist zwar begrüßenswert, greift jedoch mit der Verlängerungsmöglichkeit um ein Semester zu kurz. Um die Studienrealität der meisten Studierenden besser abzubilden und zur Vereinfachung des BAföG-Vollzugs bittet der Bundesrat daher, stattdessen die Förderungshöchstdauer um zwei Semester zu verlängern. Die Einführung eines Flexibilitätssemesters ist mit zusätzlichem bürokratischem Aufwand verbunden, der durch die pauschale Verlängerung der Förderungshöchstdauer um zwei Semester vermieden werden kann. Darüber hinaus berücksichtigt eine Verlängerung um zwei Semester die tatsächlichen Studienverläufe der meisten Studierenden.

Bundesregierung muss reagieren

Die Stellungnahme des Bundesrates wird der Bundesregierung zugeleitet, die darauf reagieren kann. Der Bundestag entscheidet, ob und in welcher Form er das Gesetz beschließt. Dann kommt es erneut im Bundesrat auf die Tagesordnung.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: bafoeg-digital.jpg (Startseite des online-portals BAFöG-Digital)

vdek-Studie: Finanzielle Belastung von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen nimmt zu

Dass Pflege in Deutschland immer teurer wird, beweist eine kürzlich vom Spitzenverband der Ersatzkassen (vdek) veröffentlichte Auswertung, in der die finanzielle Belastung Pflegebedürftiger in vollstationären Einrichtungen untersucht wurde. Dabei ist vor allem der sogenannte Eigenanteil im Zeitraum vom 01.01.2023 bis 01.01.2024 gestiegen.

Zwar gelten seit dem 01.01.2024 für die vollstationäre Pflege höhere Leistungszuschläge, in der Realität bedeutet dies jedoch keineswegs eine finanzielle Entlastung für pflegebedürftige Personen. Denn die Eigenanteile steigen schneller als die Zuschläge.

Zusätzlich zu den steigenden Eigenanteilen sind auch die durchschnittlichen Investitionskosten sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung angestiegen. Eine mögliche Lösung des Problems wäre eine Übernahme der Investitionskosten durch die Bundesländer, wie von den Pflegekassen und vom Bundesgesundheitsministerium bereits mehrfach gefordert wurde. Dadurch könnten Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen im Durchschnitt monatlich 485 Euro einsparen. Eine gesetzliche Verankerung auf Übernahme der Investitionskosten durch die Bundesländer besteht aktuell nicht, könnte jedoch bei der für dieses Jahr durch das Bundesgesundheitsministerium angekündigten Finanzreform der sozialen Pflegeversicherung eine Rolle spielen.

 (Grafik entnommen aus dem Beraterbrief Pflege 2024/08)

Reform des Aufstiegs-BAföG

Das Ministerium für Bildung und Forschung hat im März einen Gesetzentwurf zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vorgelegt. Ziel des Fünften Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes ist es, das Leistungsangebot des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) weiter zu verbessern, um stetig hochqualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und die höherqualifizierende Berufsausbildung damit insgesamt in ihrer Attraktivität zu steigern.

Worum geht es?

Angehörige aller Berufsfelder – ob Handwerksgesellen oder Facharbeiter und Techniker in der Industrie, Fachwirte, Kaufleute, Beschäftigte in Gesundheits- oder Pflegeberufen oder Erzieher und Erzieherinnen – können altersunabhängig an Aufstiegsfortbildungen teilnehmen. Diese Weiterbildungsmaßnahmen können berufsbegleitend in Teilzeit oder als Vollzeitfortbildung gestaltet sein.

Fachkräfte, die an diesen Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung teilnehmen, erhalten einkommensunabhängig einen Beitrag zu den Kosten der Fortbildung. Bei Vollzeitmaßnahmen wird ein Beitrag zum Lebensunterhalt und gegebenenfalls zur Kinderbetreuung gewährt, sofern das eigene Einkommen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreicht. Die Förderung erfolgt teils als Zuschuss, teils als zinsgünstiges Darlehen.

Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Die Leistungen des AFBG werden zur Unterstützung des persönlich motivierten lebensbegleitenden Lernens verbessert. Wie im Ampel – Koalitionsvertrag vorgesehen sieht der Entwurf folgende Maßnahmen vor:

  • Der maximale Gesamtbetrag der geförderten Lehrgangs- und Prüfungsgebühren
    wird von bisher 15 000 Euro auf 18 000 Euro angehoben.
  • Der maximale Gesamtbetrag der Förderung für die Erstellung des Meisterstücks oder vergleichbarer Arbeiten wird von bisher 2 000 Euro auf 4 000 Euro angehoben.
  • Der Bestehenserlass im Rahmen des Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren wird von 50 auf 60 Prozent erhöht.
  • Die Anrechnung von zweckgleichen Arbeitgeberleistungen auf den Maßnahmebeitrag entfällt.
  • Der Kinderbetreuungszuschlag für Alleinerziehende in Vollzeit- und Teilzeitmaßnahmen wird von 150 Euro auf 160 Euro pro Monat je Kind erhöht.
  • Es wird klargestellt, dass die Vorbereitung auf Abschlüsse, die auf der Grundlage
    hochschulrechtlicher Regelungen geregelt werden, nicht als berufliche Aufstiegsfortbildung nach dem AFBG förderfähig ist.
  • Der Träger einer Fortbildungsmaßnahme wird im Gesetz definiert.

DGB-Stellungnahme

Der DGB kritisiert in seiner Stellungnahme, dass der Entwurf weit hinter den vereinbarten Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zurückbliebe. Die Unterhaltsförderung des AFBG sei vor allen für Berufstätige in ihrer derzeitigen
Form nicht attraktiv. Die Förderung müsse an die Bedürfnisse von Berufstätigen angepasst werden, damit mehr Beschäftigte Ihre Weiterbildung berufsbegleitend machen könnten.

Quellen: BMBF, DGB, SOLEX, Kompetenzzentrum Jugendcheck

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Antrag zu nichtinvasiven Pränataltests

Der Bundestag berät am Mittwoch, 24. April 2024, erstmals über einen interfraktionellen Antrag von 121 Abgeordneten von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der Gruppe Die Linke mit dem Titel „Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests – Monitoring der Konsequenzen und Einrichtung eines Gremiums“ (20/10515). Im Anschluss an die rund 45-minütige Aussprache soll der Antrag zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen werden.

Systematische Auswertung

Die Abgeordneten fordern, die Folgen der Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) systematisch auszuwerten. Nach der Einigung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sei der NIPT seit Juli 2022 eine Kassenleistung, sofern die Schwangere zusammen mit der Gynäkologin zu dem Schluss komme, dass der Test notwendig sei. 

Jedoch regele der G-BA weder in den Mutterschaftsrichtlinien (MuRL) noch in der „Versicherteninformation Bluttest auf Trisomien/Der nicht invasive Pränataltest (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21“ ausreichend klar, wann dieser Bluttest zur Anwendung kommen sollte.

Es sei zu befürchten, dass den Schwangeren unabhängig von einer medizinischen Relevanz empfohlen werde, den NIPT vornehmen zu lassen, auch damit sich Ärzte absichern können. Dies könnte dazu führen, dass der Test so regelmäßig angewendet werde, dass es faktisch einer Reihenuntersuchung gleichkomme.

Einerseits zeige die wissenschaftliche Auswertung zur Versicherteninformation des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), dass die Mehrheit der Befragten angebe, sich frei für oder gegen den Test entscheiden zu können. Jedoch empfänden etwa 30 Prozent der Befragten die Versicherteninformation als klare Empfehlung zugunsten des Bluttests. Andererseits verließen sich vermehrt Schwangere nach einem negativen NIPT-Ergebnis darauf, dass sie ein gesundes Kind gebären werden und verzichteten etwa auf das Ersttrimesterscreening. 

Monitoring zu den Folgen der Kassenzulassung

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag ein Monitoring zur Umsetzung und zu den Folgen der Kassenzulassung, um zeitnah belastbare Daten zu verschiedenen Aspekten erheben und auswerten zu können.

Zudem sollte ein interdisziplinäres Expertengremium eingesetzt werden, das die rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung des NIPT prüft.

Masterarbeit zu den Einstellungen

Interessant bei dem Thema ist auch die Masterarbeit von Johanna Martens an der Medical School Hamburg: „Einstellungen und Meinungen zu Trisomie 21, die auf den Entscheidungsprozess bei pränataler Diagnostik Einfluss nehmen“.

In der vorliegenden Arbeit werden Zusammenhänge zwischen den Einstellungen zu
Menschen mit Trisomie 21 und den etablierten nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT) in der Schwangerschaft untersucht.

Es konnten signifikante Zusammenhänge zwischen der Einstellung zu Menschen mit
Trisomie 21 und der Häufigkeit des Kontaktes zu ihnen ausgemacht werden. Im Klartext: Je weniger über Menschen mit Trisomie 21 bekannt ist und je weniger Kontakt zu diesen Menschen, desto häufiger wird ihnen – und ihren Angehörigen – ein qualitativ schlechtes, leiderfülltes Leben zugeschrieben. Menschen mit Trisomie 21 schätzen ihre Lebensqualität deutlich höher ein. Auch die Fremdbewertung der Lebensqualität von Menschen mit Trisomie 21 wird am höchsten von Personen mit häufigem Kontakt zu ihnen eingeschätzt.

Ohrenkuss

Wer wenig oder keinen Kontakt zu Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21) hat, dem sein zum Einstieg Ohrenkuss empfohlen. Ohrenkuss ist ein 1998 gegründetes Magazin von Menschen mit Down-Syndrom.

Quellen: Bundestag, Medical School Hamburg, Ohrenkuss

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Entwicklungen im Pflegemarkt

Wegen der Insolvenzwelle im Pflegebereich stellte die CDU/CSU-Fraktion eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zu ihrer Einschätzung der mittel- bis langfristigen Entwicklungen im Pflegemarkt.

Anstieg der pflegebedürftigen Menschen

In ihrer Antwort berichtet die Bundesregierung, dass den Ergebnissen der Pflegevorausberechnung 2023 des Statistischen Bundesamtes zufolge die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland von rund fünf Millionen Ende 2021 auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen werde.  Dies entspreche einer Zunahme von rund 37 Prozent, führt die Bundesregierung weiter aus. Insofern sei zu erwarten, dass auch die Nachfrage nach Angeboten der pflegerischen Versorgung in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird.

Pflege zu Hause stegt weiter

Dabei ist der Antwort zufolge zu beachten, dass hinsichtlich der prognostizierten Anstiege Unterschiede zwischen den Ländern beziehungsweise zwischen einzelnen Regionen zu erwarten sind. Die Entwicklung des Pflegemarkts wird zudem auch von den nachgefragten Versorgungsarten beeinflusst, wie die Bundesregierung des Weiteren schreibt. So sei der Anteil der pflegebedürftigen Personen, die in der eigenen Häuslichkeit versorgt wurden, in den vergangenen Jahren weiter angestiegen.

Neue Wohnformen

„Laut aktueller Pflegestatistik werden etwa 84 Prozent der Pflegebedürftigen (4,17 Millionen) zu Hause durch pflegende An- und Zugehörige und/oder ambulante Pflegedienste versorgt“, heißt es in der Antwort ferner. Auch vor diesem Hintergrund sei zu beobachten, dass viele Träger neue Wohnformen aufbauen, die das Ziel verfolgen, Angebote klassischer Pflegeheime zu substituieren. In der Regel seien dies Angebote, die betreutes Wohnen, Tagespflege sowie Unterstützung durch ambulante Pflegedienste kombinieren.

Zentrale Rolle privater Träger

In Bezug auf den prognostizierten Ausbau der Pflegeinfrastruktur nehmen private Träger von Pflegeeinrichtungen der Bundesregierung zufolge eine zentrale Rolle ein. Bereits seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 trügen private Träger dazu bei, „dass das Angebot an Pflegeeinrichtungen den steigenden Bedarfen für pflegerische Leistungen entsprechen kann und die pflegerische Versorgung der Bevölkerung sichergestellt wird“.

Anteil der Privaten im ambulanten Bereich

Insbesondere im ambulanten Bereich sei der Anteil privater Träger dabei stetig gewachsen, schreibt die Bundesregierung. Dieser betrage laut der aktuellen Pflegestatistik rund 68 Prozent (10.430 von insgesamt 15.376 ambulanten Pflegediensten). Im stationären Bereich, wo ein weniger starker Anstieg der privaten Träger zu verzeichnen sei, betrieben private Träger laut aktueller Pflegestatistik zirka 43 Prozent aller stationären Einrichtungen (6.876 von insgesamt 16.115 Einrichtungen).

Vorrang privater Träger

Wie aus der Antwort zudem hervorgeht, besteht nach dem Recht der Pflegeversicherung die Verpflichtung, die Vielfalt der Träger von Pflegeeinrichtungen zu wahren sowie deren Selbstständigkeit, Selbstverständnis und Unabhängigkeit zu achten. Freigemeinnützige und private Träger haben den Angaben zufolge Vorrang gegenüber öffentlichen Trägern. Unabhängig von ihrer Trägerschaft haben alle zugelassenen Pflegeeinrichtungen laut Bundesregierung „die gesetzlichen und vertraglich vereinbarten Vorgaben und Nachweispflichten – insbesondere zur Personalausstattung und -entlohnung sowie zur Qualitätssicherung – einzuhalten“.

Quellen: Bundestag, Tagesschau

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Pflege-Mindestentgelte ab dem 1. Mai 2024

Auf Empfehlung der 5. Pflegekommission hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Sechste Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Sechste Pflegearbeitsbedingungenverordnung – 6. PflegeArbbV) erlassen. Sie sieht Steigerungen der Mindestentgelte in Pflegebetrieben für Pflegekräfte in drei Stufen vor.

Erste Erhöhung war im Februar

Die erste Erhöhung auf 14,15 Euro brutto je Stunde für Pflegehilfskräfte, auf 15,25 Euro brutto je Stunde für Pflegekräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit, und auf 18,25 Euro brutto je Stunde für Pflegefachkräfte war bereits ab dem 1. Februar 2024 erfolgt.

Die nächste Erhöhung der Mindestentgelte auf 15,50 Euro brutto je Stunde / 16,50 Euro brutto je Stunde / 19,50 Euro brutto je Stunde steht nun ab dem 1. Mai 2024 an.

Eine dritte und letzte Erhöhung auf 16,10 brutto je Stunde / 17,35 Euro brutto je Stunde / 20,50 Euro brutto je Stunde wird ab dem 1. Juli 2025 wirksam werden.

Erhöhung

Die Erhöhungsschritte im Einzelnen:

Für Pflegehilfskräfte

Datum Höhe Steigerung
seit 01.02.2024 14,15 €
ab 01.05.2024 15,50 € 9,54 %
ab 01.07.2025 16,10 € 3,87 %

Für qualifizierte Pflegehilfskräfte (Pflegekräfte mit einer mindestens 1-jährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit)

Datum Höhe Steigerung
seit 01.02.2024 15,25 €
ab 01.05.2024 16,50 € 8,20 %
ab 01.07.2025 17,35 € 5,15 %

Für Pflegefachkräfte

Datum Höhe Steigerung
seit 01.02.2024 18,25 €
ab 01.05.2024 19,50 € 6,85 %
ab 01.07.2025 20,50 € 5,13 %

Quellen: Bundesgesetzblatt, FOKUS-Sozialrecht, Paritätischer Gesamtverband

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Geld gegen Populismus

In vielen EU-Ländern sind die Umfragewerte rechtspopulistischer Parteien hoch – bei der Europawahl im Juni könnten sie triumphieren. Wirtschaftswissenschaftler vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) haben erforscht, wie Regierungen gegensteuern können.

Das Istitut

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ist ein Zentrum weltwirtschaftlicher Forschung mit Sitz in Kiel. Es zählt zu den sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten, die als Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft zu gleichen Teilen vom Bund und der Gemeinschaft der Bundesländer finanziert werden.

Die Studie

Das Ergebnis der Studie, veröffentlicht im April 2924 in einem sogenannten „Policy Brief“, ist eindeutig: EU-Regionalpolitik verringert Unterstützung populistischer Parteien:

  • Insbesondere verringert EU-Regionalpolitik die Unterstützung populistischer Parteien vom rechten Rand des politischen Spektrums.
  • Entsprechende Investitionen in die Entwicklung randständiger Regionen reduzieren den Stimmenanteil rechtspopulistischer Parteien bei Europawahlen um 2–3 Prozentpunkte; im Durchschnitt entspricht das einer Reduktion von 15–20 Prozent.
  • Gleichzeitig erhöht sich das Vertrauen in demokratische Institutionen, und die Unzufriedenheit mit der EU nimmt ab.
  • Die Unterstützung linkspopulistischer Parteien wird nicht beeinflusst.

Investitionen wirken

Angesichts der anstehenden Europawahlen und der Präsidentschaftswahlen in den USA ist die Frage, wie der Aufstieg des Populismus gestoppt werden kann von breitem Interesse. Die Studie zeigt, dass regionalpolitische Maßnahmen die Unterstützung populistischer Parteien wirksam verringern. Investitionen der EU in die Entwicklung strukturschwacher Regionen führen dazu, dass der Stimmenanteil rechtspopulistischer Parteien bei Europawahlen um 15–20 Prozent sinkt. Darüber hinaus erhöht EU-Regionalpolitik das Vertrauen in demokratische Institutionen und verringert die Unzufriedenheit mit der EU.

Unterstützung strukturschwacher Regionen

EU-Regionalpolitik finanziert sich aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) sowie dem Europäischen Sozialfonds und dem Kohäsionsfonds. Die Autoren der Studie, Robert Gold und Jakob Lehr, konzentrierten sich auf die Hauptförderlinie zur Unterstützung strukturschwacher Regionen, dem sog. „Ziel-1“.

Ziel-1 folgt siebenjährigen Förderperioden. Untersucht wurden Politikeffekte für drei Perioden von 2000 bis 2020 für bis zu 27 Mitgliedsstaaten. Zu Beginn jeder Förderperiode definiert die EU-Kommission Regionen, die sich für Ziel-1-Förderung qualifizieren. Diese Regionen erhalten im Durchschnitt 1,4 Milliarden Euro an Ziel-1-Mitteln, das sind 530 Euro pro Einwohner*in.

200 Euro pro Kopf

Ziel-1-Investitionen in die Entwicklung strukturschwacher Regionen verringern den regionalen Stimmenanteil rechtspopulistischer Parteien bei Europawahlen. Im Durchschnitt verringert EU-Regionalpolitik den Stimmenanteil der Rechtspopulisten um 2–3 Prozentpunkte. Das sind 15–20 Prozent der Stimmen für diese Parteien. Entsprechend reduziert EU-Regionalförderung in Höhe von 200 Euro pro Kopf die Unterstützung der Rechtspopulisten um wenigstens einen Prozentpunkt.

Wahlverhalten reagiert auf die Förderung

Die Analyse konzentriert sich auf den reinen Politikeffekt, unabhängig von zeitgleichen Einflüssen. Zunächst wurden ähnlich strukturschwache Regionen verglichen, die sich nur aufgrund regulatorischer Bestimmungen im Förderstatus unterscheiden. Dann werden strukturschwache Regionen analysiert, die aufgrund der EU-Osterweiterung ihren Förderstatus verloren. Schließlich wurden Regionen betrachtet, die nur (nicht) gefördert werden, weil sie arme (reiche) Nachbarregionen haben. Alle Resultate zeichnen dasselbe Bild: Regionalförderung reduziert die Unterstützung rechtpopulistischer Parteien, der Verlust von Regionalförderung erhöht sie, und das Wahlverhalten in strukturschwachen Regionen reagiert besonders stark auf die Förderung.

Eine Analyse von Befragungsdaten Hunderttausender von EU-Bürgerinnen erlaubt Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Wirkungskanäle. Ziel-1-Förderung erhöht das Vertrauen in die EU und in demokratische Institutionen. Dies scheint ein Grund zu sein, warum Wählerinnen in geförderten Regionen populistischen Parteien ihre Unterstützung entziehen.

Quellen: Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). wikipedia, Bundeswirtschaftsministerium, Spiegel

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