Pflege-Rettungsschirm bis Jahresende

Der Bundesrat hat am Freitag, den 17. September 2021, der Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung zugestimmt und den Rettungsschirm Pflege somit bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. Die Verordnung ist zwischenzeitlich im Bundesanzeiger veröffentlich worden. (Hier der Artikel zur Verlängerung der Maßnahmen im März)

Die Versorgung von Pflegebedürftigen durch ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sowie die häusliche Versorgung von Pflegebedürftigen durch pflegende Angehörige oder auch Angebote zur Unterstützung im Alltag können vielfach noch nicht im Normalbetrieb erbracht werden. Zuletzt hatte der Deutsche Bundestag am 25. August 2021 festgestellt, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite weiter fortbesteht.

Mit der vorliegenden Verordnung wird eine weitere Verlängerung der Geltungsdauer folgender Maßnahmen bis einschließlich 31. Dezember 2021 angeordnet:

  • Die Möglichkeit der Pflegebegutachtung ohne Untersuchung des Versicherten in seinem Wohnbereich aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen und auf Grundlage strukturierter telefonischer oder digitaler Befragung (§ 147 Absatz 1 und 6 SGB XI).
  • Die Durchführung der Beratungsbesuche gemäß § 37 Absatz 3 SGB XI telefonisch, digital oder per Vi-deokonferenz, wenn die oder der Pflegebedürftige dies wünscht (§ 148 SGB XI).
  • Die Pflicht zur Anzeige von wesentlichen Beeinträchtigungen der Leistungserbringung (§ 150 Absatz 1 SGB XI).
  • Die Erstattung von pandemiebedingt anfallenden außerordentlichen Aufwendungen und Mindereinnahmen für zugelassene Pflegeeinrichtungen (§ 150 Absatz 2 bis 4 SGB XI).
  • Die Kostenerstattung in Höhe der ambulanten Pflegesachleistungen zur Vermeidung von Versorgungsengpässen (§ 150 Absatz 5 SGB XI).
  • Die Erstattung von pandemiebedingt anfallenden außerordentlichen Aufwendungen und Minderein-nahmen für nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag (§ 150 Absatz 5a SGB XI).
  • Der flexible Einsatz des Entlastungsbetrages bei Pflegegrad 1 (§ 150 Absatz 5b SGB XI) und die Möglichkeit der Übertragung der in den Jahren 2019 und 2020 nicht verbrauchten Beträge für die Leistung nach § 45b Absatz 1 Satz 1 SGB XI (§ 150 Absatz 5c SGB XI).
  • Die Ausweitung des Anspruchs auf Pflegeunterstützungsgeld für bis zu insgesamt 20 Arbeitstage und nicht, wie regulär, für zehn Arbeitstage (§ 150 Absatz 5d SGB XI).

Quellen: Bundesrat, Der Paritätische, FOKUS-Sozialrecht

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Drei neue Leistungen in der KV

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidte darüber, welche Leistungen die gesetzlichen Krankenkassen erbringen müssen. Wenn der G-BA eine neue Leistung aufnimmt, kann sie in der ambulanten Versorgung erst dann erbracht und abgerechnet werden, wenn der Bewertungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen über die Vergütung entschieden hat. Dieser Schritt ist nun für drei Leistungen erfolgt. Der Bewertungsausschuss hat die notwendigen Abrechnungsziffern im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) festgelegt. Ab 1. Oktober 2021 umfasst der Leistungskatalog folgende neue Angebote:

Neugeborenen-Screening auch auf SMA und Sichelzellkrankheit

Mit Hilfe des Neugeborenen-Screenings, bei dem einige Tropfen Blut untersucht werden, können seltene angeborene Erkrankungen bereits in den ersten Lebenstagen entdeckt werden.

Die Früherkennungsuntersuchung umfasst künftig auch

  • die spinale Muskelatrophie (SMA) und die
  • Sichelzellkrankheit.

Die SMA ist eine neuromuskuläre Erkrankung, bei der die motorischen Nervenzellen im Rückenmark absterben. Für die schwerste Form stehen neue Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Bei der Sichelzellkrankheit sind die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sichelförmig verkrümmt und können ihre Aufgabe, den Sauerstoff zu transportieren, nicht gut erfüllen. Unbehandelt kann dies zu gravierenden Schäden an lebenswichtigen Organen und zum Tod führen.

Einmaliges Hepatitis-Screening neuer Bestandteil des „Check-ups“

Versicherte ab 35 Jahren haben ab 1. Oktober 2021 einmalig den Anspruch, sich auf die Viruserkrankungen Hepatitis B und Hepatitis C testen zu lassen. Das Screening-Angebot ist neuer Bestandteil des sogenannten Check-ups (Gesundheitsuntersuchung alle 3 Jahre). Die Tests können übergangsweise auch separat durchgeführt werden, wenn der letzte Check-up weniger als 3 Jahre zurückliegt. Damit können Infektionen erkannt werden, die bislang noch symptomlos verlaufen. Spätfolgen einer unbehandelten chronischen Hepatitis wie Leberzirrhose oder Leberkrebs lassen sich durch eine Therapie mit antiviralen Medikamenten sehr wirksam verhindern.

Gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung als neues Angebot

Mit der gruppenpsychotherapeutischen Grundversorgung steht ab 1. Oktober 2021 in der ambulanten Psychotherapie ein neues Versorgungsangebot zur Verfügung. Patientinnen und Patienten können hier erste Erfahrungen mit dem Gruppen-­Setting sammeln und prüfen, ob eine Gruppentherapie für sie infrage kommen könnte. Therapeutinnen oder Therapeuten informieren in bis zu vier Sitzungen à 100 Minuten oder in bis zu acht Sitzungen à 50 Minuten über psychische Störungen sowie über Arbeitsweise und Wirkmechanismen, Chancen und Nutzen einer Gruppentherapie. Gleichzeitig geht es aber auch um eine erste Symptomlinderung. Um den niedrigschwelligen Zugang abzusichern, ist kein Anzeige- oder Antragsverfahren gegenüber den Krankenkassen notwendig. Neu ab 1. Oktober 2021 ist außerdem, dass auch probatorische Sitzungen im Gruppen-Setting möglich sind.

Hintergrundinformationen über die Grundlagen der Beschlüsse und über die erwähnten Krankheiten findet man auf der Homepage des G-BA.

Quelle: G-BA

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Kein Kinderfreizeitbonus trotz Armut

Etwa 190.000 Kinder erhalten den Kinderfreizeitbonus nicht, obwohl sie in Hartz IV – Familien leben.

100 Euro

Der Kinderfreizeitbonus in Höhe von 100 Euro soll Kindern aus Familien mit k(l)einen Einkommen Ferien- und Freizeitaktivitäten ermöglichen. Der Anspruch auf den Bonus hängt davon ab, ob ein Kind im August 2021 Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften SGB bezogen hat oder ob für das Kind Kinderzuschlag oder Wohngeld gezahlt wurde. Der Kinderfreizeitbonus ist Teil des Programms „Aufholen nach Corona„.

Kinder von Alleinerziehenden gehen oft leer aus

Aktuell gehen aber die Kinder leer aus, die ohne eigenständigen Leistungsanspruch mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II leben. Das ist besonders häufig bei Kindern von Alleinerziehenden der Fall, wenn der altersabhängige Regelbedarf und die anteiligen Wohnkosten bereits durch Unterhaltsleistungen und Kindergeld gedeckt sind. Da Unterhalt und Kindergeld auf den SGB II-Bedarf angerechnet werden, haben sie aber vergleichbar wenig Geld wie Familien, in denen ein Kind selbst leistungsberechtigt ist.

Anfrage an die Bundesregierung

Die Bundesregierung hat nun – auf eine schriftliche Frage von Katja Kipping hin – noch einmal bestätigt, dass es sich dabei nicht um ein Versehen handelt. Frau Kipping schreibt dazu: „Die Bunderegierung hatte großspurig angekündigt, Familien mit geringen Einkommen zu unterstützen. Dies sollte Familien, die von der Corona-Krise besonders belastet waren, die Teilnahme an Ferienfreizeitmaßnahmen ermöglichen. Bei der Umsetzung hat die damalige Familienministerin aber einen Großteil der ärmsten Alleinerziehender und Patchworkfamilien ausgeschlossen. Mich erreichen derzeit Nachrichten von alleinerziehenden Eltern, die für ihre Ferienplanung mit dem Kinderfreizeitbonus gerechnet haben. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass es sich um eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke handelt. Die Bundesregierung hat nun in ihrer Antwort bestätigt, dass dies so beabsichtigt und vereinbart war. Abhilfe ist nicht vorgesehen.

Keine Regelunsglücke

In der Antwort der BMAS auf die Anfrag von Frau Kipping heißt es lapidar, die Bundesregierung sehe keine planwidrige Regelunsglücke. Das bedeutet vermutlich, dass die Benachteiligung von diesen Kindern beabsichtigt war.

Betroffen sind z.B. Kinder, die Unterhaltsvorschuss bekommen. Sie leben auf Grund der geltenden Anrechnungsregeln auf dem niedrigen Hartz-IV-Niveau. Da sie jedoch vom Jobcenter keine Leistung erhalten, haben sie keinen Anspruch auf den Kinderfreizeitbonus. 

Offener Brief an die Minister

Der VAMV (Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter) fordert gemeinsam mit acht weiteren Verbände in einem offenen Brief an das BMAS und das BMFSFJ eine großzügigere Auslegung der Anspruchsvoraussetzungen für den Kinderfreizeitbonus zu veranlassen, damit der Bonus alle Kinder in SGB II-Bedarfsgemeinschaften erreichen kann.

Kein Kind soll ausgeschlossen werden

Die Zahl der Kinder, die voraussichtlich beim Kinderfreizeitbonus durchs Raster fallen, sei erheblich: Zuletzt weise die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zum Jahreswechsel 2021 116.650 Kinder aus, die ohne eigenen Leistungsanspruch in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II lebten. Zwar könne der Kinderfreizeitbonus für sie im Einzelfall auch über den Bezug von Kinderwohngeld gewährt werden. Für die unterzeichnenden Verbände sei allerdings unklar, wie vielen betroffenen Kindern dieser Weg tatsächlich den Bonus ermöglicht und wie viele von ihnen trotzdem leer ausgingen.
Nach den vielen Einschränkungen der Coronakrise bräuchten Familien mit kleinen Einkommen möglichst unbürokratische Unterstützung, um ihren Kindern Ferien- und Freizeitaktivitäten ermöglichen zu können. Der Kinderfreizeitbonus sollte daher niedrigschwellig ausgezahlt werden. Die Forderung sei deshalb, die gesetzlichen Bestimmungen zum Kinderfreizeitbonus so auszulegen, dass alle Kinder aus SGB II-Bedarfsgemeinschaften den Bonus unkompliziert erhalten könnten. Kindern, die bisher keinen Kinderfreizeitbonus bekommen konnten, solle die Leistung unbürokratisch nachgezahlt werden.

Quellen: WAZ, Katja Kipping, VAMV, BMAS, FOKUS-Sozialrecht

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