Mehr Pflegefälle – Höherer Beitrag?

Ende Mai schockte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Öffentlichkeit in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, in dem er einen massiven Anstieg der pflegebedürftigen Personen beklagte: „Demografisch bedingt wäre 2023 nur mit einem Zuwachs von rund 50 000 Personen zu rechnen gewesen. Doch tatsächlich beträgt das Plus über 360 000.“ Woran das läge, verstünde er nicht genau, das sei „aktues Problem“.

Aufmerksamkeit erreicht

Für genügend Aufmerksamkeit wurde also gesorgt. Die tatsächliche Einordnung der Zahlen wird auch später im Artikel vorgenommen. Dazu gab es auch im April schon eine Pressemeldung des GKV (Spitzenverband der Krankenkassen). Danach wuchs die Zahl der Pflegebedürftigen in früheren Jahren etwa um 326.000 Fälle pro Jahr, 2023 gab es allerdings ein Plus von 361.000 Fällen. Denkbar wäre, dass es ein einmaliger Nachholeffekt der Pandemie sei, so der GKV. In einer weiteren Pressemitteilung als Reaktion auf die Alarmmeldungen aus dem Gesundheitsministerium erläuterte der GKV, dass seit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs 2017 die Anzahl der Pflegebedürftigen jedes Jahr im Durchschnitt um rund 326.000 steige. Im Jahr 2023 habe es einen überdurchschnittlichen Zuwachs um 361.000 Pflegebedürftige gegeben. Damit lag die Differenz zum durchschnittlichen jährlichen Anstieg bei 35.000 zusätzlichen Pflegebedürftigen.

Demografische Entwicklung und neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff

In dem jährlichen Anstieg enthalten ist jeweils ein Zuwachs um durchschnittlich 50.000 Pflegebedürftige, der sich direkt aus der demografischen Entwicklung ableiten lässt. Wenn die Wahrscheinlichkeit von Pflegebedürftigkeit in jeder Altersgruppe konstant bliebe, dann hätten wir aufgrund der alternden Bevölkerung jedes Jahr durchschnittlich einen Zuwachs von 50.000 Pflegebedürftigen.

2017 wurde ein neuer, erweiterter Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt. Aus den 3 Pflegestufen wurden 5 Pflegegrade und es wurden unter anderem erstmals kognitive Einschränkungen, also auch demenzielle Erkrankungen, als Grund für den Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung eingeführt.

Was wäre nötig?

Da eine grundlegende Pflegereform, so wie sie Karl Lauterbach vorschwebt wird – zumindest in dieser Legislaturperiode – nicht kommen. Nötig wäre

  • die Einführung einer Pflege-Bürger­versicherung, in die alle einzahlen, auch Gutverdiener und Beamte,
  • einen höheren Steuer­zuschuss, etwa für die Renten­beiträge von pflegenden Angehörigen,
  • eine Reform der Sozialhilfe für Pflegebedürftige. Wenn heute Menschen ihre Pflege nicht mehr selbst bezahlen können, steht ihnen als Sozial­leistung die Hilfe zur Pflege zu, die die Kommunen aus Steuergeldern bezahlen. Viele Betroffene empfinden es als entwürdigend, am Ende ihres Lebens, in dem sie hart gearbeitet haben, auf das Sozialamt angewiesen zu sein. Um den Betroffenen den Gang zum Sozialamt zu ersparen, könnten künftig die Pflegekassen die Hilfe zur Pflege auszahlen. Um das zu finanzieren, müssen die bei den Kommunen eingesparten Steuergelder an die Pflege­versicherung fließen.

Dies alles ist Zukunftsmusik und zur Zeit politisch nicht durchsetzbar. Deswegen wird es zunächst mal wieder auf eine Erhöhung des Beitragssatzes hinauslaufen.

Beitrag wird steigen

Der Verband der Ersatzkassen NRW geht von einer Erhöhung um 0,2 Prozent aus, da die Monatsausgaben der Kassen ab 2025 die Einnahmen überschreiten würden. Andere Krankenkassensprecher erwarten sogar Erhöhungen um 0,5 Prozent.

Erst zum 1. Juli 2023 waren die Beiträge zur Pflegeversicherung zuletzt gestiegen. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens, bei Kinderlosen bei 4 Prozent. Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen den Beitrag – ohne den Kinderlosenzuschlag – zur Hälfte, also jeweils 1,7 Prozent.

Quellen: Rheinische Post, GKV, FOKUS-Sozialrecht, Stefan Sell: Aktuelle Sozialpolitik

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Rente und Pflege ab 1. Juli 2023

Der Bundesrat stimmte am 16. Juni der Regierungsverordnung über die Rentenerhöhung zum 1. Juli zu, ebenso wie den Maßnahmen zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege.

Rentenangleichung Ost-West

Die Erhöhung beträgt 4,39 Prozent im Westen und 5,86 Prozent im Osten. Damit gilt künftig ein einheitlicher Rentenwert von 37,60 Euro in ganz Deutschland. Bisher gab es noch unterschiedliche Rentenwerte – sie wurden seit Juli 2018 schrittweise angeglichen. Ursprünglich sollte es erst ab Juli 2024 einen einheitlichen Rentenwert geben. Aufgrund der gestiegenen Löhne und der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird die Angleichung nun schon ein Jahr früher als gesetzlich geplant erreicht.

PUEG

Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) erhöht den Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte auf 3,4 Prozent. Dies soll zu Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr führen. Der Arbeitgeberanteil wird paritätisch bei 1,7 Prozent liegen.

Erziehungsaufwand im Beitragsrecht

In Umsetzung verfassungsgerichtlicher Vorgaben differenziert das Gesetz den Pflegebeitragssatz weiter nach der Zahl der Kinder. Der Beitragszuschlag für Kinderlose steigt zum 1. Juli 2023 von derzeit 0,35 auf 0,6 Beitragssatzpunkte. Dazu soll ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt werden. Bis dahin gilt ein vereinfachtes Nachweisverfahren. Für Mitglieder ohne Kinder beträgt der Pflegebeitragssatz vier Prozent.

Über die weiteren Neuerungen des PUEG berichteten wir hier am 11. April und am 24. Mai.

Entschließung zu weiteren Reformschritten

In einer begleitenden Entschließung fordert die Länderkammer weitere strukturelle Reformschritte, um die Pflegeversicherung zukunftsfest zu machen.

Entlastung der Krankenhäuser

Außerdem verlangt sie eine Reform der Notfallversorgung mit dem Ziel, Patientinnen und Patienten in die geeignete und medizinisch richtige Versorgungsebene zu steuern und die Krankenhäuser zu entlasten. Personen ohne sofortigen medizinischen Handlungsbedarf sollten die ambulante vertragsärztliche Versorgung in Anspruch nehmen, die für die Sicherstellung der Notfallversorgung in diesen Fällen verantwortlich ist.

In dem Gesetz sei eine Regelung enthalten, die diesen Zielen entgegenlaufe, kritisieren die Länder. Es werde sogar ein Anreiz geschaffen, die Notfallstrukturen der Krankenhäuser jederzeit in Anspruch zu nehmen, obwohl kein sofortiger Behandlungsbedarf besteht.

Vertragsärztliche Verantwortung

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, diese Regelung im Rahmen einer Gesamtreform der Notfallversorgung zu revidieren und die Verantwortung des vertragsärztlichen Bereichs für ambulant behandelbare Notfälle zu stärken.

Quellen: Bundesrat, Bundesministerium für Gesundheit, FOKUS-Sozialrecht

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Gesundheitsausschuss billigt Pflegereform mit Änderungen

Der Gesundheitsausschuss hat die geplante Pflegereform mit einigen Änderungen beschlossen. Insgesamt billigte der Ausschuss am Mittwoch, den 24.5.2023, zehn Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP. Änderungsanträge von Union und Linken fanden keine Mehrheit. Für den Gesetzentwurf (20/6544) votierten die Ampel-Koalition, die Opposition stimmte dagegen. Die Vorlage soll am Freitag im Bundestag beschlossen werden.

Entlastungsbudget

Die Abgeordneten verständigten sich in den Beratungen mehrheitlich darauf, dass die Zusammenführung von Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu einem flexibel nutzbaren Gesamtbetrag doch kommen soll. Das sogenannte Entlastungsbudget soll zum 1. Juli 2025 wirksam werden. In der häuslichen Pflege können dann Leistungen der Verhinderungspflege (bisher bis zu 1.612 Euro) und Kurzzeitpflege (bisher bis zu 1.774 Euro) im Gesamtumfang von 3.539 Euro flexibel kombiniert werden.

Dynamisierung geringer

Für Eltern pflegebedürftiger Kinder mit Pflegegrad 4 oder 5 steht das Entlastungsbudget schon ab dem 1. Januar 2024 in Höhe von 3.386 Euro zur Verfügung und steigt bis Juli 2025 auf ebenfalls 3.539 Euro an. Dafür soll die ab 2025 geplante Dynamisierung der Geld- und Sachleistungen in der Pflege von 5 auf 4,5 Prozent abgesenkt werden.

Beitragssatz per Rechtsverordnung

Der Ausschuss ergänzte zudem eine Regelung, wonach die Bundesregierung dazu ermächtigt werden soll, den Beitragssatz in der Pflegeversicherung künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, falls auf einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss. Eine solche Verordnung darf demnach nur unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu einer bestimmten Größenordnung genutzt werden. Zudem muss die Verordnung dem Bundestag zugleitet werden, der sie ändern oder ablehnen kann. Damit werde einerseits die schnelle Reaktionsmöglichkeit gewährleistet, andererseits der Bundestag an dem Verfahren beteiligt, heißt es in der Begründung.

Kinder-Nachweis

Um die vom Bundesverfassungsgericht (BverfG) geforderte Differenzierung der Pflegebeiträge nach Kinderzahl möglichst unbürokratisch und effizient umsetzen zu können, soll bis zum 31. März 2025 ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt werden. Bis dahin soll ein vereinfachtes Nachweisverfahren gelten.

Pflegebedürftigkeit per Telefon

Mit einer weiteren Änderung wird die Möglichkeit geschaffen, das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit regelhaft mittels strukturierter Telefoninterviews zu prüfen, jedoch nur bei Folgebegutachtungen und nicht bei einer Erstbegutachtung eines Antragstellers oder bei der Prüfung der Pflegebedürftigkeit von Kindern.

Quelle: Bundestag

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Bundesrat unzufrieden mit der Pflegereform

In seiner Stellungnahme zum PUEG (Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz) erheben die Länder eine Reihe von Forderungen. So verlangen sie unter anderem, dass der Bund künftig Zuschüsse zum Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung leistet.

Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt

Zudem bittet der Bundesrat darum, dass der Bund die Leistungsausgaben bzw. Beitragszahlungen für die beitragsfreie Familienversicherung und die Beitragsfreiheit bei Mutterschafts- und Elterngeldbezug regelmäßig quantifiziert und in dieser Höhe jährlich als finanziellen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt dem Ausgleichsfonds zuführt.

Auch die Leistungsausgaben für Rentenversicherungsbeiträge für häusliche Pflegepersonen sowie für das Pflegeunterstützungsgeld sollen durch Bundesmittel finanziert werden. Die Länderkammer fordert schließlich auch, die Pflegehilfsmittelpauschale zu erhöhen.

Subsidiaritätsprinzip

Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 dürfen öffentliche Träger Leistungen nach dem SGB XI nur erbringen, wenn freigemeinnützige oder private Träger nicht tätig werden. Dies will die Länderkammer ändern.

In den vergangenen Jahren hat der Anteil der privaten Einrichtungen an der Versorgung deutlich zugenommen. Die Anzahl und damit die Vielfalt der dahinterstehenden Träger hat hingegen abgenommen und weist auf eine Konsolidierung zugunsten weniger, dafür umso größerer Pflegeunternehmen in Konzernstrukturen hin. Diese Entwicklung ist geeignet, den Wettbewerb und damit die Preisentwicklung zulasten der Pflegebedürftigen und der Träger der Hilfe zur Pflege zu beeinträchtigen. Den öffentlichen Trägern soll die Möglichkeit gegeben werden, sich aktiv beim Ausbau und der Weiterentwicklung der notwendigen pflegerischen Versorgungsstrukturen vor Ort einzubringen.

PUEG auf FOKUS-Sozialrecht

Über die geplante Pflegereform berichteten wir hier schon am 11. April und am 27. April.

Weiteres Verfahren

Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet, die eine Gegenäußerung dazu verfasst und dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt. Verabschiedet dieser das Gesetz, so befasst sich der Bundesrat noch einmal abschließend damit.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Pflegereform im Kabinett

Das Bundeskabinett hat das Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege am 5. April verabschiedet. Es ist damit auf den parlamentarischen Weg gebracht. Es soll im Wesentlichen zum 1. Juli 2023 in Kraft treten.

Wesentlicher Inhalt

  • Der gesetzliche Beitragssatz soll zum 1. Juli von derzeit 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent steigen, der für Kinderlose von 3,4 auf 4,0 Prozent. Eltern mit mehr als einem Kind werden laut Entwurf weniger belastet: Ihr Beitrag würde ab dem zweiten Kind wieder um 0,15 Prozentpunkte pro Kind gesenkt, die Entlastung aber auf maximal 0,6 Prozentpunkte begrenzt. Damit setzt das Ministerium ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. 
  • Das Pflegegeld steigt soll ab 2024 um fünf Prozent steigen.
  • 2025 und 2028 sollen die Geld- und Sachleistungen entsprechend der Preisentwicklung weiter angepasst werden.
  • Verhinderungs- und Kurzzeitpflege in der ambulanten Pflege sollen ab 2024 in einen Jahresbetrag zusammengeführt werden, den Pflegebedürftige für ihre Zwecke flexibel einsetzen dürften.
  • Arbeitnehmer, die wegen einer akut auftretenden Pflegesituation eines Angehörigen nicht arbeiten können, hätten künftig nicht nur pro Kalenderjahr insgesamt bis zu zehn Arbeitstage Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, sondern je pflegebedürftiger Person.
  • Um Pflegebedürftige in Heimen zu entlasten, sollen 2024 die Zuschüsse zu den Eigenanteilen um fünf bis zehn Prozentpunkte steigen.

Bessere Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende

  • In der stationären Pflege wird die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch die Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt. Dabei ist die Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu berücksichtigen.
  • Um das Potential der Digitalisierung zur Verbesserung und Stärkung der pflegerischen Versorgung zu nutzen und die Umsetzung in die Praxis zu unterstützen, wird ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege eingerichtet.
  • Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen mit einem Volumen von insgesamt etwa 300 Mio. Euro wird um weitere Fördertatbestände ausgeweitet und bis zum Ende des Jahrzehnts verlängert.

Halbherzige Pläne

So beschreibt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, den Entwurf von Minister Lauterbach. Er sei völlig unzureichend die Probleme zu lösen.

Eines der Hauptprobleme, das auch durch den vorgelegten Gesetzentwurf nicht gelöst werde, seien die explodierenden Eigenanteile, kritisiert der Verband. Inzwischen sind fast ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen auf Sozialhilfe angewiesen, weil sie die Kosten nicht alleine bewältigen können.

Defizit der Pflegeversicherung

Laut Tagesschau beziehen etwa 4,9 Millionen Menschen Leistungen aus der gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherung, etwa vier Millionen werden zu Hause versorgt. n den Corona-Jahren stiegen die Ausgaben der Pflegeversicherung stark an und lagen 2021 bei rund 53,8 Milliarden Euro und damit 1,35 Milliarden Euro über den Einnahmen. Das Defizit stieg das Defizit zum Jahresende 2022 auf rund 2,2 Milliarden Euro. Die Pflegeversicherung muss außerdem ein Darlehen aus dem vorigen Jahr in Höhe von einer Milliarde Euro an den Bund zurückzahlen.

Quelle: Bundesregierung, Paritätischer Gesamtverband, Tagesschau, FOKUS-Sozialrecht,

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Referentenentwurf Pflege

Der Referentenentwurf des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) sieht höhere Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung noch im Jahr 2023 vor. So soll der gesetzliche Beitragssatz zum 1. Juli von derzeit 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent steigen, der für Kinderlose von 3,4 auf 4,0 Prozent. Eltern mit mehr als einem Kind werden laut Entwurf weniger belastet: Ihr Beitrag würde ab dem zweiten Kind wieder um 0,15 Prozentpunkte pro Kind gesenkt, die Entlastung aber auf maximal 0,6 Prozentpunkte begrenzt. Damit setzt das Ministerium ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. 

Kein Steuerzuschuss

Wenn die Finanzierung der Pflegeversicherung gefährdet ist, will die Bundesregeierung die Beiträge zukünftig kurzfristig erhöhen können. Per Rechtsverordnung und ohne Zustimmung des Bundesrats. Ein dauerhafter Steuerzuschuss wie in der Krankenversicherung ist nicht vorgesehen.

Leistungserhöhungen

  • Das Pflegegeld steigt soll ab 2024 um fünf Prozent steigen.
  • 2025 und 2028 sollen die Geld- und Sachleistungen entsprechend der Preisentwicklung weiter angepasst werden.
  • Verhinderungs- und Kurzzeitpflege in der ambulanten Pflege sollen ab 2024 in einen Jahresbetrag zusammengeführt werden, den Pflegebedürftige für ihre Zwecke flexibel einsetzen dürften.
  • Arbeitnehmer, die wegen einer akut auftretenden Pflegesituation eines Angehörigen nicht arbeiten können, hätten künftig nicht nur pro Kalenderjahr insgesamt bis zu zehn Arbeitstage Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, sondern je pflegebedürftiger Person.
  • Um Pflegebedürftige in Heimen zu entlasten, sollen 2024 die Zuschüsse zu den Eigenanteilen um fünf bis zehn Prozentpunkte steigen.

Modellvorhaben

Ein neu geschaffenes Förderbudget soll sicherstellen, dass Länder und Kommunen gemeinsam mit der Pflegeversicherung in Modellvorhaben investieren, um die Unterstützungsmaßnahmen und -strukturen für Pflegebedürftige zu erleichtern und den Zugang zu vorhandenen Hilfemöglichkeiten zu verbessern. Die Pflegeversicherung soll hierfür 50 Millionen Euro pro Jahr bereitstellen, wenn sich das jeweilige Bundesland beziehungsweise die jeweilige Kommune daran zur Hälfte beteiligt.

Digitalisierung

Ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege soll Potenziale zur Stärkung der pflegerischen Versorgung sowohl für die Betroffenen als auch die Pflegenden heben. Das bereits laufende Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen zur Entlastung des Pflegepersonals wird ausgebaut. Aus-, Fort- und Weiterbildungen zu digitalen Kompetenzen von Pflegebedürftigen und Pflegekräften in der Langzeitpflege sollen künftig auch förderfähig sein. Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sollen spätestens ab 1. Juli 2024 an die Telematikinfrastruktur angebunden sein sowie Zugriff auf die elektronische Patientenakte (ePA) bekommen.

Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit soll neu strukturiert und damit übersichtlicher werden. Um mehr Transparenz zu schaffen, sollen unter anderem die Landesverbände der Pflegekassen künftig ihre Landesrahmenverträge zur pflegerischen Versorgung veröffentlichen müssen.

Personalbemessungsverfahren

In der stationären Pflege soll die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt und das Förderprogramm von 100 Millionen Euro pro Jahr bis zum Ende des Jahrzehnts verlängert werden. Ziel ist es, insbesondere die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf zu verbessern.

Kritik kommt prompt

Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. hält den Gesetzentwurf für „ein politisches Armutszeugnis der Hilf- und Ratlosigkeit“. In seiner Stellungnahme schreibt der VDBA, statt einer grundlegenden Strukturreform setze der Entwurf auf marginale Erhöhung der Geldleistungen der Pflegeversicherung, die die bereits eingetretenen Kostensteigerungen nicht ansatzweise kompensierten. Letztlich werde der Gesetzentwurf nicht das bewirken, was der Name suggeriert. Professionelle Pflege werde nicht unterstützt und der Versicherte auch nicht nachhaltig entlastet.

Quellen: AOK, VDBA, Fokus-Sozialrecht

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Heimkosten steigen weiter

Pflegebedürftige in Heimen müssen immer mehr aus eigener Tasche bezahlen. Zum 1. Januar 2022 waren im bundesweiten Schnitt 2179 Euro im Monat fällig, wie aus neuen Daten des Verbands der Ersatzkassen hervorgeht. Das waren 111 Euro mehr als Anfang 2021.

Die Eigenanteile, die die Pflegebedürftigen für den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE), die Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten zu tragen haben, erhöhen sich stetig. Wie in den Jahren zuvor gibt es große regionale Unterschiede. Am teuersten sind Heimplätze in Nordrhein-Westfalen mit nun im Schnitt 2542 Euro und in Baden-Württemberg mit 2541 Euro. Am wenigsten kostet es in Sachsen-Anhalt mit 1588 Euro.

Der Eigenanteil allein für die reine Pflege stieg im bundesweiten Schnitt von 831 Euro (1.1.2021) auf 912 Euro (1.1.2022). Ebenso gestiegen sind die Kosten, für die der Pflegebedürftige alleine aufkommen muss:

  • Unterkunft und Verpflegung von 779 Euro auf 801 Euro,
  • Investitionskosten von 458 Euro auf 466 Euro.

Eigentlich sollte die Pflegereform vom letzten Sommer Entlastungen bringen:

Um eine finanzielle Überforderung der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zu vermeiden, wird der von ihnen zu tragende Eigenanteil an der Pflegevergütung (einschließlich der Ausbildungskosten) mit zunehmender Dauer der vollstationären Pflege schrittweise verringert.

Er reduziert sich in den Pflegegraden 2 bis 5 durch einen von der Pflegekasse zu zahlenden Leistungszuschlag um

  • 5 Prozent in den ersten 12 Monaten,
  • 25 Prozent nach 12 Monaten,
  • 45 Prozent nach 24 Monaten und
  • 70 Prozent nach 36 Monaten.

Schon beim Gesetzgebungsverfahren wurde vor einer „Mogelpackung“ gewarnt. Da die durchschnittliche Verweildauer eines Menschen im Heim bei etwas über einem Jahr liegt, bringt die tatsächliche Entlastung den 820.000 Heimbewohnern kaum etwas. Auch in Zukunft wird man mit Kostensteigerungen rechnen müssen. Die Forderung nach einer Pflegereform, die die Pflegeversicherung – wie die Krankenversicherung – zu einer echten Vollversicherung weiterentwickelt werden immer lauter.

Quellen: Verband der Ersatzkassen, Spiegel, FOKUS-Sozialrecht

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Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) ist in der letzten Bundesratssitzung in dieser Legislaturperiode verabschiedet worden. Dieses Gesetz wurde im Laufe der parlamentarischen Beratungen immer umfangreicher. Die komplette groß angekündigte sogenannte Pflegereform wurde noch schnell hineingepackt, wohl wissend, dass die Reform völlig unzureichend ist und in der nächsten Legislaturperiode sofort wieder auf der Tagesordnung steht.

Weitere Reformschritte nötig

Der Bundesrat mahnte denn auch in einer Entschließung weitere Reformschritte an. Diese müssten unter Einbeziehung der Länder auf den Weg gebracht werden und insbesondere auch spürbare Entlastungen für die häusliche Pflege einschließen. Zur Finanzierung weiterer Reformschritte sei davon auszugehen, dass eine weitergehende Steuerfinanzierung zwingend zur Stabilisierung der Finanzierungsgrundlagen der Pflegeversicherung notwendig bleibe.

Qualität verbessern

Ursprüngliches Ziel des Gesetzes war, Qualität und Transparenz in der medizinischen Versorgung zu verbessern. Das Gesetz sieht neue Vorgaben für den Gemeinsamen Bundesausschuss, mehr Rechte für Krankenversicherte sowie Reformen in Krankenhäusern und Hospizen vor. Darüber berichteten wir hier im Februar 2021.

Pflegereförmchen

Weil das Gesundheitsministerium es nicht geschafft hat, eine konsensfähige und zukunftsorientierte Pflegereform zu machen, wurden ein paar Reformschritte mit in das GVWG gepackt und ernteten wieder massive Kritik.

Eine Milliarde vom Bund

Die Reformschritte sollen dazu beitragen, Pflegekräfte besser zu bezahlen und zugleich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu entlasten. Der Bund beteiligt sich ab 2022 jährlich mit einer Milliarde Euro an den Aufwendungen der sozialen Pflegeversicherung. Der Beitragszuschlag für Kinderlose ab dem vollendeten 23. Lebensjahr in der gesetzlichen Pflegeversicherung steigt von 0,25 Prozent des Bruttogehalts um 0,1 Punkte auf 0,35 Prozent an.

Tariflöhne für Pflegekräfte

Ab September 2022 dürfen Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die ihren Pflegekräften einen Lohn zahlen, der in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart worden ist, an die die Pflegeeinrichtungen gebunden sind. Mit Einrichtungen, die nicht an Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind, dürfen Versorgungsverträge nur noch abgeschlossen werden, wenn diese ihre Pflegekräfte nicht untertariflich bezahlen.

Geringerer Eigenanteil an der Pflegevergütung

Um vollstationär versorgte Pflegebedürftige finanziell nicht zu überfordern, wird ihr Eigenanteil an der Pflegevergütung schrittweise verringert. In den Pflegegraden 2 bis 5 reduziert er sich durch einen von der Pflegekasse zu zahlenden Leistungszuschlag um fünf Prozent in den ersten zwölf Monaten, nach einem Jahr um 25 Prozent, nach zwei Jahren um 45 Prozent und nach drei Jahren um 70 Prozent. Siehe dazu auch: Pflegereform: Eigenanteile

Anspruch auf Übergangspflege

Der Bundestag beschloss zudem einen Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus. Voraussetzung ist, dass nach einer Krankenhausbehandlung erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, der medizinischen Rehabilitation oder weitere Pflegeleistungen nur unter erheblichem Aufwand sichergestellt werden können.

Bundeszuschuss für Pflegeleistungen

Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich künftig mit 640 Millionen Euro pro Jahr an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Die Reform beinhaltet für 2022 schließlich auch einen ergänzenden Bundeszuschuss an die GKV in Höhe von sieben Milliarden Euro, um einen Anstieg der Zusatzbeiträge zu verhindern.

Differenziertes Inkrafttreten

Das Gesetz soll im Wesentlichen am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Für zahlreiche Einzelregelungen sind allerdings abweichende Termine vorgesehen.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Pflegereform: Eigenanteile

Die Eigenanteile bei den Heimkosten steigen immer weiter. Sie sind für immer mehr Heimbewohner nicht mehr tragbar. Der Anteil der Heimbewohner, der auf Sozialhilfe angewiesen ist, steigt. Die Aussicht, im Alter bei Pflegebedürftigkeit nach vielen Jahren Arbeit seine komplette Rente abgeben zu müssen, dazu noch Sozialhilfe beantragen zu müssen und dann mit einem mickrigen Taschengeld abgespeist zu werden, ist nicht gerade verlockend.

Entlastung angekündigt…

Umso erfreulicher klingt die Ankündigung von Gesundheitsminister Spahn zu der Pflegereform, die in den nächsten Wochen in den Parlamenten beraten wird:

»Wir entlasten die Pflegebedürftigen nach mehr als 24 Monaten Pflege durchschnittlich um rund 410 Euro im Monat, nach mehr als 36 Monaten Pflege sogar um rund 638 Euro im Monat.«

… aber nur für eine Minderheit

Als erstes fällt auf, dass die Mehrheit der Heimbewohner von vornherein ausgeschlossen ist. Denn die meisten Heimbewohner bleiben gar keine zwei Jahre dort. Sie sterben vorher.

Zuzahlung über 2.000 Euro

Die gesamten Zuzahlungen eines Pflegebedürftigen bei Heimunterbringung belaufen sich gegenwärtig bei erheblicher Streuung schon auf der Ebene der Bundesländer (die zwischen einzelnen Heimen nochmals größer sein können bzw. sind) auf durchschnittlich 2.068 Euro pro Monat. Davon entfallen 831 Euro auf die nicht über die Leistungen der Pflegeversicherung gedeckten pflegebedingten Kosten der Versorgung. Und bei diesem Posten sollen die Pflegebedürftigen entlastet werden.

Im vierten Jahr 75 Prozent

Nach 24 Monaten soll laut neuestem Gestzentwurf die Entlastung 45 Prozent des Eigenanteils betragen. Im zweiten Jahr sind es 25 Prozent, im ersten Jahr noch gewaltige 5 Prozent. Ab dem vierten Jahr steigt die Entlastung dann sogar auf 75 Prozent. Immerhin ein Segen für die wenigen, die so lange in einem Pflegeheim überleben.

Eigenanteil höher gerechnet

Die Entlastung nach 24 Monaten beträgt also laut Gestzentwurf 45 Prozent von 831 Euro, das sind 374 Euro. Aber hieß es nicht, die Entlastung solle 410 Euro betragen? In der Gesetzesbegründung klärt sich das auf: Dort geht man von einem durchschnittlichen Eigenanteil von 911 Euro aus, also rund 10 Prozent mehr als jetzt.

Offenbar sollen das die Mehrkosten für die geplante Erhöhung der Pflegelöhne sein, die ja alle nach Tarif bezahlt werden sollen. Allerdings erst ab 1. September 2022. Auch an der Umsetzung dieses Punktes gibt es erhebliche Zweifel, aber das ist ein anderes Thema.

Fazit

Fazit ist, dass das Versprechen über die Entlastung bei der Eigenbeteiligung, freundlich ausgedrückt, beschönigend ist. Es beruht auf Zahlen, die (noch) gar nicht existieren. Und: Eine spürbare Entlastung wird es nur für einen geringen Teil der Betroffenen geben.

Selbst, wenn man die höchste versprochene Entlastung nimmt, also für einen Pflegeheimbewohner nach mehr als drei Jahren Verweildauer, bedeutet das für ihn, das er insgesamt immer noch eine Gesamtzuzahlung von mehr als 1.500 Euro zahlen muss. Zu viel bei einer Durchschnittsrente von 700 bis 800 Euro (Frauen) und 1150 bis 1250 Euro (Männer).

Quellen: BMG, aktuelle-sozialpolitik, Paritätische Gesamtverband, Verbraucherzentrale, mystipendium.de

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Pflege: Reform oder Mogelpackung?

Die Pflegereform nimmt Fahrt auf. Am Mittwoch, den 2.6.2021 verabschiedete das Bundekabinett eine „Formulierungshilfe für Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zum Bundeszuschuss GKV und für Reformschritte in der Pflege“.

Bessere Bezahlung – höherer Beitrag

Bekannt geworden war schon vorher, dass alle Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden sollen – ab 1. September 2022. Dann sollen nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden – also mit der Pflegeversicherung abrechnen können –, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif bezahlen.

Der Beitragszuschlag für Kinderlose soll ab 2022 um 0,1 Prozentpunkte angehoben werden, hierdurch würde die Pflegeversicherung zusätzlich 400 Mio. Euro/Jahr erhalten. Eine weitere Milliarde jährlich soll die Pflegeversicherung als Bundeszuschuss aus Steuergeldern erhalten.

Eckpunkte und Arbeitsentwurf

Letzten Herbst hat das BMG ein Eckpunktepapier vorgelegt für eine „umfassende“ Pflegereform (siehe auch hier). Schon dazu hagelte es Kritik, unter anderem wegen des zu geringen Pflegekostendeckels bei der Eigenbeteiligung und der Einschränkung der Flexibilität bei der Verhinderungspflege.

Mitte März 2021 folgte dann der „Arbeitsentwurf“ zur Pflegereform. Dieser sieht nun ein Stufenmodell für den Eigenanteil vor: Je länger ein Bewohner in einem Pflegeheim lebt, desto geringer ist sein Eigenanteil. Im ersten Jahr des Pflegeheim-Aufenthalts sollen die Versicherten bzw. ihre zahlungspflichtigen Angehörigen die vollen Eigenanteile tragen. Im zweiten Jahr sollen die Eigenanteile dann um 25 Prozent sinken, nach mehr als 24 Monaten um die Hälfte. Bei Pflegebedürftigen, die 36 Monate und länger stationär betreut werden, soll sich der Eigenanteil gar um 75 Prozent reduzieren. Aktuell müssen Pflegeheimbewohner im bundesweiten Durchschnitt 2.068 Euro im Monat aus eigener Tasche zahlen.

Kritik aus der Fachwelt

Da die durchschnittliche Verweildauer eines Menschen im Heim bei etwas über einem Jahr liegt, klingt der Vorschlag etwas zynisch. Kritik kommt auch von Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Uni Bremen, der den „Eckpunkten“ noch Lob zollte, weil die Risiken von allen Versicherten und nicht von den einzelnen Heimbewohnern getragen würden. Zum Arbeitsentwurf schreibt er allerdings, dass dieser „relative Deckel“ damit alles andere als gerecht und sozial ausgewogen sei. Die Eigenanteile blieben unkalkulierbar und würden ebenso wie die Sozialhilfeabhängigkeit mittel- und langfristig wieder steigen. Der Arbeitsentwurf fiele damit weit hinter die Ankündigungen des Eckpunktepapiers zurück.

Reform wird versteckt

Um die Verwirrung noch etwas zu vergrößern, soll es jetzt wohl kein eigenständiges Pflegereformgesetz geben. Vielmehr beziehen sich die umfangreichen Formulierungshilfen für Änderungsanträge, die das Kabinett heute beschlossen hat, alle auf den „Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ (GVWG). Dieses Gesetz wurde schon im Februar im Bundestag beraten, die weitere für den Mai vorgesehene abschließende Beratung wurde aber verschoben.

Inhalte der Pflegereform

Wesentliche Inhalte der nun im GVWG verpackten Pflegereform sind:

  • Auch im ersten Jahr sollen Heimbewohner von der Eigenbeteiligung entlastet werden: um 5 Prozent.
  • In der ambulanten Pflege sollen die Leistungsbeträge um fünf Prozent erhöht werden.
  • Nach einer Krankenhausbehandlung wird oft eine stärkere Versorgung durch Pflegekräfte benötigt. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, soll die Kurzzeitpflege deutlich ausgebaut werden. Dafür soll auch der Leistungsbeitrag der Pflegeversicherung um zehn Prozent angehoben werden.
  • Neuer Anspruch auf Übergangspflege bis zu 10 Tage für den Fall, dass im Anschluss an eine Krankenhausversorgung eine Pflege im eigenen Haushalt oder etwa in einer Kurzzeitpflege nicht sichergestellt werden kann.
  • In der stationären Altenpflege soll ein einheitliches Personalbemessungsverfahren eingeführt werden.

Und wie schon erwähnt: die Tarifbindung und die Erhöhung des Beitrags für Kinderlose.

Eltern gegen Kinderlose

Mit dem letzten Punkt wird übrigens wieder ein unnötiger Streit angefacht zwischen Kinderlosen und Eltern, damit keiner darüber diskutiert, dass die Zahl der Milliardärinnen und Milliardäre in Deutschland um 29 auf 136 Personen gestiegen ist. Deren Vermögen sind im Jahr 2020, also während der Pandemie, um mehr als 100 Milliarden Euro angewachsen (Zeit.de).

Mogelpackung

Massive Kritik an den Pflegereformplänen kommt auch vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die Vorschläge der Großen Koalition seien ein “fauler Kompromiss” und der Gesetzentwurf eine “Mogelpackung”. Es fehle nach wie vor eine wirksame Regelung zur Deckelung der Eigenanteile bei den Pflegekosten, die alle Betroffenen wirklich entlaste. Auch der Kompromiss zur Entlohnung von Pflegekräften falle weit hinter die Ankündigungen zurück. Der Paritätische bekräftigt seine Forderung nach einer Vollkaskoversicherung als Bürgerversicherung, die das Risiko der Pflegebedürftigkeit wirksam absichert. Übergangsweise fordert der Verband eine Begrenzung des Eigenanteils in Höhe von 15 Prozent, die Pflegekassen sollen stattdessen stärker in die Pflicht genommen werden.

Quellen: BMG, VDEK, Tagesschau, Paritätischer Wohlfahrtsverband, ZEIT, FOKUS-Sozialrecht

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