Namensänderungen

Zur Zeit scheint es vielen wichtig zu sein, Bezeichnungen für alles Mögliche der politischen Agenda anzupassen. So soll die vegane Wurst nicht mehr Wurst heißen dürfen und das SGB II nicht mehr Bürgergeld. Noch nicht betroffen sind bislang die Kinderschokolade, Leberkäs, Bärchenwurst und das Verteidigungsministerium, zumindest in Deutschland.

Drei Jahre „Bürgergeld“

Wir werden also bald alle Texte und Bücher im Sozialrecht durchforsten, um aus dem Bürgergeld wieder die Grundsicherung für Arbeitssuchende zu machen oder gar die Neue Grundsicherung. Schon 2023 war es für die SPD enorm wichtig, dass die unselige Bezeichnung „Hartz IV“ aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwindet. Mit dem Begriff „Bürgergeld“ hatte man scheinbar eine elegante Lösung gefunden. Allerdings blieb die Reaktion nicht lange aus und es folgte eine Kampagne, ähnlich heftig und fake-news-behaftet wie beim „Heizungsgesetz“.

Bürgergeldempfänger seien arbeitsscheu und würden für das Nichtstun mehr bekommen als hart arbeitende Handwerker. Milliarden ließen sich einsparen, würde man die Faulenzer endlich zur Rechenschaft ziehen und ihnen die Stütze streichen. Natürlich hat sich das letztlich alles als heiße Luft und Wahlkampfgetöse herausgestellt. Aber irgendwie musste die neue Regierung ja etwas anbieten, hatte sie doch versprochen, die Grundsicherung „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen.

Koalitionsausschuss

Als erstes wird also der Name geändert. Was die Einsparungen angeht, scheint man sich nicht ganz einig zu sein, was oder wer überhaupt gemeint ist. Im Koalitionsausschuss haben sich die Vorsitzenden der Koalitionsparteien „auf konkrete Punkte bei der Reform des Bürgergeldsystems geeinigt. Für Menschen, die arbeiten können, soll grundsätzlich der Vermittlungsvorrang gelten: Sie sollen schnellstmöglich in Arbeit gebracht werden. Außerdem gilt das Prinzip Fördern und Fordern: Wer nicht mitwirkt, muss mit schärferen Sanktionen rechnen.“

geplante Sanktionen

Die Sanktionen sollen bis zur völligen Streichung der Grundsicherung gehen. Geplant sind offenbar (laut Verein „sanktionsfrei“) folgende Sanktionen:

Bei Terminversäumnissen:

  • 30 % Kürzung nach zwei Terminen 
  • 100 % Kürzung nach drei Terminen
  • Entzug von Regelsatz und Miete nach vier Terminen

Bei Pflichtverletzungen:

  • 30 % Kürzung beim ersten Verstoß
  • 100 % Kürzung bei Ablehnung eines Arbeitsangebots
  • Entzug von Regelsatz und Miete bei mehrfacher Ablehnung

„Sanktionsfrei“ nennt dies einen kalkulierten Verfassungsbruch. Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht 2019 die vollständige Streichung von Leistungen für verfassungswidrig erklärt.

unterschiedliche Gruppen

Arbeitsministerin Bas weiß das natürlich und bezieht sich im ZDF-Interview vom 12.10.25 hilfsweise auf den „Mitwirkungs“-Paragrafen § 66 des SGB I. Menschen, die nicht mehr „auffindbar“ seien, also völlig verschwunden, bräucht man ja wohl keine Leistungen mehr zahlen. Dass sie damit eine andere Klientel meint wie Kanzler März, hat sie in dem Interview eingräumt: „Wir reden von unterschiedlichen Gruppen.“

Quellen: Bundesregierung, sanktionsfrei.de, ZDF, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Walhalla Verlag: Buergergeld.png

Bürgergeld und Sozialhilfe 2026

Das Bundeskabinett hat am 10.9.2025 der Festsetzung der Regelbedarfe im Bürgergeld und der Sozialhilfe für das Jahr 2026 zugestimmt. Nach der jetzt vorgelegten Fortschreibungs-Verordnung sollen die Leistungsbeziehenden von Lebensunterhaltsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung nach SGB II) und nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe nach SGB XII) im Jahr 2026 Regelbedarfe in derselben Höhe wie in den Jahren 2024 und 2025 erhalten.

Tabelle

Regelbedarfsstufe 1563 Euro
Regelbedarfsstufe 2506 Euro
Regelbedarfsstufe 3451 Euro
Regelbedarfsstufe 4471 Euro
Regelbedarfsstufe 5390 Euro
Regelbedarfsstufe 6357 Euro

Der Bundesrat muss der Verordnung noch zustimmen, vorgesehener Termin ist der 17. Oktober 2025.

Gesetzlich festgelegter Fortschreibungsmechanismus

Die Fortschreibung der Regelbedarfe erfolgt in zwei Schritten:

  • Im ersten Schritt erfolgt eine „Basisfortschreibung“ mittels Mischindex bestehend zu 70 Prozent aus der durchschnittlichen Entwicklung der regelbedarfsrelevanten Preise und zu 30 Prozent aus der durchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter. Der Mischindex wird für den 12-Monats-Zeitraum von Juli bis Juni bestimmt. Ausgangspunkt der Fortschreibung ist das Ergebnis der Basisfortschreibung aus dem Vorjahr, nicht die aktuell geltenden Euro-Beträge der Regelbedarfsstufen.
  • Im zweiten Schritt wird durch eine „ergänzende Fortschreibung“ das Ergebnis der Basisfortschreibung durch die regelbedarfsrelevante Preisentwicklung des zweiten Quartals (von April bis Juni) fortgeschrieben und auf volle Euro gerundet.

Der gesetzlich festgelegte Fortschreibungsmechanismus führt zum 1. Januar 2026 aufgrund der Anwendung einer Besitzschutzregelung zu keiner Veränderung der Regelbedarfshöhen. Dies ergibt sich wie folgt:

Ausgangspunkt ist nicht der geltende Betrag von 563 Euro, sondern das Ergebnis der Basisfortschreibung zum 1. Januar 2025. Dies sind für alleinlebende, volljährige Personen mit der Regelbedarfsstufe 1 (RBS 1) 535,50 Euro. Auf den Betrag von 535,50 Euro ist bei der Fortschreibung zum 1. Januar 2026 die Basisfortschreibung mit dem Mischindex anzuwenden. Die Basisfortschreibung erfolgt mit 2,25 Prozent. Der sich aus der Basisfortschreibung ergebende Betrag von 547,55 Euro ist dann mit der Veränderungsrate der ergänzenden Fortschreibung fortzuschreiben. Aufgrund sehr niedriger Preisanstiege im zweiten Quartal 2025 beträgt diese 1,8 Prozent. Rechnerisch ergibt sich so für die RBS 1 ein Wert von 557 Euro, also weniger als der geltende Betrag von 563 Euro. Aufgrund des gesetzlichen Besitzschutzes bleiben die Regelbedarfe daher zum 1. Januar 2026 gegenüber 2025 unverändert – für die RBS 1 gelten also die 563 Euro auch für 2026.

Neuermittlung der Regelbedarfe im nächsten Jahr

Die geltende Fortschreibungsregelung wird voraussichtlich letztmalig angewendet. Für das kommende Jahr steht eine gesetzliche Neuermittlung der Regelbedarfe an. In diesem Gesetzgebungsverfahren wird in Umsetzung des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD auch über die künftige Ausgestaltung der jährlichen Fortschreibung zu entscheiden sein.

Quelle: Bundeskabinett

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Immer mehr Frauen brauchen Grundsicherung im Alter

Immer mehr Frauen sind im Rentenalter auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung (20/14874) auf eine Kleine Anfrage (20/13164) der Gruppe Die Linke hervorgeht, ist die Zahl von 312.388 im Jahr 2014 auf 413.955 im vergangenen Jahr gestiegen.

ungenutztes Arbeitskräftepotenzial von Frauen

Die Bundesregierung äußert sich in der Antwort unter anderem zu Auswirkungen von Kindererziehungszeiten auf die Rente, zum Gender Pension Gap oder zur Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland. Diese sei in den vergangenen zehn Jahren von 2014 bis 2023 von 73,1 Prozent auf 77,2 Prozent gestiegen. Im dritten Quartal 2024 lag die Erwerbstätigenquote von Frauen demnach bei 77,6 Prozent. Mit diesen Zahlen liege Deutschland über dem EU-Durchschnitt von 71,0 Prozent, wie die Regierung betont. Sie verweist aber darauf, dass das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial von Frauen weiterhin hoch sei. Denn noch immer würden die Hälfte aller Frauen in Teilzeit arbeiten und die durchschnittliche Arbeitszeit vergleichsweise gering sein. „Die hohe Teilzeitquote und die durchschnittlich niedrigen Wochenarbeitszeiten weisen auf unzureichende Rahmenbedingungen für die substanzielle Erwerbstätigkeit von Frauen hin“, stellt die Bundesregierung fest.

Freistellungen für Sorgearbeit

In der Begründung der Fragestellung heißt es:

Frauen nehmen nach wie vor deutlich häufiger Freistellungen für Sorgearbeit wie Elternzeit in Anspruch. Nach der Schonzeit kommt es jedoch immer wieder zu Kündigungen, und die Diskriminierung von Eltern und Pflegenden im Job ist weit verbreitet. Abgesehen davon müssen Menschen mit negativen Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt rechnen, wenn sie sich entscheiden, Kinder zu bekommen oder Angehörige zu pflegen. Besonders Mütter, aber auch Väter, erleben aufgrund der Elternschaft schlechtere Karrierechancen, niedrigere Erwerbseinkommen und Renten.

Armutsrisiko von Rentnerinnen steigt

Zuletzt wurde die Abschaffung der sogenannten Mütterrente diskutiert, was die Situation von Frauen noch weiter verschlechtern würde, so die Befürchtungen vieler Expertinnen und Experten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung warnt, dass die Abschaffung der Mütterrente die Altersarmut und den Gender Pension Gap verstärken würde. Eine bessere Lösung wäre es, der Ungleichheit während der Erwerbsphase entgegenzuwirken. Fiele die vor zehn Jahren eingeführte Mütterrente wieder weg, könnte die Bundesregierung jährlich zwar rund 14 Milliarden Euro sparen. Fast neun Millionen Rentnerinnen, die vor 1992 Kinder geboren haben, würden aber durchschnittlich 107 Euro im Monat fehlen. Insbesondere träfe es Frauen aus den unteren Einkommensgruppen, Frauen mit mehr als drei Kindern und geschiedene Frauen. Die Armutsrisikoquote der Rentnerinnen stiege von 19,4 auf 22,3 Prozent.

Mütterrente

Kindererziehungszeiten bis zu einem Jahr nach dem Monat der Geburt, bei Geburten ab 1992 bis zu drei Jahren, sind Pflichtbeitragszeiten für die Rentenversicherung. Mütter (und Väter) erhalten seit 1.7.2014 zwei volle Entgeltpunkte pro Jahr (0,0833 pro Monat) zugeschrieben (sog. Mütterrente). Dadurch wirkt sich ein Jahr Kindererziehung zurzeit mit einem Betrag in Höhe des doppelten aktuellen Rentenwerts (39,32 EUR) aus.

Quellen: Bundestag, SOLEX, DIW

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Zusammenführung von Sozialhilfe und Grundsicherung

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge berichtet über ein Eckpunktepapier des Bundesarbeitsministeriums (BMAS), in dem die Zusammenführung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII in ein neues Lebensunterhaltskapitel geplant ist. Ziel der Reformabsichten ist es, mit einem neuen Lebensunterhaltskapitel im SGB XII „für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Verwaltung ein transparentes und einheitliches Existenzsicherungssystem für nicht erwerbsfähige Personen“ zu schaffen.

Im aktuell gültigen SGB XII gibt es tatsächlich noch erhebliche Unterschiede zwischen den Vorschriften zur Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und denen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel).

Die Sozialhilfe besteht aus

  • Hilfe zum Lebensunterhalt,
  • Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung,
  • Hilfen zur Gesundheit,
  • Hilfe zur Pflege,
  • Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und
  • Hilfe in anderen Lebenslagen

Grundsicherung nur auf Antrag

Die Sozialhilfe setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Ausnahme: Grundsicherung. Diese wird nur auf Antrag gewährt.

Diese Antragserfordernis erschwert in der Praxis den Zugang zur Grundsicherung für einen besonders vulnerablen Personenkreis, die die Regelaltersgrenze erreicht haben oder dauerhaft erwerbsgemindert sind. Der Antrag wirkt hier unter Abweichung von Grundprinzipien des Sozialhilferechts auf den Monatsersten des Kalendermonats zurück, in dem er gestellt wird. Beides führt in der Praxis zu unterschiedlichen und unbefriedigenden Ergebnissen bei der Bewilligung der Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel SGB XII. Insbesondere bei einem Wechsel der Zuständigkeit innerhalb eines Monats, aber auch im Hinblick auf die Berücksichtigung anderer Leistungen, wie z.B. Unterkunftskosten, ergäbe sich durch eine Vereinheitlichung eine wesentliche Vereinfachung des Verfahrens.

Vorläufige Entscheidung

Ein weiterer Unterschied ist, dass es im Vierten Kapitel die Möglichkeit der „Vorläufigen Entscheidung“ (§ 44a SGB XII) gibt, nicht aber bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. Bei existenzsichernden Leistungen ist es wichtig, dass Leistungsansprüche zeitnah erfüllt werden, sobald der Bedarf entsteht. Lässt sich die Entscheidung hierüber nicht bald erreichen, muss der Leistungsträger die Nichtabsicherung des Existenzminimums zumindest vorläufig sicherstellen.

Kosten der Unterkunft

Auch im Bereich der Kosten für Unterkunft und Heizung (§§ 35 und 42a SGB XII) könnten Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels SGB XII angenähert werden. Im Vierten Kapitel werden Regelungen für verschiedene Wohnformen getroffen, die
sich im Dritten Kapitel SGB XII und dem SGB II nicht wiederfinden. Eine Harmonisierung z.B. bei der Frage bei Wohngemeinschaften, der Differenzmethode und der Kopfteilmethode wäre im Sinne einer Gleichbehandlung sehr erstrebenswert.

besondere Wohnformen

Dazu empfiehlt der Deutsche Verein, dass bei der Begrenzung der Aufwendungen für die Unterkunft für besondere Wohnformen auf 125 % der durchschnittlichen Warmmiete eines Einpersonenhaushalts nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass für besondere Wohnformen höhere bauliche Standards gesetzlich vorgeschrieben und darüber hinaus in Bezug auf Barrierefreiheit andere Flächen und Ausstattungen als für normale Wohnungen zu beachten sind. Die hierdurch entstehenden höheren Kosten sind systematisch dem Bereich der Existenzsicherung zuzuordnen und nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 113 Abs. 5 SGB IX zu refinanzieren. Idealerweise sollte daher die Begrenzung auf 125 % gestrichen werden.

Harmonisierung mit SGB II

Inwieweit diese Punkte bei den Gesetzes-Plänen des BMAS berücksichtigt werden, ist noch nicht klar, die Absicht, das neue Lebensunterhaltskapitel neu zu konzeptionieren und zu modernisieren, sei aber zu begrüßen, so der DV. In dem Zusammenhang weist er auch noch einmal darauf hin, dass genauso die Notwendigkeit einer Harmonisierung mit dem SGB II besteht, vorwiegend im Bereich des Einkommens und Vermögens. Eine Angleichung der Freibetrags- und
Schonvermögensbeträge sei nicht nur aus Teilhabeaspekten angebracht, sondern sie trage bei gemischten Bedarfsgemeinschaften sowie beim Wechsel zwischen den Leistungssystemen zur Verwaltungsvereinfachung und einer besseren Nachvollziehbarkeit der Regelungen für die Leistungsbeziehenden bei.

Quellen: Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Bürgergeld und Grundsicherung nicht zu hoch

Das ist das Fazit von Dr. Irene Becker in ihrer Expertise im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes über die Entwicklung der Kaufkraft in der Grundsicherung. Die zentrale Aussage ist: „Bürgergeld: Erhöhungen gleichen Kaufkraftverluste in früheren Jahren nicht aus“.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • In den drei Jahren 2021 bis Ende 2023 haben die Leistungsbeziehenden in der Grundsicherung / Bürgergeld massive Kaufkraftverluste erlitten. Besonders gravierend waren die Kaufkraftverluste in den beiden Jahren 2022 und 2023 – auch bei Gegenrechnung der Einmalleistung 2022 und der Energiepreispauschale für Erwerbstätige und Rentner*innen. Trotz der Anpassung mit der Einführung des Bürgergelds um 11,7 % zum 1. Januar 2023 ergibt sich in der Gesamtbetrachtung des Jahres ein massiver Kaufkraftverlust. Zur Vermeidung eines Kaufkraftverlustes hätte der Regelbedarf für eine alleinstehende Person bereits im Januar 2023 bei 527 Euro statt 503 Euro liegen müssen.
    Singlehaushalt
    Die Kaufkraftverluste bewegen sich in der Gesamtsumme bei einem Singlehaushalt auf bis zu 1.012 Euro (diese Summe reduziert sich um 300 Euro Energiepreispauschale als Sonderzahlung im Jahr 2022, sofern Erwerbstätigkeit oder Rentenansprüche vorlagen, also auf 712 Euro).
    Paarhaushalt
    Bei einem Paarhaushalt mit zwei Kindern (über 14 Jahre) summiert sich der Kaufkraftverlust auf bis zu 3.444 Euro (Reduktion wiederum um 300 Euro, sofern Erwerbstätigkeit oder Rentenleistung vorlag; Annahme: nur ein Teil des Haushalts mit entsprechendem Anspruch, da zwei Erwerbstätige und / oder Rentner*innen in der Regel nicht hilfebedürftig sind).
  • Der Anstieg der Regelleistung für eine Erwachsene („Regelbedarfsstufe 1“) zum 1.1.2024 von 502 auf 563 Euro ist – entgegen der Darstellung einiger politischer Akteure – keine exorbitante Steigerung, sondern lediglich eine teilweise Kompensation der bisherigen Kaufkraftverluste und reicht nicht einmal aus, um etwa aufgelaufene Schulden zu begleichen. Für die Leistungsberechtigten ist die Anpassung gleichwohl eine wichtige und spürbare Erleichterung. Der reale Wert der Regelbedarfe übersteigt nunmehr geringfügig den Standard aus 2021.
  • Mit der bestehenden Anpassungsformel im Gesetz droht zum Jahreswechsel 2025 eine Nullrunde bei der nächsten Anpassung und damit ein neuerlicher Kaufkraftverlust.

Forderungen

Der Paritätische leitet daraus folgende Forderungen ab:

  1. Der Regelbedarf muss endlich auf ein armutsfestes Niveau angehoben werden. Nach den jüngsten Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle wäre hierfür ein Regelbedarf von 813 Euro (2024) sachgerecht.
  2. Die Regelbedarfsanpassung in den Jahren zwischen der Neuermittlung der Regelbedarfe muss kurzfristig reformiert werden, damit eine neuerliche Entwertung der Leistungen vermieden werden kann. Dazu muss insbesondere die Anpassung zeitnäher organisiert und im Ergebnis ein Kaufkraftverlust vermieden werden.

Quelle: Paritätischer Gesamtverband

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Wenn die Rentenerhöhung zu weniger Geld führt

Viele Rentner*innen werden sich Ende Juli über die kräftig gestiegene Rente freuen, auch wenn die Freude natürlich getrübt ist, weil die hohe Inflation die Rentenerhöhung wieder auffrisst. Aber immerhin, besser als gar nichts.

Keine Erhöhung für Bezieher*innen von Grundrente

Gar nichts davon, von der Rentenerhöhung, haben allerdings die Rentner*innen, die ihre geringe Rente mit der Grundsicherung aufstocken müssen, um über die Runden zu kommen. Um Grundsicherung zu bekommen, wird der Bedarf festgestellt, von dem die Einnahmen, also die Rente abgezogen werden. Der Bedarf enspricht bei einer allein lebenden Renterin der Höhe des maßgebenden Regelsatz nach den Regelbedarfsstufen, also 449 Euro. Dazu kommen die Kosten für das Wohnen. Hat also unserer Rentnerin Wohn- und Heizkosten von 451 Euro, liegt der Bedarf bei 900 Euro. Da sie eine Rente von 800 Euro bezieht, hat sie Anspruch auf 100 Euro Grundrente. Insgesamt stehen ihr also 900 Euro monatlich zur Verfügung.

Mit der Rentenerhöhung steigt die Rente auf 843 Euro, gleichzeitig sinkt aber der Anspruch auf Grundrente auf 57 Euro. Somit bleibt es bei monatlichen 900 Euro.

Verlust im Juli

Dazu kommt noch ein Verlust im Monat Juli, der mit dem Auszahlungsystem der Renten zusammenhängt. Renten werden immer Ende des Monats ausgezahlt, die Rente für Juni ist also praktisch der Lebensunterhalt für den Juli, entsprechend kann man die höhere Rente für den Juli erst im August ausgeben.

Für die Anrechnung bei der Grundsicherung zählt aber der Rentenbetrag, der im gleichen Monat ausgezahlt wird, auch wenn es erst der letzte Tag im Monat ist. Das bedeutet für unsere Beispielrentnerin, dass sie im Juli mit der Rente von 800 Euro, ausgezahlt am 30. Juni, plus 57 Euro Grundsicherung auskommen muss, weil hier schon der höhere Rentenbetrag vom 31. Juli angerechnet wird, den sie ja noch gar nicht hat. Also hat sie im Juli nur 857 Euro zur Verfügung.

Es gibt auch keinen Ausgleich dafür. Im August bekommt sie wieder 900 Euro, als sei nichts geschehen.

Sonderregelung wurde gestrichen

Bis zum 1. Januar 2016 galt eine Sonderregelung, nach der Änderungen, die zum Nachteil von leistungsberechtigten Personen führen, erst ab dem Folgemonat greifen. Diese wurde gestrichen.

Der VDK machte auf diesen Missstand aufmerksam und fordert eine Wiedereinführung dieser Regelung.

Quelle: VDK, FOKUS-Sozialrecht, SOLEX

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Vereinfachter Zugang zur Grundsicherung

Bereits im ersten Sozialschutz-Paket zur Bewältigung der Corona-Pandemie wurde beschlossen, den Zugang zu Sozialleistungen im SGB II, SGB XII und Bundesversorgungsgesetz befristet zu erleichtern. Es geht um folgendes:

  • eine befristete Aussetzung der Berücksichtigung von Vermögen. Eine Einkommensprüfung findet weiterhin statt, das gilt auch für Einkommen aus Vermögen.
  • eine befristete Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als angemessen. Das sechsmonatige Aussetzen der Angemessenheitsprüfung führt dazu, dass faktisch ein Jahr lang die tatsächlichen Wohnkosten übernommen werden müssen.
  • Erleichterungen bei der Berücksichtigung von Einkommen in Fällen einer vorläufigen Entscheidung. Eine „Endabrechnung“ soll nicht von Amts wegen erfolgen, sondern nur wenn der Leistungsberechtigte es beantragt. So werden Rückzahlungspflichten vermieden, wenn das tatsächliche Einkommen doch höher war als angenommen und es zu einer Überzahlung gekommen ist.
  • Die Sozialämter können Weiterbewilligungen unter Annahme unveränderter Verhältnisse auch ohne Antrag vornehmen.

Diese Regelungen gelten aktuell bis 31.12.2020.

Selbständige und Künstler*innen

Insbesondere (Solo-)Selbstständige, Künstlerinnen und Künstler sowie andere Gruppen mit verringertem Einkommen, die von den Folgen der Pandemie-Bekämpfung besonders wirtschaftlich getroffen wurden, können so unbürokratisch und schnell Zugang zur Grundsicherung bekommen.

Der Bundesrat hat am 6.11.2020 nun eine Verlängerung der Maßnahmen bis Ende 2021 gefordert, vor allem mit Blick auf (Solo-)Selbstständige, Künstlerinnen und Künstler. Die Leistungen aus den Grundsicherungssystemen stellten derzeit häufig die einzige Möglichkeit für einkommenslose Selbstständige, Künstlerinnen und Künstler dar, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie seien von den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung wirtschaftlich besonders hart getroffen.

Mittagsverpflegung

Der Bundesrat will, dass auch die Sonderregelungen zur Mittagsverpflegung um ein Jahr verlängert werden.

Es sei nicht auszuschließen, dass es auch im kommenden Jahr immer wieder lokale Schulschließungen geben werde. Deshalb solle sichergestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler sowie Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, auch bei pandemiebedingten Schließungen dieser Einrichtungen weiterhin mit Mittagessen im Rahmen des Bildungspakets versorgt werden können.

Es sei auch weiterhin damit zu rechnen, dass Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt sind oder an vergleichbaren Maßnahmen teilhaben, nicht an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung teilnehmen können. Dies kann beispielsweise aufgrund eines persönlichen Gesundheitsrisikos oder einer (Teil-)Schließung der Einrichtung der Fall sein. Die Mittagsversorgung solle weiterhin sichergestellt werden.

Ob die Bundesregierung die Bundesratsforderung umsetzt und einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg bringt, liegt in ihrer Entscheidung. Feste Fristvorgaben gibt es hierfür nicht.

Quelle: Bundesrat

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