Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen

So lautet die Überschrift des Artikels 20a Grundgesetz. Wortlaut: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Einschränkungen der Freiheitsrechte

Die Klimapolitik der Bundesregierung bedroht die Freiheitsrechte vor allem von Kindern und Jugendlichen. Wird hier nicht erheblich nachgebessert, droht ab 2030 eine unverhältnismäßig große Belastung der jüngeren Generationen, weil dann nur unter massiven Einschränkungen der Freiheitsrechte das Schlimmste verhindert werden kann.

Dies ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 29. April 2021.

Verfassungsrang für Pariser Ziele

Die Pariser Klimaziele haben jetzt Verfassungsrang und sind justiziabel. Damit müssen nun weitreichende Klimaschutzmaßnahmen durchgesetzt werden. Es hat inakzeptable Konsequenzen, wenn die in Deutschland bis 2030 zugelassenen Emissionen nicht reduziert werden. Dann wäre das deutsche CO2-Budget nämlich schon 2030 weitgehend aufgebraucht und es müsste zu weitgehenden Beschränkungen von Freiheitsrechten kommen.

CO2-Budget wird zu schnell aufgebraucht

Grundrechte sind dadurch verletzt, dass die im Klimaschutzgesetz bis zum Jahr 2030 zugelassenen Emissionsmengen die nach 2030 noch verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren und dadurch praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet ist. Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte hier vor einer umfassenden Freiheitsgefährdung durch einseitige Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Der Gesetzgeber hätte Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität treffen müssen, an denen es bislang fehlt.

Sozialverträglichkeit

Insbesondere auch ein möglichst sozialverträglicher Wandel zu einer Null-Emissions-Gesellschaft ist durch das Klimaschutzgesetz von 2019 gefährdet. Sozialverträglichkeit ist eine Voraussetzung für eine möglichst breite Zustimmung der Gesellschaft, ohne die die nötigen Schritte kaum durchsetzbar sind.

Wahlkampfthema

Wirtschaftsminister Altmaier beeilte sich nach dem Urteil, Änderungen am Klimaschutzgesetz anzukündigen. Sein wichtiges Ziel ist allerdings, das Thema aus dem Bundestagswahlkampf möglichst herauszuhalten. Keine gute Vorraussetzung für eine effektive Lösung.

Hört auf die Wissenschaft

Greta Thunberg und Fridays For Future mahnen immer wieder auf die Wissenschaft zu hören. Und die Wissenschaft hat schon geliefert.

Hermann Scheer
Kurz vor seinem Tod, 2010, hat Dr. Hermann Scheer in seinem Buch „Der energethische Imperativ – 100 % jetzt“ dargelegt, wie der Wechsel zu Erneuerbaren Energien innerhalb von 25 Jahren bewerkstelligt werden kann. Seitdem sind über ein Jahrzehnt Zeit verschwendet worden, in dem Deutschland vom Vorreiter in Sachen Klimaschutz zum Nachzügler geworden ist. Ein großer Erfolg der Klimaschmutzlobby, wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen.

Fraunhofer-Institut
Das Fraunhofer-Institut zeigt im Februar 2020 „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem„. Dabei wurde die Energiewende insbesondere im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen untersucht.

Wuppertal-Institut
Das Wuppertal-Institut legte im Oktober 2020 eine Studie mit möglichen Eckpunkten vor, die helfen können, das 1,5-Grad-Ziel bis 2035 zu erreichen. Die Studie zeigt, dass ein klimaneutrales Energiesystem bis 2035 zwar sehr ambitioniert, aber grundsätzlich machbar ist; sofern alle aus heutiger Sicht möglichen Strategien gebündelt werden. Notwendig dafür ist vor allem ein Vorziehen und Intensivieren von Maßnahmen, die in vielen Studien als notwendig beschrieben werden, um Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen.

Erste Eckpunkte

Am 5. Mai wurde bekannt, dass es einen ersten Entwurf der Klimaschutzgesetznovelle gebe. Die Eckpunkte enthalten eine Erhöhung der Reduktionsziele bis 2030 und eine Treibhausgasneutralität bis 2045, also fünf Jahre früher als bisher geplant. Die geplanten Maßnahmen scheinen den höheren Klimaschutzambitionen aber nicht gerecht zu werden. So sollen die CO2-Einsparziele für einzelne Wirtschaftssektoren erst ab 2024 verschärft werden. Für die Zeit nach 2031 wurden weiterhin keine konkreten Jahresziele ausgelobt. Und ein beschleunigter Kohleausstieg ist bisher gar nicht Thema.

Die Vorlage zur Novelle stammt offenbar von Agora Energiewende, einer Denkfabrik, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, nach mehrheitsfähigen Kompromiss-Lösungen beim Umbau des Stromsektors innerhalb der Energiewende zu suchen.

Einordnung der Eckpunkte

Hans-Josef Fell, Initiator und Präsident der Energy Watch Group, schreibt dazu: „Ebenso unzulänglich und irreführend sind die neu vorgelegten Eckpunkte zur Reformierung des Klimaschutzgesetzes von Agora Energiewende. In ihrem Papier wird der Regierung empfohlen, die Emissionen bis 2030 um 65 % zu reduzieren, anstatt 55 % um die Klimaneutralität schon 2045, also 5 Jahre früher als bisher geplant, zu erreichen. Dass solche Ziele nicht nur unzureichend und grob fahrlässig sind, sondern schlichtweg nicht verfassungskonform, wurde nun vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.
Zwar hätten führende Vertreter*innen in der Union, wie Kanzlerkandidat Laschet, Bayerischer Ministerpräsident Söder oder Wirtschaftsminister Altmaier, auf das Urteil des Verfassungsgerichts reagiert und strebten nun Klimaneutralität bis 2045 oder 2040 an. Doch genau das bedeute, dass auch noch nach 2030 weiterhin große Mengen Treibhausgase emittiert würden, obwohl dies zu einer schnellen Überschreitung von 2° C Erderwärmung führt, wie die neuesten Forschungen, zusammengefasst von Breakthrough, einem australische Think-Tank, eindringlich belegen.

Quellen: Bundesverfassungsgericht, Hermann Scheer, Fraunhofer-Institut, Wuppertal-Institut, Spiegel, Hans-Josef Fell, Agora-Energiewende, Breakthrough

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Zeitgrenzen für kurzfristig Beschäftigte

Im Landkreis Diepholz gab es am 1. Mai 87 bestätigte Corona-Fälle bei einem Betrieb, der Spargel und Erdbeeren erntet. Die Fälle traten unter den Saisonarbeitern auf. Die positiv getesteten sind seitdem in Quarantäne, die übrigen 950 dürfen arbeiten.

Miserable Bedingungen

In vielen Betrieben dieser Art sind die Arbeits- und Unterkunftsbedingungen miserabel. Erntehelfer*innen arbeiten hart, ohne Krankenversicherung und stehen am Schluss ganz ohne Rentenansprüche da.

Die miserablen Arbeits- und Unterkunftsbedingungen vieler von ihnen waren häufig Thema der Berichterstattung in den letzten Jahren. In der Corona-Krise haben sich diese Bedingungen verschärft. Nachdem am Anfang der Pandemie 2020 erst ein ursprünglicher Einreisestopp für osteuropäische Erntehelfer*innen verhängt wurde, ist die Landwirtschaft im März als systemrelevant eingestuft worden und auf Druck der Landwirtschaftslobby wurden eine ganze Reihe von Sonderregelungen für Erntehelfer*innen eingeführt. Es wurde unter anderem eine Luftbrücke für Erntehelfer*innen eingerichtet sowie eine Ausweitung der Arbeitszeit ermöglicht. Durch das Sozialschutzpaket I ist auch eine Verlängerung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung von 70 auf 115 Tagen beschlossen worden. Diese Regelung ist am 31. Oktober 2020 ausgelaufen.

Spargelernte und Seefische

Versteckt in einer Änderung des Seefischereigesetzes wurden Ende April die Zeitgrenzen für eine kurzfristige Beschäftigung im Jahr 2021 erneut vorübergehend angehoben.

Die Zeitgrenzen werden für die Zeit vom 1. März 2021 bis 31. Oktober 2021 von derzeit drei Monaten bzw. 70 Arbeitstagen auf vier Monate bzw. 102 Arbeitstage angehoben. Im gleichen Zeitraum 2020 wurden die Zeitgrenzen bereits auf fünf Monate bzw. 115 Arbeitstage angehoben.

Aus Gründen des Bestandschutzes soll die Ausweitung der Zeitgrenzen aber nicht für Beschäftigungsverhältnisse gelten, die bereits vor Inkrafttreten dieser Regelung begonnen wurden und nicht kurzfristig sind. Damit soll verhindert werden, dass durch die Neuregelung in bestehenden Sozialversicherungsschutz eingegriffen wird. Durch die Ausweitung des zeitlichen Rahmens für kurzfristige Beschäftigung soll die Wirtschaft tendenziell entlastet werden, da sie kurzfristig Beschäftigte, die in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei sind, länger im Betrieb halten könne.

Ursprünglich für Ferienjobs

Saisonarbeit ist als „kurzfristige Beschäftigung“ für die deutschen Arbeitgeber steuer- und abgabenfrei. Voraussetzung dafür ist, dass diese durch den Arbeitnehmenden nicht berufsmäßig ausgeübt wird und nur eine wirtschaftlich untergeordnete Einkommensquelle ist. Überprüft wird das jedoch kaum und die Vermutung liegt nahe, dass die Saisonarbeit in den meisten Fällen zur Haupteinnahmequelle geworden ist. Aus der Ausnahmeregelung, die ursprünglich nur für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende gedacht war, wird so der Regelfall sozial ungesicherter Arbeitsverhältnisse.

Antrag abgelehnt

Ein Antrag der Linksfraktion dazu wurde abgelehnt. Danach sollten Saisonarbeitskräfte unabhängig von der Beschäftigungsdauer ab dem ersten Einsatztag der vollen Sozialversicherungspflicht unterliegen. Die Arbeitszeit sollte tagesaktuell, elektronisch und manipulationssicher aufgezeichnet werden sowie Arbeits-, Unterbringungs- und Entlohnungsbedingungen besser kontrolliert und stärker sanktioniert werden. Der Antrag wurde abgelehnt.

Guten Appetit!

Quellen: Bundestag, DGB,

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Neu im Mai

Folgende Regelungen treten zum 1. Mai in Kraft:

Kinderbonus

Eltern erhalten für jedes im Jahr 2021 kindergeldberechtigte Kind einen einmaligen Kinderbonus von 150 Euro. Wie schon der Kinderbonus im vergangenen Jahr wird er nicht auf Sozialleistungen angerechnet. Insgesamt profitieren rund 18 Millionen Kinder in Deutschland vom Kinderbonus. Ausgezahlt wird er im Mai. (Drittes Corona-Steuerhilfepaket)

Kinderkrankentage

Die Kinderkrankentage für das Jahr 2021 werden nochmals um 10 Tage pro Elternteil und Kind ausgeweitet, für Alleinerziehende um 20 Tage. Jedes Elternteil hat im Jahr 2021 nun insgesamt 30 Tage Anspruch auf Kinderkrankengeld pro Kind, Alleinerziehende 60 Tage pro Kind. Der Anspruch gilt nicht nur dann, wenn das Kind krank ist, sondern auch, wenn Kitas und Schulen geschlossen sind oder die Betreuung eingeschränkt ist. Die Regelungen treten rückwirkend zum 5. Januar in Kraft. (Länger Kinderkrankengeld)

Einmalzahlung

Erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme erhalten eine einmalige finanzielle Unterstützung in Höhe von 150 Euro je Person für das erste Halbjahr 2021. (Drittes Sozialschutzpaket)

Mindestlöhne in der Pflege

Am 28. Januar 2020 hat sich die Pflegekommission auf höhere Mindestlöhne für Beschäftigte in der Altenpflege geeinigt. Am 22. April erschien im Bundesanzeiger die Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche. Höhere Mindestlöhne und mehr Urlaub.

Corona – Bundesnotbremse

(Gilt seit 23. April)
Überschreitet ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt eine Inzidenz von 100, sollen dort künftig bundeseinheitliche Maßnahmen das Infektionsgeschehen eindämmen. Für Schulen gilt die Inzidenz von 165.
Mit der ergänzten Corona-Arbeitsschutzverordnung müssen Unternehmen seit dem 23. April ihren Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, mindestens zwei Corona-Tests pro Woche anbieten.
(Bundesnotbremse)

Steuer-Identifikationsnummer

Bürgerinnen und Bürger sollen beim Kontakt mit der Verwaltung nicht immer wieder die gleichen Daten angeben müssen, wenn diese bei einer anderen Stelle in der Verwaltung bereits bekannt sind. Mit dem Inkrafttreten des Registermodernisierungsgesetzes kann das „Once-Only“-Prinzip verwirklicht werden. (Steuer-ID für alles)

Schutz im Netz

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet und in den sozialen Medien ist mit der Reform des Jugendschutzgesetzes ab 1. Mai verpflichtend. Anbieter müssen Minderjährige vor Mobbing, sexueller Belästigung oder Kostenfallen bewahren. (Reform des Jugendschutzgesetzes tritt in Kraft)

Quellen: BMFSFJ, BMAS, juris.de, FOKUS – Sozialrecht

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Corona-Aufholpaket wird vertagt

In den letzten Wochen gab es mehrfach Meldungen über ein geplantes „Aufholpaket“ für Kinder und Jugendliche. Mit dem geplanten Aufholprogramm von einer Milliarde Euro sollen Nachhilfe- und Förderprogramme für Schüler in den Bundesländern unterstützt werden. Es wird davon ausgegangen, dass jeder vierte Schüler Lernrückstände aufzuholen hat. Eine weitere Milliarde ist für die Aufstockung verschiedener sozialer Programme vorgesehen, um die sozialen und psychischen Krisenfolgen für Kinder und Jugendliche abzufedern.

100 Euro Bonus

Unter anderem ist eine Einmalzahlung von 100 Euro für Kinder aus Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind oder nur ein sehr geringes Einkommen haben, geplant. Das Geld soll je nach Bedarf für Ferien-, Sport- und Freizeitaktivitäten eingesetzt werden können. Mehr Geld soll zudem für Sprachförderung an Kitas in sogenannten sozialen Brennpunkten zur Verfügung gestellt werden, weil viele Kinder die Einrichtungen nicht besuchen konnten. Auch eine stärkere Förderung kostengünstiger Ferienfreizeiten ist geplant.

Von der Tagesordnung entfernt

Am 27.4.2021 sollte das Bundeskabinett darüber entscheiden. Allerdings wurde das Milliarden-Paket von der Tagesordnung des Kabinetts gestrichen. Einen neuen Termin dafür gibt es noch nicht. Vermutet wird, dass zunächst über die Beteiligung der Bundesländer beraten werden soll, die ja für die Bildungspolitik zuständig seien.

Blockadepolitik

Die SPD wirft derweil der CDU Blockade-Politik vor, was gar nicht gehe, weil den Familien, gerade den ärmsten, die Zeit davon renne und sie dringend Unterstützung beim Aufholen bräuchte. Die SPD sagt allerdings nicht, dass sie seit längerem eine dauerhafte bedarfsgerechte Anhebung der Hartz IV-Sätze blockiert, natürlich im Einklang mit ihrem Koalitionspartner.

Bankrotterklärung

Der VBE (Lehrerverband Bildung und Erziehung) hält im Übrigen die „Nachhilfe-Milliarde“ für eine Bankrotterklärung des Bildungsministeriums. Was gebraucht werde, sei eine personell bessere Ausstattung der Schulen, mit multiprofessionellen Teams, die stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingehen können.

Bei vielen Kindern, gerade aus sowieso benachteiligten Familien, seien riesige Wissenslücken entstanden. Dies aufzuholen, werde noch Jahre Zeit brauchen.

Vielleicht nächste Woche?

Hubertus Heil, Bundessozialminister, kündigte derweil einen Beschluss für die Kabinettssitzung am Mittwoch in der kommenden Woche an.
Mal sehen.

Quellen: Ihre Vorsorge, Redaktionsnetzwerk Deutschland, news4teachers, tagesspiegel

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SGB VIII-Reform verabschiedet

Die Reform der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) hat es nach der Verabschiedung am 22.3.2021 wieder bis in den Bundesrat geschafft. Zumindest ist er auf der Tagesordnung der kommenden Sitzung am 7. Mai. Vor etwas mehr als vier Jahren wurde der erste Versuch der Jugendhilfereform wegen massiver Kritik allerdings kurzfristig von der Tagesordnung des Bundesrats gestrichen.

Es scheint so, als würde der Versuch diesmal erfolgreicher sein. Mit den Stimmen der Koalition und der Grünen, bei Stimmenthaltung der FDP und gegen die Stimmen von Linksfraktion und AfD billigten die Abgeordneten am Donnerstag, 22. April 2021, mehrheitlich den Entwurf für ein modernisiertes Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG, 19/26107). Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte zuvor noch Änderungen am Entwurf vorgenommen (19/28870).

Strengere Kontrolle

Das Gesetz sieht umfassende Änderungen am Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vor, um Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien oder in schwierigen Lebensverhältnissen besser zu schützen und zu unterstützen. So werden Heime und ähnliche Einrichtungen einer strengeren Aufsicht und Kontrolle unterstellt. Kinder in Pflegefamilien verbleiben auf Anordnung des Familiengerichts dauerhaft in diesen, wenn dies zum Schutz und Wohl des Kindes erforderlich ist.

Weniger Eigenbeteiligung

Die Kostenbeteiligung von jungen Menschen in Pflegefamilien und Einrichtungen der Erziehungshilfe wurde von 75 Prozent auf 25 Prozent ihres Einkommens aus Schülerjobs, Praktika oder einer Ausbildung gesenkt. Aufgrund von Änderungen, die der Familienausschuss am Regierungsentwurf vorgenommen hatte, wird zudem ein Freibetrag von 150 Euro des Einkommens von der Kostenbeteiligung ausgenommen. Einkommen aus kurzfristigen Ferienjobs und ehrenamtlicher Tätigkeit wrden gänzlich freigestellt. 

Mehr Kooperation der Beteiligten

Zudem soll die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen, den Strafverfolgungsbehörden und den Familien- und Jugendgerichten verbessert werden. So sollen beispielsweise Ärzte, die sich bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt wenden, in Zukunft auch eine Rückmeldung über die anschließende Gefährdungseinschätzung erhalten. Darüber hinaus soll die Prävention vor Ort und die Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien verbessert werden.

Unabhängige Ombudsstellen

In Notsituationen sollen sich junge Menschen, Eltern und Familien an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden können und dort unbürokratisch Hilfe erhalten. In den Ländern soll eine bedarfsgerechte Struktur von unabhängigen Ombudsstellen eingerichtet werden. Die Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien wurden erweitert. 

Inklusion als Leitgedanke

Mit der Gesetzesnovelle sollen die staatlichen Leistungen und Hilfen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in den kommenden Jahren im SGB VIII gebündelt werden. Prinzipiell soll die Inklusion als Leitgedanke in der Kinder- und Jugendhilfe und die grundsätzlich gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung verankert werden. Ab 2024 soll die Funktion eines Verfahrenslotsen beim Jugendamt eingerichtet werden, der als Ansprechpartner für Eltern und andere Erziehungsberechtigte fungiert. 

Quelle: Bundestag

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Verbesserungen durch das Teilhabestärkungsgesetz?

Morgen, also am 22.4.2021, wird das Teilhabestärkungsgesetz abschließend im Bundestag beraten. Über den Inhalt und die Ziele des Gesetzes berichteten wir im Januar. In der vergangenen Woche gab es dazu die Anhörungen von Experten und Fachverbänden.

Dabei wurde deutlich, dass die im Gesetz vorgesehenen Änderungen im Wesentlichen unterstützt werden. Kritisiert wurde aber, dass einige Schlechterstellungen von Menschen mit Behinderungen bestehen bleiben und die Chance verpasst wurde, die Gleichstellung voranzubringen.

Umsetzung der UN-BRK

Begrüßt auch im Sinne der Umsetzung UN-Behindertenrechtskonvention werden folgende Vorhaben:

  1. Die Aufnahme des Themas Schutz vor Gewalt für behinderte Mädchen und Frauen. Finanzierung und konkrete Strategien müssen noch geklärt werden.
  2. Die Aufnahme Digitaler Gesundheitsanwendungen in den Leistungskatalog.
  3. Die Ausweitung des Budgets für Ausbildung.
  4. Die Abkehr von der bisherigen diskriminierenden Sprachregelung bei der neuen Regelung der Leistungsberechtigung.
  5. Die Änderung des BGG im Hinblick auf die Verpflichtung auch der Privatwirtschaft, Assistenzhunde zu akzeptieren.

Was fehlt?

Wunsch und Wahlrecht

Mit dem BTHG wurden Leistungen der Assistenz für diejenigen, deren Kostenträger die Eingliederungshilfe ist, unter eine Prüfung der „Angemessenheit“ und damit unter Kostenvorbehalt gestellt (§ 104 Abs. 2 SGB IX). Diese Abschwächung des allgemein geltenden Wunsch- und Wahlrechts (§ 8 SGB IX) muss beendet werden. Die freie Wahl der Wohnform ist grundlegende Voraussetzung für die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

„Zwangs-Poolen“

Leistungen, die gemeinsam an mehrere Leistungsberechtigte erbracht werden, bezeichnet man auch als Poolen von Leistungen. Das Poolen kann auf Wunsch des Leistungsnehmers geschehen, aber auch gegen seinen Willen, wenn das Poolen für ihn zumutbar ist. Das „Zwangs-Poolen“ ist allerdings rechtlich umstritten. Der Gesetzgeber argumentiert mit der Wirtschaftlichkeit, die Gegner sehen darin Unvereinbarkeiten mit der Behindertenrechtskonvention und dem Grundgesetz. Die gemeinsame Leistungserbringung darf möglich und in Einzelfällen sogar gewollt sein, aber nur, sofern dies dem Wunsch der Betroffenen entspricht. Die gemeinsame Leistungserbringung muss daher – zumindest für den Bereich der Persönlichen Assistenz – unter dem Zustimmungsvorbehalt der Leistungsberechtigten stehen.

Ehrenamt

Die Ausübung eines Ehrenamtes wird durch § 78 Abs. 5 SGB IX unzulässig eingeschränkt. Danach solle die notwendige Unterstützung für die Ausübung eines Ehrenamtes „vorrangig im Rahmen familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher oder ähnlich persönlicher Beziehungen erbracht werden“. Schon die Grünen forderten im November 2018 eine Abschaffung des Absatzes 5. In der Stellungnahme der Selbsthilfe-Initiative Ability Watch wird zumindest die Streichung der Einschränkung „soweit die Unterstützung nicht zumutbar unentgeltlich erbracht werden kann“ gefordert.

Anrechnung von Einkommen und Vermögen

Die UN-BRK fordert die gleichberechtigte Partizipation von Menschen mit Behinderung und damit die Möglichkeit, den gleichen Lebensstandard zu erreichen wie Menschen ohne Behinderung. Behinderungsbedingte Unterstützungsleistungen müssen entsprechend gestaltet sein. Damit verbietet sich auch jede Anrechnung von Einkommen und Vermögen für den Erhalt von Teilhabeleistungen, da diese zu einer Verringerung des Lebensstandards im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung führt. Nancy Poser von Ability Watch dazu: „Dass der Gesetzgeber gleichwohl auch im Entwurf des Teilhabestärkungsgesetzes erneut die Abschaffung der Anrechnung von Einkommen und Vermögen nicht angeht, scheint einzig in der überkommenden Vorstellung begründet, dass Teilhabeleistungen kein Nachteilsausgleich sondern Teil einer Sozialhilfe seien, für deren Empfang man arm zu sein hat.“

Assistenz im Krankenhaus

In der Anhörung forderte unter anderem der VDK nachdrücklich, die Finanzierung des Assistenzbedarfs im Krankenhaus endlich zu regeln. VdK-Präsidentin Verena Bentele dazu: „Aus unseren Beratungen wissen wir, dass Menschen mit Demenz im Krankenhaus ohne Begleitung nur schwer zurechtkommen. Wenn sie keine vertraute Person bei sich haben, können sie den Ärzten oft nicht folgen. Sie wissen dann nicht, welche Medikamente sie einnehmen sollen und warum eine Behandlung durchgeführt wird. Für Menschen mit Behinderungen oder für alte Menschen mit Demenz ist eine Begleitung im Krankenhaus der Schlüssel, um gesund zu werden. Dafür braucht es endlich eine gesetzliche Regelung. Die Betroffenen dürfen nicht länger von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden, weil niemand die Kosten für ihre Assistenz übernehmen will. Eingliederungshilfe und Krankenkassen schieben sich seit Jahren die Verantwortung zu. Die Leidtragenden sind vor allem Menschen mit Demenz oder mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen.“

Schon im Mai 2020 forderten die Fachverbände für Menschen mit Behinderung vom Bundesgesetzgeber, die soziale Assistenz für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung im Krankenhaus sowie in stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen als Leistung der Eingliederungshilfe durch eine geeignete Regelung im SGB IX sicherzustellen. Die Fachverbände schlagen vor, die Liste der Leistungen zur sozialen Teilhabe in § 113 Abs. 2 Ziffern 1-9 SGB IX um eine Ziffer 10 „Assistenz im Krankenhaus sowie in stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen“ zu ergänzen.

Ausgerechnet die AfD hat in einem Zusatzantrag zum Gesetzentwurf diesen Punkt aufgegriffen und fordert wortgleich eben diese Gesetzesänderung. Falls es tatsächlich zu der Ergänzung im Gesetz kommen sollte, wird es der AfD aber nicht gelingen, dies als „ihren Erfolg“ darzustellen.

Schwammige Rechtsbegriffe

Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung zahlreiche Änderungen im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) umsetzen, die den Alltag von Menschen mit Behinderungen erleichtern sollen. So soll beispielsweise geregelt werden, dass Menschen mit Behinderung der Zutritt nicht wegen einer Begleitung durch einen Assistenz- oder Blindenführhund verweigert werden darf.

Viele Organisationen und Vereine kritisieren dabei jedoch schwammige Rechtsbegriffe und befürchten, dass Menschen mit Behinderung auch weiterhin selber beweisen müssten, dass sie beim Besuch von Geschäften oder Einrichtungen auf die Begleitung ihres Assistenzhundes angewiesen sind. Befürchtet wird zudem, dass sich Nachteile für Menschen in Begleitung von Blindenführhunden ergeben werden, sofern Blindenführhunde, wie vorgesehen, keine Assistenzhunde nach dem BGG sein sollen. Mit der Unterscheidung zwischen Assistenz- und Blindenführhunden würde der Sonderstatus des Blindenführhundes zementiert, was dazu führen könnte, dass Assistenzhunde „nachhaltig von der Finanzierung durch Sozialleistungsträger ausgeschlossen bleiben“, schreibt etwa der Verein Associata-Assistenzhunde in seiner Stellungnahme für den Gesetzentwurf. Auch die Allianz für Assistenzhunde fragt in ihrer Stellungnahme: „Warum müssen Halter*innen von Nicht-Blindenführhunden mit hohen Kosten kämpfen, während Blindenführhund-Teams gefördert werden?“

Bundesrat

Sollte das Teilhabestärkungsgesetz im Bundestag verabschiedet werden, muss es noch im Bundesrat bestätigt werden. Auf der Tagesordnung der nächsten Bundesratssitzung ist es aber noch nicht aufgeführt. Es kann also noch Juni werden, bis das Gesetz endgültig verabschiedet wird. Geplant ist das Inkrafttreten zum 1.1.2022, teilweise aber schon direkt nach Verkündung des Gesetzes (Gewaltschutz, Digitale Gesundheitsanwendungen, Ausweitung des Budgets für Ausbildung).

Quellen: Bundestag, Bundesrat, ability watch, VDK, Neues Deutschland, FOKUS-Sozialrecht – Artikelserie zum BTHG

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Corona-Teilhabe-Fonds verlängert

Zum 1. Januar 2021 hatte der Bundestag (Beschluss vom 2.7.2020) den Corona-Teilhabe-Fonds aufgelegt, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erließ eine Förderrichtlinie und traf Verwaltungsvereinbarungen mit den Bundesländern. Die Leistungen werden von den Integrationsämtern in den Ländern erbracht. Sie gleichen rückwirkend für die Zeit ab dem 1. September 2020 entgangene Einnahmen aus. Die jetzige Verlängerung der Antragsfrist erfolgt mittels einer Richtlinie zur Änderung der bisherigen Förder-Richtlinie. Diese wurde am 08. April 2021 im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Einrichtungen der Behindertenhilfe, Sozialkaufhäuser und gemeinnützige Sozialunternehmen können zur Zeit Leistungen zum Ausgleich der Pandemiefolgen erhalten. Dazu gehören auch rund 900 Inklusionsbetriebe, die unter Schließungen und Umsatzausfällen leiden und in denen Menschen mit Schwerbehinderung arbeiten. Die Frist zur Beantragung von Leistungen wird aufgrund der andauernden pandemischen Lage nun bis zum 31. Mai 2021 verlängert.

Eckpunkte der Fördermöglichkeit sind:

  • Zuschüsse aus dem Corona-Teilhabe-Fonds bestehen aus einer Liquiditätsbeihilfe in Höhe von 90 Prozent der betrieblichen Fixkosten, die nicht durch die Einnahmen gedeckt sind.
  • Die Beihilfe ist nicht von der Anzahl der Beschäftigten oder der Betriebsgröße abhängig und kann im Einzelfall bis zu 800.000 Euro betragen.
  • Erstattungsfähig sind auch Personalaufwendungen, die nicht durch Kurzarbeitergeld oder anderweitig gedeckt sind.
  • Antragsformulare stehen auf der Webseite der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter zur Verfügung.
  • Die Auszahlung der Liquiditätsbeihilfe erfolgt unverzüglich nach der Bewilligung.
  • Bis zum 31. August 2021 hat der Antragsteller in einer Schlussabrechnung die tatsächlichen Einnahmen, Kosten und gegebenenfalls andere Unterstützungsleistungen nachzuweisen. Ergibt sich dabei, dass der Liquiditätsengpass geringer ist als anfangs angenommen, sind zu viel gezahlte Leistungen zurückzuzahlen.

Umfassende Informationen veröffentlichen die Integrationsämter unter diesem Link.

Quelle: BMAS

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Länger Kinderkrankengeld

Zuletzt im Januar wurde der Anspruch auf Kinderkrankengeld auf 20 Tage im Jahr 2021 verlängert.

Nun hat das Bundeskabinett beschlossen, dass dieser Anspruch für das Jahr 2021 von 20 Tagen pro Elternteil und Kind auf 30 Tage und damit für Elternpaare pro Kind auf 60 Tage verlängert wird. Auch für Alleinerziehende verdoppelt sich der Anspruch pro Kind von 30 auf nun 60 Tage.

Ein Anspruch auf das erweiterte pandemiebedingte Kinderkrankengeld besteht nicht nur dann, wenn das eigene Kind krank ist, sondern auch, wenn die Kinderbetreuung zu Hause erforderlich ist. Das gilt unter anderem dann, wenn die Schule, die Kita, oder auch die Einrichtung für Menschen mit Behinderungen pandemiebedingt geschlossen ist, die Präsenzbetreuung untersagt ist oder einzelne Klassen oder Kitagruppen in Quarantäne sind.

Anspruchsberechtigt sind gesetzlich versicherte berufstätige Eltern, die selbst Anspruch auf Krankengeld haben und deren Kind unter zwölf Jahre alt ist. Bei Kindern, die eine Behinderung haben, besteht der Anspruch auch über das zwölfte Lebensjahr hinaus. Voraussetzung ist auch, dass es im Haushalt keine andere Person gibt, die das Kind betreuen kann. Privatversicherte und beihilfeberechtigte Eltern können einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz (IfSG) geltend machen.

Die 30 oder auch 60 Tage können sowohl für die Betreuung eines kranken Kindes verwendet werden als auch für die Betreuung, weil die Schule oder Kita geschlossen, die Präsenzpflicht aufgehoben oder der Zugang eingeschränkt ist.

Ist das Kind krank, muss der Betreuungsbedarf gegenüber der Krankenkasse mit einer Bescheinigung vom Arzt nachwiesen werden. Dafür wird die „Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes“ ausgefüllt. Muss ein Kind aufgrund einer Schul- oder Kitaschließung zu Hause betreut werden, genügt eine Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung.

Auch wenn nur die Präsenzpflicht in der Schule aufgehoben, der Zugang zur Kita eingeschränkt wurde oder nur die Klasse oder Gruppe nicht in die Schule oder Kita gehen kann, haben Eltern Anspruch.

Ein Anspruch besteht unabhängig davon, ob die Arbeitsleistung nicht auch grundsätzlich im Homeoffice erbracht werden kann.

Wie bisher beträgt das Kinderkrankengeld bis zu 90 Prozent des entfallenen Nettoarbeitslohns.

Eltern beantragen das Kinderkrankengeld bei ihren Krankenkassen und weisen auf geeignete Weise nach, dass die Einrichtung geschlossen ist oder nicht besucht wird. Die Krankenkasse kann die Vorlage einer Bescheinigung der Einrichtung oder der Schule verlangen.

Quelle: Bundeskabinett

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Bundesnotbremse

Die Zahl der Infizierten steigt, die Krankenhäuser und Intensivstationen kommen an ihre Grenze. Genau so, wie es die Wissenschaftler schon seit Januar vorhergesagt haben. Bundesregierung, Länderchefs und Parteispitzen sind davon völlig überrascht und reagieren mit Schockstarre. Wenigstens sollen bundeseinheitliche Regeln her. Das Kabinett hat dazu am 13.4. einen Gesetzentwurf verabschiedet. Gleichzeitig wurde bekannt, dass das Gesetz nicht im beschleunigten Verfahren verabschiedet wird, man will ja nichts überstürzen.

Änderungen zum ersten Entwurf

Unterschiede zum vorab bekannt gewordenen Entwurf gibt es einige:

  • zu den Geschäften, die auch bei einer Inzidenz über 100 öffnen dürfen gehören nun auch Buchhändler und Getränkemärkte,
  • Präsenzunterricht bleibt bei Inzidenz zwischen 100 und 200 nur mit 2 Tests pro Woche zulässig. Bei einer Inzidenz über 200 aber nicht. Ausgenommen davon sind jetzt Abschlussklassen und Förderschulen,
  • im öffentlichen Nahverkehr ist eine maximale Belegung von 50 % nur noch „anzustreben“, nicht, wie es im Entwurf noch hieß, „sicherzustellen“, 
  • die Regelung, dass private Treffen nur mit einer weiteren Person „je Tag“ stattfinden dürfen, ist gestrichen,
  • im Privaten dürfen sich bei einer Inzidenz über 100 ein Haushalt plus eine Person (und deren Kinder unter 14) treffen, die ursprünglich vorgesehene Obergrenze von 5 Personen wurde gestrichen.

Eine Verschärfung

Verschärft wurde das Außerkraftreten der „Notbremse“. Das soll erst geschehen, wenn die Inzidenz an 5 aufeinanderfolgenden Tagen unter 100 bleibt (vorher 3 Tage). Es bleibt dabei, dass die Bundesnotbremse in Kraft tritt, wenn die Inzidenz in einem Kreis an 3 aufeinanderfolgenden Tage über 100 liegt.

Vorgesehen ist eine erste Beratung im Bundestag am 16.4., abschließend in der kommenden Woche. Danach muss das Gesetz noch den Bundesrat passieren.

Umstrittene Ausgangssperren

Besonders umstritten sind die geplanten Ausgangssperren. Es sollen zwischen 21 Uhr und 5 Uhr des Folgetages Ausgangsbeschränkungen gelten. Aufenthalte außerhalb des Wohnraums sollen allerdings gestattet bleiben, wenn diese zur Berufsausübung, zur Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum, zur Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts, zur unaufschiebbaren Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder Minderjähriger, der Begleitung Sterbender oder der Versorgung von Tieren dienen.

Befürchtet wir eine Flut von Klagen gegen diese Regelung, einige lokale Ausgangssperren wurden schon von Gerichten gekippt.

Die Wirksamkeit von Ausgangssperren ist umstritten. Selbst, wenn sie zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitrügen, ist es schwer vermittelbar, dass die Menschen tagsüber in Großraumbüros, Schulen und Schulbussen Kontakte zu vielen anderen Menschen haben sollen, aber ein abendlicher Spaziergang verboten sein soll.

Nicht kontrollierbar

Grundsätzlich ist der Inzidenzgrenzwert viel zu hoch, gerade auch wegen der B117-Mutation. Damit lässt sich die Pandemie, wie die Wissenschaftler ständig predigen, nicht mehr kontrollieren. Zur Erinnerung: Vor einem Jahr, als Deutschland die wegen des Umgangs mit der Pandemie noch von vielen Seiten gelobt wurde, ging das Land bei einem Inzidenzwert von knapp 30 in den Lockdown. Das bescherte uns einen relativ entspannten Sommer. Der wurde leider verschlafen und nicht genutzt, um Vorbereitungen für den Herbst und Winter zu treffen. Hätte es nicht die rasante Impfstoffentwicklung gegeben, sähe es jetzt völlig hoffnungslos aus.

Quelle: Bundeskabinett

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Coronaregeln – bundeseinheitlich?

Union und SPD haben offenbar ihre Pläne für bundesweit einheitliche Corona-Regeln konkretisiert. Es liegt ein Entwurf einer „Formulierungshilfe“ für einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Demnach sei künftig eine verbindliche „Notbremse“ in Gebieten vorgesehen, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner den Wert von 100 an drei Tagen nacheinander überschreitet. Dann müssten dort zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr früh Ausgangsbeschränkungen verhängt werden. Zudem sei geplant, dass in solchen Gebieten alle nicht-lebensnotwendigen Geschäfte schließen müssten, ebenso die Außengastronomie. In Schulen und Kitas solle es laut der Nachrichtenagentur dpa ab einem Inzidenzwert von 200 nur noch eine Notbetreuung geben. Wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in dem betreffenden Gebiet drei Tage lang wieder unter dem entsprechenden Schwellenwert liege, könnten die zusätzlichen Maßnahmen beendet werden. Bislang ist die Pandemiebekämpfung rechtlich vor allem Sache der Bundesländer, die sich nicht immer an die bereits auf einer Ministerpräsidentenkonferenz vereinbarte „Notbremse“ halten.

Ende April? Bis dahin könnte das Virus ja mal Pause machen!

Inhaltlich ändert sich also kaum etwas. Der Unterschied zu vorher ist, dass sich alle an die Regeln halten müssen. Das hatte man allerdings von den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz eigentlich auch erwartet. Das Gesetz muss jetzt noch durch den Bundestag und den Bundesrat, bevor es vielleicht Ende April dann in Kraft tritt. Dummerweise hält sich das Virus nicht an die parlamentarischen Gepflogenheiten.

Einge Bundesländer bangen um ihre Modellprojekte. Es ist daher noch gar nicht sicher, ob das Gesetz so oder überhaupt in Kraft treten wird.

Kinder sind nicht so wichtig

Mittlerweile sollte jedem klar sein, dass die weitere Ausbreitung des Virus mit den alten und neuen Maßnahmen nicht verhindert werden kann. Die Intensivstationen werden überlastet, viele Menschen werden steben, viele werden noch lange an den Folgen der Krankheit leiden. Es werden zunehmend Jüngere und auch Kinder sein, die einen schweren Verlauf haben und langfristig mit den Folgen zu kämpfen haben. Trotzdem bleibt es dabei, dass für Schulen der Inzidenz-Schwellenwert bei 200 liegen soll. Es soll ja getestet werden. Ob überhaupt genügend Tests in den Schulen angekommen sind und ob die Tests auch tatsächlich vernünftig durchgeführt werden, scheint zweitrangig zu sein. So ist immer noch nicht geklärt, ob die Tests in der Schule unter Aufsicht durchgeführt werden sollen, also dann, wenn es eigentlich schon zu spät ist, eine Ansteckung zu verhindern, oder zu Hause und freiwillig, aber ohne Kontrolle, ob die Tests tatsächlich gemacht wurden.

Vermutlich ist man Anfang Mai wieder überrascht, wie hoch die Zahl der Kranken und Toten ist. Das hätte ja keiner wissen können….

Quelle: Bundesregierung

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