Globaler Klimastreik 2023

Am 15. September 2023 findet der nächste globale Klimastreik statt. Weltweit erleben Menschen, wie unsere Lebensgrundlagen zerstört werden – die Klimakrise ist real. Doch anstatt die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, gehen Politik und Wirtschaft in den Verdrängungsmodus und betreiben skrupelloses Greenwashing. 

In Deutschland hat die Klimabewegung mit dazu beigetragen, dass 2021 eine Regierung mit ambitionierten Zielen gewählt wurde. Damit hat sich die Bewegung aber unfreiwillig selber geschwächt. In der Hoffnung, das Regierungshandeln würde es jetzt schon richten, ist der Protest auf der Straße leiser geworden. Dazu kamen die EInschränkungen in der Corona-Zeit. Andere Aktionsformen beherrschten die Schlagzeilen und gaben den Handlangern der Fossilindustrie die Möglichkeit, heftig zurückzuschlagen.

Expertenrat für Klimafragen

Der Bundesregierung hat der Expertenrat für Klimafragen in seinem Bericht vom 22. August 2023 bescheinigt, dass sie mit dem Entwurf für ein Klimaschutzprogram 2023 kein Klimaschutzprogramm vorgelegt habe, das die Ziele in Summe über die Jahre 2021 bis 2030 erreiche, weder sektorenübergreifend als auch für einzelne Sektoren (Industrie, Gebäude und Verkehr). Diese Feststellung gelte bereits laut eigener Aussage der Bundesregierung. Zudem sei das Klimaschutzprogramm 2023 nicht geeignet, die Europäischer Klimaschutzverordnung einzuhalten.

Ein deutlicher Motivationschub von der Straße für die Ampelkoalition ist dringend nötig. Dabei müssen diejenigen benannt werden, die am heftigsten auf die Bremse treten. Je weniger Klimaschutz, desto teurer wird es.

Aber China!

Ein häufiger Einwand gegen Klimaschutzmaßnahmen hierzulande ist, die Anstrengungen brächten nicht viel, wenn Menschen in anderen Ländern nicht auch ihre Emissionen reduzieren würden. Der neue Climate Inequality Report  2023 entkräftet dieses Argument ein weiteres Mal. Darüber schreibt der Chef des DIW, Marcel Fratzscher, in einem Artikel in der ZEIT.

Der Bericht zeigt,

  • dass die reichsten Länder bei Weitem die höchsten CO₂-Emissionen haben,
  • dass die Ungleichheit innerhalb der Länder entscheidender ist, als die Ungleichheit zwischen den Ländern.
  • Einsparungen bei dem einen Prozent der Bevölkerung mit den höchsten Emissionen sind deutlich leichter zu realisieren als bei den 50 Prozent mit den geringsten Emissionen.
  • Die Bekämpfung von Armut verursacht nur geringe zusätzliche CO₂-Emissionen.
  • Das Potenzial für erhebliche Einsparungen durch neue Produktionsmethoden oder ein anderes Konsumverhalten ist bei den zehn Prozent der größten Emittenten weltweit groß.

wer am meisten verursacht, kommt am besten davon

Zehn Prozent der reichsten Menschen verursachen die Hälfte aller CO₂-Emissionen und besitzen drei Viertel aller Kapazitäten, um effektive Einsparungen vorzunehmen. Sie tragen aber nur 3 Prozent des Schadens durch Klimawandel und den damit einhergehenden Dürren, Stürmen, Fluten und anderen Katastrophen. Die Hälfte der Weltbevölkerung mit den geringsten Emissionen dagegen erleidet 75 Prozent der globalen Schäden und trägt damit auch die Kosten des Klimawandels. 

Bisher sind die Regierungen daran gescheitert, durch Steuern, Regulierungen und gezielte Hilfen, das Ungleichgewicht zu verändern. Das muss auch am 15. September noch einmal ganz deutlich gemacht werden.

Quellen: FFF, Expertenrat Klima, Amtsblatt der Europäischen Union, ZEIT, Climate Inequality Report 2023

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Kabinettsbeschlüsse

Am 23. August 2023 verabschiedete das Bundeskabinett drei Gesetzesvorhaben:

  • Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts,
  • Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts,
  • Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag.

Namenssrecht

Der Gesetzentwurf sieht eine Modernisierung des bürgerlich-rechtlichen Namensrechts vor: also des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts. Das geltende deutsche Namensrecht ist sehr restriktiv, gerade auch im internationalen Vergleich. Es trägt der vielfältigen Lebenswirklichkeit und den Bedürfnissen vieler Familien nicht mehr hinreichend Rechnung. Kernstück der Reform ist die Einführung echter Doppelnamen für Ehepaare und Kinder. Wenn Ehen auseinandergehen, dann sollte das Recht Kinder nicht starrköpfig an einem Namen festhalten, der zu ihrer Lebenssituation nicht mehr passt. Und auch den Namenstraditionen von Minderheiten sollte das Recht mit Respekt begegnen. Mehr zu den Änderungsvorhaben beim Bundesjustizministerium.

Staatsbürgerschaft

Das Staatsangehörigkeitsrecht soll modernisiert werden. Zu dem Gesetzentwurf gab es an dieser Stelle im November 2022 und im Mai 2023 schon zwei Artikel. Den Kabinettsentwurf veröffentlicht das Bundesinnenministerium. Wesentliche Inalte des Entwurfs:

  • Mehrstaatigkeit soll möglich werden: Zugewanderte müssen ihre bisherige Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung nicht mehr aufgeben.
  • Einbürgerung soll beschleunigt werden: Statt nach 8 Jahren sollen Menschen bereits nach 5 Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten können.
  • Besondere Leistung wird belohnt: Bei „besonderen Integrationsleistungen“ ist eine Einbürgerung bereits nach 3 Jahren möglich.
  • Lebensleistung der Gastarbeitergeneration soll anerkannt werden: Nachweis mündlicher Sprachkenntnisse genügt für eine Einbürgerung (kein Einbürgerungstest notwendig)

Selbstbestimmung

Das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (Selbstbestimmungsgesetz, SBGG) möchte die durch das Grundgesetz garantierten Rechte

  • freie Entfaltung der Persönlichkeit,
  • Achtung der Privatsphäre und
  • Nichtdiskriminierung

für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sicherstellen. Dafür soll das veraltete und zum Teil verfassungswidrige Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 aufgehoben und durch eine einheitliche Regelung ersetzt werden, mit der Menschen ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen per Selbstauskunft beim Standesamt ändern können.

Den Gesetzentwurf veröffentlicht das Bundesfamilienministerium. Seit 2020 berichten wir hier über die Bemühungen, die Diskriminierung des alten Transsexuellengesetzes zu überwinden:

Kritik von Betroffenen

Betroffene erkennen an, dass mit dem Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung getan wurde, allerdings bemängeln sie, dass aus einem Gesetz zur selbstbestimmten Änderung staatlicher Anerkennung ein Gesetz geworden sei, das im Wesentlichen das tiefe Misstrauen gegenüber den verfassungsgemäßen Rechten geschlechtlicher Minderheiten regelt und rechtfertigt. Hier werde die bloße Existenz von TIN-Personen als Zumutung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft konstruiert und festgeschrieben. So beschreibt es das Online-Magazin Queer.de.

Quellen: Bundeskabinett, BMI, BMJ, BMFSFJ, Queer.de, FOKUS-Sozialrecht

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Werbeschranken für Lebensmittel

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft arbeitet an klaren und verbindliche Regeln zu an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung. Denn an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung preist sehr häufig hochverarbeitete Lebensmittel an, die zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten.

Erkrankungen und gesellschaftliche Kosten

Der übermäßige Verzehr solcher Lebensmittel trägt zu ernährungsmitbedingten Erkrankungen bei (z.B. Adipositas, Diabetes), die hohe gesellschaftliche Kosten verursachen.

Kinder empfänglich für Werbung

Lebensmittelwerbung hat einen nachhaltigen Einfluss auf das Ernährungsverhalten bei Kindern unter 14 Jahren. Sie sind besonders empfänglich für Werbung. Eltern haben kaum die Möglichkeit, ihre Kinder vor Werbung zu schützen. Dabei wird gerade im Kindesalter Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt.

freiwillige Selbstverpflichtung versagt

Um Kinder zu schützen, Eltern zu stärken und im Alltag zu entlasten sowie zu einer besseren Ernährungsumgebung beizutragen, so dass Kinder gesund groß werden können, soll sich Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in allen relevanten Medien nicht mehr an Kinder richten dürfen.

Bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen und Branchenregeln konnten Kinder nicht effektiv vor negativen Werbeeinflüssen schützen.

Zahlen und Hintergründe

Zahlen und Hintergründe zu Einflüssen auf mediennutzende Kinder und Jugendliche zeigt das Ministerium auf seinen Homepage auf.

FDP blockiert

Die Umsetzung des Gesetzes wird wieder mal von der FDP blockiert. Die hält eine Werbebeschränkung für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalt für eine Beschneidung der persönlichen Freiheit und für staatliche Bevormundung. Ähnlich also wie beim wohlstandsverwahrlosten Freiheitsbegriff bei der Blockade eines Tempolimits.

Appell an Lindner

Dagegen wehren sich nun mehr als 60 Organisationen mit einem Appell an FDP-Parteichef Christian „Porsche“ Lindner. Mit „großer Sorge“ blicke man auf die ablehnenden Äußerungen von Parteivertreter:innen der FDP zu den Plänen für Kinderschutz, heißt es in dem offenen Brief an die Parteispitze, den zahlreiche Verbände, wie medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, Kinderrechtsorganisationen, Eltern- und Pädagogikverbände, Verbraucherschutz- und Ernährungsorganisationen sowie Ärzteverbände und Krankenkassen unterzeichnet haben. Umfassende Werbeschranken für unausgewogene Lebensmittel seien ein wichtiges Instrument zur Förderung einer gesunden Ernährung bei Kindern, mahnt das Bündnis. Mit ihrer Blockadehaltung stelle sich die FDP gegen den einhelligen Konsens in der Wissenschaft und Zivilgesellschaft. 

Den offenen Brief kann man auf foodwatch.org nachlesen.

FDP-Blockade hat schon gewirkt

Mit ihrer Blockade haben die Liberalen dem Ernährungsminister bereits Zugeständnisse abgerungen: Eigentlich hatte Özdemir geplant, die Werbung für unausgewogene Lebensmittel im TV und Hörfunk tagsüber zwischen 6 und 23 Uhr grundsätzlich zu untersagen. Auf Druck der FDP beschränkt sich die Regelung nun wochentags nur noch auf die Abendstunden, wenn besonders viele Kinder Medien nutzen. Auch für Plakatwerbung soll es nun lediglich eine 100-Meter-Bannmeile um Kitas und Schulen, nicht aber um Spielplätze und Freizeiteinrichtungen geben. Die FDP will jedoch auch den Kompromissvorschlag Özdemirs nicht unterstützen. 

jeder siebte Todesfall infolge ungesunder Ernährung

Kinder essen mehr als doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Den letzten repräsentativen Messungen zufolge sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf ungesunde Ernährung zurückzuführen. 

Quellen: BMEL, foodwatch, Adipositas-Gesellschaft

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Keine Kindergrundsicherung ist zu teuer

Die Kindergrundsicherung, so wie die Familienministerin sie will, sei zu teuer, so des Finanzmisnisters Kurzfassung seiner Blockade der Umsetzung eines wichtigen Punktes im Koalitionsvertrag.

Folgekosten des Nichtstuns

Nun stellt sich raus, dank einer vom DIW veröffentlichen Studie, keine Grundsicherung ist viel teurer. Während die FDP sich noch empört darüber zeigt, dass die Familienministerin ein Gesetz zur Unternehmenssteuersenkung blockiere, wohl wissend, dass sie selber in den letzten Monaten eine ganze Reihe dringender Klimaschutzgesetze blockiert, torpediert und verwässert haben, stellt sich wieder mal heraus, dass Nichtstun in gesellschafts- und umweltpolitischen Fagen ungleich höhere Folgekosten bringen wird. Auch das Märchen, die Familienministerin habe kein Konzept, wird durch stänige Wiederholung nicht wahrer. (siehe hier und hier)

Bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe ist das allen mittlerweile klar. Leider gibt es auch in der Ampelkoalition noch einflussreiche Politiker, die weiter Politik im Sinne der Fossilindustrie machen.

Zentrales Vorhaben

Die Kindergrundsicherung ist nach dem Koalitionsvertrag eines der zentralen familien- und sozialpolitischen Vorhaben in dieser Legislaturperiode, um bessere Chancen für Kinder und Jugendliche zu schaffen: Zum einen durch die Bündelung sozial- und familienpolitischer Leistungen und zum anderen durch eine Erhöhung des Grundbedarfs.

Studie im Auftrag der Diakonie

Die Diakonie Deutschland hat am Freitag in Berlin eine Kurzexpertise vorgestellt, die zur Versachlichung der Debatte beitragen soll. Die Kurzexpertise, die DIW Econ, eine Beratungstochter des DIW Berlin, im Auftrag der Diakonie Deutschland erstellt hat, stellt umfassend das Ausmaß der Kinderarmut in Deutschland dar und erörtert die gesellschaftlichen Folgekosten in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Teilhabe. Darüber hinaus zeigt die Kurzexpertise auf, welche Effekte eine Erhöhung der monetären Hilfen für Kinder in armen Haushalten auf das Armutsrisiko der Betroffenen hätte.

Die von Familienministerin Lisa Paus anfangs genannten zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung hält die Diakonie Deutschland für nicht ausreichend. Notwendig wären mindestens 20 Milliarden Euro. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten vergangener und aktueller Kinderarmut in Deutschland schätzt eine aktuelle OECD-Studie (Clarke et al 2022) auf jährlich etwa 3,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Das ist etwa der zehnfache Betrag: 110 bis 120 Milliarden Euro.

Kernaussagen der Studie:

  • Zwischen 2010 und 2021 stieg der Anteil von Kindern, die von Einkommensarmut betroffen sind, von 18,2% auf 20,8 %. Der Bevölkerungsdurchschnitt lag 2021 bei 16,6%.
  • Schon vor dem sprunghaften Anstieg der Inflation war mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland gefährdet, aktuell ist nach den Daten des Statistischen Bundesamtes knapp jedes vierte Kind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
  • In zwei Dritteln der EU-Staaten ist der Anteil der armutsgefährdeten Kinder geringer als in Deutschland.
  • Knapp 2 Mio. (1,9 Mio.) Kinder unter 18 Jahren leben nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit in Bedarfsgemeinschaften mit Bürgergeld-Bezug, davon mehr als die Hälfte in Haushalten von Alleinerziehenden (zu 95 Prozent Frauen).
  • Bei der Diskussion um die Kindergrundsicherung dürfen nicht nur die Kosten für den Bundeshaushalt Maßstab sein. Vielmehr müssen auch die insgesamt mit Kinderarmut verbundenen gesamtgesellschaftlichen Kosten und die finanzielle Belastung für den Staat durch die entsprechende Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung berücksichtigt werden.
  • Insbesondere lassen sich zwei Folgekosten von Kinderarmut feststellen: Erstens erhöhte öffentliche Ausgaben für Gesundheitsversorgung sowie höhere Auszahlungen in den Sozialversicherungssystemen; zweitens ist der Wert der entgangenen wirtschaftlichen Aktivität und der geringeren Produktivität ein wichtiger Faktor.
  • Die in der DIW-Studie herausgestellten Zusammenhänge zwischen Kinderarmut und ihren Auswirkungen auf Gesundheit, Bildung und soziale Teilhabe lassen darauf schließen, dass die Kosten für den Staat in den sozialen Sicherungssystemen erheblich sind.
  • Eine aktuelle OECD-Studie schätzt die gesellschaftlichen Gesamtkosten durch vergangene und aktuelle Kinderarmut in Deutschland auf jährlich etwa 3,4 Prozent des BIP, dies sind über 100 Milliarden Euro.
  • Investitionen in Kinder zahlen sich langfristig aus und führen zu erheblichen Einsparungen bei den sonst entstehenden gesellschaftlichen Folgekosten.
  • Durch gezielte Investitionen in die Gesundheitsversorgung, Bildung und soziale Unterstützung von Kindern können langfristige Vorteile erzielt werden. Gesunde und gut ausgebildete Kinder haben deutlich bessere Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben mit höherem Einkommen und einer geringeren Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung.
  • Die DIW-Kurzexpertise zeigt, dass die geltenden familien- und sozialpolitischen Regelungen ein massives soziales Ungleichgewicht haben. Kinderarmut kann nur dann wirksam bekämpft und verhindert werden, wenn die Kindergrundsicherung entsprechend ausgestattet wird und existenzsichernd ist.
  • In der DIW-Studie werden verschiedene Szenarien der Kindergrundsicherung auf ihre Einkommenseffekte untersucht. Von der Einführung einer Kindergrundsicherung profitieren die besonders von Armut betroffenen Alleinerziehendenhaushalte und Paare mit mindestens drei Kindern am stärksten – dabei umso mehr, je stärker der Fokus auf einer Erhöhung des Existenzminimums liegt und nicht nur auf einer reinen Verwaltungsvereinfachung.

Nachtrag

Von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, sagte der FDP-Politiker am 20.8. im „Bericht aus Berlin“. Ob er damit ein paar AFD-Stimmen holen will, um die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen? Das wird nicht gelingen. Die Leute, die er damit gewinnen will, wählen erfahrungsgemäß immer das Original.

Quellen: DIW, Diakonie, Tagesschau, FOKUS-Sozialrecht

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Einsparungen bei der Betreuung junger Arbeitsloser

Mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz werden sowohl der Haushalt 2024 beschlossen als auch die Finanzplanung für die kommenden Jahre. Vorgesehen sind drastische Kürzungen im Sozialbereich, bei der poltitischen Bildung, bei der Digitalisierung. Die Kindergrundsicherung wird auf ein Minimum reduziert werden. Gleichzeitig sollen aber Unternehmen mit dem „Wachstumschancengesetz“ kräftig unterstützt werden.

Tabu-Politik

Der Streit geht letztendlich darum, ob es wichtiger ist, die Wirtschaft zu stärken oder Armut zu bekämpfen. Offenbar geht nicht beides gleichzeitig, die Schuldenbremse ist tabu. Ebenfalls tabu ist offenbar das Nachdenken über andere Finanzierungsmöglichkeiten, etwa über Erbschafts- oder Vermögenssteuer. Auch die mehr als 46 Milliarden jährliche fossile Subventionen dürfen nicht angetastet werden.

Vom SGB II ins SGB III

Sparpotential haben Arbeitsminister Heil und Finanzminister Lindner auch bei der Berufsberatung und der aktiven Förderung von jungen Menschen unter 25 Jahren im Grundsicherungsbezug entdeckt. Knapp eine Milliarde könne man sparen, wenn die gesetzlichen Regelungen dazu vom SGB II ins SGB III verlagert würden. Dies soll ab 2025 geschehen, so die Finanzplanung.

Das SGB III und damit die Arbeitsagenturen sind auf eine reine Vermittlung in Ausbildung und Arbeit fokussiert, während das SGB II und damit die Jobcenter ganzheitlichere Unterstützungsansätze für junge Menschen in besonderen Lebenslagen bietet.

spezifische Instrumente der Jobcenter

Im SGB II sind spezifische Instrumente für die individuellen, besonderen Bedarfe von jungen Menschen enthalten, die im SGB III nicht existieren. Dazu zählt u.a. die Förderung schwer zu erreichender Jugendlicher (§ 16h SGB II), in deren Rahmen auch verstärkt aufsuchende Arbeit stattfindet, und die ganzheitliche Betreuung junger Menschen zur Heranführung an eine oder Begleitung während einer Ausbildung (§ 16k II SGB II). Das letztgenannte Instrument wurde erst mit der Bürgergeld-Reform eingeführt und soll eine auf die jeweilige Lebenssituation abgestimmte begleitende Unterstützung der Auszubildenden bieten. Diese Instrumente drohen nun ins Leere zu laufen.

Ganzheitliche Betreuung und regionalisierter Ansatz

Hinzu kommt, dass die Maßnahmen im SGB II vielerorts stärker an die regionalen Gegebenheiten angepasst sind. Die ganzheitliche Betreuung junger Menschen erfordert genau diesen regionalisierten Ansatz. Die Angebote und Maßnahmen der Agenturen für Arbeit nach dem SGB III sind hingegen eher bundesweit einheitlich gestaltet.

lokale Netzwerke

Im Rahmen der Maßnahmen nach dem SGB II zur Unterstützung junger Menschen haben sich zudem Netzwerke zwischen lokalen Partnern gebildet. Jobcenter haben sich bspw. mit der Schuldner- und Suchtberatung und Jugendhilfe vernetzt. Diese Verzahnung der regionalen Partner trägt vielerorts zur Bewältigung der verschiedenen Problemlagen und der Beförderung der Integration der jungen Menschen bei.

Zuständigkeitsverlagerung wird abgelehnt

Eine Übertragung der Zuständigkeit geht nach Überzeugung des Paritätischen Gesamtverbandes auf Kosten einer ganzheitlichen Beratung und Betreuung. Daher lehnt der Paritätische Gesamtverband die Ideen einer Zuständigkeitsverlagerung ab.

Kommunen und Länder protestieren

Aber auch die Kommunen und die Länder haben massive Einwände. Länder und Kommunen befürchten nämlich eine massive Entwertung ihrer Jobcenter. Finanzierung, Ausrichtung und Arbeitsweise der 406 bundesweiten Jobcenter stünden „grundsätzlich in Frage“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Länder und Kommunalverbände. Nachdem ihnen bereits für 2024 Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro gekürzt werden sollen, würden die Handlungsmöglichkeiten der Jobcenter damit ab 2025 „weiter substanziell eingeschränkt“.

Die Jobcenter mit ihrer hohen Kontaktdichte und dezentralen Struktur seien für diese Form der Beratung besser geeignet als die Agenturen. Sie hätten mit umfassenden Netzwerken, Kooperationen und Beratungsangeboten belastbare Strukturen geschaffen – „nun wird dieser ganzheitliche Ansatz zerschlagen“.

parlamentarische Beratung im September

Das Haushaltsfinanzierungsgesetz wurde am 16. August im Kabinett beschlossen. Im September beginnen dann die parlamentarischen Beratungen im Bundestag.

Quellen: Paritätischer Gesamtverband, Finanzministerium, Merkur.de, Greenpeace, SOLEX

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PV-Beiträge für Rentner mit Kindern

Zum 1. Juli 2023 ändert sich die Höhe des Beitrages zur Pflegeversicherung. Das gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für Rentnerinnen und Rentner. Für Versicherte ohne Kinder erhöht sich der Beitragssatz zum 1. Juli 2023 von bisher 3,4 auf 4,0 Prozent. Für Versicherte mit Kindern steigt er von bisher 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent. Der Beitragssatz von 3,4 Prozent gilt auch für Rentner, die erwachsene Kinder haben (25 Jahre und älter). Ebenso für Rentner, die ein Kind haben, das noch keine 25 Jahre alt ist.

In allen diesen Fällen wurde im Juli schon die Rente mit den veränderten PV-Beiträgen überwiesen.

Rentenbescheid wirft Fragen auf

Rentner, die zwei oder mehr Kinder im Alter unter 25 Jahren haben, waren allerdings vermutlich über ihren letzten Rentenbescheid verwundert. Dort fanden sie unabhängig von der Anzahl ihrer Kinder einen einheitlichen PV-Beitrag von 3,4 Prozent. Der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Abschlag von 0,25 Prozent pro Kind ab dem zweiten Kind findet nicht statt.

Keine Auskunft erhältlich

Eine Nachfrage bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist telefonisch fast unmöglich. Hat man nach viel Mühen die Hürden des Telefoncomputers soweit überwunden, dass man das erlösende: „Ich verbinde mit einem Mitarbeiter“ hört, fliegt man aus der Leitung. Eine schriftliche Nachfrage wurde zwar beantwortet, allerdings nur mit der lapidaren Feststellung, der PV-Beitrag betrage 3,4 Prozent.

Google hilft

Auf der Homepage der Deutschen Rentenversicherung kommt man auch nicht weiter. Erst über eine Suchmaschine mit der Eingabe: „Neuer Beitrag zur Pflegeversicherung“ führt zu einer gut versteckten Seite der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Dort findet sich tatsächlich eine genaue Beschreibung der PV-Beiträge einschließlich der Ermäßigungen für Kinder. Und hier findet sich auch der Grund, warum, das ganze noch nicht umgesetzt ist.

Rückzahlung Mitte 2025

Die DRV wartet auf ein digitales Verfahren, dass es „voraussichtlich“ geben wird. Damit sollen dann die neuen Regelungen „schnell und effizient von den Verwaltungen umgesetzt werden“. Die Entwicklung brauche aber Zeit. Daher könne bis zum 30.6.2025 für Eltern zunächst der reguläre Beitragssatz von 3,4 % erhoben werden. „Abschlagsberechtigte“ hätten jedoch einen Anspruch auf Erstattung der zu viel gezahlten Beiträge. Da können sich die Rentner in knapp zwei Jahen auf eine Rückzahlung freuen.

Geburtsurkunden

Die Elternschaft und das Alter der Kinder muss allerdings nachgewiesen werden. Am besten mit den Kopien der Geburtsurkunden.

Quellen: DRV-Bund, FOKUS-Sozialrecht

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Rückzahlung von Unterhaltvorschuss und Bürgergeld

Bezieht ein Unterhaltspflichtiger SGB II – Leistungen, dürfen Sozialleistungsträger die Zahlungen von Unterhaltsvorschuss nicht eintreiben. Sie dürfen noch nicht einmal ein gerichtliches Verfahren dazu einleiten. So die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.Mai 2023.

Vater bezog Hartz IV

Das Land Rheinland-Pfalz hatte seit Januar 2020 Unterhaltsvorschüsse für eine bei ihrer Mutter minderjährige Tochter erbracht und machte als Träger der Unterhaltsvorschusskasse gegenüber dem Vater Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht geltend. Das Beschwerdegericht beim OLG Düsseldorf wies den Antrag des Sozialversicherungsträgers mit Verweis auf § 7a UVG ab, da der Vater seit Beginn des Verfahrens ausschließlich SGB II-Leistungen bezog.

gerichtliche Festsetzung ausgeschlossen

Der für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat sah das genauso. Wie auch die Düsseldorfer Richter legt der BGH § 7a UVG so aus, dass nicht erst die Vollstreckung, sondern bereits die gerichtliche Festsetzung von Forderungen ausgeschlossen ist. Die Vorschrift regelt, dass ein nach § 7 UVG übergegangener Unterhaltsanspruch nicht verfolgt wird, solange der unterhaltspflichtige Elternteil Leistungen nach SGB II bezieht und über kein Einkommen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II verfügt. Für die Wortlautauslegung zieht der Senat BGB- und ZPO-Vorschriften heran, die mit dem Begriff der „Verfolgung“ von Rechten stets auch schon die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen meinten. Dafür spreche auch der Zweck der Norm, verwaltungsaufwändige und unwirtschaftliche Rückgriffsbemühungen des Staates zu verhindern. Der BGH betont, dass die Norm des § 7a UVG, die auch Rückforderungen für die Vergangenheit ausschließe, auch den Schuldner schützen solle.

Richtlinien sahen das anders

Das Urteil widerspricht damit auch den aktuell gültigen Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes des Familienministeriums. Darin heißt es unter anderem, dass eine Prüfung des Unterhaltsanspruchs vorzunehmen sei sowie gegebenenfalls rechtswahrende Anschreiben an den Unterhaltspflichtigen, um ggf. eine Verwirkung des Anspruchs zu verhindern und eine spätere Verfolgung vorzubereiten. Gleiches gelte für die eventuell erforderliche gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs. Durch die Nichtverfolgung des Anspruchs könne es zu Verjährung und Verwirkung kommen.

Unterhaltsvorschuss

Unterhaltsvorschuss verfolgt das Ziel, den allein stehenden Elternteil zu entlasten und den Ausfall an Unterhalt für sein Kind nicht entstehen zu lassen. Unterhaltsvorschuss stellt eine Sozialleistung dar. Die Höhe des Unterhaltsvorschusses wird durch die Mindestunterhaltsverordnung festgelegt.

Danach beträgt der Mindestunterhalt seit 1. Januar 2023:

Kinder, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 0 bis 5 Jahre): 437 EUR
Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 6 bis 11 Jahre): 502 EUR
Kinder, die das achzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 12 bis 17 Jahre): 588 EUR

Hat der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Anspruch auf volles Kindergeld, so mindert sich die Unterhaltsleistung um das für ein erstes Kind zu zahlende Kindergeld, also um 250 EUR.

Quellen: Bundesgerichtshof, SOLEX

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Medizinische Leistungen für minderjährige Asylbewerber

Will eine Behörde bei minderjährigen Asylbewerbern die Kostenübernahme für medizinisch erforderliche Behandlungen verweigern, weil diese nicht zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich seien, so bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden.

Asylantrag abgelehnt

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der 2006 geborene Antragsteller ist georgischer Staatsbürger und leidet seit seiner Geburt an einer chronisch-progressiv verlaufenden Erkrankung. Folgen dieser Erkrankung sind Kleinwuchs, schwere Knochenwachstumsstörungen, eine Deformation des Brustkorbes sowie eine ausgeprägte mehrdimensionale Achsenfehlstellung in den Kniegelenken sowie dauerhafte, starke Schmerzen. Er benötigt einen Rollstuhl. Seine Eltern reisten mit ihm im Jahr 2022 nach Deutschland ein, um für ihn eine bessere medizinische Versorgung zu erlangen. Die Asylanträge wurden abgelehnt, die dagegen gerichtete Klage ist noch anhängig.

Operation erforderlich

Die untersuchenden Ärzte und das Gesundheitsamt sprachen sich für eine zeitnahe chirurgische Operation des Antragsstellers in einer Spezialklinik aus. Dadurch könne er schmerzarm bis schmerzfrei werden und unter Umständen ohne Hilfsmittel laufen. Die voraussichtlichen Operationskosten betragen rund 17.600 EUR. Der zuständige Landkreis lehnte die Übernahme der Kosten ab. Die Operation sei angesichts der Ausreisepflicht des Antragstellers, der Androhung der Abschiebung und des absehbar nur vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland nicht erforderlich und auch nicht zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten.

Landkreis muss die Kosten übernehmen

Das Sozialgericht Braunschweig hat den Landkreis im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Kosten für die geplante Operation zu übernehmen. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat diese Entscheidung nun bestätigt.

Berücksichtigung der UN-Kinderrechtskonvention

Dabei hat der erkennende Senat seine Rechtsprechung zu Leistungen für die medizinische Behandlung von Minderjährigen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz präzisiert. Danach müsse vor allem bei Kindern im Lichte des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechtskonvention besonders gerechtfertigt werden, wenn eine nach den hiesigen Lebensverhältnissen medizinisch erforderliche Behandlungsmaßnahme als nicht zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich abgelehnt werden soll. Die Behörde müsse dazu neben den Umständen des Einzelfalles auch die Qualität des betroffenen (Grund-)Rechts, das Ausmaß und die Intensität der tatsächlichen Beeinträchtigung im Falle der Leistungsablehnung sowie die voraussichtliche und bisherige Aufenthaltsdauer des Ausländers in Deutschland einbeziehen.

Umstände des Einzelfalls

Durch die Operation bestehe in diesem konkreten Fall die Aussicht, dass der Antragsteller künftig nicht mehr auf einen Rollstuhl angewiesen sei und ggf. sogar ohne Hilfsmittel schmerzarm bzw. schmerzfrei laufen könne. Nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere auch der prognostisch längeren Aufenthaltsdauer des Klägers in Deutschland, sei es sachlich nicht gerechtfertigt, dem minderjährigen Antragsteller die medizinisch dringend indizierte Maßnahme vorzuenthalten.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2023, L 8 AY 16/23 B ER

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Bürgergeld-Freibeitrag bei FSJ und BFD

Freiwillige, die einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) oder ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) leisten, hierfür ein Taschengeld bekommen und im Bürgergeld-Bezug stehen, erhalten ebenfalls einen Freibetrag für dieses Taschengeld. Die Höhe des Freibetrages für das Taschengeld im FSJ oder BFD ist abhängig vom Alter der Freiwilligen. Wenn die Freiwilligen unter 25 Jahre sind, so können sie das Taschengeld in voller Höhe behalten, denn es besteht ein Freibetrag von 520 Euro. Das Taschengeld im FSJ oder BFD erreicht diese Höhe nicht.

Sind die Freiwilligen 25 Jahre oder älter, so steht ihnen ein monatlicher Freibetrag in Höhe von 250 Euro zu.  Diese Regelung entspricht der bei der allgemeinen ehrenamtlichen Tätigkeit.

Vergessen, aber…

Die Bundesfreiwilligendienst-Leistenden über 25 Jahre wurden im ursprünglichen Bürgergeldgesetz schlichtweg vergessen. Erst eine nachträgliche Änderung, verpackt im „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts„, schaffte Abhilfe.

…keine Absicht

Zur Begründung schreibt die Bundesregierung, dass durch das Bürgergeld-Gesetz zum 1. Juli 2023 die Regelung zur Höhe des Absetzbetrages von dem Taschengeld, das junge Menschen nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder
Jugendfreiwilligendienstegesetz erhalten, geändert wurde. Für Leistungsberechtigte, die an einem Freiwilligendienst teilnehmen und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wurde der Grundabsetzbetrag auf derzeit 520 Euro angehoben. Im Zuge der Änderung wurde die bisherige Regelung des § 11b Absatz 2 Satz 6 SGB II
ersatzlos gestrichen. Dadurch entfiel auch der Freibetrag für Personen über 25 Jahren. Diese Schlechterstellung der Personen über 25 Jahren war nicht beabsichtigt.

Mit der Änderung wird sichergestellt, dass der bislang im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch geregelte Absetzbetrag in Höhe von 250 Euro für erwerbsfähige Freiwillige, die einen Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz leisten und die das 25. Lebensjahr vollendet haben, erhalten bleibt.

Mehr Infos für Jugendliche und junge Erwachsene

Weitere Regelungen zu Einkommensanrechnung bei Ausbildung, Nebenjobs und Ferienjobs siehe hier.

Quellen: Bundestag, FOKUS Sozialrecht, Thomas Knoche: Grundlagen – SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Walhalla Fachverlag; 3., aktualisierte Edition (28. Februar 2023)

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Sachverständigenbeirat „Versorgungsmedizinische Begutachtung“

Der Sachverständigenbeirat „Versorgungsmedizinische Begutachtung“ wurde mit dem „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts“ zum 1.6.2023 neu ausgerichtet. Der Begriff „Ärztlicher“ wurde aus dem Titel gestrichen, die gesetzliche Grundlage ist nicht mehr die Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), sondern der neue § 153a Im SGB IX.

Zusammensetzung des Beirats

Verbände für Menschen mit Behinderungen, die Länder sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales benennen je sieben Mitglieder, darunter jeweils mindestens vier Ärztinnen oder Ärzte, die versorgungsmedizinisch oder wissenschaftlich besonders qualifiziert sind. Daneben können und sollen aber auch Sachverständige mit einer anderen Kompetenz (z. B. aus dem Gebiet der Sozial- oder Arbeitswissenschaft, der Teilhabeforschung oder der Disability Studies) benannt werden. Die Zusammensetzung des Beirates folgt damit nicht mehr einem rein medizinisch orientierten Verständnis von Behinderung, sondern einem teilhabeorientierten und ganzheitlichen Ansatz.

Aufgaben des Beirats

Der Beirat hat die Aufgaben,

  • das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in versorgungsmedizinischen Angelegenheiten zu beraten,
  • die Versorgungsmedizinischen Grundsätze auf dem aktuellen Stand zu halten und
  • Begutachtungskriterien zu erarbeiten, die als solche Voraussetzung für die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) bzw. des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) sind.

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze, die bei der Begutachtung im Schwerbehindertenrecht und im Sozialen Entschädigungsrecht anzuwenden sind, sind in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung enthalten. GdB und GdS bilden entsprechend dem teilhabeorientierten Verständnis von Behinderung das Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung ab.

Änderungen durch Rechtsverordnung

Änderungen, die der Beirat dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfiehlt, werden durch eine Rechtsverordnung nach § 153 Absatz 2 SGB IX verbindlich geregelt.

Typisierende Regelungen

Menschen mit Behinderung haben ein Interesse daran, dass bei der Feststellung der Behinderung ihrer individuellen Situation weitestgehend Rechnung getragen wird. Gleichzeitig erwarten sie, dass die Versorgungsämter der Länder und Kommunen die Millionen von Erst- und Folgeanträgen, die dort allein im Schwerbehindertenrecht pro Jahr eingehen, zügig bearbeiten. In diesem Spannungsverhältnis sind im Interesse aller Beteiligten typisierende Regelungen erforderlich, die an einem „typischen Durchschnittsfall“ anknüpfen, damit die Feststellung der Behinderung auf der Grundlage der eingereichten ärztlichen Befundunterlagen ohne weitere Untersuchungen oder Tatsachenermittlungen zügig möglich ist.

Individuell neben der Gesundheitsstörung vorliegende Barrieren oder Ressourcen (z. B. das Fehlen oder Vorhandensein medizinischer Hilfsmittel oder technischer Hilfen, einer Arbeitsassistenz oder Schulbegleitung oder eines barrierefreien Wohn- oder Arbeitsplatzes) sind zwar für die Teilhabe gleichermaßen relevant, aber es würde einen unverhältnismäßig hohen Aufwand nach sich ziehen, diese im Einzelfall zu ermitteln.

Fortschritte können Anpassungen erfordern

Gleichwohl muss der Beirat bei der Formulierung der Begutachtungskriterien auch prüfen, ob Fortschritte bei der barrierefreien Gestaltung der Umwelt, medizinischer oder medizintechnischer Fortschritt die Teilhabe der Menschen mit Behinderungen tatsächlich auf breiter Ebene so verbessern, dass eine Anpassung des GdB bzw. GdS für den „typischen Durchschnittsfall“ in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen angezeigt ist.

Den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen festgelegten GdB bzw. GdS liegen somit stets die im allgemeinen für den Großteil der Betroffenen erreichbaren Behandlungsergebnisse zugrunde.

Quellen: BMAS, FOKUS-Sozialrecht

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