Mit dem Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sollen Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt künftig besser unterstützt werden. Das Gesetz (20/14025, 20/14798) zielt auf ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt, auf das verschiedene Verbände schon länger gedrungen hatten. Die Fraktionen beziehen sich in dem Entwurf auf aktuelle Zahlen: „In Deutschland werden laut Lagebild Häusliche Gewalt des Bundeskriminalamtes (Berichtsjahr 2023) jeden Tag mehr als 364 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt, das heißt von strafbaren Gewalthandlungen durch ihren aktuellen oder früheren Lebenspartner. Im Jahr 2023 ist nahezu jeden zweiten Tag eine Frau durch Partnerschaftsgewalt gestorben. Das ‚Lagebild Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten‘ des Bundeskriminalamtes weist für das Jahr 2023 insgesamt 938 Frauen und Mädchen als Opfer von versuchten und vollendeten Tötungsdelikten aus.“
Zu wenig Schutzeinrichtungen
Das Angebot an Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen sei nicht flächendeckend und regional sehr unterschiedlich ausgeprägt, hieß es zur Begründung in dem Entwurf. Auch würden Kapazitäten in Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen fehlen. Darüber hinaus verhinderten fehlende passgenaue Angebote für Menschen mit besonderen Bedarfen, wie zum Beispiel Frauen mit Behinderungen oder Frauen mit (mehreren) Kindern oder jugendlichen Söhnen den Zugang zu Schutz- und Beratungsangeboten.
Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung
Hauptelement des Gesetzes ist die Absicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung der gewaltbetroffenen Person. Dies soll über die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Schutz und Beratung bei Gewaltbetroffenheit gesichert werden. Die Länder werden verpflichtet, ein Netz an zahlenmäßig ausreichenden und den Bedarf verschiedener Personengruppen berücksichtigenden Schutz- und Beratungsangeboten sicherzustellen. Deshalb sollen die Länder in einem ersten Schritt den tatsächlichen Bedarf an Schutz- und Beratungsangeboten in angemessener geografischer Verteilung analysieren und die Entwicklung des Netzes an Schutz- und Beratungsangeboten planen.
Gesetz wurde in namentlichen Abstimmung mit 390 Stimmen verabschiedet. Es gab keine Gegenstimme und 70 Enthaltungen. Zu beiden Abstimmungen lagen Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor (20/14784, 20/14785 Buchstabe a). Der Ausschuss hatte im parlamentarischen Verfahren an beiden Entwürfen noch zahlreiche Änderungen vorgenommen.
Geflüchtete Frauen vergessen?
PRO ASYL vermisst in dem Gesetzentwurf notwendige Verbesserungen für geflüchtete Frauen und Frauen ohne Aufenthaltsstatus. Denn:
• Lange Aufenthalte in Erstaufnahmeeinrichtungen mit restriktiven Residenzpflichten und mangelhafter Gesundheitsversorgung sorgen dafür, dass geflüchtete Frauen von Beginn ihres Aufenthalts an in Deutschland unzureichend geschützt sind.
• In kommunalen Gemeinschaftsunterkünften gibt es meist keine verbindlichen Gewaltschutzstandards.
• Wohnsitzauflagen verhindern in der Praxis oft den Zugang zu Frauenhäusern, trotz bestehender Härtefallregelung.
• Die behördliche Meldepflicht sorgt dafür, dass Frauen ohne Aufenthaltsstatus aus Angst vor Abschiebung keine Hilfe vor Gewalt suchen.
PRO ASYL fordert von der derzeitigen und der zukünftigen Regierung, endlich den Gewaltschutz-Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention im Hinblick auf marginalisierte und besonders schutzbedürftige Gruppen nachzukommen.
Quellen: Bundestag, Pro Asyl, FOKUS-Sozialrecht
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