Kurze Frage – lange Geschichte

Als im Herbst letzten Jahres der Gesetzentwurf zur Änderung des SGB IV bekannt wurde, in der die Hinzuverdienstgrenzen bei Renten neu geregelt wurden (das Gesetz ist mittlerweile in Kraft), fand ich dort eine unklare Formulierung bei der Berechnungsvorschrift in § 96a SGB VI. Dort heißt es in Absatz 1c: „Die Hinzuverdienstgrenze beträgt bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung das 9,72fache der monatlichen Bezugsgröße …. bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe drei Achtel der 14fachen monatlichen Bezugsgröße, …

Alte Länder – Neue Länder

Nun gibt es aber noch immer, noch bis Ende 2024, zwei Bezugsgrößen: einmal für die „alten“ Bundesländer, das ist die Bezugsgröße West, zum andern für die „neuen“ Bundesländer („Beitrittsgebiet“), das ist die Bezugsgröße Ost.

Um herauszufinden, welche Bezugsgröße etwa bei einem Rentner aus Leipzig bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenze nun gilt, beschloss ich, mal kurz beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, nachzufragen. Telefonisch war leider nichts zu machen, ich konnte an keinen Mitarbeiter weitergeleitet werden, der sich in der Sache auskennt.

Das Kontaktformular

Aber zum Glück gibt es ja auf der BMAS-Homepage ein Kontaktformular, wo man seine Fragen zu allen brennenden Themen loswerden kann. Ich schrieb also kurz und knapp am 22.Oktober 2022: „Gilt bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen bei Erwerbsminderungsrentnern für Menschen in den neuen Bundesländern die Bezugsgröße nach § 18 Absatz 2 SGB IV?„.

Schnelle Antwort – ohne Antwort

Die Antwort kam prompt. Also 2 Tage später: „Ihre Zuschrift wurde zur Bearbeitung und Beantwortung umgehend an ein Fachreferat weitergeleitet.“ Außerdem wurden mir noch eine Menge Telefonnummern mitgeteilt (die hatte ich ja schon vergeblich ausprobiert) und mir wurde erklärt, dass die Information in dieser Mail äußerst vertraulich sei und dass der Absender dieser Nachricht keine Haftung für die Richtigkeit übernehmen könne. Nun ja, also warten…

Späte Antwort – ohne Antwort

Knapp zwei Monate später, am 20.12.2022 erhielt ich eine längere Email mit zwei pdf-Dateien vom BMAS. Nun gibt es endlich Klarheit. Dachte ich.
Das erste Dokument enthielt sämtliche Adressen von allen Rentenversicherungsträgern in Deutschland. – Okay…

Die zweite pdf-Datei enthielt ein langes Schreiben im Namen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, in dem bedauert wird, dass wegen der Vielzahl der Anfragen… erst jetzt…leider könne die Frage aber nicht beantwortet werden, weil dafür die Rentenversicherungsträger zuständig seien…
Deswegen also die lange Liste.

Außerdem wurde mir in dem Schreiben noch mal ausführlich erklärt, was die Gesetzesänderungen im SGB IV bedeuten und wie sie sich auf die Hinzuverdienstgrenzen auswirkten. Sogar, dass bei der Berechnung die Bezugsgröße eine Rolle spiele, wurde mir erklärt. Aber welche denn nun? Das stand leider nicht im Text.

Die Hoffnung stirbt…

Ich habe darauf hin kurz geantwortet, ohne große Hoffnung, jemals eine Lösung für mein Problem zu bekommen: „vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort. Leider war sie völlig überflüssig. Ich wollte lediglich wissen, ob bei den Hinzuverdienstgrenzen unterschiedliche Bezugsgrößen (alte/neue Bundesländer) gelten. Diese Frage haben sie in Ihrem umfangreichen Werk leider nicht beantwortet.“

…zuletzt

Heute, am 7.2.2023, bekam ich Post. Also einen Brief. Zum Anfassen. Vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Im Namen von ….Hubertus…bedauert…leider erst jetzt…Verständnis…stelle ich abschließend folgendes klar: Für die neue Hinzuverdienstgrenze bei der Erwerbsminderungsrente gilt bundeseinheitlich die Bezugsgröße (West), unabhängig davon, ob der Hinzuverdienst in den alten oder neuen Bundesländern erzielt wird…“

Danke Hubertus.

Eigentlich hätte ein einfaches „Nein“ auf meine ursprüngliche Frage gereicht. Aber was weiß ich schon.

Quelle: privat

Abbildung: pixabay.com hands-460872_1280.jpg

Regelbedarf und Mehrbedarf 2023

Details zum Bürgergeld (6)

Regelbedarf

Die Regelleistungen werden in 6 Stufen unterteilt. Mit diesen Geldleistungen müssen alle aufkommenden Kosten gedeckt werden. Nur in Ausnahmefällen kann auf andere Leistungen, z. B. Leistungen des SGB XII, zurückgegriffen werden. Die monatliche Höhe der Regelbedarfe (RB) beträgt je nach Regelbedarfsstufe (RBS) ab 1.1.2023:

Mehr zum Sofortzuschlag siehe hier.

Mehrbedarfe

Bestimmte Personengruppen oder Personen in Sondersituationen erhalten über die Regelleistung hinaus höhere Leistungen (Mehrbedarfe). Diese werden (meist) in Form prozentualer Anteile vom monatlichen Regelbedarf (mtl. RB) berücksichtigt.

Werdende Mütter

Mehrbedarf bei Schwangerschaft wird ab der 12. Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, anerkannt. Die Zahlung erfolgt bis zum tatsächlichen Entbindungstermin. Voraussetzung ist, dass die Schwangere erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Die Höhe der Leistung beträgt 17% der maßgebenden Regelbedarfstufe. Daraus ergibt sich:

  • bei Regelbedarfsstufe 1 (502 Euro): 85,34 Euro
  • bei Regelbedarfsstufe 2 (451 Euro): 76,67 Euro
  • bei Regelbedarfsstufe 3 (402 Euro): 68,34 Euro

Alleinerziehende

Alleinerziehende können wegen der erhöhten Kosten für die Kindererziehung Anspruch auf zusätzliche Leistungen haben. Voraussetzung ist, dass das Kind oder die Kinder minderjährig sind und der Alleinerziehende allein für die Pflege und Erziehung sorgt. Es muss also der Fall vorliegen, dass innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft keine andere Person in wirtschaftlicher Hinsicht an der Pflege und Erziehung beteiligt ist. Ausgehend von der Regelbedarfsstufe 1 (502 Euro) wird ein anteiliger Mehrbedarf je nach Anzahl und Alter der Kinder gezahlt:

Erwerbsfähige Menschen mit Behinderung:

Die Höhe des Mehrbedarfs beträgt 35% des maßgeblichen Regelsatzes:

  • bei Regelbedarfsstufe 1 (502 Euro): 175,70 Euro
  • bei Regelbedarfsstufe 2 (451 Euro): 157,85 Euro
  • bei Regelbedarfsstufe 3 (402 Euro): 140,70 Euro

Nichterwerbsfähige Menschen mit Behinderung:

Nicht erwerbsfähige Schwerbehinderte, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind und deshalb einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G haben und die keine vorrangigen Leistungen nach dem SGB II erhalten, bekommen einen Bedarf in Höhe von 17%. Dies gilt aber nicht, wenn bereits ein anderer Mehrbedarf geltend gemacht wird.

Mehrbedarf für Schulbücher und Arbeitshefte

Hintergrund ist die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom Mai 2019 (Az. u. a. B 14 AS 6/18 R), wonach die Kosten für Schulbücher als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen sind, wenn Schülerinnen und Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen.

Mit dem eigenständigen Mehrbedarf als Ausgleich für Aufwendungen für Kauf oder entgeltlicher Ausleihe von Schulbüchern sind auch Arbeitshefte umfasst, soweit sie den Schulbüchern gleichstehen. Das ist der Fall, wenn sie über eine ISBN-Nummer verfügen. Voraussetzung für die Anerkennung als Mehrbedarf ist, dass für die betreffende Schülerin bzw. den Schüler im jeweiligen Bundesland oder in der jeweiligen Schule – ganz oder teilweise – keine Lernmittelfreiheit und damit keine Möglichkeit einer unentgeltlichen Anschaffung oder Ausleihe der Schulbücher bzw. der Arbeitshefte besteht. Zudem muss die Benutzung des Buches bzw. Arbeitshefts durch die Schule oder den jeweiligen Fachlehrer vorgegeben sein.

Mehrbedarf für Ernährung

Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung benötigen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Bei der Prüfung der Voraussetzungen ist ein dreistufiges Prüfschema anzuwenden.

  • Stufe 1:
    Hier ist ein Kausalzusammenhang zwischen einer Erkrankung und einer hierdurch indizierten Ernährungsweise nachzuweisen. Dieser Nachweis wird in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung erbracht.
  • Stufe 2:
    Hier ist glaubhaft zu machen, dass ein konkreter Bedarf bestehen, diese angeziegte kostenaufwändige Ernährung in Anspruch zu nehmen. Der Leistungsberechtigte muss konkrete Umstände vortragen, dass er sich der Notwendigkeit der Diät bewusst ist und sich diätgemäß ernährt bzw. ernähren will.
  • Stufe 3:
    Hier erfolgt ein Kostenvergleich zwischen der notwendigen aufwendigeren Ernährung und dem in der Regelleistung anerkannten Betrag für Ernährung und Getränke.

Die Höhe des Mehrbedarfs bestimmt sich dann nach dem ernährungswissenschaftlich erforderlichen Bedarf. Hier werden häufig – sowohl von der Bundesagentur für Arbeit wie auch den Gerichten – die „Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostenzulagen“ (DV 25/08 AF III) des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zugrunde gelegt (siehe auch www.deutscher-verein.de).

Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung

Bei dezentral erzeugtem Warmwasser erfolgt die Abrechnung aber über die Haushaltsenergie (Strom oder Gas). Die Haushaltsenergie ist zwar grundsätzlich mit dem Regelbedarf abgedeckt, Nicht berücksichtigt ist jedoch ein erhöhter Energieverbrauch, wie er durch die dezentrale Warmwassererzeugung mit Strom oder Gas entsteht. Zum Ausgleich dieses Mehraufwands ist bei betroffenen Leistungsberechtigten ein in der Regel pauschalierter Mehrbedarf anzuerkennen.

RBSMehrbedarf in %Mehrbedarf in Euro
12,3%11,55
22,3%10,37
32,3%9,25
41,4%5,88
51,2%4,18
60,8%2,54

Dann gibt es noch atypische Bedarfslagen, Härtefälle, Einmalbedarfe und Sonderbedarfe, alles ausführlich beschrieben in der Sozialleistungsdatenbank SOLEX.

Quellen: Bundesregierung, SOLEX, Fokus-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_113739057_Subscription_XL.jpg

Ende der Kostenheranziehung junger Menschen im SGB VIII

Mit dem Gesetz zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe (gültig seit 1. Januar 2023) wird die Kostenheranziehung von jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII (Gemeinsame Wohnformen für Mütter oder Väter mit Kindern) sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aus ihrem Einkommen und Vermögen abgeschafft. Dadurch können die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen. Die Heranziehung der Elternteile aus ihrem Einkommen bleibt unverändert.

Finanzielle Entlastung

Dadurch können junge Menschen, die diese Leistungen beziehen, finanziell entlastet werden. Betroffene junge Menschen könnten dann leichter Geld für Kosten ansparen, welche mit dem oftmals mit der Volljährigkeit anstehenden Auszug aus der Einrichtung oder Pflegefamilie entstehen, wie z.B. eine Wohnungskaution.

Die Abschaffung der Kostenheranziehung könnte dazu führen, dass junge Menschen in vollstationären Formen der Jugendhilfe wie auch ihre Ehegattinnen und Ehegatten bzw. Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern motivierter sind eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, da sie nun eigenständig über ihr gesamtes Einkommen verfügen können.

Ausnahmen

Ausnahmen gibt es beim Kindergeld und anderen zweckgleichen Leistungen.
Weiterhin ist es möglich, dass Kinder und Jugendliche, junge Volljährige, Leistungsberechtigte in Gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter mit Kindern und Elternteile wie bisher unabhängig vom Einkommen zu den Kosten herangezogen werden können. Diese Möglichkeit besteht zum einen wie bisher, wonach Geldleistungen, die dem gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen sind (§ 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII). Zum anderen ist weiterhin von der Person, die das Kindergeld bezieht, ein Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen (§ 94 Absatz 3 SGB VIII). Die Ehegatten und Lebenspartner wurden aus dem Personenkreis herausgenommen, da diese keine zweckgleiche Leistung oder das Kindergeld für den jungen Menschen oder für alleinstehende Mütter/Väter mit Kindern in gemeinsamen Wohnformen (§ 19 SGB VIII) erhalten.

Zweckgleiche Leistungen

Zweckgleiche Leistungen neben dem Kindergeld sind beispielsweise

  • Leistungen aus der Unterhaltsvorschusskasse und sonstige Leistungen mit Unterhaltsersatzfunktion
  • Halb- und Vollwaisenrenten
  • Kinderbetreuungskosten
  • Krankenhilfe

Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld

Bis Ende 2022 mussten junge Menschen die Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld vollständig als zweckgleiche Leistung an das Jugendamt abgeben. Auch im ursprünglichen Gesetzentwurf war hier keine Abhilfe geplant.

Dies hätte bedeutet, dass sich in der Ausbildung befindende junge Menschen mit der Neuregelung der Kostenheranziehung nun gegenüber jungen Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt noch schlechter gestellt würden, da ihr Ausbildungslohn bereits jetzt in vollem Umfang zu den Kosten herangezogen wird und sie nicht, wie die Auszubildenden auf dem ersten Arbeitsmarkt, zumindest einen Teil davon behalten dürfen. Nach längerer Debatte und Einwänden der Sozialverbände gibt es nun folgende Lösung:

Um diesen jungen Menschen in ihrer schwierigen Lage eine Chance für ihre wirtschaftliche Emanzipation zu bieten, sollen sie ab 1. Januar 2023 einen bestimmten Teil ihrer Berufsausbildungsbeihilfe oder ihres Ausbildungsgeldes behalten dürfen.

  • Bei der Berufsausbildungsbeihilfe soll der Betrag, der als Einkommen gilt, der Höhe des Betrages für sonstige Bedürfnisse entsprechen, das sind aktuell 109,00 EUR.
  • Beim Ausbildungsgeld soll der Betrag, der als Einkommen gilt, der Höhe des Betrages für den Bedarf entsprechen, das sind aktuell 126 EUR.
  • Beträgt die Höhe der Berufsausbildungsbeihilfe oder des Ausbildungsgeldes gleich viel oder weniger als die genannten Beträge, so gilt die gesamte Berufsausbildungsbeihilfe oder das gesamte Ausbildungsgeld als Einkommen und ist von dem Einsatz für die Kosten der Leistung der Kinderund Jugendhilfe ausgenommen.

Quellen: Bundesregierung, FOKUS Sozialrecht, Kompetenzzentrum Jugend-Check

Abbildung:  pixabay.co arrows-2167840_1280.jpg