Intensivpflegegesetz mit Bedenken zugestimmt

Nun ist es amtlich: Wer Intensivpflege benötigt, verliert unter Umständen auch noch sein Grundrecht auf Selbsbestimmung.

Der Bundesrat stimmte am 18.9.2020 dem Intensivpflegegesetz (IPReG) zu. In einer begleitenden Entschließung weist der Bundesrat aber darauf hin, dass die Rechte von Menschen mit Behinderung auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe eingeschränkt werden könnten – insbesondere bei der Entscheidung über ihren Wohnort. Die Befürchtungen seien auch durch die Änderungen im Bundestagsverfahren nicht komplett ausgeräumt worden.
Der Vermittlungsausschuss soll aber nicht angerufen werden. Damit winkt der Bundesrat ein Gesetz durch, dass die UN-Behindertenrechtskonvention missachtet und vermutlich auch das Grundgesetz.

Ziel: Kostenreduzierung

Vorgeschobener Anlass für das Gesetz waren einige Abrechnungsbetrugsfälle in der Intensivpflege. In Wirklichkeit geht es aber um Kostensenkungen, wie schon die Gesetzesbegründung des ersten Entwurfs unter dem Namen „Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz (RISG)“ sagt. Gegen Betrug durch Abrechnungen in so genannten Beatmung-WGs gibt es allerdings schon Strafgesetze, die konsequent angewendet werden müssen.

Offensichtlich ist es so, dass Minister Spahn, gemeinsam mit den Lobbyisten der Pflegebranche und Krankenkassen, die außerklinische Pflege als Auslaufmodell betrachtet, weil in Kliniken fachliche Betreuung kostengünstiger gebündelt werden kann.

Auf großen Druck der Öffentlichkeit, der Fachverbände, der Opposition und einer Petition konnten wenigstens einige Erleichterungen in das Gesetz eingebaut werden.

§ 37c SGB V

Versicherte mit außerklinischen, intensivpflegerischen Versorgungsbedarfen erhalten künftig die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege auf Grundlage des § 37c SGB V; Leistungen der häuslichen Krankenpflege werden in diesen Fällen nicht mehr nach § 37 SGB V erbracht. Der anspruchsberechtigte Personenkreis nach § 37c SGB V ist im Wesentlichen der Personenkreis, der nach bisherigem Recht aufgrund eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege auch bei Unterbringung in stationären Pflegeeinrichtungen ausnahmsweise Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Absatz 2 Satz 3 SGB V hatte. Insoweit wird auf die bestehende, bewährte Abgrenzung des Anwendungsbereichs zurückgegriffen. Die Eigenanteile, die die Versicherten bei der Inanspruchnahme von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu leisten haben, werden erheblich reduziert.

Grundrecht ja, aber nur gegen Geld

In der Gesetzesbegründung des Gesundheitsministeriums wird im Übrigen zynisch darauf hingewiesen, dass jeder sein Grundrecht ja wahrnehmen könne, bezahlen müsse er dann schon selbst. Immerhin gilt das Grundgesetz noch für Millionäre, die Intensivpflege brauchen.:
„Unabhängig von der gewählten Wohnform können die Leistungsorte, an denen außerklinische Intensivpflege erbracht wird, dem Schutzbereich von Artikel 13 Absatz 1 Grundgesetz unterfallen (Unverletzlichkeit der Wohnung), so dass für das Betreten durch den MD grundsätzlich eine Einwilligung des Schutzrechtsinhabers erforderlich ist. Erfolgt diese Einwilligung durch den oder die Versicherte, den oder die Hausrechtsinhaber oder -inhaberin oder den oder die an den Wohnräumen Berechtigten nicht, kann die Leistung an den Leistungsorten nach Absatz 1 Nummer 3 und 4 versagt werden.“

Anforderungen an die außerklinische Pflege

Die Anforderungen an die außerklinische Pflege sind so hoch, dass sie von den betroffenen Menschen kaum umgesetzt werden können. Überprüfen soll das der medizinische Dienst nach Richtlinien, die der Gemeinsame Bundesausschuss erlassen wird.

  • Intensivpflege darf nur noch von besonders qualifizierten Ärzten und Ärztinnen verordnet werden
  • strenge Qualitätsvorgaben gelten für die häusliche Intensivpflege
  • Pflegedienste werden zur Zusammenarbeit mit Fachärzten verpflichtet
  • medizinischer Dienst überprüft die Einhaltung der Vorgaben durch persönliche Begutachtung zu Hause

Was tun?

Offen bleibt, ob es Klagen gegen das Gesetz geben wird. Überlegungen dazu gibt es aber. Möglich bleibt den Betroffenen aber der Versuch, Einfluss auf die Begutachtungsrichtlinien zu nehmen. Nachdem ein erster Entwurf des G-BA dazu bekannt geworden ist, der die Schlimmes befürchten ließ, beeilte sich der G-BA darauf hinzu weisen, dass die endgüligen Richtlinien erst nach Beratung und Diskussion mit allen Beteiligten verabschiedet werde.

Fazit

Ein lesenswertes Fazit aus dem Kampf um das IPReG zieht die Autorin und Bloggerin Laura Mensch unter dem Titel: „Schluss, aus, vorbei – IPReG gefährdet die Selbstbestimmung jetzt aktiv“.

Quellen: Bundesrat, BMG, Change.org, Kobinet, FOKUS-Sozialrecht

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