Gerichtsentscheidungen zu Migrationspolitik

Fast überall in Europa ist es den rechtspopulistischen Kräften gelungen, Migration als größtes Problem darzustellen. Selbst die Klimakatastrophe und ihre tödlichen Gefahren scheinen auf einmal harmlos zu sein im Vergleich zu der Bedrohung, die angeblich von den Menschen ausgeht, die täglich vor Krieg, Folter, Mord, Hunger und dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen aus ihrer Heimat fliehen müssen. Dabei hat die eigentliche Migrations-Bedrohung als Folge der Flucht aus den immer größer werdenden Gebieten der Erde, die wegen der Erderwärmung unbewohnbar werden noch gar nicht richtig begonnen.

Unterbringung außerhalb der EU unzulässig

Gut, dass es noch demokratische Strukturen und unabhängige Gerichte gibt, die die Politik in die Schranken weist, wenn sie allzu schnell mit einfach scheinenden Lösungen die Menschenrechte von Geflüchteten missachtet. So musste die italienische Regierung jetzt einen schweren Rückschlag hinnehmen bei dem Versuch, die Asylverfahren aus der EU auszulagern.

Zurückweisungen an den Binnengrenzen sind unrechtmäßig

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 15. Oktober 2024 lässt aufhorchen: Der Gerichtshof bestätigt die Unrechtmäßigkeit von Zurückweisungen an den Binnengrenzen. In seinem Urteil stellt der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) klar: Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Grenzen sind nicht zulässig. Damit erteilt er Verwaltungsabkommen wie dem “Seehofer-Deal” von 2018 eine klare Absage und stärkt den Zugang zum Rechtsschutz von Asylsuchenden an der Grenze.

kein Zugang zu einem effektiven Rechtsschutz

Der Kläger H.T. aus Syrien stellte im Juni 2018 auf der griechischen Insel Leros einen Asylantrag. Er litt unter den dortigen Lebensverhältnissen, die jenen im Elendslager „Moria“ auf Lesbos glichen und fürchtete zudem die Abschiebung in die Türkei und von dort die Kettenabschiebung nach Syrien. Im September 2018 floh er über Österreich nach Deutschland. Dabei wurde er von der deutschen Bundespolizei aufgegriffen und, trotz dass er ein Asylgesuch äußerte, nur wenige Stunden später nach Griechenland abgeschoben – basierend auf dem Seehofer-Deal zwischen Deutschland und Griechenland. In den Stunden zwischen Aufgriff und Abschiebung hatte er keinen Zugang zu einem effektiven Rechtsschutz. Ein Dublin-Verfahren wurde nicht durchgeführt.

Beschwerde beim EGMR

Auf Leros wurde H.T. fast drei Monate inhaftiert, in einer Zelle mit verhangenem Fenster und ohne die Möglichkeit, einen Außenbereich aufzusuchen. Der griechische Flüchtlingsrat half ihm, aus der Haft zu kommen und ein Asylverfahren in Griechenland durchzuführen.

Im März 2019 reichte H.T. Individualbeschwerde beim EGMR ein. Er macht geltend, dass seine Rückführung durch Deutschland sowie seine Behandlung und Inhaftierung in Griechenland das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Artikel 3) und das Recht auf wirksame Beschwerde (Artikel 13) in der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzen.

als subsidiär schutzberechtigt anerkannt

2021 wurde H.T. in Griechenland als Flüchtling anerkannt. Aufgrund der unhaltbaren Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in Griechenland, floh H.T nach Deutschland und stellte hier einen Asylantrag. 2022 wurde er durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als subsidiär schutzberechtigt anerkannt.

Zurückweisungspraxis beenden

PRO ASYL und ECCHR (Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte) begrüßen das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und fordern die Ampelregierung auf, der Zurückweisungspraxis an den deutschen Grenzen ein Ende zu setzen.

Quellen: Welthungerhilfe, Tagesschau, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Pro Asyl, wikipedia

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Gesetz zur Selbstbestimmung beim Geschlechtseintrag

Der Bundestag befasst sich am Freitag, 12. April 2024, abschließend mit Erleichterungen zur Änderung von Geschlechtseinträgen. Die Bundesregierung hat dazu einen Gesetzentwurf über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften (20/9049) eingebracht.

Entwurf der Bundesregierung

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/9049) sieht vor, dass Geschlechtseinträge und Vornamen künftig per Erklärung gegenüber dem Standesamt geändert werden können. Die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung soll entfallen. Die Neuregelung soll auch für nichtbinäre Personen gelten, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Das bisher einschlägige Transsexuellengesetz soll aufgehoben werden.

Eine Voraussetzung soll sein, dass eine Änderung drei Monate vorher beim zuständigen Standesamt angemeldet werden muss. Für unter 15-Jährige soll nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben können, über 14-Jährige sollen sie mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters selbst abgeben können. Stimmt dieser nicht zu, soll das Familiengericht die Zustimmung ersetzen können, „wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht“.

Regelungen zur Wirkung der Änderungen

In dem Entwurf werden zudem Regelungen zur Wirkung der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen aufgeführt. Danach sollen grundsätzlich der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen im Rechtsverkehr maßgeblich sein. Ausdrücklich wird ausgeführt, dass „betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen […] die Vertragsfreiheit und das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers sowie das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt [bleiben]“. Als Beispiel wird in die Begründung auf den Zugang zu Saunas verwiesen.

Normiert wird auch, welche Folgen die Änderung eines Geschlechtseintrags auf quotierte Gremien hat. Ferner wird angeführt, dass Rechtsvorschriften, die etwa künstliche Befruchtung, Schwangerschaft oder Entnahme von Samenzellen betreffen, unabhängig von dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht der jeweiligen Person gelten sollen, wenn die Person etwa gebärfähig ist. Weitere Regelungen betreffen unter anderem die Änderung von Registern und Dokumenten, das Offenbarungsverbot, das Eltern-Kind-Verhältnis sowie die Wehrpflicht im Spannungs- und Verteidigungsfall.

Langer Weg

Über den langen Weg zum Selbstbestimmungsgesetz und die kontroversen Diskussionen darüber haben wir hier mehrfach berichtet:

Quelle: Bundestag

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LGBTIQ-Rechte weltweit

In vielen Ländern der Erde ist Diversität selbstverständlich geworden, immer mehr Länder führen die Ehe für alle ein, die Rechte der queeren Community werden gestärkt und weltweit gehen zahlreiche Menschen am Christopher Street Day auf die Straßen. Doch auf der anderen Seite werden diese Fortschritte von reaktionären Kräften erbittert bekämpft, die zu einer vermeintlich konservativen Gesellschaftsordnung zurückwollen. Natürlich spielen dabei die radikal-terroristischen Auswüchse der großen Weltreligionen wie immer eine entscheidende Rolle. (LGBTIQ = Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, Inter, Queer)

USA

In den USA will der religiöse Eiferer DeSantis Präsident werden. Er ist als Gouverneur Floridas schon mehrfach unangenehm aufgefallen, weil er die Lösung aller Probleme in der Unterdrückung von Menschen sieht, die nicht der Norm entsprechen. Sogar darüber reden darf man nicht mehr. Unterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität in Schulen ist mittlerweile verboten.

Erbe des Kolonialismus

„In 69 Staaten wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt, in zehn Staaten droht Lesben und Schwulen sogar die Todesstrafe“, schreibt das Auswärtige Amt in den Leitlinien zur feministischen Außenpolitik. Mit Blick auf den Globus fällt auf, dass sich fast die Hälfte der Staaten mit Anti-Queerer-Gesetzgebung auf dem afrikanischen Kontinent befinden. Was aber viele nicht wissen: Gesetze gegen Homosexualität stammen oft noch aus der britischen Kolonialzeit. Heute stehen in 32 Ländern des Kontinents queere Handlungen unter Strafe. Erst vor kurzem sorgte Uganda für Entsetzen. Ende März erließ das afrikanische Land ein Gesetz, dass die Lage von queeren Menschen noch katastrophaler macht als zuvor. Ihnen droht künftig eine lange Haftstrafe. Das Gesetz sieht als letzte Instanz gar die Todesstrafe vor.

Ausschuss für Menschenrechte im Bundestag

Am 24. Mai tagte der Bundestrags-Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zum Thema „LGBTIQ-Rechte weltweit“. Der Ausschuss plädiert für ein stärkeres LGBTIQ-Engagement in der Außen- und Entwicklungspolitik.

Queere Menschen werden nicht nur für sexuelle Handlungen kriminalisiert, sondern bereits aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und ihres Geschlechtsausdrucks. Häufig seien LGBTI-Personen Polizeimissbrauch und Misshandlungen ausgesetzt. Durch die Kriminalisierung legitimierten Staaten gesellschaftliche Diskriminierung, das hat Einfluss auf alle Bereiche des Lebens.

Russland

Mikhail Tumasov, ehemaliger Vorsitzender des Russian LGBT Network, berichtete über die Situation in Russland. Das „Anti-Homosexuellen-Propaganda Gesetz“, verabschiedet im Dezember 2022, habe Russland „Raum für einen Krieg gegen die Community“ gegeben. Ziel des Gesetzes sei nicht, die russische Gesellschaft vor den angeblich negativen Auswirkungen liberaler, westlicher Werte zu schützen, sondern Gewalt und Hassverbrechen gegen sexuelle Minderheiten zu schüren, so der Experte in seiner Stellungnahme. Laut einem Bericht von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International hätten die Übergriffe nach Verabschiedung des Gesetzes erheblich zugenommen.

Deutschland

Auch in Deutschland leben queere Menschen gefährlich. In Asylbewerberunterkünften seien die Menschen vor erneuter Diskriminierung nicht sicher, da die „übrigen Bewohner in gesellschaftspolitischen Fragen nicht unbedingt liberale Werte vertreten, wenn sie aus muslimisch oder anderen traditionell geprägten Gesellschaften kommen“, so der Sachverständige. Inzwischen gebe es zwar in einigen deutschen Städten wie Frankfurt am Main oder Nürnberg solche separaten Unterkünfte, doch gebe es zu wenige Plätze.

Selbstbestimmungsgesetz verändert

Als „sehr besorgniserregend“ bezeichnete der querpolitische Experte und Aktivist Fabian Grischkat die „globale Zunahme queerfeindlicher, antifeministischer und rechtspopulistischer Bewegungen“. Dieses Wachstum der international vernetzten Anti-Gender-Bewegung sei nicht zufällig, sondern werde seit Jahren strategisch koordiniert und finanziert. Teil davon seien „rechtsextreme Denkfabriken und korrupte Oligarchen“. Die Effekte der querfeindlicher Tendenzen könne man auch in Deutschland beobachten, warnte Grischkat mit Blick auf die Debatte um das geplante Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung. „Radikalfeministinnen und Neue Rechte“ hätten den „Diskurs so verschoben“, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf radikal geändert worden sei.

Quellen: Bundestag, Frankfurter Rundschau, Auswärtiges Amt, FOKUS-Sozialrecht

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Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag

Seit ein paar Tagen steht der Entwurf des Selbstbestimmungsgesetz (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag – SBGG) auch für Otto Normalblogger zur Einsicht verfügbar. Schon vor Ostern sollte das passieren, tat es aber nicht. Danach kamen zunächst ausgewählte Medien in den Genuss des Entwurfes. Die Eckpunkte zum Entwurf sind schon fast ein Jahr alt.

warum nicht mehr Transparenz?

Diese Praxis der Ampelkoalition, Gesetzentwürfe möglichst lange der allgemeinen Öffentlichkeit vorzuenthalten führt bisweilen – wie beim Gebäude-Energie-Gesetz – dazu, dass einige „priveligierte“ Medien ihren Vorteil ausnützen können und mit aus dem Zusammenhang gerissenen Schlagworten („Heizungsverbot“) ungestraft Märchen verbreiten und im Verbund mit den einschlägigen Lobbyisten massive und wirksame Kampagnen starten können. Mehr und frühere Transparenz hätte dafür gesorgt, dass klar wird, was tatsächlich in den Entürfen steht.

Was steht denn nun tatsächlich im Selbstbestimmungsgesetz?

Zunächst wird das Transsexuellengesetz aufgehoben, dass schon mehrfach vom Bundesverfassungsgericht beanstandet wurde. Weitere wesentliche Inhalte:

  • Volljährige Menschen sollen durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt die Änderung ihres Geschlechtseintrags sowie ihrer Vornamen bewirken können. Für die Wirksamkeit dieser Erklärung gilt eine dreimonatige Wartefrist.
  • Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben.
  • Für Minderjährige ab 14 Jahren ist geplant, dass die Minderjährigen die notwendige Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten beim Standesamt abgeben können. Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, sollen Familiengerichte in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl – wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht – die Entscheidung der Sorgeberechtigten ersetzen können.
  • Nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Damit soll vermieden werden, dass Entscheidungen übereilt getroffen werden. Ab der Erklärung gegenüber dem Standesamt kann eine erneute Änderung also erst nach 15 Monaten vorgenommen werden (drei Monate Wartefrist plus zwölf Monate Sperrfrist).
  • Auf Grundlage des Gesetzes kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn jemand die Änderungen des Geschlechtseintrags von transgeschlechtlichen, nichtbinären oder intergeschlechtlichen Personen gegen deren Willen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt (Offenbarungsverbot).
  • Das Selbstbestimmungsgesetz ändert nichts am privaten Hausrecht und am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, das ist auch künftig zulässig. Und was heute verboten ist, bleibt verboten. Das geht aus dem Entwurf und seiner Begründung klar hervor.
  • Die geplante Regelung sieht ausschließlich die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen vor. Die Frage, ob eine Person, die zusätzlich geschlechtsangleichende körperliche oder medizinische Maßnahmen in Erwägung zieht, solche vornehmen kann, wird nicht durch das SBGG geregelt. In diesem Fall gelten wie bisher allein fachmedizinische Prüfkriterien.

Menschenrechtsschutz

Die Reform steht auch im Zusammenhang mit der internationalen Weiterentwicklung des Schutzes aller Menschen vor Diskriminierung. Sie kommt den Empfehlungen nationaler und internationaler Gremien nach, die sich insgesamt für eine stärker durch Selbstbestimmung geprägte Regelung des Geschlechtseintrags für trans- und intergeschlechtliche Menschen ausgesprochen haben. Vor allem aber entspricht das SBGG den Vorgaben des internationalen Menschenrechtsschutzes.

Diskriminierung und Armutsgefährdung

Trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Menschen sind häufig Diskriminierung in fast allen Lebensbereichen ausgesetzt (zum Beispiel in der Familie, am Arbeitsplatz oder Gewaltbetroffenheit in der Öffentlichkeit). Insbesondere werden sie von Dritten häufig als angeblich psychisch krank stigmatisiert und massiv herabgewürdigt, sie werden verunglimpft, beleidigt und immer häufiger auch körperlich angegriffen bis hin zu tödlichen Angriffen. Auch diese Situation soll sich mithilfe des Selbstbestimmungsgesetzes verbessern, zum Beispiel durch ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot.

2020 wurden laut Bundesinnenministerium 204 politisch motivierte Straftaten im Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ erfasst, darunter 40 Gewalttaten. Im Jahr 2021 stieg die Zahl auf 340 Straftaten, darunter 57 Gewalttaten.

In einer Erhebung der EU-Grundrechteagentur gaben 58 Prozent der befragten transgeschlechtlichen Personen aus Deutschland an, in den zurückliegenden zwölf Monaten diskriminiert oder belästigt worden zu sein.

Nach der Studie „Out im Office“ sind transgeschlechtliche und nichtbinäre Menschen besonders armutsgefährdet. Rund ein Viertel der trans* Befragten gab ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1000 Euro an (in der Teilgruppe der nichtbinären Befragten sogar 40 Prozent).

Dreimonatsfrist

Die geplante Dreimonatsfrist wird von Betroffenen allerdings kritisiert, da sie überwiegend Menschen betrifft, deren Transition in allen anderen Lebensbereichen bereits Monate, wenn nicht Jahre, zurückliegt und denen noch einmal eine dreimonatige Wartezeit „aufgebrummt“ wird. Einen Brief an die zuständigen Minister*innen dazu schreibt Felix Reda.

Frauensauna und Hausrecht

In dem Streit zwischen Justiz- und Familienministerium um das Hausrecht von Frauensaunen hat sich FDP-Minister Buschmann durchgesetzt, auch wenn die Ausformulierung im Vergleich zu früheren Äußerungen abgemildert wurde. „Die Rechtslage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bleibt unverändert“, heißt es im Gesetzentwurf. „Es ist daher etwa im Rahmen des Hausrechts weiterhin möglich, aus sachlichem Grund, etwa um den Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung zu tragen (zum Beispiel beim Zugang zu Saunen oder Fitnessstudios für Frauen oder zu Umkleidekabinen) im Einzelfall zu differenzieren.“

Keine Selbstbestimmung im Krieg

Ganz neu wurde ein bislang nicht diskutierter Paragraf zum Verteidigungsfall in den Gesetzentwurf aufgenommen. Damit will die Regierung offenbar verhindern, dass sich cis Männer durch eine Änderung des Geschlechtseintrags einer Einberufung entziehen. Befindet sich Deutschland im Krieg, darf der Geschlechtseintrag nicht mehr von „männlich“ zu „weiblich“ oder „divers“ geändert oder ganz gestrichen werden, heißt es im SBGG, „sofern dies im Einzelfall keine unbillige Härte darstellen würde“.

Weitere Ausnahmen

  • Die Unterbringung von Strafgefangenen „muss sich nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren“, heißt es im Entwurf. „Das SBGG gebietet mithin nicht, dass Personen immer entsprechend ihrem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag in einer entsprechenden Anstalt untergebracht werden.“
  • Das Selbstbestimmungsgesetz erlaubt zudem weiterhin Ungleichbehandlungen im Sport: „Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.“
  • Keinen Einfluss haben Transitionen auch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen: „Auf den aktuellen Geschlechtseintrag kommt es nicht an, wenn medizinische Leistungen zu ergreifen sind.“
  • Zudem wird klargestellt, dass das SBGG nicht auf Gesetze und Verordnungen, die Regelungen über Schwangerschaft, Gebär- oder Zeugungsfähigkeit betreffen, angewendet werden kann.
  • Ebenso bleibt ein trans Mann im Rechtsverhältnis zu seinem Kind eine „Mutter“. In Geburtsurkunden kann zumindest die Bezeichnung „Vater“ oder „Mutter“ nachträglich in „Elternteil“ geändert werden.

Quellen: Bundesfamilienministerium, Queer.de, Felix Reda, FOKUS-Sozialrecht

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