Gesundheitliche Versorgung von Frauen ohne Aufenthaltsstatus

Frauen ohne geregelten Aufenthaltsstatus haben in Deutschland grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz. Sie können diesen aber aufgrund der im Aufenthaltsgesetz festgeschriebenen Übermittlungspflichten de facto nicht in Anspruch nehmen, ohne eine Abschiebung zu riskieren. Nicht praktikable Regelungen der Bedürftigkeitsprüfung und der Kostenerstattung bei Krankenhausbehandlungen erschweren den Zugang zu einer sicheren Geburtshilfe weiter.

Arbeitspapier

Die BAG Gesundheit/Illegalität hat ein wichtiges Arbeitspapier erstellt, in dem die Situation der betroffenen Frauen beschrieben wird. Obgleich Frauen innerhalb der Mutterschutzfristen eine Duldung bekommen können, besteht kein sicherer Schutz vor Umverteilung oder Abschiebung in dieser Zeit. Es gibt zudem große Hürden bei der Ausstellung von Geburtsurkunden und auch die gesundheitliche Versorgung der neugeborenen Kinder ist nicht gewährleistet.

Geltendes Recht

Der fehlende Zugang zu gesundheitlicher Versorgung in Schwangerschaft und Geburt steht in deutlichem Gegensatz zu internationalen Menschenrechtsverträgen, die in Deutschland geltendes Recht sind. (UN-Frauenrechtskonvention, UN-Kinderrechtskonvention, Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – Istanbul-Konvention).

Gesundheitsversorgung oder Abschiebung

Das Dilemma, in denen sich hier speziell schwangere Frauen befinden (Gesundheitsversorgung oder Abschiebung) haben im Übrigen auch andere Menschen ohne Papiere, wenn sie akute Erkrankungen oder Schmerzzustände behandeln lassen wollen. Um gesundheitliche Versorgung in Anspruch nehmen zu können, müssen Menschen ohne Papiere zuvor beim zuständigen Sozialamt einen Krankenschein beantragen. Das Sozialamt ist jedoch aufgrund der in Deutschland geltenden Übermittlungspflichten (§ 87 Abs. 2 AufenthG) gesetzlich verpflichtet, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus an die Ausländerbehörde zu melden. In der Praxis können Menschen ohne Papiere deshalb unser Gesundheitssystem nicht nutzen: Wenden sie sich an das Sozialamt, droht ihnen die Abschiebung. So können Menschen ohne Papiere ihr Recht auf gesundheitliche Versorgung de facto nicht in Anspruch nehmen.

Nothelferparagraph funktioniert nicht

Ärzt*innen und anderes medizinisches Personal haben im Notfall die Pflicht, medizinische Hilfe zu leisten. Der „Nothelferparagraph“ (§ 6a AsylbLG) soll ermöglichen, dass Krankenhäuser die Kosten für im Notfall erfolgte Leistungen rückwirkend vom Sozialamt erstattet bekommen können. Grundsätzlich muss das Sozialamt hierbei jedoch stets prüfen, ob eine materielle Hilfebedürftigkeit vorliegt und Patient:innen für die Behandlungskosten nicht selbst aufkommen können. An der Bedürftigkeitsprüfung scheitert in der Regel die rückwirkende Finanzierung, da Menschen ohne Papiere die geforderten Dokumente und Nachweise wie Kontoauszüge, Mietverträge oder Passkopien zumeist nicht erbringen können. Die geltenden Regelungen sind somit nicht praktikabel: Eine Kostenerstattung durch das Sozialamt im Notfall greift nur in einem Bruchteil der Fälle. Dies hat Auswirkungen auf die Möglichkeit und Bereitschaft der Krankenhäuser, die Versorgung in angemessenem Umfang sicherzustellen. Im Notfall gilt zudem ein „verlängerter Geheimnisschutz“. Danach unterliegen nicht nur Ärzt*innen und medizinisches Personal der Schweigepflicht, sondern auch die Verwaltungsmitarbeitenden im Krankenhaus und die Angestellten der Sozialämter. Sie dürfen keine Informationen über die Person an die Ausländerbehörde oder Polizei melden. Der verlängerte Geheimnisschutz ist jedoch nach wie vor in den Sozialämtern nicht ausreichend bekannt. Es ist deshalb in der Praxis unsicher, ob nicht doch eine Weitergabe der personenbezogenen Daten erfolgt.

Menschen ohne Papiere

Der Begriff „Menschen ohne Papiere“ beschreibt Personen, die sich ohne legalen asyl- oder ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel, ohne Duldung und ohne behördliche Erfassung in Deutschland aufhalten. Menschen ohne Papiere verfügen in Deutschland über keine Arbeitserlaubnis und keine Krankenversicherung. Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen ohne geregelten Aufenthaltstitel in Deutschland leben: Personen können mit einem Visum einreisen und nach Ablauf des Visums nicht wieder ausreisen. Ein Asylantrag kann abgelehnt worden und der Ausreisetermin verstrichen sein. Auch eine Scheidung kann ein Grund für den Verlust des Aufenthaltstitels sein. Manche Menschen sind auch von Arbeitsausbeutung betroffen. Viele Menschen ohne Papiere leben seit Jahren in Deutschland, arbeiten hier und ziehen Kinder auf. Achtung: Menschen ohne Papiere sind nicht gleichzusetzen mit geflüchteten Menschen. Andere Begriffe für „Menschen ohne Papiere“ sind: „Sans-Papiers“, „Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus“ oder „Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität“.

Quellen: BAG Gesundheit/Illegalität, Diakonie Deutschland, Tacheles e.V., wikipedia

Abbildung: Fotolia_92728962_M.jpg

Abschiebungen

Es ist erstaunlich bis erschreckend, wie es den Rechtsradikal-Populisten gelingt, den öffentlichen Diskurs so zu bestimmen, dass die Mehrheit der Deutschen „Migration“ für das größte Problem hält. Natürlich helfen dabei die Medien und zwar nicht nur Springerpresse und Telegrammkanäle, sondern auch die sogenannten seriösen Medien von Tagesschau bis FAZ. Aufgescheuchte Politiker der demokratischen Parteien versuchen sich in Schadensbegrenzung, indem sie die populistischen Forderungen in Gesetze umwandeln wollen.

Klima? War da was?

Die zunehmende Klimakatastrophe wir nur noch am Rande als Problem wahrgenommen und die Gegenmaßnahmen an allen Ecken und Enden aufgeweicht und verzögert. Wahrscheinlich so lange, bis jedem deutlich wird, dass diese Politik uns einen massiven Wohlstandsverlust bescheren wird und zu einer Migrationswelle aus den nicht mehr bewohnbaren Teilen der Erde von nie dagewesenen Ausmaß führen wird. Dann haben wir tatsächlich Probleme.

Rückführungsverbesserungsgesetz

Der jüngste Versuch, den rechten bis faschistischen Teil unserer Gesellschaft mit plumpem Aktionismus zu beschwichtigen (Spoiler: das wird nicht gelingen) kommt aus dem Innenministrium und heißt: „Rückführungsverbesserungsgesetz„. Mit „Rückführung“ ist natürlich „Abschiebung“ gemeint. Das klingt etwas freundlicher.

Kaum Zeit für Stellungnahmen

Der Paritätische Gesamtverband hat dazu eine Stellungnahme verfasst, obwohl er wegen der angeblichen Dringlichkeit nur zwei Tage Zeit dazu hatte. Ergebnis ist, dass die meisten der geplanten Gesetzesänderungen weder mit dem Grundgesetz noch mit der UN-Kinderrechtskonvention noch mit der Flüchtlingskonvention zu vereinbaren sind.

Klima der Angst

Zum Beispiel sollen bei Abschiebungen auch die Wohnungen Dritter betreten werden können und Abschiebungen können vermehrt auch nachts durchgeführt werden. Dies soll auch bei Familien mit Kindern geschehen können. Das wird beiden betroffenen Familien zu ständiger Angst und Unruhe führen und mit Sicherheit einem erfolgreichen Ankommen der Schutzsuchenden in der Gesellschaft entgegen.

gegen die UN-Kinderrechtskonvention

Ablehnend äußert sich der Paritätische auch zum Vorhaben, die Ankündigung der Abschiebung auszusetzen. Ausgenommen von dieser Regelung seien zukünfitg nur noch Familien mit Kindern bis 12 Jahren, wenn deren Abschiebung länger als 1 Jahr ausgesetzt war. Nicht nur sei die Altersgrenze willkürlich gezogen und verstoße somit gegen die UN-Kinderrechtskonvention, die Regelung werde darüber hinaus noch mehr Menschen in Angst und Unsicherheit leben lassen und somit ihrer gesellschaftlichen Teilhabe abträglich sein.

Verlängerung der Abschiebehaft

Abschiebhaft soll bis zu 28 Tage (bisher 10 Tage) möglich sein. Mildere Mittel als Haft sind nicht mehr vorgesehen. Haft für nicht begangene Verbrechen ist sowieso reichlich problematisch.

Neue Straftatbestände

Es werden neue Straftatbestände eingeführt. So sollen sich Personen bereits bei einem einmaligen Verstoß gegen Meldepflichten oder räumliche Beschränkungen strafbar machen. Also etwa, wenn jemand in einer Nachbargemeinde einen Bekannten besucht. Solche Vorstrafen können später dazu führen, dass die Personen die Bleiberechtsregelungen nicht nutzen und somit auf Dauer von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden. Zukünftig sollen sich zudem Asylsuchende strafbar machen, wenn sie keine, unrichtige oder unvollständige Angaben im Asylverfahren machen oder Dokumente nicht vorlegen. Auch hier fehlt die Betrachtung milderer Mittel, zudem wird das für eine erfolgreiche Anhörung so wichtige Vertrauensverhältnis durch solche Strafandrohungen stark beeinträchtigt.

Keine flächendeckende Überlastung

Der Paritätische Gesamtverband weist darauf hin, dass sich die aktuelle
Aufnahmesituation zwar vielerorts herausfordernd, jedoch auf kommunaler Ebene
bundesweit sehr heterogen darstellt. Einer aktuellen Expertise nach ist entgegen der teils hitzig geführten Debatte nicht von einem Notstand und einer flächendeckenden
Überlastung auszugehen. Überforderungen vor Ort sind u.a. auch darauf zurückzuführen, dass in den letzten Jahren vielerorts Strukturen der Integrationsarbeit und Flüchtlingsaufnahme abgebaut oder nicht weiterentwickelt wurden.

Frühere Versäumnisse

Das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum sowie ausreichenden Kita- und Schulplätzen trifft nicht nur schutzsuchende Menschen und wurde seit Jahren nicht hinreichend konsequent angegangen. Zudem sind es nicht nur die hohen Zahlen neu ankommender Schutzsuchende, die das Aufnahmesystem unter Druck setzen, sondern auch die Menschen, die schon lange im Aufnahmesystem sind und aufgrund des Wohnraummangels keine eigene Wohnung finden.

Gesetz läuft ins Leere

Ähnlich wie die in den vergangenen Jahren verabschiedeten Gesetze zur Beschleunigung von Abschiebungsverfahren und der Ausweitung der Abschiebungshaft wird auch dieses Gesetz absehbar nicht dazu führen, dass viel mehr Menschen abgeschoben werden. Viele der ausreisepflichtigen Menschen sind aufgrund von Abschiebungshindernissen geduldet und können gar nicht abgeschoben werden. Darüber hinaus fehlt es oft an der Rücknahmebereitschaft der Herkunftsländer. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass rechtliche Verschärfungen in diesem Bereich in der Praxis zwar oft zu härteren, nicht aber zwingend zu mehr Abschiebungen führen.

Quellen: Der Paritätische, Bundesinnenministerium, Mediendienst Integration, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: fotolia.com fluechtlinge-europa.jpg

Chancen-Aufenthaltsrecht

Etwa 135.000 Menschen in Deutschland könnten vom geplanten Chancen-Aufenthaltsrecht profitieren und aus den Kettenduldungen herauskommen. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf Anfang Juli 2022 beschlossen, nun muss die Angelegenheit nach der Sommerpause, voraussichtlich ab Oktober, vom Bundestag diskutiert und beschlossen werden. Dabei können die Parlamentarier*innen auch noch Änderungen einbringen und beschließen. Gelten wird das Chancen-Aufenthaltsrecht dann voraussichtlich etwa ab Dezember 2022.

Fehlende Voraussetzungen nachholen

Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht des § 104c AufenthG-E wird dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet lebenden geduldeten und zumeist gut integrierten Ausländer nach einer Aufenthaltsperspektive in Deutschland Rechnung getragen. Ihnen wird die Chance eingeräumt, noch fehlende Voraussetzungen für einen dauerhaften Aufenthalt nachzuholen. Hierzu gehören vor allem die Identitätsklärung, die Lebensunterhaltssicherung sowie erforderliche Kenntnisse der deutschen Sprache. Um die Nachholung der fehlenden Voraussetzungen zu erleichtern, wird den Betreffenden eine auf ein Jahr begrenzte Aufenthaltserlaubnis als Chancen-Aufenthaltsrecht erteilt.

Bleiberechtsregelungen

Die geltenden Bleiberechtsregelungen sollen moderat weiterentwickelt werden. Dabei soll die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft im Blick behalten werden. Diejenigen, die gut in Deutschland integriert sind und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können, sollen schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten.

Jugendliche und junge Volljährige

Gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige sollen bereits nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland sowie bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erhalten.

Antrag

Diejenigen, die die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht ((fünf Jahre Aufenthalt, nicht straffällig, Bekenntnis zur Grundordnung) erfüllen müssen nach Inkrafttreten den Gesetzes, frühestens im Dezember 2022, bei der für sie zuständigen Ausländerbehörde das Chancen-Aufenthaltsrecht beantragen.

Noch kein Abschiebeschutz

Trotzdem sind Menschen, die die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht erfüllen werden, aktuell nicht unbedingt vor Abschiebungen sicher. In einigen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Thüringen, Hessen, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Schleswig-Holstein gibt es so genannte Vorgriffregelungen, die aber unterschiedlich ausgestaltet sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Menschen, die von dem neuen Gesetz profitieren werden, nicht noch in letzter Minute abgeschoben werden dürfen. In anderen Bundesländern gibt es diese Regelungen leider nicht. Hier hängt es von den einzelnen Ausländerbehörden ab, wie sie entscheiden. Genaueres kann man bei pro asyl erfahren.

Quellen: Bundeskabinett, Paritätischer Gesamtverband, pro asyl

Abbildung: Fotolia_92728962_M.jpg