Familiäre Beziehungen genießen bei der Betreuerauswahl Vorrang

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Grundsatzbeschluss die Rechte von Angehörigen bei der Bestellung zum rechtlichen Betreuer erheblich gestärkt. Künftig dürfen Familienmitglieder nur noch in gut begründeten Ausnahmefällen durch Berufsbetreuer ersetzt werden.

Vorrang ehrenamtlicher Betreuung

Im Zentrum des am 5. März 2025 ergangenen Beschlusses (Az.: XII ZB 260/24) steht der Fall eines Sohnes, der zum Betreuer seiner pflegebedürftigen Mutter bestellt werden wollte. Die Gerichte der Vorinstanzen hatten ihm diese Rolle jedoch verweigert und stattdessen einen externen Berufsbetreuer eingesetzt. Begründet wurde dies mit früherem Fehlverhalten des Sohnes, etwa nächtlichen Besuchen im Pflegeheim und einem übergriffig interpretierten Umgang mit der Mutter.

Der BGH hat diese Entscheidung nun aufgehoben – mit klaren Worten: Familiäre Beziehungen genießen bei der Betreuerauswahl Vorrang.

Der BGH verweist ausdrücklich auf das Zusammenspiel mehrerer gesetzlicher Vorschriften: So legt § 1816 Abs. 5 BGB fest, dass ehrenamtliche Betreuung Vorrang vor beruflicher Betreuung hat. Da Angehörige die Betreuung typischerweise unentgeltlich übernehmen, verstärkt dies ihre rechtliche Bevorzugung zusätzlich.

Diese gesetzliche Wertung reflektiert auch das Grundgesetz: Die Familie steht unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung – und dieser Schutz endet nicht bei gesundheitlicher Hilfsbedürftigkeit.

Ein Angehöriger darf laut § 1816 Abs. 3 BGB nur dann übergangen werden, wenn er nachweislich ungeeignet ist.

Geeignetheitsprüfung: Aktuelles Verhalten und Prognose ausschlaggebend

Die Karlsruher Richter übten scharfe Kritik an der vorinstanzlichen Entscheidung. Das Landgericht hatte seine Entscheidung ausschließlich auf vergangene Vorfälle gestützt – ohne dabei eine aktuelle Einschätzung des Verhaltens des Sohnes ausreichend zu würdigen. Dabei lag dem Gericht sogar eine Bescheinigung der Pflegeeinrichtung vor, in der von einer nachweislichen Verhaltensänderung die Rede war: Der Sohn habe sich an die Situation angepasst, unterstütze das Personal und kümmere sich fürsorglich um seine Mutter.

Für den BGH steht fest: Die Eignungsprüfung müsse sich an der Zukunftsfähigkeit orientieren, nicht an alten Verfehlungen. Dabei gelte der gesetzliche Vorrang der Familie als Richtschnur, nicht als Option. Nur wenn konkrete Umstände die künftige ordnungsgemäße Wahrnehmung der Betreuungspflichten (gemäß § 1821 BGB) ausschließen, könne ein Angehöriger ausgeschlossen werden.

Betreuungsverfahren darf nicht wegen Auslandsaufenthalt eingestellt werden

Auch wenn eine betroffene Person mit deutscher Staatsangehörigkeit während eines laufenden Betreuungsverfahrens in ein Land außerhalb des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens zieht, bleibt ein deutsches Gericht zuständig. Das Verfahren darf nicht allein deshalb eingestellt werden, weil die betroffene Person eine Anhörung verweigert und keine zwangsweise Vorführung im Ausland möglich ist. Vielmehr muss das Gericht anhand der übrigen Erkenntnisse entscheiden, ob eine Betreuung erforderlich ist.

Der Bundesgerichtshof stellte damit mit seiner Entscheidung vom 12. Februar 2025 (XII ZB 128/24) klar: Der effektive Schutz erwachsener Personen steht im Vordergrund.

Sachverhalt

Der 1956 geborene Mann leidet an einer Psychose. Er hatte mehreren Personen, darunter seiner Ehefrau, Vorsorgevollmachten erteilt. Im Juni 2021 ordnete das Amtsgericht Fulda eine rechtliche Betreuung mit einem umfassenden Aufgabenkreis an, da es Zweifel an der Wirksamkeit und Eignung der Vollmachten gab. Nach mehreren Umzügen lebte der Mann zuletzt in einem Heim in Polen. Eine Anhörung im Ausland kam nicht zustande, da er dieser nicht zustimmte. Das Landgericht Dresden stellte daraufhin das Betreuungsverfahren ein. Dagegen legte der Verfahrenspfleger Rechtsbeschwerde ein.

So hat das Gericht entschieden

Deutsche Gerichte bleiben zuständig

Der Bundesgerichtshof erklärte, dass die deutschen Gerichte weiterhin international zuständig sind. Zwar könne nach dem Haager Erwachsenenschutzübereinkommen bei einem Umzug in einen anderen Vertragsstaat die Zuständigkeit auf das neue Land übergehen. Da Polen aber kein Vertragsstaat ist und der Betroffene deutscher Staatsangehöriger ist, ergibt sich die Zuständigkeit aus § 104 FamFG.

Deutsches Recht bleibt anwendbar

Auch nach dem Umzug ins Ausland gilt deutsches Recht. Das ergibt sich entweder direkt aus dem Haager Übereinkommen (Art. 13 ErwSÜ) oder über Art. 24 EGBGB, der bei im Inland angeordneten Fürsorgemaßnahmen deutsches Recht vorsieht. Maßgeblich sei, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der ersten gerichtlichen Entscheidung in Deutschland lebte.

Keine Einstellung des Verfahrens wegen fehlender Anhörung

Das Landgericht Dresden hatte argumentiert, ohne persönliche Anhörung sei das Verfahren nicht fortzusetzen. Der BGH wies dies zurück. Auch wenn eine Anhörung gesetzlich vorgesehen ist (§ 278 FamFG), dürfe das Gericht in Ausnahmefällen – etwa bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit – nach § 34 Abs. 3 FamFG entscheiden. Entscheidend sei, dass alle anderen Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und das Gericht dennoch die Betreuungsbedürftigkeit feststellt.

Der Schutz des Betroffenen steht im Vordergrund

Die Vorinstanzen hatten festgestellt, dass der Mann nicht zu freier Willensbildung fähig sei und seine Bevollmächtigten nicht geeignet seien. Dennoch stellte das Landgericht das Verfahren ein. Das widerspricht nach Ansicht des BGH dem Ziel des Erwachsenenschutzes. Auch wenn der Betroffene keine Zusammenarbeit zeigt, kann eine Betreuung notwendig und wirksam sein, etwa zur Durchsetzung eines Aufenthaltsbestimmungsrechts, wenn der Aufenthalt im Ausland nicht seinem Willen entspricht.

Betreuerauswahl muss neu geprüft werden

Da die ursprünglich eingesetzte Betreuerin eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit abgelehnt hat und keine gesetzliche Grundlage für eine „vorläufige Entlassung“ besteht, muss das Landgericht Dresden auch einen neuen Betreuer bestimmen.

Bundesgerichtshof vom 12. Februar 2025 (XII ZB 128/24)

BSG schließt Regelungslücke

Am 19. September 2024 hat der 9. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Revisionsverfahren B 9 SB 2/23 R entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf Erstattung des von ihr für eine Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen gezahlten Eigenanteils in Höhe von 91 Euro hat. Das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen‑Bremen vom 28. September 2023 wurde aufgehoben, und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 24. Juni 2022 zurückgewiesen.

Hilfe zur Pflege

Die 1940 geborene Klägerin ist schwerbehindert (GdB 90) mit dem Merkzeichen G und lebt in einer stationären Pflegeeinrichtung. Sie bezieht nach § 65 SGB XII ausschließlich Hilfe zur Pflege, nicht jedoch laufende Leistungen zum Lebensunterhalt aus dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII, da sie über eigenes Renteneinkommen verfügt. Im Juli 2021 wurde ihr Antrag auf eine kostenlose Wertmarke zur Nutzung des ÖPNV abgelehnt, da sie nach Auffassung der Behörde nicht zu dem im Gesetz genannten Personenkreis gehöre. Die Heimkosten wurden teilweise vom Sozialhilfeträger übernommen; die Wertmarke in Höhe von 91 Euro bezahlte die Klägerin selbst mithilfe eines Darlehens.

Nicht im Kreis der Anspruchsberechtigten

Das Sozialgericht Braunschweig gab der Klage statt und verurteilte den Beklagten zur Erstattung. Auf die Berufung des Beklagten setzte das Landessozialgericht die Kostenregelung außer Kraft mit der Begründung, § 228 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX erfasse nur Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach den Kapiteln III und IV des SGB XII. Die Klägerin falle als ausschließliche Bezieherin von Hilfe zur Pflege nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten.

BSG erkennt Regelungslücke

Das BSG sah den Erstattungsanspruch als öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nach § 228 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 SGB IX (in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung) anwendbar. Zwar nenne der Gesetzeswortlaut nur „laufende Leistungen zum Lebensunterhalt“ nach den Kapiteln III und IV des SGB XII als Tatbestandsvoraussetzung. Jedoch sei die Norm analogiefähig, weil durch den Systemwechsel von 2005 im SGB IX eine planwidrige Regelungslücke entstanden sei: Heimbewohner, die Hilfe zur Pflege bezögen, wurden ungewollt von der Befreiungstatbestandsregelung ausgenommen.

Analogieschluss

Das BSG stellte klar, dass für die Anspruchsvoraussetzungen die Zugehörigkeit zum Existenzsicherungssystem der Sozialhilfe genügt – unabhängig davon, ob die Hilfebedürftigkeit durch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts oder durch Hilfe zur Pflege gedeckt wird. Insbesondere bei Heimbewohnern mit einem Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach § 65 SGB XII sei eine analoge Anwendung gerechtfertigt, da keine gesetzgeberische Absicht erkennbar sei, diese besonders hilfebedürftige Gruppe auszuschließen, und kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vorliege.

Revision begründet

Die Revision der Klägerin war zulässig und begründet. Das Bundessozialgericht hat das LSG-Urteil aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, die 91 Euro zu erstatten. Mit diesem Urteil schließt das BSG eine Lücke im systematischen Schutz schwerbehinderter Heimbewohner und stellt deren Gleichbehandlung sicher.

Quellen: Bundessozialgericht, SOLEX, Walhalla-Verlag, Beraterbrief Pflege, Ausgabe 2025/08

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Informationswoche zum Betreuungsrecht in NRW gestartet

Vom 28. April bis 3. Mai 2025 findet in Nordrhein-Westfalen eine landesweite Informationswoche zum Betreuungsrecht statt. Organisiert wird die Aktion gemeinsam vom Ministerium der Justiz und dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ziel ist es, Bürgerinnen und Bürger über rechtliche Betreuung, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu informieren und für die Bedeutung frühzeitiger Vorsorge zu sensibilisieren.

Insgesamt beteiligen sich 30 Amtsgerichte aus den Bezirken der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Hamm und Köln an der Aktionswoche. Vor Ort werden Informationsstände, Fachvorträge, Podiumsdiskussionen und persönliche Beratungsgespräche angeboten. Dabei stehen Expertinnen und Experten aus Justiz, Betreuungsvereinen und Betreuungsbehörden zur Verfügung, um Fragen zu beantworten und Unterstützung anzubieten.

Staatssekretärin Dr. Daniela Brückner betont die Bedeutung rechtlicher Vorsorge: „Rechtliche Betreuung und Vorsorge helfen dabei, dass unsere Wünsche und Überzeugungen auch dann Gewicht haben, wenn wir selbst nicht mehr für uns sprechen können.“ Staatssekretär Matthias Heidmeier hebt hervor, dass die Informationswoche auch dazu dient, neue ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer zu gewinnen. Das Land unterstützt die Arbeit der Betreuungsvereine in diesem Jahr mit 10,5 Millionen Euro.

Weitere Informationen zur Informationswoche und den beteiligten Gerichten auf der Website des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW zu finden: Landesweite Informationswoche zum Betreuungsrecht – MAGS NRW

Begrenzung des Betreuerverschuldens: BGH konkretisiert Zurechnungsvoraussetzungen

Mit seiner aktuellen Entscheidung vom 22. Januar 2025 (XII ZB 450/23) hat der Bundesgerichtshof wichtige Leitlinien zur Zurechnung von Betreuerverschulden bei gerichtlichen Verfahren (hier: Wiedereinsetzungsantrag) formuliert.

Sachverhalt:
Eine Mutter wurde durch das Amtsgericht zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Gegen den entsprechenden Beschluss wurde Beschwerde erst verspätet eingelegt. Im Wiedereinsetzungsantrag berief sich die Mutter auf das Versäumnis ihres im laufenden Verfahren bestellten Betreuers, der den Beschluss erhalten, jedoch nicht weitergeleitet oder reagiert hatte.

Entscheidung des BGH:
Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass das Verschulden eines Betreuers dem betreuten Beteiligten nur dann gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 51 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden kann, wenn der Betreuer als gesetzlicher Vertreter in das Verfahren eintritt und es für den Beteiligten als dessen gesetzlicher Vertreter (fort-)führt. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben: Der Betreuer hatte sich weder durch eigene Anträge noch durch inhaltliche Stellungnahmen aktiv am Verfahren beteiligt. Eine bloße Anwesenheit oder Unterstützungsleistung in der Verhandlung reicht für eine Zurechnung nicht aus.

Folge:
Da kein zurechenbares Verschulden vorlag, wurde der Mutter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Zugleich hob der BGH die ablehnende Entscheidung des OLG Hamm auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Bedeutung für die Betreuerpraxis

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer genauen Prüfung, ob ein Betreuer tatsächlich als gesetzlicher Verfahrensvertreter agiert hat. Erst dann ist sein Verhalten dem betreuten Beteiligten zuzurechnen.

Das Urteil hat damit eine Signalwirkung zum Thema „Verschulden des Betreuers“, weil es die Voraussetzungen dafür klar und einengend definiert, unter denen das Verhalten eines Betreuers in Gerichtsverfahren der betreuten Person zugerechnet werden darf.

  1. Keine automatische Zurechnung des Betreuerverhaltens
    Der BGH betont: Das Verhalten eines Betreuers kann nicht automatisch der betreuten Person zugerechnet werden. Entscheidend ist, ob der Betreuer das gerichtliche Verfahren aktiv als gesetzlicher Vertreter führt. Hat er das Verfahren lediglich „begleitet“, aber keine Verantwortung übernommen, liegt kein zurechenbares Verschulden vor.
  2. Hohe Anforderungen an die „Verfahrensführung“
    Es genügt nicht, wenn der Betreuer z. B. bei einer mündlichen Verhandlung anwesend ist oder im Hintergrund unterstützt. Es muss feststehen, dass er im Namen der betreuten Person Anträge stellt oder Erklärungen abgibt – also das Verfahren tatsächlich führt.
  3. Stärkung des effektiven Rechtsschutzes
    Diese Auslegung schützt betreute Personen davor, ihre Rechte zu verlieren, nur weil ein Betreuer passiv bleibt oder Fehler macht, ohne sich offiziell ins Verfahren einzubringen. Das stärkt den verfassungsrechtlich garantierten Zugang zum Gericht und das Vertrauen in das Betreuungsrecht.

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Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen ab Juli 2025

Die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO maßgebenden Beträge ändern sich jedes Jahr entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes. Bis zum 1.7.2021 geschah dies nur alle zwei Jahre. Der nun jährliche Rhythmus wird damit begründet, dass vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der dafür höhere Verwaltungsaufwand von immer geringerer Bedeutung sei.

Die jährliche Erhöhung wird jeweils in einer eigenen Bekanntmachung  veröffentlicht. Zu verwenden sind die Freigrenzen, die sich aus der jeweiligen Bekanntmachung ergeben.

Pfändungsfreibetrag und Unterhaltsfreibeträge

Die Pfändungsfreigrenze steigt zum 1. Juli 2025 auf 1.555,00 Euro (aktuell 1.491,75 Euro).

Der pfändungsfreie Sockelfreibetrag für den Schuldner kann im Einzelfall aufgestockt werden. So können auch Freibeträge gewährt werden, wenn der Schuldner einer oder mehreren Personen Unterhalt gewährt. Der pfändungsfreie Betrag erhöht sich in diesem Fall zum 1.7.2025:

  • für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, um 585,23 EUR, (aktuell 561,43 Euro)
  • für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, um 326,04 EUR, (aktuell 312,78 Euro).

Pfändungsschutz, grundsätzliches

Die Leistung des Sozialstaates besteht nicht nur darin, dem bedürftigen Bürger Geld- oder Sachleistungen zu gewähren, sondern diese Leistungen, die in der Regel gerade ein Existenzminimum sichern, vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Dies stellt u.a. der Pfändungsschutz sicher.

Arbeitseinkommen ist grundsätzlich pfändbar; dies gilt auch für Hinterbliebenenbezüge und Renten. Eine ganze Reihe von Einkommensarten sind jedoch unpfändbar. Mehr dazu in SOLEX.

Übersichtstabelle

Der Verein Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg e.V. hat dazu eine Übersichtstabelle erstellt.

Quellen: Bundesanzeiger, Schuldnerberatung Hamburg, SOLEX

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Klare Regeln für Zwangsbehandlungen außerhalb von Krankenhäusern

Der Betreuungsgerichtstag e. V. (BGT) hat ein Thesenpapier zur geplanten Neuregelung ärztlicher Zwangsmaßnahmen nach § 1832 BGB vorgelegt. Anlass ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. November 2024, das den bisherigen sogenannten Krankenhausvorbehalt in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat. Der BGT begrüßt die geforderte gesetzliche Nachbesserung, warnt aber zugleich vor vorschnellen Lockerungen.

Hintergrund: Krankenhauspflicht nicht mehr ausnahmslos zulässig

Laut Bundesverfassungsgericht darf eine Zwangsbehandlung nicht mehr grundsätzlich nur in einem Krankenhaus erfolgen, wenn dies im Einzelfall unverhältnismäßig wäre. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis Ende 2026 eine verfassungskonforme Lösung zu schaffen.

BGT: Drei zentrale Forderungen für die Neuregelung

Der BGT fordert in seinem Papier:

  1. Verfassungskonforme Ausnahmeregelung: Eine Ausnahme vom Krankenhausvorbehalt soll nur dann möglich sein, wenn eine Verlegung in ein Krankenhaus aus subjektiven Gründen unzumutbar ist und die alternative Einrichtung nahezu den medizinischen Standard eines Krankenhauses erfüllt.
  2. Ultima-ratio-Prinzip stärken: Zwangsmaßnahmen dürfen nur als letztes Mittel („ultima ratio“) angewendet werden. Die gesetzlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben sollen laut BGT verschärft werden, um dies in der Praxis konsequenter sicherzustellen.
  3. Keine einstweilige Genehmigung für Ausnahmen: Die Ausnahme vom Krankenhausvorbehalt dürfe nicht im Eilverfahren (einstweilige Anordnung) zugelassen werden. Eine solche Entscheidung erfordere laut BGT eine gründliche Prüfung im Hauptverfahren.

Ablehnung weitergehender Ambulantisierung

Der BGT lehnt eine generelle Verlagerung von Zwangsbehandlungen in den ambulanten Bereich strikt ab. Voraussetzung für Ausnahmen sei, dass der sogenannte Krankenhausstandard am alternativen Ort gewährleistet ist – auch was Vorbereitung und Nachsorge betrifft.

Einheitliche Regelung auch für Bevollmächtigte

Auch wenn eine Zwangsmaßnahme mit Einwilligung eines Bevollmächtigten erfolgt, sollen laut BGT die gleichen strengen Anforderungen gelten – inklusive der ausdrücklichen und schriftlichen Erteilung der Vollmacht.

Evaluation zeigt Umsetzungsdefizite

Ein vom Justizministerium beauftragter Evaluationsbericht habe gezeigt, dass die bestehenden gesetzlichen Anforderungen in der Praxis häufig unzureichend geprüft würden. Der BGT fordert daher eine Überarbeitung auch der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorschriften, um Grundrechte besser zu schützen.

Das Thesenpapier kann auf den Seiten des BGT nachgelesen werden: Mediendatenbank BGT .

Betreuervergütung im Koalitionsvertrag

Der gestern veröffentlichte Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode legt den Fokus auch auf eine Reform der Betreuervergütung. Dieses Thema hat in den vergangenen Monaten erhebliche Aufmerksamkeit erhalten, insbesondere nach dem Bruch der vorherigen Regierungskoalition im November 2024, der die Umsetzung der Reform gefährdete.

Trotz der politischen Turbulenzen wurde noch von der alten Bundesregierung in letzter Minute das „Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025 – KostBRÄG 2025″ verabschiedet; am 10. April 2025 ist dieses im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Wir haben über die Neuerungen berichtet.

Der Bundesverband der Berufsbetreuer*innen (BdB) begrüßte das Gesetz als dringend erforderliche Zwischenlösung, betonte jedoch die Notwendigkeit einer umfassenden Reform. Dem trägt nun der Koalitionsvertrag Rechnung. In Zeile 2806-2808 findet sich die entsprechende Passage:

Screenshot aus dem Koalitionsvertrag mit dem Text: Reform der Betreuervergütung Wir werden das Betreuungsvergütungsgeesetz zeitnah evaluieren und eine nachhaltige, leistungs- und verantwortungsgerechte Reform der Vergütungsstruktur verabschieden.

Basieren werden etwaige Verbesserungen dann auf dem Ergebnis der Überprüfung des Finanzbedarfs. Eine solche Evaluierungsklausel, die eine Überprüfung bis spätestens Ende 2027 vorsieht, wurde ja im Gesetz verankert. Dies soll sicherstellen, dass das System langfristig tragfähig ist und den Anforderungen gerecht wird.

Mit der expliziten Nennung der Betreuervergütung im aktuellen Koalitionsvertrag unterstreicht die neue Regierungskoalition die Bedeutung dieses Themas. Es bleibt abzuwarten, wie die angekündigte Reform konkret ausgestaltet wird und inwieweit sie den Forderungen der Berufsverbände nach einer nachhaltigen und gerechten Vergütungsstruktur entsprechen.

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SGB XIV: Härtefallregelung bei Bestattungskosten

In einem Rundschreiben an die für die Durchführung des SGB XIV zuständigen obersten Landesbehörden der Bundesländer hat das BMAS einer Anwendung der Härtefallregelungen zugestimmt, wenn es um die Übernahme der Überführungs- und Bestattungskosten an Personen geht, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland haben.

Kosten der Überführung und Bestattung

Nach § 99 Abs. 1 und 2 SGB XIV werden Kosten der Überführung und Bestattung ersetzt. Beim Tod eines Geschädigten im Sinne der Sozialen Entschädigung wird ein Bestattungsgeld (§ 99 SGB XIV) in Höhe von bis zu einem Siebtel der Bezugsgröße gewährt, wenn der Tod die Folge einer solchen Schädigung ist. Das sind im Jahr 2025 6.420 EUR. Kosten der Überführung sind demjenigen zu erstatten, der sie veranlasst hat, und zwar in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, soweit sie erforderlich und angemessen sind.

Regelungslücke

Nicht explizit geregelt ist jedoch der Fall, wenn die Person, welche die Überführung und Bestattung veranlasst hat, ihren gewöhnlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat. Ein möglicher Anspruch auf Kostenersatz ergibt sich auch nicht aus § 101 SGB XIV. Hier sind zwar Leistungen bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland geregelt; Kosten der Überführung oder Bestattung sind davon jedoch nicht umfasst. Dabei ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 101 SGB XIV, dass der Gesetzgeber eine separate Regelung für nicht erforderlich hielt, da Leistungen bei Überführung und Bestattung „unabhängig vom Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt an diejenige Person, die die Kosten tatsächlich getragen hat“, erbracht werden würden. Insofern liegt eine ungeplante Regelungslücke vor.

Härtefallregelung

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wurde daher gebeten, die allgemeine Zustimmung zu der Anwendung der Härtefallregelung in § 100 Abs. 3 SGB XIV zu erteilen. Mit dem oben erwähnten Rundschreiben wurde diese Zustimmung erteilt.

In Fällen, in denen eine geschädigte Person an den Schädigungsfolgen verstirbt, hat diejenige Person, die die Überführung bzw. Bestattung veranlasst hat, unabhängig von ihrem Wohnsitz einen Anspruch auf Kostenerstattung in dem in § 99 Abs. 1 und 2 SGB XIV beschriebenen Umfang.

Quellen: BMAS, SOLEX

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Erhöhung der Betreuervergütung ist fix

Am 21. März 2025 hat der Bundesrat dem „Gesetz zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern sowie zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des Justizkostenrechts (Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025 – KostBRÄG 2025)“ zugestimmt.

Zum 1. Januar 2026 wird daher die „Reform“ der Betreuervergütung in Kraft treten:

Vereinfachung des Vergütungssystems

  • Die bisherigen 60 Fallpauschalen werden auf 16 Fallpauschalen reduziert.
  • Die Vergütungstabelle A entfällt komplett.
  • Die Differenzierung nach der Wohnform wird vereinfacht, indem die gesonderte Regelung für stationären Einrichtungen und gleichgestellte ambulante Wohnformen entfällt.
  • Statt bislang fünf Zeiträumen für die Vergütung gibt es künftig nur noch zwei Zeiträume: bis zu zwölf Monate und ab dem 13. Monat.

Anpassung der Vergütungshöhe in der Berufsbetreuung

  • Die Vergütung wird im Durchschnitt um 12,7 % gegenüber dem bisherigen Niveau erhöht.
  • Die wichtigsten Pauschalen für mittellose Betreute, die in einer anderen Wohnform leben und länger als zwei Jahre betreut werden, steigen um rund 11 %.
  • Die Vergütung der beruflichen Betreuer wird danach an die Tarifanpassungen im öffentlichen Dienst gekoppelt.

Dauervergütungsfestsetzung (ab 2028)

Die Dauervergütungsfestsetzung, bislang eine Option, wird zur Regelform. Um den Ländern die Umsetzung zu ermöglichen, ist eine Übergangsfrist bis 30. Juni 2028 vorgesehen.

Die Dauervergütungsfestsetzung bezeichnet ein vereinfachtes Verfahren zur Festlegung der Vergütung für berufliche Betreuer. Dabei wird die Vergütung nicht mehr für jeden Abrechnungszeitraum einzeln beantragt und geprüft, sondern einmalig für einen längeren Zeitraum im Voraus (max. zwei Jahre) festgelegt. Der Betreuer ist verpflichtet, dem Gericht Änderungen der maßgeblichen Kriterien (z.B. Wechsel der Wohnform oder Veränderungen im Vermögensstatus des Betreuten) unverzüglich mitzuteilen.

Änderungen für ehrenamtliche Betreuer

  • Die Pauschale für ehrenamtliche Betreuer wird erhöht.
  • Die zeitanteilige Kürzung der Aufwandspauschale im Falle eines Verhinderungsbetreuers wird abgeschafft.

Entbürokratisierung der Schlussabwicklung bei Beendigung der Betreuung

Die Schlussabwicklung bei der Beendigung einer Betreuung wird vereinfacht, um bürokratische Hürden abzubauen und die Arbeit der Gerichte zu entlasten. So soll auf das Instrument der Schlussrechnungslegung weitgehend verzichtet werden. Die Verpflichtung soll lediglich in den Fällen einer fortdauernden Betreuung und der Amtsbeendigung durch Betreuerwechsel erhalten bleiben. In den übrigen Fällen soll sie durch eine Pflicht zur Einreichung einer Vermögensübersicht ersetzt werden. Auch die Pflicht zur Schlussberichterstattung soll neu geregelt werden: Sie soll auf den Fall der Beendigung des Betreueramtes durch Betreuerwechsel begrenzt werden und gleichzeitig hinsichtlich der Mitteilungspflichten konkretisiert werden.

Kritik der Berufsverbände bleibt ungehört

Zahlreiche Forderungen und Einwände von Berufsverbänden und Fachleuten blieben unberücksichtigt:

  • Die Berufsverbände forderten eine stärkere Anhebung der Vergütung, da die gestiegenen Kosten für Personal, Mobilität und Mieten insbesondere Betreuungsvereine weiterhin stark belasten. Die Erhöhung um 12,7 % decke diese Mehrkosten nicht ausreichend ab.
  • Seit der Reform des Betreuungsrechts im Jahr 2023 verzeichnen Betreuer einen höheren Zeitaufwand, z.B. durch gestiegene Dokumentationspflichten und zusätzlichen Abstimmungsbedarf mit Behörden und Angehörigen. Die Verbände forderten, diesen zusätzlichen Aufwand in der Vergütungsstruktur zu berücksichtigen, was jedoch nicht umgesetzt wurde.
  • Die geplante Fortführung des pauschalen Vergütungssystems stieß auf Kritik. Verbände argumentierten, dass Betreuungsfälle sehr unterschiedlich seien und der pauschale Ansatz individuelle Aufwände nicht ausreichend abbilde. Eine stärkere Berücksichtigung von Zeitfaktoren wurde gefordert, blieb aber ungehört.
  • Mit der Abschaffung der Vergütungstabelle A fällt eine niedrigere Vergütungsstufe weg. Während die Reform für viele Betreuerinnen und Betreuer eine Verbesserung darstellt, äußerten Verbände die Sorge, dass weniger qualifizierte Betreuer (z.B. Quereinsteiger) von dieser Regelung benachteiligt werden könnten.
  • Auch die Dauervergütungsfestsetzung als Regelform wurde von einigen Verbänden kritisch gesehen. Es wird befürchtet, dass durch diese Pauschalregelung Betreuer benachteiligt werden könnten, deren Betreuungsaufwand im Zeitverlauf erheblich schwankt.

Quelle: Bundesrat, Sitzung 21.3.2025, Drucksache 20/14259

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