Seit April 2020 hat die deutsche Bundesregierung mehr als 2.500 Schutzsuchende mit Charterflügen von Griechenland nach Deutschland gebracht. Das Programm läuft nun aus.
Gemeinsam mit 10 weiteren Organisationen – darunter Amnesty International, Deutscher Caritasverband, Diakonie, pro asyl, save the children, world vision – appelliert der Paritätische Wohlfahrtsverband an die Bundesregierung, die Aufnahme von Flüchtlingen von den griechischen Inseln fortzusetzen.
Kein warmes Wasser, keine sanitäre Versorgung, dazu die ständige Angst vor Gewalt, Übergriffen und einer möglichen Ansteckung mit dem Corona-Virus. Von einem Leben in Würde und Sicherheit sind viele Geflüchtete, die derzeit in Griechenland in überfüllten Lagern ausharren müssen, weit entfernt. Vor allem Kinder leiden unter den katastrophalen Zuständen in den Lagern auf den Inseln Lesbos oder Samos.
Die Behörden in Griechenland sind mit der Situation überfordert, das Asylsystem ist heillos überlastet. So gab es im Januar 2021 laut UNO-Flüchtlingshilfe noch fast 90.000 unbearbeitete Asylfälle, deren Bearbeitung oft mehrere Jahre dauert.
Mit dem letzten Charterflug am 31. März 2021 endete das Aufnahmeprogramm. Bisher gibt es allerdings keine Anzeichen der deutschen Bundesregierung, es fortzuführen. Die Situation vieler weiterer Schutzsuchender in Griechenland hat sich kaum verändert.
Die gemeinsamen Forderungen der Organisationen lauten:
Deutschland sollte die bestehenden Aufnahmeprozesse fortsetzen: Die deutsche Bundesregierung hat bereits verschiedene Verfahren auf Bundesebene geschaffen, um schutzbedürftige Menschen aus den griechischen Inseln aufzunehmen. Anstatt die Umsiedlung weiterer Menschen mit hohem Schutzbedarf nun zu beenden, sollten die Aufnahmeprozesse fortgesetzt werden. Dies wäre ein weiteres Zeichen der Menschlichkeit und europäischen Solidarität. Mehrere Bundesländer haben zudem zugesagt, Schutzsuchende aus den griechischen Lagern aufzunehmen.
Die enorme Aufnahmebereitschaft in Deutschland sollte gehört werden: Der Weihnachtsappell, der von mehr als 240 Bundestagsabgeordneten unterzeichnet wurde und in dem die Abgeordneten weitere Aufnahmen fordern, das ständig wachsende „Bündnis Städte Sicherer Häfen“, sowie die konkreten Aufnahmezusagen von Bundesländern sind eindrucksvolle Beispiele für das große zivilgesellschaftliche Engagement. Die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger, der Vereine, Städte und Kirchen, Bewegungen, die sich seit Jahren für weitere Aufnahmen einsetzen, müssen gehört und ihrer Aufnahmebereitschaft Rechnung getragen werden.
Deutschland sollte vorangehen und sich weiterhin für eine langfristige europäische Lösung einsetzen: Neben Deutschland beteiligen sich derzeit viele weitere EU-Mitgliedstaaten an der Aufnahme von schutzbedürftigen Menschen aus den griechischen Inseln. Diese Solidaritätsmaßnahmen müssen fortgesetzt und ausgebaut werden. Deutschland sollte auch weiterhin vorangehen und sich für geordnete, menschenwürdige Aufnahmeverfahren durch aufnahmebereite Mitgliedstaaten einsetzen. Langfristig braucht es einen europäischen Rechtsrahmen, der die Verteilung von Schutzsuchenden auf aufnahmebereite Länder regelt.
Die Situation vor Ort muss endlich verbessert werden: Das Leid auf den ägäischen Inseln muss ein Ende haben. Es ist nicht hinnehmbar, dass schutzsuchende Familien, Kranke und Kinder in der EU hinter Zäunen, in Zelten und im Schlamm leben müssen. Die beteiligten Akteure müssen aktiver werden und menschenwürdige Bedingungen in den Aufnahmelagern schaffen. Dies sollte insbesondere den Zugang zu gesundheitlichen und sozialen Diensten und zu Rechtsberatung einschließen. Mit großer Sorge sehen wir außerdem die Bestrebungen, geschlossene Zentren an der Grenze einzurichten. Diese verhindern faire Asylverfahren und verschlimmern die Situation der Perspektivlosigkeit.
Bisherige Aufnahmen
Seit April 2020 hat Deutschland über 2.500 Schutzsuchende aus Griechenland über verschiedene Verfahren aufgenommen:
Im Rahmen einer europäischen Hilfsaktion nahm Deutschland 53 unbegleitete Minderjährige und 243 kranke Kinder einschließlich ihrer Kernfamilien auf (Koalitionsbeschluss vom 8. März 2020).
Nach dem Brand auf Lesbos beteiligte sich Deutschland an einer europäischen Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen und hat 150 unbegleitete Minderjährige aufgenommen.
Neben den unbegleiteten Minderjährigen entschied Deutschland nach den Bränden im Lager Moria, zusätzlich 1.553 Personen von den griechischen Inseln aufzunehmen, deren Schutzberechtigung bereits von den zuständigen griechischen Behörden festgestellt wurde.
News from The Borders
Über die Situation in den Flüchtlingslagern berichtet immer wieder ausführlich und eindrucksvoll Erik Marquardt, Fotograf und Mitglied des Europaparlaments, in seinem Blog News from The Borders
Quellen: DPWV, Amnesty, Eric Marquardt
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