Gemeinnützigkeit von Vereinen

Der Bundesgerichtshof entschied Anfang 2019, dass das Netzwerk Attac nicht gemeinnützig sei, weil es versuche, „politische Meinungen zu beeinflussen“. Dieses Urteil hatte für viele Vereine weitreichende Folgen.

Angst vor politischer Aktivität

Neben Attac wurde seitdem mehreren Organisationen die Gemeinnützigkeit aberkannt, zum Beispiel der Kampagnenplattform Campact und dem Faktencheck-Team vom Volksverpetzer. Manche, wie z.B. die Petitionsplattform innn.it (ehem. change.org) konnten die Gemeinnützigkeit nach langwierigen Prüfungen und Verhandlungen wiedererlangen oder auf dem Klageweg zurückerhalten. Im Ergebnis hat sich aber inzwischen bis weit in vermeintlich unpolitische Sport-, Brauchtums- und Kulturvereinen die Angst festgesetzt, dass jegliche politische Aktivität z.B. in Form einer Unterschrift unter einen Appell gegen Rassismus oder Rechtsextremismus die Gemeinnützigkeit der Vereine bedrohe.

Anzeigen und Denunziationen

Auf der anderen Seite sind die AfD und andere rechtsextremistische Gruppen
dazu übergegangen, politische Aktivitäten von nicht-rechtsextremen Vereinen bei
lokalen Finanzämtern zu denunzieren und anzuzeigen, um die Vereine in der
Mitte der Gesellschaft zu zerschlagen und einzuschüchtern.

Antrag für eine Reform

In einem Antrag der Gruppe Die Linke im Bundestag vom 30.9.2024 wird der Bundestag daher aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Reform der Gemeinnützigkeit vorzulegen. Darin solle der Katalog der steuerbegünstigten Zwecke deutlich präzisiert und ergänzt werden:

Nötige Ergänzungen

Mit Hinweis auf die Werte des Grundgesetzes müssen Zwecke wie die „Förderung der demokratischen Teilhabe und der Wahrung und Verwirklichung der nationalen und internationalen Grund- und Menschenrechte“, die „Förderung des Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts “, die „Förderung der Durchsetzung des Sozialstaatsgebots und der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen“, die „Förderung des Klimaschutzes“, die „Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus sowie von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und sexueller Orientierung, eines Merkmals der Behinderung und des sozialen Status sowie von jeglicher gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, die „Förderung der informationellen Selbstbestimmung“ und die „Förderung gemeinnützigen Journalismus“ in den Katalog aufgenommen werden. Gleichzeitig müssen diesen Zwecken entgegengerichtete, z.B. demokratiefeindliche oder gruppenbezogen menschenfeindliche Aktivitäten eines Vereins den Ausschluss von jeglicher Steuerbegünstigung zur Folge haben.

Demokratieklausel gefordert

Eine unmissverständliche Demokratieklausel soll es einem gemeinnützigen Verein nicht nur erlauben, außerhalb seiner Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung zu nehmen, sondern auch den Einsatz für Demokratie und Menschenrechte ausdrücklich als Ausdruck gemeinnützigen Handeln anerkennen.

Demokratieklausel im Steuerfortentwicklungsgesetz

In der Anhörung des Finanzausschusses zum Steuerfortentwicklungsgesetz wurde am 7.10.2024 auch über die Änderung des § 58 der Abgabenordnung gesprochen. Dort soll ein neuer Punkt 11 eingeführt werden, nach dem eine Steuervergünstigung nicht mehr ausgeschlossen ist, wenn „eine Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt.“

Der von den Linken berufene Sachverständige wertete das als einen Fortschritt. Er lobte die „Demokratieklausel“, derzufolge sich gemeinnützige Organisationen künftig im Einzelfall politisch äußern dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu verlieren. Auch Vereine seien Grundrechtsträger. Demokratiefördernde Organisationen sollten gestärkt werden. Denkbar seien auch „neue Zwecke der Förderung“, beispielsweise Rechtsstaatlichkeit.

Quellen: Tagesschau, Bundestag

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Vereinsversammlungen online

Im letzten Herbst brachte der Bundesrat einen Gesetzentwurf auf Initiative Bayerns ins Rollen, der zukünftig „hybride“ Mitgliederversammlungen möglich macht.

Das Gesetz sollte an die pandemiebedingten Sonderregelungen anknüpfen, die zum 31.8.2022 endeten. Das hat nicht ganz geklappt. Stattdessen legte der Rechtsausschuss am 8. Februar 2023 eine Beschlussfassung dem Bundestag vor, dem sowohl die Koalitionsparteien als auch die CDU/CSU zustimmten.

Mitgliedsrechte auch virtuell

Danach soll die Teilnahme und Ausübung von Mitgliedsrechten sowohl in Präsenz als auch virtuell möglich sein. Zudem sollen durch Beschluss der Mitglieder auch rein virtuelle Versammlungen einberufen werden können.

Änderungen durch den Rechtsausschuss

Gegenüber dem Entwurf der Länderkammer sieht die nun verabschiedete Fassung unter anderem vor, dass die Teilnahme im Wege der elektronischen Kommunikation möglich sein soll und nicht nur in Form von Videokonferenztechnik. Dies ermöglicht laut Begründung auch die Teilnahme per Chat, Telefonkonferenzen oder Abstimmungen per E-Mail. Zudem bezieht sich die Regelung nicht wie im Entwurf der Länderkammer auf den Vereinsvorstand, sondern ist laut Begründung so ausgestaltet, dass sie auch für andere mögliche Einberufungsorgane gilt.

keine Satzungsänderung nötig

Für die Einberufung rein virtueller Mitgliederversammlungen durch das Einberufungsorgan soll, sofern es keine entsprechende Satzungsregelung gibt, ein Beschluss der Mitglieder notwendig sein. Der Beschluss soll laut Begründung nur für künftige Versammlungen gelten und kann für einzelne oder alle künftigen Veranstaltungen gelten. Zudem muss laut Entwurf bei der Einberufung einer hybriden oder virtuellen Versammlung angegeben werden, „wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“.

Gilt auch für Stiftungen

Wie in der Begründung ausgeführt wird, greifen die neuen Regelungen über Verweisungen in Paragraf 28 BGB beziehungsweise Paragraf 86 Satz 1 BGB auch für Sitzungen von mehrköpfigen Vereins- und Stiftungsvorständen. Zudem sind die Regelungen dispositiv, das heißt, Vereine können in ihren Satzungen davon abweichen und beispielsweise hybride oder rein virtuelle Mitgliederversammlungen ausschließen.

Keine Mehrheit fand ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zum Gesetzentwurf des Bundesrates. Nach diesem wäre die Einberufung rein virtueller Versammlungen auch ohne vorherigen Beschluss der Mitglieder möglich gewesen.

Der Gesetzentwurf wurde vom Bundestag am Donnerstag, 9. Februar 2023, nach einstündiger Debatte beschlossen. 

Quelle: Bundestag

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Digitale Mitgliederversammlungen

Derzeit haben Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht grundsätzlich als Präsenzveranstaltungen stattzufinden. Die Abhaltung von virtuellen Mitgliederversammlungen ist nur dann möglich, wenn die Satzung des Vereins dies ausdrücklich vorsieht oder alle Mitglieder ausdrücklich zustimmen.

Pandemiebedingte Sonderregelung…

Die pandemiebedingte Sonderregelung des § 5 Absatz 2 Nummer 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs-, und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-
Pandemie (COVMG) ermöglicht es den Vereinen, auch ohne entsprechende Satzungsregelung Mitgliederversammlungen im Wege der elektronischen Kommunikation durchzuführen. Diese Regelung ist noch bis 31. August 2022 in Kraft.

…soll dauerhaft gelten

Der Freistaat Bayern hat einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem diese Regelung dauerhaft übernommen werden soll. Der Bundesrat behandelt den Entwurf in seiner Sitzung Ende dieser Woche, am 20. Mai 2022.

Die Covid-Sonderregelung soll in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert werden, um die dauerhafte Anwendung der Norm sicherzustellen. § 32 BGB soll daher um einen entsprechenden Absatz 1a ergänzt werden.

Alle Mitglieder müssen zustimmen

Den Vereinsmitgliedern soll es nach der Neuregelung freigestellt sein, an der Versammlung vor Ort oder im Wege der digitalen bzw. elektronischen Kommunikation teilzunehmen. Der neue § 32 Abs. 1a BGB soll es dem Vorstand allerdings nicht ermöglichen, Mitgliederversammlungen vollständig im Wege der
elektronischen Kommunikation durchzuführen, sofern sich hiermit nicht alle Mitglieder ausdrücklich einverstanden erklären.

Förderung des Ehrenamts

Bayern begründet seinen Gesetzentwurfmit der voranschreitenden Digitalisierung. Die Regelung führe außerdem zu einer Stärkung der Mitgliedschaftsrechte und einer Förderung des ehrenamtlichen Engagements.

Darüber hinaus sei zu erwarten, dass die Vereine künftig vermehrt von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, ihre Mitgliederversammlungen digital abzuhalten. Dadurch würden die Rechte der Vereinsmitglieder gestärkt, weil ihnen die Art der Teilnahme an der Versammlung freistehe. So könnten sich die Vereinsmitglieder, die nicht über die erforderlichen Kommunikationsmedien verfügten oder technisch nicht versiert genug sind, am Versammlungsort zusammenfinden, während auch Vereinsmitglieder an der Versammlung teilnähmen und dort ihre Mitgliedschaftsrechte ausüben könnten, denen ein Erscheinen am Versammlungsort nicht möglich sei (z.B. wegen einer langen Anreise, aus terminlichen oder gesundheitlichen Gründen).

Keine Satzungsänderung nötig

Die Vereine bräuchten dafür nicht ihre Satzung zu ändern, was immer ein bürokratischer und finanzieller Aufwand ist.

Die vereinfachte Möglichkeit, an einer Mitglieder- bzw. Vorstandsversammlung teilzunehmen bzw. diese zu organisieren, werde letztlich dazu führen, dass mehr Bürgerinnen und Bürger Vereinen beitreten und sich dort aktiv betätigen. Dadurch werde das Vereinswesen in Deutschland gefördert und das ehrenamtliche Engagement gestärkt.

Diese Ausführungen gelten für Stiftungen bzw. ihre Organe und ihre gesellschaftliche bedeutsame Funktion im Gemeinnützigkeitswesen entsprechend.

In Kraft treten soll te das Gesetz im Anschluss an das Auslaufen der Corona-Sonderregelung, also zum 1. September 2022.

Quelle: Bundesrat

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