Pflegekompetenzgesetz

Gesundheitsminister Lauterbach hat am 19.12.2023 Eckpunkte für ein Pflegekompetenzgesetz veröffentlicht. Ziel ist es, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Ein Weg dazu sei, die vorhandenen Potentiale bei den Pflegekräften besser zu nutzen und ihre Kompetenzen auszuweiten.

Eckpunkte

In den Eckpunkten wird festgestellt, dass Pflegekräfte aufgrund ihrer beruflichen
oder hochschulischen Ausbildung sehr gut qualifiziert seien. Sie verfügten häufig über eine oder mehrere teils umfassende Weiterbildungen und große Patientennähe. Sie könnten häufig mehr Aufgaben ausführen als sie rechtlich derzeit eigenständig dürfen.

  • Pflegekräfte können nach diesen Vorstellungen in Zukunft bspw. eigenständig in der Wundversorgung und Ernährungsberatung agieren sowie Katheter legen.
  • Fachkräfte mit Zusatzausbildung sollen bei der Therapie von Demenzpatienten mitwirken,
  • Fachkräfte mit akademischem Abschluss könnten selbst Hilfsmittel und Medikamente verschreiben,
  • sie könnten Gesundheitspraxen oder kleine Krankenhäuser leiten.

Selbständiger entscheiden

Pflegefachkräfte sollen unabhängig von Ärzt*innen selbstständiger entscheiden und therapieren dürfen. Dazu gehört z.B. auch die eigenständige Entscheidung über bestimmte Verbandsstoffe und Salben.

Geprüft werden soll den Eckpunkten zufolge, ob Pflegekräfte in Zukunft auch die Einstufung der Pflegebedürftigkeit übernehmen können.

Strukturell soll die zentrale berufsständische Vertretung des Pflegeberufs gestärkt werden. Diese soll mit Befugnissen zur Weiterentwicklung des Berufsverständnisses und der Berufsrollen ausgestattet werden – vorrangig in Fragen des Beruferechts, der Bildung und in fachlichen Versorgungsfragen, wie z.B. Leitlinien.  

Sicherstellung der Versorgung

Dabei geht es nicht darum, so Lauterbach, Befugnisse anderer Berufsgruppen im Gesundheitswesen zu beschneiden, sondern den Pool der fachkompetenten Personen in der Versorgung zu erweitern, insbesondere zur Sicherstellung der Versorgung in Zeiten des demografischen Wandels.

Quellen: BMG, Paritätischer Gesamtverband

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Gesundheitskioske

Ein weiterer Punkt des Koalitionsvertrags soll nun umgesetzt werden. In besonders benachteiligten Kommunen und Stadtteilen sollen niedrigschwellige Beratungsangebote für Behandlung und Prävention eingerichtet werden,  um der sozial bedingten Ungleichheit von Gesundheitschancen entgegenzuwirken und die medizinische Unterversorgung in sozial benachteiligten Regionen auszugleichen.

Gesundheitsminister Lauterbach präsentierte Mitte August die Eckpunkte für ein dementsprechendes Gesetz. Die neuen Angebote firmieren unter dem Namen „Gesundheitskioske“.

Danach sollen langfristig 1.000 Gesundheitskioske bundesweit aufgebaut werden. Initiiert werden sollen die Anlaufstellen von den Kommunen, finanziert mehrheitlich von den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen, die Kommunen beteiligen sich. Hauptaufgabe der Kioske ist es, den Zugang zur Versorgung der Patientinnen und Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf zu verbessern und die Versorgung zu koordinieren.

Eckpunkte

Folgende Eckpunkte sind Grundlage für die Gesetzesinitiative:

  • Gesundheitskioske bieten insbesondere in sozial benachteiligten Regionen und Stadteilen niedrigschwellige Beratung an.
  • Die Krankenkassen fördern zusammen mit den Kommunen mit Hilfe der Gesundheitskioske insbesondere die Gesundheitskompetenz von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf und bieten diesen im Bedarfsfall individuelle Beratung zur Unterstützung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils. Ferner bieten die Krankenkassen und das „GKV-Bündnis für Gesundheit“ in den Gesundheitskiosken Informationen für Kommunen und andere interessierte Stellen über Projekte zur Gesundheitsförderung in den Lebenswelten der Menschen.  

Weitere Aufgaben

  • Die Vermittlung von Leistungen der medizinischen Behandlung, Prävention und Gesundheitsförderung und Anleitung zu deren Inanspruchnahme;
  • allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur medizinischen und sozialen Bedarfsermittlung;
  • die Koordinierung der erforderlichen Gesundheitsleistungen und Anleitung zu deren Inanspruchnahme;
  • die Unterstützung bei der Klärung gesundheitlicher und sozialer Angelegenheiten;
  • die Bildung eines sektorenübergreifenden Netzwerkes; 
  • Durchführung einfacher medizinische Routineaufgaben wie z.B. Blutdruck und Blutzucker messen, Verbandswechsel, Wundversorgung und subkutane Injektionen – veranlasst von Ärztinnen und Ärzten;
  • perspektivisch: Erweiterung um ergänzende Beiträge zur Sicherstellung der Primärversorgung

Leitung/Personal des Gesundheitskiosks:

Die Leitung sollen examinierte Pflegefachkräfte ausüben, perspektivisch Pflegefachkräfte (Gesundheits- und Kinder-)Krankenpfleger/in, Altenpfleger/in, Pflegefachfrau/Pflegefachmann) mit Heilkundekompetenz (im Sinne von community health nursing – CHN), 

Kooperation

Es ist eine enge Kooperation mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst sicherzustellen (z.B. Mitwirkung bei Prävention und Gesundheitsförderung, Durchführung von Impfungen in den Räumen des Kioskes).

Aufgaben der Kommunen

Das Initiativrecht zur Errichtung eines Kioskes liegt bei den Kommunen, d.h. die Kommunen entscheiden eigenständig über die Errichtung eines Gesundheitskiosks und können von den Krankenkassen den Abschluss eines schiedsamtsfähigen Vertrages über die Einzelheiten verlangen. Ziel ist es, pro 80.000 Einwohner einen Kiosk zu errichten, also bundesweit insgesamt 1.000 Kioske.

Sofern eine Kommune das Initiativrecht ausübt, sind die Landesverbände der Krankenkassen verpflichtet, gemeinsam (also wettbewerbsneutral) in Zusammenwirken mit den Kommunen/ÖGD Kioske zu errichten. Ausdrücklich können solche Angebote auch mobil (z.B. mit Hilfe von Bussen) erfolgen. 

Da die Kioske auch Aufgaben der Daseinsvorsorge vornehmen, besteht die Verpflichtung der Kassen zur Beteiligung an einem Kiosk nur, wenn sich auch die Kommunen insbesondere finanziell an den Kiosken beteiligen.

Kostenaufteilung

Die Finanzierung wird zwischen den Kommunen auf der einen und gesetzlicher und privater Krankenversicherung auf der anderen Seite aufgeteilt. Die gesetzliche Krankenversicherung wird 74,5 % der Gesamtkosten, die private Krankenversicherung 5,5 % und die Kommunen 20 % der Gesamtkosten tragen.

Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Förderung gesundheitsförderlicher Strukturen unterstützen die Krankenkassen über die Initiative „GKV-Bündnis für Gesundheit“ den Aufbau der Gesundheitskioske in den Kommunen.

Die privaten Krankenversicherungsunternehmen sind verpflichtet, sich an den Kiosken zu beteiligen, da auch Privatversicherte das Angebot in Anspruch nehmen können.

Andere Sozialleistungsträger

Andere Sozialleistungsträger (z.B. Rentenversicherung) können sich zusätzlich finanziell beteiligen.

Auf die bestehenden Beratungsstrukturen der Pflegeversicherung, insbesondere die Pflegestützpunkte, soll bei Bedarf hingewiesen und ggf. dorthin vermittelt/begleitet werden. Auch die Vernetzung mit anderen Beratungs- oder Servicestellen (z.B. den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen) ist möglich. Kommunale Strukturen sind einzubeziehen, vorhandene Ressourcen und Synergien sollen sinnvoll genutzt werden (Jugendämter, Familienzentren, Integrationszentren, Ämter für Familie und Jugend, Ämter für Soziale Dienste, Koordinierungsstellen „gesundheitliche Chancengleichheit“, Stadtteil-/Quartiersmanagementbüros, Netzwerk Frühe Hilfen etc.)

Quelle: BMG

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Selbstbestimmungsgesetz – Eckpunkte

Noch vor gut einem Jahr wurden Gesetzentwürfe zur Abschaffung des Transsexuellengesetzes und zur Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes von der damaligen Koalition und der AFD abgelehnt. Damit blieb das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz, von dem weite Teile durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nicht anwendbar erklärt wurden, noch ein weiteres Jahr in Kraft.

Die Ampel-Koalition will dies nun ändern. Schon im Koalitionsvertrag wurde die Einführung eines Selbstbestimmungsgestzes Beschlossen. Nun legten Familienministerin Paus und Justizminister Buschmann die Eckpunkte dazu vor.

Derzeitige Regelung

Nach der derzeitigen Regelung bedarf müssen transgeschlechtliche und nicht-binäre Personen ein Gerichtsverfahren durchmachen, in dem zwei Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Diese Gerichtsverfahren sind oft langwierig und kostenintensiv und werden vielfach als entwürdigend empfunden.

Anders ist die Regelung für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (umgangssprachlich „intersexuelle“ bzw. „intergeschlechtliche“ Menschen), sie können den Geschlechtseintrag und die Vornamen mit einer Erklärung beim Standesamt ändern. Dazu müssen sie ein ärztliches Attest vorlegen oder eine Versicherung an Eides statt abgeben.

Geplante Regelung

Künftig soll es eine einheitliche Regelung für alle transgeschlechtlichen sowie nicht-binären und intergeschlechtlichen Menschen geben, die ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen ändern wollen. Weder die Vorlage eines ärztlichen Attests noch eine Begutachtung sind nötig. Wenn eine Person neben der Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen auch körperliche Veränderungen anstrebt, sind hingegen wie bisher medizinische Regelungen und Leitlinien einschlägig. Der Anwendungsbereich des neuen Selbstbestimmungsgesetzes umfasst keine Vorfestlegung hinsichtlich medizinischer Maßnahmen, da die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen hiervon unabhängig ist.

Wesentliche Änderungen

  • Das Transsexuellengesetz wird abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt. Statt in einem mitunter langwierigen und kostenintensiven Gerichtsverfahren können der Geschlechtseintrag und die Vornamen künftig in einem einfachen Verfahren vor dem Standesamt geändert werden.
  • Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen wird für transgeschlechtliche sowie nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen einheitlich geregelt, also nicht mehr wie bisher in zwei verschiedenen Gesetzen mit unterschiedlichen Voraussetzungen.
  • Der Regelungsbereich des neuen Selbstbestimmungsgesetzes umfasst keine Vorfestlegung hinsichtlich etwaiger körperlicher (somatischer) geschlechtsangleichender Maßnahmen.
  • Volljährige Personen können im Sinne einer echten Selbstbestimmung die Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihrer Vornamen durch Erklärung mit Eigenversicherung veranlassen.
  • Für Minderjährige bis 14 Jahre oder bei Geschäftsunfähigkeit des Minderjährigen geben die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt ab.
  • Ab 14 Jahren geben die Minderjährigen die Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten ab. Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, kann das Familiengericht in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl – wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht – die Entscheidung der Eltern auf Antrag des Minderjährigen ersetzen.

Weitere Eckpunkte sind auf der Homepage des Familienministeriums zu finden. Zu den einzelnen Begrifflichkeiten und deren Bedutung hat die Gewerkschaft Erziehung un Wissenschaft eine Broschüre herausgegeben.

Kritik

Kritik an dem Gesetz kommt natürlich vor allem aus konservativen Kreisen bis hin zur AFD, mit dem Hauptargument, dass die traditionelle „Familie“ abgeschafft werden solle. Aber auch Teile der Frauenbewegung fürchtet, dass sich jetzt überall Männer in Frei- und Schutzräume für Frauen einschleichen könnten, wenn sie erklärten, sie seien eine Frau. Sie sprechen trans Frauen grundsätzlich das Frau-Sein ab aufgrund eines biologischen Weltbildes. Dabei hatte schon das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Geschlechtsidentität nicht unbedingt von den biologischen Gegebenheiten abhängt.

Für Spannung bei den anstehenden Debatten zum Selbstbestimmungsgesetz ist also gesorgt. Gängige Vorurteile könnten im Vorfeld schon einmal hier entkräftet werden.

Quellen: BMFSFJ, FOKUS-Sozialrecht, GEW, Verfassungsblog, Bundesverband Trans*

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Einschränkung der Flexibilität von Verhinderungspflege

Das Bundesgesundheitsministerium hat Anfang November 2020 ein Eckpunktepapier zur Pflegereform 2021 vorgestellt. Darüber berichteten wir am 17. November.

Vor allem ein Absatz aus diesem Eckpunktepapier sorgt für Aufregung und wird in einem in einem Brief der Fachverbände für Menschen mit Behinderung an Jens Spahn scharf kritisiert.

Worum geht es?

Unter Punkt II der BMG-Eckpunkte steht im dritten Absatz:
Verhinderungspflege zielgenau ausgestalten: Zudem soll ein Teil der Leistung der Verhinderungspflege für die Ersatzpflege während einer längeren Verhinderung der Pflegeperson vorbehalten bleiben. Für die stundenweise Inanspruchnahme stehen deshalb ab dem 1. Juli 2022 maximal 40 Prozent des Gesamtjahresbetrags zur Verfügung.

Damit soll die der größte Teil der Verhinderungspflege künftig einer längeren Verhinderung der Pflegeperson vorbehalten bleiben. Nur noch weniger als die Hälfte steht dann für kurzzeitige oder stundenweise Inanspruchnahme der Verhinderungspflege.

Jetztige Regelung

Ist eine vom Pflegebedürftigen selbst beschaffte Pflegeperson verhindert, die Pflege durchzuführen, und hat diese Pflegekraft den Pflegebedürftigen, der zum Zeitpunkt der Verhinderung mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft sein muss, 6 Monate vorher in seiner häuslichen Umgebung gepflegt, so übernimmt die Pflegekasse für 6 Wochen (= 42 Kalendertage) die nachgewiesenen Kosten für eine Ersatzpflegekraft (vgl. § 39 Abs. 1 SGB XI, sog. Verhinderungspflege oder auch Ersatzpflege). Hier ist unabhängig von der Pflegestufe eine Obergrenze der jährlichen Aufwendungen für die Ersatzkraft in Höhe von 1.612 EUR vorgesehen.

Kombinieren von Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege

Macht der pflegende Angehörige bzw. die private Pflegeperson Urlaub oder ist sie anderweitig (z.B. durch Krankheit) vorübergehend verhindert, die Pflege durchzuführen, übernimmt die Pflegeversicherung die Kosten für eine Ersatzpflege. Seit 01.01.2016 ist eine Ersatzpflege bis zu 6 Wochen pro Jahr möglich. Außerdem kann bis zu 50% des Leistungsbetrags für Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI (das sind bis zu 806 EUR) zusätzlich für Verhinderungspflege verwendet werden. Dies kommt insbesondere den Anspruchsberechtigten zugute, die eine längere Ersatzpflege benötigen und für die es keine Betreuung in einer geeigneten vollstationären Kurzzeitpflegeeinrichtung gibt. Die Leistungen für die Verhinderungspflege lassen sich somit auf maximal 2.418 EUR ausdehnen. Der für die Verhinderungspflege in Anspruch genommene Erhöhungsbetrag wird dann auf den Leistungsbetrag für eine Kurzzeitpflege angerechnet. Diese Möglichkeit besteht folglich nur, wenn für diesen Betrag noch keine Kurzzeitpflege in Anspruch genommen wurde. Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege können also miteinander kombiniert werden, da eine ähnliche Wahlmöglichkeit auch bei der Kurzzeitpflege eingeräumt wird.

Flexibel einsetzbar

Anders als die Kurzzeitpflege, die nur in bestimmten stationären Einrichtungen in Anspruch genommen werden darf, ist die Verhinderungspflege sehr flexibel einsetzbar. So kann sie beispielsweise durch nicht erwerbsmäßig pflegende Personen, wie Angehörige oder Nachbarn oder Familienunterstützende Dienste, erbracht werden. Sie kann mehrere Wochen am Stück, aber auch tage- oder stundenweise in Anspruch genommen werden. Aufgrund ihrer flexiblen Einsatzmöglichkeiten ist die Verhinderungspflege die wichtigste Entlastungsleistung in der Pflegeversicherung für Familien mit behinderten Kindern.

Einschränkung der Flexibilität

Würde die Möglichkeit zur stundenweise Inanspruchnahme der Verhinderungspflege auf 40 Prozent begrenzt, bedeute dies eine drastische Einschränkung der Flexibilität, so die Fachverbände.

Gerade die Möglichkeit, Verhinderungspflege stundenweise in Anspruch zu nehmen, sei für Familien mit behinderten Kindern von besonderer Bedeutung, da hierdurch kurzfristige Auszeiten von der Pflege im nicht immer planbaren Pflege- und Familienalltag realisiert werden könnten. Für viele Familien sei die stundenweise Inanspruchnahme auch die einzige Möglichkeit, Verhinderungspflege geltend zu machen, da insbesondere für Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf nicht genügend geeignete Ersatzpflegeangebote für längere Zeiträume zur Verfügung stünden.

Entlastungsbudget?

Im Konzeptpapier zum Entlastungsbudget 2.0 des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus wurde vorgschlagen, nahezu alle Leistungen bei häuslicher Pflege in zwei flexibel abrufbaren Budgets, dem Pflege- und Entlastungsbudget, zusammenzufassen. Im Eckpunktepapier des BMG ist davon als „Entlastungsbudget“ nur noch die Zusammenlegung von Kurzzeit- und Verhinderungspflege mit einem Jahresbudget von 3.300 Euro geblieben, das von pflegebedürftigen Klienten und deren Angehörigen flexibel eingesetzt werden könne. Was dabei „flexibel“ bedeutet, wird nicht weiter erklärt.
Schon heute können bis zu 3.224 € pro Kalenderjahr eingesetzt werden (1.612 € nach § 42 SGB XI und 1.612 € aus unverbrauchten Mitteln für Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI). Bei der Verhinderungspflege sind bisher 806 € weniger möglich, also 2.418 Euro, da hier nur bis zu 50 % der unverbrauchten Mittel für Kurzzeitpflege zusätzlich verwendet werden können.

Das Eckpunktepapier erschafft also ein Entlastungsbudget, in dem Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege zusammengefasst werden. Aber offensichtlich nicht so richtig, denn im nächsten Punkt des Papiers existiert die Verhinderungspflege wieder, von der nur die von den Verbänden kritisierten 40 Prozent tage- oder stundenweise in Anspruch genommen werden.

Es scheint also noch eine Menge Diskussionsstoff zu geben. Gespannt kann man auf den ersten Referentenentwurf sein.

Nicht verbrauchte Beträge aus 2020

Aufgrund der Corona-Pandemie sind im laufenden Jahr 2020 viele Ersatzpflegeangebote aus Gründen des Infektionsschutzes und wegen angeordneter Kontaktbeschränkungen entfallen. Zahlreiche Familien konnten deshalb ihren diesjährigen Betrag für Verhinderungspflege in Höhe von bis zu 2.418 Euro nicht oder nicht vollständig nutzen. Mangels Übertragbarkeit würden die nicht in Anspruch genommenen Beträge Ende des Jahres verfallen.

Die Fachverbände fordern in ihrem Schreiben den Minister auf, sicherzustellen, dass nicht verbrauchte Beträge der Verhinderungspflege aus dem Jahr 2020 auf das Jahr 2021 übertragen werden können.

Quellen: Lebenshilfe, BMG, SOLEX

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