Wahlalter im Petitionsausschuss

Eine Petition, die sich gegen eine Absenkung des aktiven Wahlalters für Bundestagswahlen auf 16 Jahre ausspricht, fand bei der Sitzung am Mittwoch keine Mehrheit. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der Gruppe Die Linke wurde eine Beschlussempfehlung an den Bundestag verabschiedet, die vorsieht, das entsprechende Petitionsverfahren abzuschließen. Die Fraktionen von CDU/CSU und AfD hatten hingegen für eine Überweisung der Petition an die Bundesregierung mit dem höchstmöglichen Votum „zur Berücksichtigung“ votiert.

verantwortliche Wahlentscheidung

In der aus dem Januar 2023 stammenden öffentlichen Petition (ID 144196) heißt es, mit Blick auf die Ereignisse in Berlin-Neukölln an Silvester 2022 könne nicht angenommen werden, dass Wählerinnen und Wähler mit 16 Jahren schon genügend Umsicht und gesellschaftliche Kenntnisse entwickelt hätten, um eine verantwortliche Wahlentscheidung treffen zu können. Die Gefahr der Verbreitung durch sich explizit auf diese Wähler einstellende neue Parteien mit demokratiezersetzenden Narrativen sei zudem zu groß, schreibt der Petent.

positive Erfahrungen bei Kommunalwahlen

In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung verweist der Petitionsausschuss unter anderem darauf, dass das aktive Wahlalter für Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) bereits auf 16 Jahre gesenkt worden sei. Hintergrund der entsprechenden Entscheidung des Bundestages im Jahr 2022 sei gewesen, „dass das frühere aktive Wahlalter von 18 Jahren Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen hat, die an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen“. Zudem habe sich der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung für eine Absenkung des Wahlalters für die Wahlen zum EP auf die positiven Erfahrungen mit einer entsprechenden Absenkung bei Landtags- und Kommunalwahlen in mehreren Ländern gestützt.

Im Koalitionsvertrag vorgesehen

Für die im Koalitionsvertrag vorgesehene Absenkung des aktiven Wahlalters für Bundestagswahlen auf 16 Jahre sprechen aus Sicht der Ausschussmehrheit im Wesentlichen dieselben Gesichtspunkte wie für die bereits vollzogene Absenkung des Wahlalters auf europäischer Ebene. Auch auf nationaler Ebene sollten 16-jährige nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen werden, wenn sie an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen. Zudem gelte auch hier, dass gerade die junge Generation durch aktuelle politische Entscheidungen, insbesondere auf den Feldern des Klimaschutzes, der sozialen Sicherungssysteme, der öffentlichen Investitionen und der Regulierung des Internets, in besonderer Weise betroffen sein werde.

Empfehlung der Kommission

Der Ausschuss hebt außerdem hervor, dass auch die Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit in ihrem Abschlussbericht vom 12. Mai 2023 (20/6400) dem Bundestag mehrheitlich empfohlen habe, das aktive Wahlalter bei Bundestagswahlen von 18 auf 16 Jahre abzusenken.

mit 16 genügend Umsicht

Was den Einwand des Petenten angeht, es könne nicht angenommen werden, dass Wählerinnen und Wähler mit 16 Jahren schon genügend Umsicht und gesellschaftliche Kenntnisse entwickelt hätten, und die Gefahren der Beeinflussung durch demokratiezersetzende Narrative zu groß seien, so widersprächen dem sowohl empirische Befunde als auch rechtliche Wertungen, heißt es in der Vorlage. Die kognitive Entwicklungsforschung zeige, dass in der Altersspanne zwischen 12 und 14 Jahren bei fast allen Jugendlichen ein intellektueller Entwicklungsschub stattfinde, der sie dazu befähige, abstrakt, hypothetisch und logisch zu denken. Parallel hierzu steige in dieser Altersspanne auch die Fähigkeit an, sozial, ethisch und politisch zu denken und entsprechende Urteile abzugeben. „Wenn dies für 14-Jährige gilt, dann muss es für 16-Jährige erst recht gelten“, urteilt der Petitionsausschuss.

Quelle: Bundestag

Abbildung: pixabay.com bundestagswahl.jpg

Auftrag an die neue Regierung: Kindergrundsicherung

Ein breites Bündnis von 22 zivilgesellschaftlichen Organisationen, Verbänden und Gewerkschaften, darunter DGB, Diakonie, Der Paritätische, AWO, Kinderschutzbund, Kinderhilfswerk und VDK, haben in einer gemeinsamen Erklärung zur Bundestagswahl die Parteien aufgefordert, der Bekämpfung von Kinderarmut in der nächsten Wahlperiode höchste Priorität einzuräumen und eine Kindergrundsicherung einzuführen.

Drei Millionen

Zur Zeit leben fast 3 Millionen Kinder und Jugendliche von staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung, davon 1,6 Millionen, obwohl ihre Eltern erwerbstätig sind. Sie sind auf Leistungen nach SGB II und SGB XII angewiesen, auf Kindergrundsicherung, Wohngeld oder Asylbewerberleistungen unter 18 Jahre.

Auswirkungen auf Zukunftschancen

Das Fatale an der Kinderarmut ist, dass sie nicht nur Auswirkungen auf die gegenwärtige Lage der Kinder hat, sondern ihnen auch in hohem Maße die Zukunftschancen verbaut.

Bürokratische Hindernisse

Viele familienbezogene Leistungen erreichen ihr Ziel nicht. Sie sind aufgrund bürokratischer Hürden nicht einfach zugänglich und vielfach nicht ausreichend aufeinander abgestimmt. Deshalb werden viel zu viele Kinder und ihre Familien nicht erreicht, beispielsweise hat der Kinderzuschlag eine sehr hohe Nichtinanspruchnahme und bei Leistungen von sogenannten „Aufstocker*innen“ spricht die Bundesregierung selbst von einer Dunkelziffer von bis zu 50 Prozent.

Kindergeld – einfach, aber ungerecht

Relativ leicht zu bekommen ist einzig das Kindergeld. Hier profitieren allerdings Familien mit hohen Einkommen durch den Kinderfreibetrag deutlich stärker als Familien, die nur das Kindergeld erhalten – dieser Vorteil kann sich bis zum 18. Geburtstag eines Kindes auf bis zu 20.000 Euro summieren.

Umfassende Reform

Die unterzeichnenden Organisationen fordern deshalb eine umfassende Reform zur Bekämpfung von Kinderarmut. Die Kindergrundsicherung gehört in den nächsten
Koalitionsvertrag und muss als prioritäres Vorhaben in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden.

Anforderungen an eine Kindergrundsicherung

Die Kindergrundsicherung muss so ausgestaltet sein,

  • dass sie eine eigenständige Leistung für jedes Kind ist.
  • Sie soll bestehende kinderbezogene Leistungen bündeln und Kindergeld, den steuerlichen Kinderfreibetrag, den Kinderzuschlag, die Hartz-IV-Leistungen für Kinder und Jugendliche und die pauschalen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets ersetzen.
  • Die Basis für eine Kindergrundsicherung muss ein neu berechnetes kindliches
    Existenzminimum sein, dazu gehören die notwendigen Ausgaben für den Lebensunterhalt genauso wie für Bildung und soziale Teilhabe. Notwendig ist eine
    Leistungshöhe, die deutlich über den Hartz-IV-Sätzen für Kinder und Jugendliche liegt.
  • Sie muss sozial gerecht ausgestaltet sein und Kinder in allen Familienformen gleichermaßen erreichen. Die am stärksten von Armut betroffenen Familien müssen deutlich bessergestellt werden, mit steigendem Einkommen sinkt die Leistung langsam ab. Die Anrechnung von Einkommen muss so gestaltet werden, dass die Aufnahme oder die Ausweitung einer Erwerbstätigkeit ausreichend wertgeschätzt und honoriert wird. Schnittstellen zu anderen Leistungen, wie Unterhalt und Unterhaltsvorschuss müssen gut aufeinander abgestimmt sein.
  • Sie muss einfach, unbürokratisch und möglichst automatisch ausgezahlt werden, damit sie auch tatsächlich bei allen Kindern ankommt. Familien brauchen eine einzige Anlaufstelle vor Ort.

Soziale Infrastruktur

Flankierend zur Einführung einer Kindergrundsicherung muss eine bedarfsgerechte soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche und ihre Familien aufgebaut werden.

Vorschläge gibt es schon

Die Neuberechnung des kindliches Existenzminimum ist dabei ein zentrales Element. Hier gibt es schon einige Vorschläge, beispielsweise vom DGB oder von den Grünen, die als Grundlage eines gesellschaftlichen Diskurses dienen können.

Quelle: Der Paritätische

Abbildung: Privat: Thomas Knoche