Grüne Kindergrundsicherung

Im Januar 2019 kündete dir SPD Bundestagsfraktion einen Vorschlag zur Kindergrundsicherung an. Nun hat die Grüne Bundestagsfraktion ein Konzept für eine Kindergrundsicherung vorgelegt. Das Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG, ein Zusammenschluss großer Sozialverbände und renommierter Wissenschaftler, hat die Pläne der Grünen ausdrücklich begrüßt. Das Bündnis kämpft seit 10 Jahren für einen  Systemwechsel in der Familienförderung und für eine monatliche Zahlung ein, die die bisherigen Leistungen bündelt und das kindliche Existenzminimum sichert.

Grünes Konzept

Die Grünen schlagen eine Kindergrundsicherung vor, die automatisch und ohne kompliziertes Antragsverfahren ausgezahlt werden soll, in Form eines Garantie-Betrags für jedes Kind sowie eines ergänzenden und variablen GarantiePlus-Betrags.

Garantiebetrag

Der Garantiebetrag läge 2019 bei 280 Euro pro Kind. Er soll das heutige Kindergeld ablösen. Die Höhe von 280 Euro entspricht der Vorgabe der Verfassung nach Freistellung des kindlichen Existenzminimums bei der Besteuerung des Elterneinkommens. Sie entspricht der maximalen steuerlichen Entlastungswirkung und beendet damit das Nebeneinander von Kindergeld und Kinderfreibeträgen, das bisher Kindern von Eltern mit hohem Einkommen besser stellte.

GarantiePlus-Betrag

In Familien, in denen die Eltern nicht oder nicht vollständig das Existenzminimum ihrer Kinder sichern können, erhalten die Kinder neben dem Garantie-Betrag zusätzlich  und automatisch noch einen GarantiePlus-Betrag. Der GarantiePlus-Betrag ersetzt damit den Kinderzuschlag und das Sozialgeld für Kinder. Die Höhe des GarantiePlus-Betrags basiert auf der Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums von Kindern. Sie orientiert sich an der aktuellen Einkommens- und Verbraucherstatistik und dem alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorzulegendem Existenzminimumbericht.

Maximale Höhe

Für das Jahr 2019 ergibt sich in Kombination von Garantie-Betrag und GarantiePlusBetrag folgende maximale Höhe der Kindergrundsicherung:

  • 0 bis 5 Jahre: 280 + 84 = 364 Euro
  • 6 bis 13 Jahre: 280 + 195 = 475 Euro
  • 14 bis 17 Jahre: 280 + 223 = 503 Euro

Ein Antrag für alles

Der GarantiePlusBetrag ist einkommensabhängig. Trotzdem soll für alle Eltern gelten, dass sie jeweils nur einmal, nämlich bei der Geburt, einen Antrag stellen müssen. Alles andere, auch die Höhe des Plus-Betrags, müssen die Behörden untereinander regeln. Dies ist für die Grünen der entscheidende Schritt, um Kinder aus der verdeckten Armut zu holen. Bislang gilt die einmalige Beantragung nur für wohlhabende Familien. Hier prüft der Staat, ob der Kindergeldbezug oder die steuerliche Entlastung durch die Kinderfreibeträge günstiger ist. Familien, die den Kinderzuschlag oder Sozialleistungen für ihre Kinder beantragen wollen, erleben bisher das komplette Gegenteil. Sie müssen seitenweise Anträge ausfüllen und Nachweise erbringen. Und das nicht nur einmal, sondern mehrmals im Jahr. Dabei sind die meisten der abgefragten Daten öffentlichen Stellen längst bekannt. Oftmals werden deswegen zustehende Leistungen gar nicht erst beantragt. Vielfach sind sie den Familien auch völlig unbekannt, wie Kinderzuschlag oder Bildungspaket.

Keine Anrechnung auf Sozialleistungen

Die Kindergrundsicherung soll eine eigenständige Leistung des Kindes sein. Sie wird nicht bei den Eltern als Einkommen angerechnet, wenn diese Sozialleistungen beziehen.

10 Milliarden

Das Gesamtpaket kostet nach Angaben der Grünen-Fraktion dem Staat 10 Milliarden Euro.

Quellen: Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion, Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG, FOKUS Sozialrecht

Abbildung: Privat: Thomas Knoche

 

Bundessozialgericht zu Fachkräftemangel im Gesundheitswesen

Das Bundessozialgericht hat in zwei Urteilen deutlich gemacht, dass es keine Lösung des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen ist, wenn Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser Einstellungen von Pflegepersonal oder Ärzten umgehen wollen, in dem sie die Arbeit an Honorarkräfte vergeben. Hier der Vorbericht vom 30.5.2019.

Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht könnten nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen. So das BSG in seinen Pressemitteilungen zu den Urteilen (Aktenzeichen B 12 R 11/18 R und Aktenzeichen B 12 R 6/18 R).

Sowohl Krankenhausärzte als auch Pflegepersonal seien in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses oder der stationären Pflegeeinrichtung eingebunden. Unternehmerische Entscheidungsspielräume sind dabei regelmäßig nicht gegeben. Freiräume bei der Aufgabenerledigung reichen dafür nicht.

Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, oder Pflegekräfte, die als Honorarpflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen tätig sind, sind in diesen Tätigkeiten nicht als Selbstständige anzusehen, sondern unterliegen als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht.
Dies ergibt sich aus § 7 Absatz 1 SGB IV: „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“

An dieser Beurteilung ändere auch ein Mangel an Pflegefachkräften nichts.

Quelle: BSG

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Bundesrat zu Wahlassistenz, BAföG, Renten

Bundesratsbeschlüsse vom 7. Juni 2019

Wahlassistenz

Menschen mit Behinderung können sich künftig bei Abgabe ihrer Stimme zu Bundestags- und Europawahlen helfen lassen. Das Gesetz gilt zum Beispiel für Personen, die nicht lesen können oder sonst aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, ihre Stimme in der Wahlkabine abzugeben.
Außerdem sind behinderte Menschen, die in allen Angelegenheiten von einer Hilfsperson betreut werden, nicht mehr pauschal von den Wahlen ausgeschlossen. Gleiches gilt für schuldunfähige Straftäter, die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Weiterhin nicht wählen dürfen Bürgerinnen und Bürger, denen dieses Recht per Richterspruch entzogen wurde – zum Beispiel nach einer Verurteilung wegen Landesverrats oder Wahlfälschung. Das Gesetz soll zum 1. Juli 2019 in Kraft treten.
In einer begleitenden Entschließung bittet der Bundesrat die Bundesregierung, die konkrete Formulierung zur zulässigen Assistenz in zwei Punkten noch einmal zu überprüfen:

  • Nach Artikel 6 des Gesetzes wird § 107a Absatz 1 StGB um folgenden Satz 2 ergänzt: „Unbefugt wählt auch, wer im Rahmen zulässiger Assistenz entgegen der Wahlentscheidung des Wahlberechtigten oder ohne eine geäußerte Wahlentscheidung des Wahlberechtigten eine Stimme abgibt.“ Durch diese Formulierung ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie jemand gegen (oder ohne) die Wahlentscheidung des Wahlberechtigten eine Stimme abgeben und dabei gleichzeitig innerhalb des in § 14 Absatz 5 BWahlG-neu und in § 6 Absatz 4a EuWG-neu definierten Rahmens „zulässiger Assistenz“ handeln kann.
  • Durch die Einführung des Tatbestandsmerkmals der „Assistenz“ in die Strafnorm des § 107a Absatz 1 Satz 2 StGB-neu anstatt der Verwendung des Tatbestandsmerkmals der „Hilfeleistung“ aus § 14 Absatz 5 BWahlG-neu und § 6 Absatz 4a EuWG-neu stellt sich die Frage, ob damit ein anderer Bedeutungsgehalt verbunden sein soll und worin gegebenenfalls der Unterschied besteht.

BAföG

Der Bundesrat hat den Weg für die vom Bundestag beschlossene BAföG-Reform freigemacht. Sie zielt darauf ab, Studenten und Schülern aus sozial schwachen Familien mehr staatliche Unterstützung zu gewähren und den Kreis der BAföG-Empfänger zu erweitern.

In einer begleitenden Entschließung macht der Bundesrat jedoch deutlich, dass er noch weiteren Reformbedarf beim BAföG sieht:

  • Der Kreis der Anspruchsberechtigten müsse dauerhaft und sinnvoll erweitert werden
  • Dem vielfältigen Ausbildung- und Weiterbildungsangebot sollten entsprechende Förderungsinstrumente zur Ausbildungsfinanzierung gegenüberstehen.
  • BAföG müsse auch für Teilzeitstudiengänge und schulische Teilzeitausbildungen geöffnet werden, um die Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie zu verbessern. Auch über die Anhebung der Altersgrenzen sollte nachgedacht werden.
  • BAföG-Unterstützung müsse bei allen rechtlich zugelassenen Modellen eines Orientierungsstudiums möglich sein. Dies würde es den Studierenden erleichtern, das passende Studium zu finden und wiederum Studienabbrüche zu vermeiden.
  • Die Höhe der BAföG-Leistungen sollten automatisch an die tatsächliche Preis- und Einkommensentwicklung ankoppeln.

Das Gesetz soll stufenweise in Kraft treten, beginnend am 1.8.2019.

höhere Renten

Ab  1.7.2019 steigen die Rentenbezüge in Westdeutschland um rund 3,18 und in Ostdeutschland um 3,91 Prozent. Die Rentenwerte steigen im Westen dadurch auf 33,05 Euro im Westen und im Osten auf 31,89 Euro. Mit der Anhebung erreichen die Renten im Osten 96,5 Prozent des Westniveaus.

Quellen: Bundesrat, FOKUS Sozialrecht

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Neues Vergütungssystem für Betreuer passiert den Bundesrat

Heureka – wir haben ein Gesetz! Nach vielen Diskussionen und Einwürfen hat der Bundesrat heute (07.06.2019) dem „Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung“ zugestimmt. Und zwar in der Fassung, wie sie von der Bundesregierung eingebracht wurde.

Das bedeutet insbesondere: Inkrafttreten voraussichtlich am 1. August 2019 (gesetzestechnisch korrekt am „Tages des ersten auf den Monat der Verkündung folgenden Kalendermonats, dessen Zahl mit der des Tages der Verkündung übereinstimmt, oder, wenn es einen solchen Kalendertag nicht gibt, Datum des ersten Tages des darauffolgenden Kalendermonats“, Artikel 4 des Gesezes).

Das Gesetz erhöht die Vergütung für Berufsbetreuer um durchschnittlich 17 Prozent und modernisiert das Abrechnungssystem: Statt der bisherigen Einzelabrechnungen gibt es künftig monatliche Fallpauschalen. Dies soll es den Ländern ermöglichen, die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Betreuungsfälle zu berücksichtigen und angemessen zu vergüten.

Wichtig: Auf Vergütungsansprüche, die vor dem 1. August 2019 erbracht wurden, ist noch das VBVG in seiner bis dahin geltenden Fassung bis zum Ende des angefangenen Betreuungsmonats anzuwenden.


Hinweis auf das aktuelle Betreuerseminar

Topaktuell bieten wir dazu ein WALHALLA Praxis-Seminar an:

Vergütung des Betreuers, Vormunds und Verfahrenspflegers – Aktuelle gesetzliche Änderungen und weiter geltende Rechtsprechung

Dieses Seminar vermittelt eine systematische Kenntnis zum neuen Vergütungsrecht, klärt Streitfragen und erörtert praktische Beispiele. Bisher ergangene Rechtsprechung wird dahingehend überprüft, ob sie auch auf die neue Rechtslage zutrifft und entsprechend diskutiert.

Referent: Reinhold Spanl                                
Termin und Ort: 23.07.2019 in Kassel

Gleich anmelden – die Plätze sind begrenzt!

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Ausbildungsgelderhöhung bedroht Werkstätten

Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen befürchten wirtschaftliche Nachteile durch die geplante Anhebung des Ausbildungsgeldes. Das wurde während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 3. Juni 2019 deutlich. Zur Diskussion stand ein Gesetzentwurf (19/9478) der Bundesregierung zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes.

Durch den Entwurf sollen die jüngsten Änderungen beim Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) nach- und mitvollzogen werden und Verfahrensvorschriften vereinfacht werden.

Das Ausbildungsgeld ist eine staatliche Leistung, warum also die Sorgen?
Das Entgelt, dass ein Beschäftigter in einer Werkstatt für behinderte Menschen verdient besteht aus einem Grundbetrag und einem Aufstockungsbetrag. Zusätzlich bekommt jeder das Arbeitsförderungsgeld. Nun ist die Höhe des Grundbetrags, den die Werkstatt erwirtschaften muss, an die Höhe des Ausbildungsgeldes gekoppelt (§ 221 Abs.2 SGB IX), das ab dem 1.August 2019 von derzeit 80 Euro auf 117 Euro erhöht wird.
Nach Meinung von Vertretern der Werkstätten sei eine solche Erhöhung auf dem Markt nicht durchsetzbar, weil sie die Produkte und Dienstleistungen  der Werkstätten so weit verteuerten, dass sie viele Aufträge verlören. Erhöhungen dieser Dimension seien am Markt nicht durchsetzbar.

Helfen würde schon, wenn die Erhöhung des Ausbildungsgeldes auf den Januar 2020 verschoben werde. Noch besser sei eine stufenweise Erhöhung, verteilt über die nächsten drei Jahre. Am besten aber sei es, das Entlohnungssystem der Werkstätten insgesamt neu zu organisieren. Sowohl das Ausbildungsgeld als auch der Grundbetrag müsse öffentlich finanziert werden.

Die Redaktion der Nachrichten der Kooperation Behinderter im Internet e.V. erinnert auf kobinet-nachrichten.org daran, dass seit 35 Jahren engagierte Werkstattfachleute fordern, den Beschäftigten in den Werkstätten ein existenzsicherndes Arbeitsentgelt zu gewährleisten und die diskriminierende Taschengeld-Entlohnung zu beenden. Das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt eines Werkstattbeschäftigten beträgt zur Zeit etwa 220 Euro. (Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen – BAG WfbM)

Auch das das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hält das System der Behindertenwerkstätten aus menschenrechtlicher Perspektive für bedenklich. Die Entlohnungssituation, aber auch die inklusionswidrige Sonderwelt der Behindertenwerkstätten insgesamt, steht im Widerspruch zum Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes und zum Gesetz zum UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Quellen: Bundestag, kobinet, BAG WfbM, DIMR

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Anhörung wegen Abschiebungen

Am Montag, 3.6.2019 kommt es im Innenausschuss zu einer Expertenanhörung zu dem von Innenminister geplanten „Geordnete Rückkehr Gesetz“. (Siehe auch den Beitrag vom 17.4.2019

Gesetzentwurf

Der vorliegende Referentenentwurf zielt darauf ab, die Zahl der ausreisepflichtigen Menschen, die Deutschland verlassen, zu steigern – und zwar insbesondere im Wege von Abschiebungen.

  • Zu diesem Zweck werden gravierende Verschärfungen im Bereich der Abschiebungshaft vorgenommen, beispielsweise können Ausreisepflichtige jetzt auch in normalen Haftanstalten untergebracht werden.
  • Eine neue Form der „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ wird geschaffen
  • Sanktionen werden eingeführt für Personen, die bei der Passbeschaffung bzw. Identitätsklärung in vermeintlich nicht ausreichendem Maße mitwirken.
  • Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wurden und ausreisepflichtig sind, sollen keine Leistungen nach dem AsylbLG mehr erhalten.

Offener Brief

Im Vorfeld veröffentlichte ein Bündnis von 22 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter der Paritätische, die Diakonie, Amnesty International, Pro Asyl, AWO und das Deutsche Kinderhilfswerk, einen offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Darin fordern sie die Abgeordneten auf, den Gesetzentwurf abzulehnen. Das Gesetz grenze sogar Familien und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dauerhaft von der Teilhabe am  gesellschaftlichen Leben aus. Unverhältnismäßige Sanktionen würden eingeführt eine uferlose Ausweitung der Haftgründe. Die Unterzeichner fordern:

  1. Kein verfassungswidriger Ausschluss von Sozialleistungen
  2. Keine menschenunwürdigen Regelungen zur Abschiebungshaft
  3. Keine Einführung einer prekären „Duldung Light“
  4. Keine langen Vorduldungszeiten für Ausbildungs‐ und Beschäftigungsduldung

Ausführliche Erläuterungen zu den Forderungen hier.

Rüge der Menschenrechtskommissarin

Am 22. Mai äußerte sich die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, besorgt über das geplante Gesetz. Im Entwurf vorgesehen sein, dass Informationen über Abschiebungen künftig als «Staatsgeheimnisse»
eingestuft werden könnten, Nichtregierungs- und zivilen Organisationen könnte nach Einschätzung von Mijatovic eine rechtliche Verfolgung wegen Beihilfe drohen, sollten sie Details wie den Zeitpunkt der geplanten Rückführung
weitergeben. Die aktuelle Formulierung des Gesetzesentwurfs habe das
Potenzial, Tätigkeiten solcher Gruppierungen zu kriminalisieren.

Die Menschenrechtskommissarin rügte außerdem, dass durch das Gesetz
Migranten vor ihrer Rückführung leichter in Abschiebehaft genommen
werden könnten. Es gebe nur wenige Hinweise, dass erweiterte Möglichkeiten für Abschiebehaft zu mehr erfolgreichen Ausweisungen führten, erklärte Mijatovic. Sie bemängelte auch, dass Betroffene über Tag und Uhrzeit ihrer Abschiebung im Dunkeln gelassen werden sollen.

Quellen: Bundesinnenministerium, AMnesty INternational, EU-Info.Deutschland

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Pflegekräfte und Ärzte als freie Mitarbeiter

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts beschäftigt sich am 4. Juni und am 7. Juni mit den Fragen, ob Ärzte als so genannte Honorarärzte in einem Krankenhaus und ob Pflegekräfte im stationären Bereich von Pflegeheimen als freie Mitarbeiter tätig sein können. Dies hätte zur Folge, dass sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen.

Pflegefachkräfte, die auf Honorarbasis tätig werden, sind häufig für eine Vielzahl von Auftraggebern, zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet auf Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig. Oft werden sie über Agenturen vermittelt und arbeiten für einen vorher festgelegten Stundensatz, der üblicherweise deutlich über dem Arbeitsentgelt einer vergleichbar eingesetzten angestellten Pflegefachkraft liegt.

Auch Honorarärzte und die Krankenhäuser, in denen sie tätig sind verstehen die Tätigkeit als selbstständige, freie Mitarbeit. Honorarärzte werden häufig nebenberuflich oder für eine Vielzahl von Auftraggebern, zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet auf Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig. Sie werden ebenfalls häufig über Agenturen vermittelt und verdienen auch in der Regel mehr als ein angestellter Arzt. Die Bezeichnung Honorararzt ist im Übrigen nicht gesetzlich definiert.

Begründet wird der Einsatz von Honorarkräften unter anderem mit dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Das Bundessozialgericht hat im Laufe des Verfahrens deswegen Stellungnahmen eingeholt unter anderem vom Bundesverband der Honorarärzte e.V., von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem Marburger Bund, dem Deutschen Pflegerat e.V. und vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

Zu den Verfahren kam es, weil die für die Beurteilung von Sozialversicherungspflicht zuständigen Rentenversicherungsträger und ihnen ganz überwiegend folgend die Landessozialgerichte Sozialversicherungspflicht aufgrund Beschäftigung angenommen haben. Ärzte und Pflegekräfte seine in den Betrieb der Krankenhäuser, bzw. Pflegeheime eingegliedert und weisungsgebunden. Die Tätigkeit prägende unternehmerische Risiken lägen nicht vor. Dagegen wenden sich die Krankenhausträger und/oder die betroffenen Ärzte, bzw. die Träger der Pflegeheime mit ihren Revisionen.

Die Rentenversicherungsträger berufen sich im Wesentlichen auf § 7 Abs.1 SGB IV, – Definition von Beschäftigung. Danach ist eine Beschäftigung eine nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Die Verfahren haben die Aktenzeichen B 12 R 11/18 R (Ärzte) und B 12 R 6/18 R (Pflegekräfte)

Quelle: Bundessozialgericht, Pressemitteilung 19 und 20

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Soziale Sicherung von Plattformarbeitern

Laut einer aktuellen Studie des Bundesarbeitsministeriums arbeiten fast 5 Prozent der über 18-Jähringen in Deutschland als Clickworker, Crowdworker, Gigworker oder Plattformarbeiter. Unternehmen lagern damit Arbeiten aus, mit denen sich für die Crowdworker ein kleiner Nebenverdienst bestreiten lässt. Die Arbeiten reichen vom Einfügen von Links oder Bildern in Webseiten über das Bestücken von Online-Shops mit neuen Artikeln bis hin zum Verfassen einfacher Texte.

Schlechter Verdienst – mangelnde Absicherung

Der Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), eine UN-Sonderorganisation, kommt zu dem Ergebnis, dass man als Crowdworker meistens schlecht verdient. Für die Studie wurden 3.500 Crowdworker in 75 Ländern befragt. Der Durchschnittsverdienst liegt unter 4 Euro in der Stunde, also weniger als die Hälfte des Mindestlohns. Problematisch auch die mangelnde soziale Absicherung. Lediglich sechs von zehn Befragten hatten eine Kranken– und nur rund ein Drittel verfügte über eine Rentenversicherung.

Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung hat nun Enzo Weber sein Konzept der „Digitale Soziale Sicherung“ vorgestellt.

Das Modell

Das Modell bietet eine Lösung für das Problem gravierender Lücken in der sozialen Absicherung von Plattformarbeitern. Digitalisierte und flexible Arbeit über Internetplattformen lässt sich weder an nationalstaatlichen Grenzen aufhalten, noch ausschließlich innerhalb einzelner Nationalstaaten regulieren. Das DSS-Modell nutzt eine transnationale Herangehensweise und die Digitalisierung selbst, um Sozialversicherung unter diesen Herausforderungen zu organisieren. Gleichzeitig berücksichtigt und erhält das DSS-Modell die Souveränität und Flexibilität der nationalen Systeme. Das Modell sieht vor, dass Plattformen überall auf der Welt einen bestimmten Prozentsatz des vereinbarten Entgelts auf das internationale DSS-Konto des/r Plattformarbeiters/in überweisen. In den DSS-Konten sammeln sich so die global generierten Beiträge, die in regelmäßigen Abständen in die Sozialversicherung des Heimatlandes der Plattformarbeiter/innen übertragen werden.

Soziale Sicherung ist sinnvoll

Der arbeitsrechtliche Status von Plattformarbeitern unterliegt noch erheblichen Unsicherheiten. DSS ist jedoch in jedem Falle sinnvoll: Für diejenigen, die als abhängig beschäftigt klassifiziert werden, bietet es ein effizientes Instrument, um soziale Sicherung in einem amorphen Arbeitsmarkt zu organisieren. Und für Selbständige und den großen Graubereich füllt DSS eine tatsächliche Lücke. Die Entlohnung in der Plattformarbeit liegt dabei oft sehr niedrig, was die Finanzierung von sozialer Sicherung erschwert. Ohne soziale Sicherung werden prekäre Situationen aber beim Eintritt von Notlagen noch verschärft, individuelle berufliche Zukunftsinvestitionen erschwert und die Löhne in einem unregulierten Markt auf ein nicht nachhaltiges Niveau gedrückt. DSS kann in dieser Hinsicht eine positive soziale Entwicklung initiieren und dazu beitragen, die Potentiale von Plattformarbeit auf einer nachhaltigen Basis zu entwickeln.

Quellen: Hans-Böckler-Stiftung, business-user.de

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Andere Räumlichkeiten (BTHG und SGB XI)

Ein Mensch mit Behinderung, der heute in sogenanten Stationären Einrichtungen („Wohnheimen“) lebt, wohnt ab 2020, ohne dass er umziehen muss, in höchst unterschiedlichen „Gebilden“. Je nach dem, von welchem Gesetz aus man das betrachtet.

  • SGB IX:
    In der Eingliederungshilfe lebt er nun in einer besondere Wohnform, in der Leistungen über Tag und Nacht erbracht werden (§ 115 SGB IX).
  • SGB XII:
    In der Grundsicherung lebt er in einer Räumlichkeit, bei dem ihm ein persönlicher Wohnraum zur Verfügung steht und er weitere Räume gemeinsam mit anderen Personen nutzen kann (§ 42a SGB XII).
  • SGB IX:
    In der Pflegeversicherung lebt er weiter in einer „stationäre Einrichtung der sozialen Teilhabe“. (§ 71 Abs.4 SGB XI Fassung ab 1.1.2020). Die Aufwendungen der Pflegekasse für Pflegeleistungen dürfen hier im Einzelfall je Kalendermonat 266 Euro nicht überschreiten.

Deckelung von Pflegeleistungen

Wichtig bei dem letzten Punkt ist die Regelung, dass, wenn außerhalb einer vollstationären Einrichtung ein vollstationäres Leistungsangebot gemacht wird, diese als „Räumlichkeiten“ den stationären Einrichtungen zugeordnet werden (§ 71 Abs.4 Nr.3 SGB XI).
Das bedeutet, dass der Deckelungsbetrag von 266 Euro für Pflegeleitungen unter Umständen auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf gilt, die nach allgemeinem Verständnis nicht in einer stationären Einrichtung leben, sondern vielleicht in einer Betreuten Wohngruppe, wenn die Gesamtversorgung regelmäßig einen Umfang erreicht, der weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht.

Eine weitere Voraussetzung für die Deckelung der Pflegeleitung ist, dass es sich um eine trägerverantwortete betreute Wohngemeinschaft handelt, bei der Vertrag über das Wohnen und über die Leistungen miteinander verknüpft ist, die Wohngemeinschaft also in den Anwendungsbereich des WBVG (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz) fällt.

Strittig ist, wie hoch der Umfang der Leistungen sein muss, damit die Wohnung des Betroffenen den stationären Einrichtungen im Sinne des SGB XI zugeordnet werden kann.

Entwurf einer Richtlinie

Der GKV Spitzenverband hat den Entwurf der Richtlinien zur Abgrenzung stationärer Einrichtungen von anderen Räumlichkeiten i. S. d. § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI vorgelegt. Die Verbände haben die Möglichkeit, eine Stellungnahme bis zum 7. Juni 2019 abzugeben.

Danach werden die Räumlichkeiten einer stationären Einrchtung gleichgestellt, wenn der Umfang einer anbietergestützten Gesamtversorgung typischerweise einer stationären Versorgung entspricht. Der Umfang ist dann erreicht, wenn durch einen oder mehrere Leistungserbringer eine umfassende Deckung des Bedarfs des in den Räumlichkeiten wohnenden Menschen mit Behinderungen erfolgt. Hiervon ist auszugehen, wenn durch den oder die Leistungserbringer Unterkunft und Verpflegung, Leistungen der Eingliederungshilfe sowie Pflege- und Betreuungsleistungen sowie die räumliche und sächliche Ausstattung zur Verfügung gestellt werden.

Alternative

Eine Möglichkeit, dem ganzen Prozedere zu entgehen, wäre es, die Verknüpfung von Wohnen und Betreuungsleistung aufzugeben, so dass das WBVG nicht mehr anwendbar ist. Da die beiden oben genannten Kriterien kumulativ vorliegen müssen, kommt es dann auf den Umfang der Betreuungsleistungen überhaupt nicht mehr an. Den Bewohner*innen müssten also Mietverträge und Betreuungsverträge angeboten werden, die auch tatsächlich nicht voneinander abhängig sein dürfen. Die Bewohner*innen müssen, jedenfalls gemeinschaftlich, rechtlich und tatsächlich in der Lage sein, die Leistungserbringer frei zu wählen und auch zu wechseln.
Die gesetzliche Regelung erweist sich hier als problematisch, da sie in Einzelfällen den „Status“ einer Wohneinrichtung von einem unbestimmten und schwer kontrollierbaren Merkmal – tatsächliche Abhängigkeit der beiden Verträge voneinander – abhängig macht.

Quellen: Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes, DPWV – Handreichung

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70 Jahre Grundgesetz: Unsere Grundrechte praxisnah erklärt

Heute läuft die Aktion „Kinderrechte ins Grundgesetz“ in den Social Media Kanälen (z.B. auf Twitter oder in Facebook) anläßlich des 70. Geburtstags des Grundgesetzes.

Dieser runde Geburtstag war Anlass für uns vom Walhalla Fachverlag ein Büchlein mit Erklärungen von Prof. Schade zu den Grundrechten zu veröffentlichen. Dieses kann als E-Book kostenlos downgeloadet werden.

Auf www.walhalla.de/service/whitepaper das E-Book auswählen und auf den Download-Knopf klicken. Adresse eingeben. Fertig!