Bundesrat will Änderungen am Terminservicegesetz

Das Terminservice und Versorgungsgesetz (TSVG), das dem Bundesrat am 23.11.18 vorlag, zielt darauf ab,

  • allen gesetzlich Versicherten einen gleichwertigen Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung zu ermöglichen, indem Wartezeiten auf Arzttermine verkürzt werden, das Sprechstundenangebot erweitert und die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen verbessert wird,
  • die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu verbessern, indem die Grundlagen der Bedarfsplanung weiterentwickelt und die Förder- und Sicherstellungsinstrumente der Kassenärztlichen Vereinigungen erweitert werden,
  • Leistungsansprüche der Versicherten in einzelnen Bereichen der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung zu erweitern und
  • dass Patientinnen und Patienten die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen im Versorgungsalltag stärker praktisch nutzen können.
  • Über den Gesetzentwurf berichteten wir hier Ende September.

Stellungnahme des Bundesrats

In seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf fordert der Bundesrat nun,

  • dass die kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (U1 bis U9) in die zeitnahe Terminvermittlung einbezogen werden,
  • dass die gesetzlichen Krankenversicherungen bei der Präimplantationsdiagnostik sämtliche Kosten übernehmen,
  • dass die Einführung von Stationsapothekerinnen und Stationsapothekern, die einen wichtigen Beitrag für mehr Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie lieferten, in den Krankenhäusern gesetzlich geregelt wird,
  • dass die kassenärztlichen Vereinigungen den barrierefreien Zugang zur ärztlichen Versorgung fördern. Bislang würden nur rund 10 Prozent der Haus- und Augenarztpraxen einen barrierefreien Zugang anbieten.

Kritik äußert der Bundesrat an den geplanten Vereinfachungen bei den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ): er fürchtet, dass sie deren konzernartige Monopolstrukturen weiter begünstigen. Es müsste deshalb eine Regelung ins Gesetz aufgenommen werden, die sicherstellt, dass MVZ auch künftig eine ausreichende Versorgungssicherheit gewährleisten. Versorgungsentscheidungen müssten frei von patientenschädlichen Fremdeinflüssen sein. Krankenhaus-MVZ oder zahnärztliche MVZ sollten die Zulassung nur erhalten dürfen, wenn sie in der Nähe des Krankenhauses betrieben werden und es einen fachlichen Bezug zwischen den Einrichtungen gibt.

Dagegen lehnt der Bundesrat die geplante Ermächtigung des Gemeinsamen Bundesausschusses, den Zugang zur Psychotherapie neu zu steuern, ab. Der Erstkontakt zwischen Patient und Psychotherapeut sei erst im Jahr 2017 neu geregelt worden. Seitdem hätten sich die Wartezeiten auf ein Erstgespräch erheblich verkürzt. Bevor weitere Anpassungen vorgenommen würden, sollte die Evaluation dieser Neuregelung abgewartet werden.

Quelle: Bundesrat

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Recht von Flüchtlingen auf Sozialhilfe

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21.11.18 den Anspruch von Flüchtlingen auf Sozialhilfe gestärkt. Anerkannte Flüchtlinge dürfen nicht weniger Sozialleistungen erhalten als die eigenen Staatsbürger.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der Flüchtling nur ein befristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder nicht (AZ: C-713/17).

Bei dem aktuellen Fall handelte es sich um einen Fall aus Österreich, das Urteil gilt aber für alle Mitgliedsstaaten. Es ging im konkreten Fall um die Frage, ob die Kürzung der Sozialhilfe bei einem befristeten Aufenthaltsstatus mit der sogenannten Anerkennungsrichtlinie vereinbar ist, einem EU-Gesetz von 2011 zum Schutz von Flüchtlingen. Dies sei nicht der Fall. Die Richtlinie sei in dem Punkt eindeutig und entspreche auch der Genfer Flüchtlingskonvention. Sollte nationales Recht dem entgegenstehen, gehe EU-Recht dem vor (Art. 29 Abs. 1 der RL 2011/95). Diese Bestimmung erlegt jedem Mitgliedstaat mit unmissverständlichen Worten eine genaue und unbedingte Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses auf, die darin bestehe, dafür Sorge zu tragen, dass jeder Flüchtling, dem er Schutz gewähre, im gleichen Umfang Sozialhilfe erhalte wie seine eigenen Staatsangehörigen.

Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten abweichend von dieser allgemeinen Regel die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken (Art. 29 Abs. 2 der RL 2011/95).

Quellen: Juris und Artikel 29 der RICHTLINIE 2011/95/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Dezember 2011:
„Sozialhilfeleistungen
(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten.
(2)   Abweichend von der allgemeinen Regel nach Absatz 1 können die Mitgliedstaaten die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.“

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Wann übernimmt die Krankenkasse Fahrtkosten?

Durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wird für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 3 und Menschen mit Behinderungen die Übernahme der Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung vereinfacht. Die Fahrten gelten mit der ärztlichen Verordnung als genehmigt. (§ 60 Abs.1 SGB V ab 1.1.2019)

Fahrtkostenerstattung ohne vorherige Genehmigung

Auch bisher gab es Fälle, bei denen die Fahrtkosten ohne vorherige Genehmigung erstattet wurden. Daran wird sich auch nichts ändern:

Rettungsfahrten zum Krankenhaus, wenn der Patient aufgrund seines Zustands mit einem qualifizierten Rettungsmittel (Rettungswagen, Notarztwagen, Rettungshubschrauber) transportiert werden muss.

Krankentransporte, wenn der Patient eine fachliche Betreuung oder die besondere Einrichtung des Krankentransportwagens braucht, oder bei schweren, ansteckenden Krankheiten,

  • zu stationären Leistungen,
  • zu vor- und nachstationären Behandlungen (§ 115 a SGB V) und
  • zu ambulanten Operationen.

Krankenfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, privaten Kraftfahrzeugen, Mietwagen oder Taxen ohne medizinisch-fachliche Betreuung:

  • zu stationären Leistungen (§ 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V).
  • zu vor- und nachstationären Behandlungen bzw. ambulanten Operationen mit damit in Zusammenhang stehender Vor- oder Nachbehandlung nur, wenn dadurch eine stationäre Behandlung vermieden oder verkürzt wird.

Ist während einer Krankenhausbehandlung eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich (z. B. Verlegung in eine Spezialklinik), werden auch diese Fahrkosten durch die Krankenkassen übernommen. Liegt kein medizinischer Grund für eine Verlegung vor (z.B. bei Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus), ist eine Kostenübernahme nur bei vorheriger Einwilligung der Krankenkasse möglich.

In allen anderen Fällen muss die Krankenkasse die Fahrten vorher genehmigen. Sie tut das nur, wenn zwingende medizinischr Gründe vorliegen und sie übernimmt nur die Kosten zur nächsterreichbaren geeigneten Behandlungsstätte und zurück, außer es besteht ein zwingender medizinischer Grund für die Behandlung an einem entfernteren Ort.

Quelle: Haufe, betanet

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Bafög-Reform geplant

Nachdem seit einigen Tagen in verschiedenen Medien über ein Eckpunkte-Papier des Bundesbildungsministeriumx über die geplante Bafög-Reform im nächsten Jahr berichtet wurde, kann man sich nun auch endlich im Bildungsministerium selber darüber informieren.

Etwa alle drei bis sechs Jahre stellt die Politik erschrocken fest, dass die Zahl der Bafög-Empfänger sinkt, weil Lebenshaltungskosten, Mieten und Einkommen gestiegen sind. Immer weniger haben überhaupt Anspruch auf Bafög oder wollen sich den bürokratischen Aufwand nicht antun, wenn die Förderung doch nicht, wie im Gesetz vorgesehen, zum Lebensunterhalt reicht und sie sich über Jahre hinaus verschulden.

Pläne der Bundesbildungsministerin

Um dem entgegezuwirken, plant Bundesbildungsministerin Karliczek, die Bedarfssätze, den Förderungshöchstsatz, die Einkommensfeibeträge und den Wohnzuschlag kräftig zu erhöhen. Auch soll die Restschuld des Darlehens nach 20 Jahren erlassen werden, wenn man sich nachweislich bemüht hat, es zurückzuzahlen. Dafür soll die monatliche Rückzahlungsrate steigen.

Eine grundlegende Umgestaltung erfolgt wohl nicht, etwa eine automatische Anpassung der Leistung an die wirtschaftliche Entwicklung oder gar eine Ausbildungsförderung, die wie beispielsweise in Dänemark, die Unabhängigkeit ab der Volljährigkeit im Fokus hat. Dort kann jeder Student unabhängig vom Einkommen der Eltern staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen.

Die geplanten Erhöhungen im Einzelnen:

  • Der Wohnzuschlag für nicht bei den Eltern wohnende BAföG-Geförderte soll im ersten Schritt 2019 überproportional um 30 Prozent von derzeit 250 Euro auf 325 Euro angehoben werden.
  • Der Förderungshöchstsatz soll um mehr als 15 Prozent von derzeit 735 Euro auf künftig insgesamt rund 850 Euro monatlich steigen.
  • Die Bedarfssätze sollen insgesamt um 7 Prozent angehoben, nämlich um 5 Prozent im ersten Schritt 2019 und nochmals um 2 Prozent in 2020 angehoben werden.
  • Die Einkommensfreibeträge sollen um insgesamt 9 Prozent angehoben, nämlich um 7 Prozent im ersten Schritt 2019 und nochmals um 2 Prozent in 2020 angehoben werden.
  • Der Freibetrag für eigenes Vermögen von Auszubildenden mit soll im Jahr 2020 von derzeit 7.500 Euro auf 8.200 Euro angehoben werden; die zusätzlichen Vermögensfreibeträge für Auszubildende mit Unterhaltspflichten gegenüber eigenen Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern zugleich von derzeit jeweils 2.100 Euro auf 2.300 Euro.
  • Die monatliche Regelrate zur Rückzahlung des BAföG-Darlehens soll von bislang 105 Euro auf 130 Euro steigen.
  • Wer den Darlehensanteil seines BAföG trotz nachweisbaren Bemühens aufgrund schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse nicht binnen 20 Jahren tilgen kann, dem wird die (Rest-)Schuld erlassen.

Quelle: Bundesministerium für Bildung, Studis Online

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Pflegepersonal-Stärkungsgesetz verabschiedet

Wie erwartet und ohne große Veränderung zum ursprünglichen Entwurf ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz im Bundestag verabschiedet worden. Es tritt zum 1.1.2019 in Kraft. Einige Änderungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und des Krankenhausentgeltgesetzes treten sofort in Kraft, die Regelungen zum Pflegebudget erst zum 1.1.2020.

In den letzten Wochen waren an dieser Stelle mehrfach Beiträge zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz zu lesen:

Weitere Neuerungen

Das neue Gesetz beinhaltet aber auch eine Reihe weniger spektakuläre Neuerungen, über die nicht so oft berichtet wurde:

  • Unterbringung von Begleitpersonen:
    Sowohl aus organisatorischen als auch aus medizinischen Gründen kann es notwendig sein, dass eine Begleitperson, für die die Voraussetzung einer Mitaufnahme bei stationärer Behandlung vorliegt, außerhalb des Krankenhauses bzw. der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung untergebracht wird. Besteht beispielsweise ein erhöhtes Infektionsrisiko oder reichen im Einzelfall die stationären Kapazitäten eines Krankenhauses nicht aus, können mitaufzunehmende Begleitpersonen künftig auch außerhalb der stationären Einrichtung untergebracht werden. Dies wird im Einzelfall entschieden. Die Kosten dafür sind auf die Höhe der Kosten begrenzt, die bei einer Mitaufnahme in die stationäre Einrichtung angefallen wären (§ 11 Abs.3 SGB V).
  • Taxifahrten:
    Für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 3 und Menschen mit Behinderungen werden Taxifahrten zu einer ambulanten Behandlung einfacher. Sie gelten mit der ärztlichen Verordnung als genehmigt. (§ 60 Abs.1 SGB V)
  • Medizinische Rehabilitation für pflegende Angehörige:
    Es gibt nun einen eigenständiger Leistungsanspruch für pflegende Angehörige auf medizinische Rehabilitationsleistungen. Denn im Rahmen der Frage des Zugangs zu stationären Rehabilitationsleistungen stellt sich das Problem, dass pflegende Angehörige häufig aufgrund der familiären Situation keine Möglichkeit haben, ambulante Rehabilitationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung in § 40 SGB V ist aber die Ausschöpfung ambulanter Leistungen am Wohnort die Voraussetzung für die Inanspruchnahme stationärer Rehabilitationsleistungen. Deshalb wird für pflegende Angehörige ein Anspruch geschaffen werden, wonach sie auf ärztliche Verordnung nach Genehmigung der Krankenkasse auch dann eine stationäre Rehabilitation erhalten, wenn vom medizinischen Gesichtspunkt her eine ambulante Versorgung ausreichend wäre. (§ 40 SGB V)
  • Verstärkte Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten:
    Die Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, Kooperationsverträge mit geeigneten vertrags(zahn)ärztlichen Leistungserbringern zu schließen, wird verbindlicher ausgestaltet. Die bisherige „Soll-Regelung“ wird durch eine „Muss-Regelung“ ersetzt. Die Krankenkassen werden zudem verpflichtet, bei Vorliegen eines Antrags einer Pflegeeinrichtung zur Vermittlung eines Kooperationsvertrages einen entsprechenden Vertrag innerhalb einer Frist von drei Monaten zu vermitteln.
    Darüber hinaus werden für eine bessere Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Pflegeheimen Sprechstunden und Fallkonferenzen per Video als telemedizinische Leistung umfangreich ermöglicht.
    (§ 119b SGB V)
  • Verbesserung für die ambulante Pflege:
    Die ambulante Alten- und Krankenpflege wird durch eine bessere Honorierung der Wegezeiten gestärkt. Außerdem müssen auch in der häuslichen Krankenpflege künftig Tariflöhne von den Krankenkassen akzeptiert werden.
    (§ 132a SGB V)

Quellen: Fokus-Sozialrecht, Bundestagsdrucksache

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Rentenpaket ist durch

Ohne wesentliche Änderungen im Vergleich zum Entwurf hat der Bundestag das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz) verabschiedet. (Siehe auch frühere Beiträge hier und hier)

Hier noch einmal die wichtigsten Punkte und die entsprechenden Vorschriften in den Sozialgesetzbüchern:

  • Die Mindesthöhe der gesetzlichen Rente, gemessen am Verhältnis der Renten zu den Löhnen, wird bis 2025 bei 48 Prozent festgeschrieben (§ 255e SGB VI)
  • Der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent, den sich in der Regel Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen, soll bis 2025 die 20-Prozent-Marke nicht überschreiten
    (§ 287 SGB VI).
  • Mütterrente: Alle Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern sollen einen halben Rentenpunkt zusätzlich bekommen. Dies betrifft knapp zehn Millionen Rentnerinnen, die pro Kind zwischen 15 und 16 Euro im Monat mehr bekommen. (§ 307d SGB VI)
  • Erwerbsminderungsrente: Die Absicherung der Erwerbsgeminderten soll verbessert werden. Zurechnungszeiten sollen ab 2019 in einem Schritt auf 65 Jahre und 8 Monate angehoben werden (Renteneintrittsalter) und dann mit der Anhebung des Renteneintrittsalters schrittweise bis 67 angehoben werden. Die Maßnahme soll jedoch nur auf Neurentner angewandt werden, nicht auf bereits Betroffene. Zudem sollen die Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt erhalten bleiben. (§ 253a SGB VI)
  • Für Geringverdiener gilt künftig, dass sie erst bei einem Monatseinkommen von 1300 Euro die vollen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Um Geringverdienerinnen und Geringverdiener bei den Sozialabgaben zu entlasten, soll die bisherige Gleitzone, in der Beschäftigte mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 450,01 bis 850,00 Euro verringerte Arbeitnehmerbeiträge zahlen, zu einem sozialversicherungsrechtlichen Übergangsbereich weiterentwickelt werden: Die Obergrenze der Beitragsentlastung wird auf 1.300 Euro angehoben und es wird sichergestellt, dass die reduzierten Rentenversicherungsbeiträge nicht mehr zu geringeren Rentenleistungen führen. (§ 20 SGB IV, § 163 Abs.10 SGB VI, § 70 SGB VI)

Von der Opposition und den Verbänden wurde hauptsächlich kritisiert, dass die Finanzierung der gesetzlichen Rente nach 2025 völllig ungewiss bleibt.
Die Bundesregierung hat im Mai 2018 eine Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ eingesetzt. Diese soll bis Frühjahr 2020 Vorschläge entwickeln, wie die Alterssicherung auch nach 2025 leistungs- und tragfähig bleibt. Ziel sei es, die soziale Sicherheit für alle Generationen auch künftig verlässlich auszugestalten. Die Kommission hat ihre Arbeit am 06.06.2018 aufgenommen.

Quellen: Focus Sozialrecht, Bundestag

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Sozialer Arbeitsmarkt

Mit dem Teilhabechancengesetz soll ab 2019 ein neuer sozialer Arbeitsmarkt entstehen. Durch die Schaffung zweier neuer Instrumente werden Lohnkostenzuschüssen eingeführt, um Langzeitarbeitslosen den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen.

Der Bundestag will das Gesetz heute (8.11.18) verabschieden. Grundlage sind der Gestzentwurf der Bundesregierung und die Änderungsvorschläge des Ausschusses Arbeit und Soziales. Hier auf Fokus-Sozialrecht wurde schon über den Referentenentwurf und den Kabinettsbeschluss berichtet.

Eingliederung von Langzeitarbeitslosen

§ 16e SGB II trägt nun die Überschrift „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“, nicht mehr „Förderung von Arbeitsverhältnissen“. Bei diesem Instrument ging es und geht es auch weiter um die Besetzung vorhandener Arbeitsplätze mit Langzeitarbeitslosen und deren Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und -chancen. Anders als der alte § 16e hängt der neue Lohnkostenzuschuss weder bei der Auswahl der förderfähigen Personen noch bei der Dauer und Höhe der Förderung von Merkmalen wie Minderleistung oder das Vorliegen von Vermittlungshemmnissen ab. Gefördert werden Arbeitsverhältnisse mit Personen, die trotz Vermittlungsangeboten unter Einbeziehung der übrigen Eingliederungsleistungen nach dem SGB II seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind. Der Zuschuss beträgt pauschal im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses 75 Prozent, im zweiten Jahr 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts. Anders als ursprünglich vorgesehen entfällt die Pflicht des Arbeitgebers, den Beschäftigten nach der Föderdauer noch mindestens ein halbes Jahr weiter zu beschäftigen.

Teilhabe am Arbeitsmarkt

Das neue Instrument des § 16i SGB II soll zusätzliche Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose schaffen. Neben der Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und -chancen soll auch die soziale Teilhabe gefördert werden.

Gefördert werden Arbeitsverhältnisse mit erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen, die seit mindestens sechs (nicht mehr sieben wie im Regierungsentwurf) Jahren Leistungen nach SGB II beziehen und in dieser Zeit nicht oder nur kurz erwerbstätig waren. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt noch zwei Härtefallregelungen in das Gesetz einzufügen, wonach bei schwerbehinderten Menschen und jenen, die mit Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenleben, fünf Jahre ALG-II-Bezug ausreichen, um diese auf maximal fünf Jahre begrenzte Förderung zu erhalten. Außerdem sollen die Zuschüsse für Weiterbildungsmaßnahmen nicht wie ursprünglich vorgesehen 1.000 Euro, sondern 3.000 Euro betragen.

Der Lohnkostenzuschuss beträgt in den ersten 24 Monaten des Arbeitsverhältnisses 100 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns oder, wenn vorhanden, nach der Höhe des Tariflohns (eingefügt durch den Ausschuss), sinkt dann um 10 Prozentpunkte und nach Ablauf von jeweils zwölf Monaten um jeweils 10 Prozentpunkte.

Da der Übergang aus der geförderten Beschäftigung in eine ungeförderte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittel- und langfristiges Ziel bleibt, werden beschäftigungsbegleitende Betreuung, Weiterbildung und betriebliche Praktika während der Förderung ermöglicht.

Quellen: Focus Sozialrecht, Bundestag

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Familienentlastung unzureichend?

Die von der Bundesregierung geplante Entlastung der Familien ist von mehreren Experten in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses als unzureichend kritisiert worden.

Wichtigste Kritikpunkte:

  • Alleinerziehende werden zu wenig berücksichtigt. Die Freibeträge für Alleinerziehende und Freibeträge für Erziehungs- und Ausbildungsbedarf sind seit mehreren Jahren nicht mehr angehoben worden und verlieren im Zeitablauf inflationsbedingt an Wert. Er liegt seit 2010 unverändert bei 1.320 Euro.
  • Gefordert wird eine deutliche Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums. Insbesondere Bezieher des Mindestlohns sollten keine oder nur eine geringe Steuer entrichten müssen.
  • Nach Angaben des deutschen Kinderschutzbundes ist die Kinderarmut drastisch angestiegen. Erforderlich sei daher die Einführung einer Kindergrundsicherung von 619 Euro im Monat.
  • Höherverdienende werden durch die Nutzung des Kinderfreibetrages stärker entlastet als Steuerzahler mit niedrigerem Einkommen, denen Kindergeld gezahlt wird.

Entwurf

Der Entwurf des Familienentlastungsgesetzes sieht eine stufenweise Erhöhung von Kindergeld vor:

  • Ab 1. Juli 2019 soll das Kindergeld in der ersten Stufe um 10 Euro monatlich steigen.
  • Ab 1. Januar 2021 soll in einer weiteren Stufe eine weitere Erhöhung um 15 Euro erfolgen.

Die Kindergelderhöhung wird beim steuerlichen Kinderfreibetrag nachvollzogen. Als Jahresbetrag wächst er in zwei gleichen Teilen zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020 um jeweils 192 Euro.

Auch für Erwachsene steigt der Grundfreibetrag, auf den keine Einkommensteuer gezahlt werden muss:

  • 2019 auf 9.168 Euro und
  • 2020 auf 9.408 Euro.

Wie bisher bei jeder Kindergelderhöhung gehen auch diesmal Familien, die im Bezug von SGB II-Leistungen stehen, leer aus. Denn nach wie vor wird das Kindergeld auf die Regelsätze angerechnet.

Quelle: Bundestag,

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Behinderten – Pauschbetrag seit 1975 unverändert

Auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zur Entwicklung der steuermindernden Pauschbeträge hin erklärt die Bundesregierung, dass sich diese Pauschbeträge in den vergangenen Jahren kaum verändert haben. So ist demnach der Sonderausgabenpauschbetrag seit Anfang des Jahrs 2002 unverändert, der Arbeitnehmerpauschbetrag ist seit 2011 gleich, die Behinderten-Pauschbeträge sind sogar seit 1975 unverändert geblieben.

Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die behinderten Menschen unmittelbar infolge der Behinderung erwachsen, erhalten sie steuerliche Erleichterungen. Insbesondere kann – anstatt Einzelnachweise für die höheren Kosten zu führen, die durch die Behinderung entstehen – ein sogenannter Behinderten-Pauschbetrag geltend gemacht werden.
Hierzu ist der Nachweis einer Behinderung durch die zuständige Behörde nötig, der mit der Steuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum eingereicht werden muss (Schwerbehindertenausweis, Feststellungsbescheid, besondere Bescheinigung durch das Versorgungsamt, Rentenbescheid). Sofern eine Lohnsteuerkarte vorliegt (der Betroffene also unselbständig beschäftigt ist), gelten die Pauschalbeträge nach § 33b EStG, die auf der Lohnsteuerkarte vermerkt werden.

Die Höhe des Pauschalbetrages für Behinderte soll die mit zunehmender Schwere der Behinderung ansteigenden typischen behinderungsbedingten Aufwendungen abdecken. Liegen mehrere Behinderungen vor, kann nur ein einziger Behinderten-Pauschbetrag in Ansatz gebracht werden, der aber sämtliche Behinderungen berücksichtigt.

Die Höhe des Behinderten-Pauschbetrag beträgt: (Stand: Dezember 2018)

  • bei einem Grad der Behinderung von 25 und 30        310 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 35 und 40        430 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 45 und 50        570 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 55 und 60        720 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 65 und 70        890 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 75 und 80      1.060 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 85 und 90      1.230 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 95 und 100    1.420 EUR
  • bei hilflosen und blinden Personen                            3.700 EUR

Die Bundesregierung befürchtet erhebliche Mindereinnahmen bei einer deutlichen Erhöhung der Pauschbeträge; auch eine Indexierung , wie sie in anderen Ländern wie der Schweiz, Frankreich oder USA üblich ist, lehnt sie ab. Das würde die Ausbreitung von Indexierungsregelungen innerhalb des Steuerrechts und in andere Rechtsbereiche mit dem Risiko einer Verstärkung oder gar Förderung von Inflationstendenzen bedeuten. Außerdem würde das Parlament einen Teil seiner Budgethoheit verlieren.

Im übrigen seien die Möglichkeiten der steuerlichen Anerkennung behinderungsbedingter Mehraufwendungen an anderer Stelle verbessert worden.

Quellen: Bundestag, Finanzielle Hilfen für Menschen mit Behinderung

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Bundeskabinett beschließt Mindestlohnerhöhung

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit dem 1.1.2017 8,84 Euro pro Stunde. Laut Mindestlohngesetz wird der gesetzliche Mindestlohn alle zwei Jahre neu festgelegt. Im Juni 2018 hat die Mindestlohn-Kommission empfohlen, den gesetzlichen Mindestlohn in zwei Schritten zu erhöhen. Die Bundesregierung ist diesem Vorschlag nun gefolgt. Der gesetzliche Mindestlohn steigt

  • zum 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro und
  • zum 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro.

Ausnahmen

Der gesetzliche Mindestlohn gilt weiterhin NICHT für:

  • Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung,
  • Auszubildende – unabhängig von ihrem Alter – im Rahmen der
    Berufsausbildung,
  • Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate ihrer
    Beschäftigung nach Beendigung der Arbeitslosigkeit,
  • Praktikanten, wenn das Praktikum verpflichtend im Rahmen einer
    schulischen oder hochschulischen Ausbildung stattfindet,
  • Praktikanten, wenn das Praktikum freiwillig bis zu einer Dauer
    von drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder
    Aufnahme eines Studiums dient,
  • Jugendliche, die an einer Einstiegsqualifizierung als Vorbereitung zu
    einer Berufsausbildung oder an einer anderen Berufsbildungsvor-
    bereitung nach dem Berufsbildungsgesetz teilnehmen,
  • ehrenamtlich Tätige.

Ende der Übergangsfrist

Ende 2017 endete auch die Übergangsfrist, die für Tarifverträge galt, die Löhne unter dem gesetzlichen Mindestlohn vorsahen. Das heißt, dass seit 1.1.2018 in keiner Branche weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden darf – abgesehen von den oben beschriebenen Ausnahmen.

Branchen-Mindestlöhne

Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es etliche Branchen-Mindestlöhne. Diese werden von Ge­werkschaften und Arbeitgebern in einem Tarif­vertrag ausgehandelt und von der Politik für allgemein verbindlich erklärt. Branchen-Mindestlöhne gelten für alle Betriebe der Branche – auch für die, die nicht tarifgebunden sind.

Beispielsweise steigen im Dachdeckerhandwerk die Mindestlöhne von jetzt 12,90 Euro auf 13,20 Euro im Jahr 2019, im Elektrohandwerk von 10,95 Euro auf 11,40 Euro.
In der Pflegebranche gibt es Unterschiede zwischen den Westdeutschen und Ostdeutschen Bundesländern. Hier steigt der Mindestlohn von 10,55 Euro (West inkl. Berlin) und 10,05 Euro (Ost) auf 11,05 Euro (West inkl. Berlin) und 10,55 Euro (Ost).
Andere Tarifverträge sehen Erhöhungen zu einem späteren Zeitpunkt vor, beispielsweise wird der Mindestlohn für Leih- und Zeitarbeit im Bauhauptgewerbe in Westdeutschland erst im März 2019 von 9,49 Euro auf 9,79 Euro steigen.
Eine Übersicht über alle Branchen-Mindestlöhne gibt es hier.

Quelle: DGB

Abbildung: fotolia.com – Grecaud Paul