Wie Herr Scheuer Seenotrettung verhindern will

Eine kleine Änderung in der Schiffssicherheitsverordnung, nämlich das Ersetzen des Begriffs „Freizeit“ durch den Begriff „Erholung“ hat weitreichende Folgen, die Menschenleben kosten kann.
Die dadurch entstehenden Änderungen der Sicherheitsanforderungen für zumindest ein Schiff der Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ verhindert das Auslaufen des Schiffes „Rise Above“, das die Organisation Ende 2019 von der Bundeswehr gekauft hat. Man kann also der Bundesregierung nun nicht nur unterlassene Hilfeleistung im Mittelmeer vorwerfen, sondern aktive stattliche Verhinderung der Seenotrettung.

Der Hintergrund

Im April 2019 untersagte die „Berufsgenossenschaft Verkehr“ als zuständige Behörde das Auslaufen der „Mare Liberum“. Sie stützte ihr Verbot auf die vorgesehene Verwendung als Seenotrettungsschiff: Weil das Boot nicht für „Sport- und Freizeitzwecke“ eingesetzt werde, brauche es ein Schiffssicherheitszeugnis. Da Sicherheitszeugnisse nur für Schiffe zu beruflichen Zwecken erforderlich waren, aber nicht für Boote zu „Sport- und Freizeitzwecken“, konnten die Eigner keines vorweisen. Der Verein „Mare Liberum“ klagte gegen die Festhalteverfügung und bekam im September 2019 recht. Das Oberverwaltungsgericht Hamburg entschied, „Freizeit“ könne „der Erholung von den Anstrengungen beruflicher oder sonstiger Verpflichtungen dienen, ist aber nicht darauf beschränkt. Sie erfasst zudem der persönlichen Entfaltung dienende kommunikative, kulturelle, politische und sportliche Tätigkeiten, was gemeinnützige und humanitäre Tätigkeiten ohne weiteres einschließt“ (OVG Hamburg, Beschluss vom 5.9.2019, 3 Bs 124/19, S.9f.). Das Oberverwaltungsgericht stellte also fest, dass Seenotrettungsmissionen auch mit Sportbooten und Kleinfahrzeugen ohne Sicherheitszeugnis zulässig sind.

In der Freizeit nur Erholung

Das zuständige Bundesverkehrsministerium ersetzte Anfang März in der Schiffssicherheitsverordnung die Formulierung „Sport- und Freizeitzwecke“ durch „Sport- und Erholungszwecke“ (Bundesgesetzblatt I 2020, 412). Daher müssen jetzt Boote, die zwar nicht beruflichen Zwecken, aber auch nicht Sport und Erholung dienen, nun doch ein Schiffssicherheitszeugnis vorlegen, weil nun andere Aktivitäten in der Freizeit, außer Erholung ausgeschlossen sind.

Daraufhin forderte Anfang April die „Berufsgenossenschaft Verkehr“ dem Verein Mission Lifeline ein Schiffssicherheitszeugnis nach dem auch für die Berufsschifffahrt geltenden Recht. Mission Lifeline hat ihr Schiff gerade für die Seeotrettung umgerüstet. Für das neue Sicherheitszeugnis bedarf es nun einer weiteren zeitaufwendigen und teuren Umrüstung.

Das Seeaufgabengesetz

Die Änderung der Schiffssicherheitsverordnung beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Seeaufgabengesetzes. Danach kann das Bundesverkehrsministerium „zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Seeverkehrs, zur Abwehr von Gefahren für die Meeresumwelt, zur Verhütung von der Seeschifffahrt ausgehender schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Gewährleistung eines sicheren, effizienten und gefahrlosen Schiffsbetriebs“ Rechtsverordnungen über Sicherheitsanforderungen erlassen. Die Sicherheitsanforderungen dürfen aber nur der Abwehr von Gefahren für die Besatzung, für andere Schiffe oder die Meeresumwelt dienen. Andere Zwecke sind sachfremd und nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Daher ist klar: Das Verkehrsministerium darf Schiffe nicht strenger behandeln, nur weil sie zu humanitären Seenotrettungsmissionen verwendet werden.

Sind Rettungsschiffe generell gefährlicher als Sportboote?

Bisher ist nicht bekannt geworden, dass humanitäre Seenotrettungsboote Seeunfälle verursacht hätten. Der Einsatz der vom Rettungsschiff ablegenden Schlauchboote, die die in Seenot befindlichen Menschen in den seeuntauglichen Rubberboats aufnehmen, ist gefährlich für die Besatzung, nicht aber der Aufenthalt auf dem Rettungsschiff selbst. Das Leben der Geretteten und der Besatzung an Bord eines Rettungsschiffs kann durch Überfüllung gefährdet werden, wenn Malta und Italien ihre Häfen schließen. Das hat aber nichts mit der Schiffssicherheit zu tun.
Dass es Andreas Scheuer gerade um die Verhinderung von Seenotrettung überhaupt geht, beweist die ausdrückliche Einbeziehung bloßer Beobachtungsmissionen in die Neuregelung. Die Verwendung von Booten zu Sportzwecken ist keineswegs generell ungefährlicher. Motorbootrennen, Hochseeangeln oder Segelyachten sind für Besatzungen und andere Schiffe durchaus riskanter als umgebaute Fischkutter oder Torpedofangboote der Bundeswehr wie die „Rise Above“ von Mission Lifeline.

Sterben-Lassen als Flüchtlingspolitik

Während die EU im Rettungsgebiet vor der libyschen Küste ihre eigenen Schiffe zurückzieht, zieht Deutschland zu Hause alle Register, um private Rettungsmissionen mit rechtlichen Tricks zu verhindern.

Laut „Seebrücke„, eine weitere internationale Bewegung zur Rettung Schiffbrüchiger, sind auch die Schiffe von Mare Liberum und Resqship betroffen.
Seebrücke verurteilt dieses offensichtlich politische Manöver und fordert, dass Minister Scheuer sofort dafür sorgt, dass diese Verordnungen zurückgenommen werden und die Hilfsorganisationen ohne Verfolgung und Schikane ihrer lebensrettenden Arbeit nachgehen können.

Quellen: Rechtsanwalt Johannes Lichdi auf Mission Lifeline, Seebrücke

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Gerade ist dazu auch ein Bericht im Spiegel erschienen.

Sonderregelungen bei Verordnung von Arzneimitteln und ambulanten SGB V-Leistungen

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im Zusammenhang mit der Pandemie mit SARS-CoV-2 Ende März 2020 zeitlich befristete Sonderregelungen getroffen. Diese wurden Ende Mai 2020 zum großen Teil bis zum 30. Juni verlängert.

Die weiterhin befristet geltenden Sonderregelungen oder deren Aufhebung betreffen folgende Richtlinien bzw. Regelungen:

Verordnung von Arzneimitteln

Das Ausstellen einer neuen Verordnung von Arzneimitteln durch Arztpraxen ist weiterhin, befristet bis zum 30. Juni 2020, nach telefonischer Anamnese möglich, sofern die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt sich nach persönlicher ärztlicher Einschätzung vom Zustand der oder des Versicherten durch eingehende Befragung überzeugen kann. Dabei kann das Arzneimittelrezept auch postalisch übermittelt werden.

Für die Verordnungsmöglichkeiten von Krankenhäusern bei der Entlassung einer Patientin oder eines Patienten gelten weiterhin die flexibilisierten Regelungen, solange die epidemische Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag festgestellt ist.

Verordnung von ambulanten Leistungen durch Krankenhäuser einschließlich der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit

Krankenhausärztinnen und -ärzte können im Rahmen des sogenannten Entlassmanagements weiterhin nicht nur für eine Dauer von bis zu 7 Tagen, sondern bis zu 14 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus häusliche Krankenpflege, Spezialisierte ambulante Palliativversorgung, Soziotherapie, Heil- und Hilfsmittel verordnen sowie eine Arbeitsunfähigkeit feststellen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn das zusätzliche Aufsuchen einer Arztpraxis vermieden werden soll und solange die epidemische Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag festgestellt ist.

Fristenregelungen und Vorgaben bei der Verordnung ambulanter Leistungen

Die Richtlinien des G-BA enthalten Fristen zur Gültigkeit von Verordnungen oder Angaben dazu, bis wann eine Verordnung zur Genehmigung bei der Krankenkasse vorgelegt werden muss. In folgenden Bereichen haben sich die Fristen oder Vorgaben verlängert oder wurden ganz ausgesetzt:

Die Vorgaben, in welchem Zeitraum Verordnungen von Heil- und Hilfsmitteln ihre Gültigkeit verlieren, bleiben vorübergehend ausgesetzt.

Im Bereich der häuslichen Krankenpflege können weiterhin, befristet bis zum 30. Juni 2020, Folgeverordnungen für bis zu 14 Tage rückwirkend verordnet werden, wenn aufgrund der Ausbreitung von COVID-19 eine vorherige Verordnung durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt zur Sicherung einer Anschlussversorgung nicht möglich war. Auch die Begründung der Notwendigkeit bei einer längerfristigen Folgeverordnung von häuslicher Krankenpflege und die 3-Tages-Frist zur Ausstellung der Folgeverordnung bleiben ausgesetzt.

Zusätzlich bestehen bleibt bis 30. Juni 2020 die Regelung, dass die Frist zur Vorlage von Verordnungen häuslicher Krankenpflege bei der Krankenkasse von 3 Tage auf 10 Tage verlängert wird. Dies gilt auch für Verordnungen der Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung sowie der Soziotherapie.

Nicht verlängert wird die Aussetzung der Beschränkung der Dauer der Erstverordnung von häuslicher Krankenpflege auf im Regelfall bis zu 14 Tage. Sie läuft zum 31. Mai 2020 aus.

Folgeverordnung von ambulanten Leistungen auch nach telefonischer Anamnese möglich

Ärztinnen und Ärzte können Folgeverordnungen auch nach telefonischer Anamnese für häusliche Krankenpflege, für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel, Krankentransporte und Krankenfahrten sowie Heilmittel (letztere auch durch Zahnärztinnen und Zahnärzte) ausstellen. Voraussetzung ist, dass bereits zuvor aufgrund derselben Erkrankung eine unmittelbare persönliche Untersuchung durch die Ärztin oder den Arzt erfolgt ist. Die Verordnung kann dann postalisch an die Versicherte oder den Versicherten übermittelt werden.

Genehmigung von Verordnungen für Krankentransport

Krankentransportfahrten zu nicht aufschiebbaren zwingend notwendigen ambulanten Behandlungen von nachweislich an COVID-19-Erkrankten oder von Versicherten, die aufgrund einer behördlichen Anordnung unter Quarantäne stehen, bedürfen weiterhin nicht der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse.

Nicht verlängert wird die Erweiterung der Fristen für die Verordnung von Fahrten zu einer vor- oder nachstationären Behandlung. Sie lief zum 31. Mai 2020 aus.

Quellen: G-BA, FOKUS-Sozialrecht

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Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket

Am 3.6.2020 haben sich die Regierungsparteien auf ein Konjunkturpaket geeinigt, das auch in einigen Bereichen das Sozialleistungsrecht bzw. wichtige Bereiche der Sozialberatung betrifft. (Vereinbarung im Wortlaut) Dieses Konjunkturpaket muss noch in Gesetzesform gegossen werden – dies soll noch vor der parlamentarischen Sommerpause geschehen. Wichtige Neuerungen:

Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge
Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie steigen die Ausgaben in allen Sozialversicherungen. Um eine dadurch bedingte Steigerung der Lohnnebenkosten zu verhindern, sollen die Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 % stabilisiert werden. Darüber hinaus gehender Finanzbedarfe werden aus dem Bundeshaushalt jedenfalls bis zum Jahr 2021 („Sozialgarantie 2021“) gedeckt.

Kurzarbeitergeld
Vorlage einer „im Lichte der pandemischen Lage“ neuen, „verlässlichen“ Regelung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ab dem 1.1.2021 schon im September 2020.

Grundsicherung für Arbeitsuchende
Verlängerung des vereinfachten Zugangs in die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bis zum 30.9.2020 (aktuell bis 30.6.2020). Dazu gehören die Regelungen aus dem ersten Sozialschutzpaket. Unter anderem die befristete Aussetzung der Berücksichtigung von Vermögen, die befristete Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als angemessen und Erleichterungen bei der Berücksichtigung von Einkommen in Fällen einer vorläufigen Entscheidung.

Kinderbonus
Einmaliger Kinderbonus von 300 Euro pro Kind für jedes kindergeldberechtigtes Kind; dieser Bonus wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag vergleichbar dem Kindergeld verrechnet. Er wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet.

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
Anhebung des einkommensteuerrechtlichen Entlastungsbetrags für Alleinerziehende von derzeit 1.908 Euro auf 4.000 Euro für die Jahre 2020 und 2021 zur Kompensation des höheren Betreuungsaufwands in Zeiten von Corona. Voraussetzung ist, dass die alleinerziehende Person mit einem minderjährigen Kind in einem gemeinsamen Haushalt als Hauptwohnsitz lebt. In diesem Haushalt darf keine weitere Person leben, die sich an der Haushaltsführung beteiligt. Für jedes weitere Kind erhöht sich der Entlastungsbetrag wie bisher um weitere 240 Euro.

Prämie für Ausbildungsangebot
Prämienzahlung für ein Ausbildungsplatzangebot für kleine und mittlere Unternehmen in 2020: für jeden neu geschlossenen Ausbildungsvertrag eine einmalige Prämie in Höhe von 2.000 Euro, für zusätzlichen Ausbildungsverträge je 3.000 Euro (Auszahlung der Prämien nach Ende der Probezeit).

„Sozial und Mobil“
Für Soziale Dienste wird ein auf die Jahre 2020 und 2021 befristetes Flottenaustauschprogramm „Sozial & Mobil“ aufgelegt, um Elektromobilität im Stadtverkehr zu fördern und die gemeinnützigen Träger bei der Flottenumrüstung zu unterstützen.

Überbrückungshilfen bei Umsatzausfall
Zur Sicherung der Existenz von kleinen und mittelständischen Unternehmen wird für Corona-bedingten Umsatzausfall ein Programm für Überbrückungshilfen aufgelegt. Das Volumen des Programms wird auf maximal 25 Mrd. Euro festgelegt. Die Überbrückungshilfe wird für die Monate Juni bis August gewährt. Angesprochen sind hier unter anderem als Sozialunternehmen geführte Übernachtungsstätten wie Jugendherbergen, Schullandheime, Träger von Jugendeinrichtungen des internationalen Jugendaustauschs und  Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Antragsberechtigt sind Unternehmen, deren Umsätze Corona-bedingt in April und Mai 2020 um mindestens 60 % gegenüber April und Mai 2019 rückgängig gewesen sind und deren Umsatzrückgänge in den Monaten Juni bis August 2020 um mindestens 50 % fortdauern.
Bei Unternehmen, die nach April 2019 gegründet worden sind, sind die Monate November und Dezember 2019 heranzuziehen. Erstattet werden bis zu 50 % der fixen Betriebskosten bei einem Umsatzrückgang von mindestens 50 % gegenüber Vorjahresmonat. Bei einem Umsatzrückgang von mehr als 70 % können bis zu 80 % der fixen Betriebskosten erstattet werden. Der maximale Erstattungsbetrag beträgt 150.000 Euro für drei Monate. Bei Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten soll der Erstattungsbetrag 9.000 Euro, bei Unternehmen bis 10 Beschäftigten 15.000 Euro nur in begründeten Ausnahmefällen übersteigen.

Geltend gemachte Umsatzrückgänge und fixe Betriebskosten sind durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in geeigneter Weise zu prüfen und zu bestätigen. Überzahlungen sind zu erstatten.

Die Antragsfristen enden jeweils spätestens am 31.8.2020 und die Auszahlungsfristen am 30.11.2020.

Quelle: Bundesregierung

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SGB IV: Modernisierung der gemeinsamen sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben

Das Vierte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) kommt in der alltäglichen Berichterstattung über Sozialgesetzgebung, Sozialleistungen und Sozialrecht eher selten vor.

Dabei enthält es die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung in Deutschland. Das SGB IV regelt neben dem Recht des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie der Definitionen sozialversicherungsrechtlicher Grundbegriffe vor allem die Verfassung der Sozialversicherungsträger (Organisation, Sozialversicherungswahlen, Haushalts- und Rechnungswesen). Die Sozialversicherung ist ein Versicherungssystem, bei dem die versicherten Risiken (etwa Krankheit, Mutterschaft,  Pflegebedürftigkeit,  Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Arbeitslosigkeit, Erwerbsminderung, Alter und Tod) gemeinsam von allen Versicherten getragen werden.

Nicht zum Regelungsbereich des SGB IV gehören die Teile des Sozialrechts, die nicht den Charakter einer Versicherung tragen, sondern als Leistungen staatlicher Fürsorge oder sozialer Hilfen bzw. Förderung aus Steuermitteln finanziert werden (etwa Sozialhilfe – SGB XII, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX, Kinder- und Jugendhilfe – SGB VIII).

SGB IV – Änderung

Am 5. Juni soll der Bundesrat einer Änderung des SGB IV zustimmen. Mit dem Gesetz soll das Recht der Sozialversicherungen an Anforderungen aus der Praxis angepasst werden; Vorgaben der Rechtsprechung und Beschlüsse des Rechnungsprüfungsausschusses werden ebenfalls umgesetzt. Schließlich sollen die Möglichkeiten der Digitalisierung auch in diesem Bereich stärker genutzt
werden.

Wesentliche Änderungen sind:

  • Verbesserung der bestehenden Verfahren in der Sozialversicherung
    Neue Regelungen zum Datenaustausch und zur elektronischen Antragstellung beziehungsweise Übermittlung von Bescheinigungen sollen das Verfahren effizienter machen. Dabei soll die Übermittlung von Sozialdaten in weiteren Ausnahmefällen erleichtert und deren Zweckbindung gelockert werden. Die notwendige Beiladung mitbetroffener Sozialversicherungsträger in sozialgerichtlichen Verfahren wird in eine Beiladung auf Antrag umgewandelt.
  • Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts in der gesetzlichen Unfallversicherung
    Hierzu sollen der Unterlassungszwang entfallen und die Individualprävention gestärkt, der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten sowie Beweiserleichterungen rechtlich verankert werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, die gesetzlichen Regeln zur rückwirkenden Anerkennung von Bestandsfällen und zur erhöhten Transparenz in der Berufskrankheitenforschung weiterzuentwickeln.
  • Schließen von Lücken im Leistungsrecht
    Dabei geht es um punktuelle Regelungen, wie zum Beispiel die Anerkennung von Beschäftigungszeiten bei internationalen Organisationen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, die Ausstellung eines Nachweises der Rentenberechtigung direkt mit Rentenbeginn und die Gewährung von Zuschlägen im Rahmen der Witwen- und Witwerrente für im Ausland erbrachte Erziehungszeiten.
  • Schließen des Dienstordnungsrechts
    Das Dienstordnungsrecht soll in seinem letzten Anwendungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung zu Anfang des Jahres 2023 geschlossen werden. Dabei handelt es sich um eine Sonderform der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst, insbesondere im Bereich der Sozialversicherungsträger. Das Dienstverhältnis beruht auf einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag, der durch eine Dienstordnung konkretisiert wird und sich in weiten Teilen (insbesondere hinsichtlich Vergütung und Alterssicherung) an den beamtenrechtlichen Bestimmungen orientiert.
  • Bessere Absicherung der Pensionskassen im Betriebsrentengesetz.
    Ab 2022 sollen auch von Firmen Pensionskassen durchgeführte Betriebsrenten unter den Schutz des Pensionssicherungsvereins gestellt werden; damit der Alterssicherungsanspruch auch bei einer Insolvenz der Pensionskasse gesichert bleibe.

Quelle: Bundesrat, Wikipedia

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Lohnfortzahlung im Bundestag beschlossen

Wie letzte Woche schon angekündigt, wird die bereits geltende Lohnfortzahlung bei Kita- und Schulschließung von sechs auf zehn Wochen verlängert.

Beschlossen wurde die Verlängerung der Anspruchsdauer in § 56 Absatz 2 Satz 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und die Änderung von § 56 Absatz 1a Satz 1 IfSG, sodass sichergestellt wird, der Anspruch auch erwerbstätigen Personen zusteht, die hilfebedürftige Menschen mit Behinderung selbst beaufsichtigen, betreuen oder pflegen, und zwar unabhängig von deren Alter.

Höchsten 20 Wochen

Die Dauer der Lohnfortzahlung soll von sechs auf bis zu zehn Wochen für jeden Sorgeberechtigten ausgeweitet werden. Künftig besteht damit insgesamt ein Anspruch auf bis zu 20 Wochen Entgeltfortzahlung – jeweils 10 Wochen für Mütter und 10 Wochen für Väter. Für Alleinerziehende wird der Anspruch ebenfalls auf maximal 20 Wochen verlängert. Der Maximalzeitraum von 10 beziehungsweise 20 Wochen muss nicht an einem Stück in Anspruch genommen werden, sondern kann über mehrere Monate verteilt werden.

Voraussetzung für eine Entschädigung ist, dass Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, behindert oder auf Hilfe angewiesen sind, mangels anderer zumutbarer Betreuungsmöglichkeit von den Eltern selbst betreut werden. Ersetzt werden 67 Prozent des Verdienstausfalls, maximal 2016 Euro monatlich. Die Auszahlung übernimmt der Arbeitgeber, der bei der zuständigen Landesbehörde einen Erstattungsantrag stellen kann.

Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen

Mit den Änderungen in § 56 Absatz 1a Satz 1 IfSG wird sichergestellt, dass der Anspruch auch erwerbstätigen Personen zusteht, die hilfebedürftige Menschen mit Behinderung selbst beaufsichtigen, betreuen oder pflegen, und zwar unabhängig von deren Alter. Bei behinderten und auf Hilfe angewiesenen Kindern kommt es demnach nicht mehr auf das Lebensalter an, die Formulierung „ihr Kind“ soll hier nur das Verwandtschaftsverhältnis kennzeichnen. Eine Sorgeberechtigung ist nicht Voraussetzung. In Folge des aktuellen Ausbruchsgeschehen der durch das neuartige Coronavirus wurden neben Schulen und Einrichtungen zur Betreuung von Kindern auch Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen geschlossen. Ziel der Ergänzung ist daher auch die Abmilderung von Verdienstausfällen, die erwerbstätige Personen von Personen, die behindert und auf Hilfe angewiesen sind, erleiden, wenn sie ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können, weil Einrichtungen zur Betreuung für Menschen mit Behinderungen, insbesondere Werkstätten oder Tagesförderstätten für behinderte Menschen, aufgrund behördlicher Anordnung zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten vorübergehend verboten ist. Vor diesem Hintergrund wird in der Folge Satz 3 um die Betriebsferien als Ausschlussgrund ergänzt.

Rückwirkend zum 30. März

Nachdem der Bundestag den Gesetzentwurf nun beschlossen hat, muss der Bundesrat noch grünes Licht geben.
Die Regelung soll rückwirkend zum 30. März in Kraft treten.

Quelle: Bundestag

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Ferienjobs mit höherem Freibetrag

Einkommen von Schülerinnen und Schülern aus sogenannten Ferienjobs soll künftig bis zu einem Betrag von 2 400 Euro und unabhängig vom Zeitraum der Ferienbeschäftigung von der Einkommensberücksichtigung nach dem SGB II ausgenommen werden.

Das ist Inhalt der Achten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung, die das BMAS als Refentenentwurf am 25.5.2020 veröffentlichte.

Bisherige Regelung

Seit 1.6.2010 werden Einnahmen von Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien für höchstens vier Wochen je Kalenderjahr ausgeübt werden, nicht als Einkommen i.S.d. § 11 SGB II berücksichtigt, soweit diese den Betrag von 1.200 Euro jährlich nicht überschreiten. Dies galt allerdings nicht für Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben.

Die Privilegierung erstreckte sich auf die Schulferien von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen. Sie gilt nicht für Schülerinnen und Schüler einer Berufsschule während einer Berufsausbildung (duale Ausbildung), wenn die Schüler gleichzeitig eine Ausbildungsvergütung erhalten.

Schulferien bezeichnen die Zeit zwischen zwei Schulabschnitten. Die Privilegierung erstreckte sich somit nicht auf Erwerbstätigkeiten in den dem letzten Schuljahr folgenden Schulferien.

Die zeitliche Begrenzung auf die Schulferien knüpft an die Regelung des Jugendarbeitschutzgesetzes an, wonach eine Beschäftigung von Jugendlichen, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, für längstens vier Wochen im Kalenderjahr zulässig ist. Diese Jugendlichen dürfen nach § 15 Satz 1 JArbSchG höchstens an fünf Arbeitstagen je Woche arbeiten. Für Schülerinnen und Schüler, die nicht den Beschränkungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes unterliegen, gelten die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes.

Die Privilegierung als Einkommen steht der Berücksichtigung als Vermögen nicht entgegen. Erhält ein Schüler im Laufe eines Monats anrechnungsfreie Einnahmen, ist zu Beginn des nächsten Monats (Bedarfszeitraums) zu prüfen, ob im Hinblick auf das zu berücksichtigende Vermögen Hilfebedürftigkeit besteht.

Auf den Zeitraum von vier Wochen werden innerhalb der Schulferien ausgeübte Erwerbstätigkeiten, aus denen nur anrechnungsfreie Einnahmen erzielt werden, nicht angerechnet. Damit werden Unbilligkeiten vermieden, die anderenfalls entstehen könnten, wenn eine auch während der Schulzeit ausgeübte, sehr geringfügige Beschäftigung („Taschengeldjob“) in den Schulferien weiter ausgeübt wird.

Neuregelung

Mit der Neuregelung entfällt die Vierwochengrenze und wird die betragsmäßige Höchstgrenze auf 2 400 Euro je Kalenderjahr verdoppelt. Hierdurch erhalten Schülerinnen und Schüler einen noch stärkeren Anreiz, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Dies ist aus mehreren Gründen – auch und gerade in Zeiten der Corona-Krise – geboten.

Im Lebensmitteleinzelhandel, insbesondere in Supermärkten, werden vielfach Ferienjobs für Schülerinnen und Schüler angeboten. Die Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel leisten in der Corona-Krise einen kaum zu überschätzenden Beitrag, indem sie Versorgung der Bevölkerung weiterhin sicherstellen. Im Rahmen von Ferienjobs könnten auch Schülerinnen und Schüler hier zusätzlich unterstützen und dadurch nicht zuletzt auch die übrigen Beschäftigten dort entlasten. Mit dem Einkommen aus Ferienjobs können sich Schülerinnen und Schüler selbstbestimmt durch eigene Arbeitsleistung Wünsche erfüllen, die auf Grund der Hilfebedürftigkeit der Eltern ansonsten nicht umsetzbar wären. Diese – bislang durch die bestehenden Begrenzungen eingeschränkte – Möglichkeit wird mit der Neuregelung nochmals stärker als bisher unterstützt. Insbesondere die Verdoppelung der betragsmäßigen Höchstgrenze auf dann 2 400 Euro ermöglicht Schülerinnen und Schülern, spürbar höhere Einnahmen aus Ferienjobs zu erzielen, ohne dass es zu einer Einkommensberücksichtigung kommt. Die Praxis hat überdies gezeigt, dass der Höchstbetrag in der Regel nicht erreicht wird. Damit machen Schülerinnen und Schüler aus hilfebedürftigen Familien zugleich die Erfahrung, dass sich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit lohnt.

Schließlich wird durch die Neuregelung auch das Verwaltungsverfahren erheblich vereinfacht. Es muss künftig lediglich geprüft werden, ob die Beschäftigung während der Ferienzeiten ausgeübt und die betragsmäßige Höchstgrenze von dann 2 400 Euro bereits überschritten wurde. Die aufwändige Prüfung der Vierwochengrenze entfällt dagegen ersatzlos. Auch diese Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens ist in der Corona-Krise zusätzlich geboten. In der Krise kommt es darauf an, die Verfahren reibungslos auszugestalten, damit Betroffene die ihnen zustehenden Leistungen kurzfristig und zuverlässig erhalten. Dies muss auch in der Krise sichergestellt sein, wenn möglicherweise Antragszahlen steigen oder wenn Jobcenter aufgrund von Erkrankungen unter ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Infektionsschutzmaßnahmen ihren Dienstbetrieb einschränken müssen. Es gilt insoweit, die Arbeitsfähigkeit der Jobcenter aufrechtzuerhalten.

Quellen BMAS, SOLEX

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Arbeit von Morgen

Mit dem „Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung“, kurz „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ sollen die Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik weiterentwickelt werden, um die Menschen in Deutschland rechtzeitig auf die Arbeit von morgen vorbereiten zu können. Angesichts der Erkenntnis, dass in lebensbegleitendem Lernen und Weiterbildung der Schlüssel zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit im Strukturwandel liegt, sollen besonders die Möglichkeiten von Weiterbildung und Qualifizierung in besonderen Situationen weiter gestärkt werden.

Der Bundesrat hat das Gesetz durchgewunken. Der ursprüngliche Entwurf wurde in der Beschlussfassung des Bundestags noch ergänzt.

Wesentliche Inhalte des Gesetzes:

Erhöhte Zuschüsse bei Qualifizierungsvereinbarungen und bei besonderen Weiterbildungsbedarfe (82 SGB III). Für Betriebe, die vor gravierenden betrieblichen Veränderungen stehen und in denen kurzfristig ein hoher Anteil der Beschäftigten umfänglich nachqualifiziert werden muss, soll dies mit erweiterten Fördermöglichkeiten unterstützt werden. Die bestehenden, mit dem Qualifizierungschancengesetz geschaffenen Zuschussmöglichkeiten werden um 10 Prozentpunkte erhöht, wenn bei mindestens einem Fünftel der Belegschaft eines Betriebes qualifikatorische Anpassungen erforderlich sind. Die Erhöhung der Zuschüsse erfolgt sowohl für die Lehrgangskosten als auch die Zuschüsse zum Arbeitsentgelt.

Die Qualifizierungsmöglichkeiten in einer Transfergesellschaft (§ 111a SGB III) sollen ausgebaut werden. Insbesondere soll die Qualifizierung aller Beschäftigten unabhängig von Alter und bisheriger Qualifikation gefördert werden können. Außerdem kann sich die Bundesarbeitsagentur künftig bis zu 75 Prozent an den Kosten für Qualifizierungsmaßnahmen beteiligen.

Rechtsanspruch auf Förderung des Nachholens eines Berufsabschlusses (§ 81 SGB III). Geringqualifizierte sollen einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Förderung einer berufsabschlussbezogenen Weiterbildung durch Agenturen für Arbeit und Jobcenter erhalten. Damit wird eine Vereinbarung der Nationalen Weiterbildungsstrategie umgesetzt.

Assisitierte Ausbildung (§ 75 und 75a SGB III). Auch die Ausbildungsförderung soll weiter gestärkt werden: die Assistierte Ausbildung soll verstetigt und weiterentwickelt werden. Dabei sollen ausbildungsbegleitende Hilfen und Assistierte Ausbildung zusammengeführt werden. Angebote der ausbildungsbegleitenden Hilfen sollen künftig im Rahmen der Assistierten Ausbildung zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit, während einer betrieblichen Berufsausbildung mit der weiterentwickelten Assistierten Ausbildung zu fördern, soll auch für Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die ihre Berufsausbildung in Deutschland absolvieren, geöffnet werden. Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Einstiegsqualifizierung wird eine Fahrkostenförderung geschaffen.

Kurzarbeit (§ 109 SGB III) Um für etwaige längere Zeiten der Kurzarbeit gewappnet zu sein und einen verstärkten Anreiz für Weiterbildung der davon betroffenen Beschäftigten setzen zu können, soll eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung in das Gesetz aufgenommen werden. So soll Betrieben, die ihre Beschäftigten bei länger anhaltendem Arbeitsausfall beruflich qualifizieren, unter erleichterten Voraussetzungen eine längere Zahlung des Kurzarbeitergeldes ermöglicht werden können. Zudem soll geregelt werden können, dass den Betrieben die von ihnen allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge teilweise erstattet werden können.

Die Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld wurden schon vorab durch die Corona-Rettungschirme rechtskräftig.

Pauschalierte Nettoentgelte (§ 106 SGB III) Mit der vorgesehenen Ergänzung der Regelungen zur Berechnung der Nettoentgeltdifferenzen, die Grundlage für die Berechnung der Höhe des Kurzarbeitergeldes sind, entfällt die Notwendigkeit, jährlich eine Verordnung über die pauschalierten Nettoentgelte für das Kurzarbeitergeld zu erlassen. Mit der Änderung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, den Programmablaufplan zur Berechnung der pauschalierten Nettoentgelte für das Kurzarbeitergeld im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Mit der Veröffentlichung des Programmablaufplans bleiben die Arbeitgeber in der Lage, das Kurzarbeitergeld für ihre Beschäftigten maschinell zu berechnen. Die BA wird auch in Zukunft die Tabellen zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes auf ihrer Internetseite veröffentlichen, um Arbeitgebern, die keine IT-gestützte Berechnung des Kurzarbeitergeldes nutzen, eine Arbeitshilfe zur manuellen Berechnung zur Verfügung zu stellen.

Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bei beruflicher Weiterbildung (§ 106 SGB III) Als Anreiz für den Arbeitgeber, Zeiten der Kurzarbeit für Weiterbildung ihrer Beschäftigten zu nutzen, sollen befristet die von ihm während dieser Zeit allein zu tragenden Sozialversicherungskosten auf Antrag pauschaliert zur Hälfte erstattungsfähig sein. Voraussetzung soll aber sein, dass die berufliche Weiterbildung die Voraussetzungen des § 82 erfüllt. Dadurch wird ein Gleichklang mit den Fördermöglichkeiten des Qualifizierungschancengesetzes und der Qualifizierung während Kurzarbeit hergestellt. Da die Entwicklung des Arbeitsausfalls und damit der Umfang der Kurzarbeit, die für Qualifizierung zur Verfügung steht, nicht im Vorhinein feststehen, ist der Umfang des Anteils der Qualifizierung an der Ausfallzeit von mindestens 50 Prozent jeweils für den Zeitraum eines Kalendermonats ab Beginn  der Qualifizierung anteilig bis zu deren Ende zu ermitteln.

Die Arbeitsuchend- und Arbeitslosmeldung (§ 141 SGB III) soll künftig auch elektronisch möglich sein, allerdings erst zum  1. Januar 2022.

Quellen: Bundestag, Bundesrat

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Intensivpflege – Gesetz weiter in der Kritik

Das Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und
medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung
(Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV-IPReG) war auf FOKUS Sozialrecht schon mehrfach Thema (hier, hier, hier)

In der kommenden Woche, am 27.5.2020, wird der Gesetzentwurf erneut im Bundestag beraten. Auch in seiner aktuellen Fassung ruft es Widerstand vor allem bei den Betroffenen und ihren Verbänden hervor. Hauptkritikpunkt bleibt, dass zukünftig der Medizinische Dienst im Wege der Beurteilung darüber, ob eine dauerhafte Versorgung in der eigenen Häuslichkeit sichergestellt sei, entscheidet, wo und wie ein Mensch die nötige intensivpflegerische Versorgung erhält.

Ziele des Gesetzes

Fehlanreize in der Intensivpflege beseitigen

Ziel des Regierungsentwurfs ist es, Intensiv-Pflegebedürftige besser zu versorgen, Fehlanreize in der Intensivpflege zu beseitigen und die Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken. Dazu soll ein neuer Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aufgenommen werden.

Verordnen dürfen die außerklinische Intensivpflege nur besonders qualifizierte Ärztinnen und Ärzte. Damit Patientinnen und Patienten in der Intensivpflege dauerhaft qualitätsgesichert versorgt werden, ist vorgesehen, dass die Medizinischen Dienste im Auftrag der Krankenkassen im Rahmen einer persönlichen Begutachtung am Leistungsort jährlich prüfen, ob die medizinische und pflegerische Versorgung sichergestellt werden kann.

Zugang zur medizinischen Rehabilitation erleichtern

Außerdem soll der Zugang zur medizinischen Rehabilitation erleichtert werden: Die verordnenden Ärztinnen und Ärzte sollen die medizinische Notwendigkeit einer geriatrischen Rehabilitation feststellen. Die Krankenkassen sind laut Bundesregierung an diese Feststellung gebunden.

Mit dem Gesetz soll auch das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten gestärkt werden: Der Mehrkostenanteil, den Versicherte tragen müssen, wenn sie eine andere als die von der Krankenkasse zugewiesene Reha-Einrichtung wählen, soll halbiert und die Mindestwartezeit für eine erneute Reha von Kindern und Jugendlichen gestrichen werden.

Gegenposition und Änderungsvorschläge

Die Änderungsungsvorschläge stammen von AbilityWatch e.V.

§ 37c Abs. 2 Satz 2 soll so gefasst werden, dass einerseits gegen Abrechnungsbetrug, Missbrauch und ungenügende Versorgung vorzgegangen werden kann, andererseits die Autonomie und Selbstbestimmung der Versicherten zu gewährleistet werden.

§ 37c Abs. 2 Satz 5: Die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Eine Verweigerung des Eindringens in die Privatsphäre darf nicht mit einer Heimeinweisung sanktioniert werden.

§ 37c Abs. 4: Eine finanzielle Schlechterstellung der ambulanten Wohnform durch einen höheren Eigenanteil als im stationären Bereich darf nicht erfolgen.

§ 37d (neu): Einführung des Arbeitgebermodells in der gesetzlichen Krankenversicherung. Menschen mit Behinderungen, die ihr Leben durch Assistenz selbst organisieren, sind in der Lage eine eigene Einschätzung über die Sicherstellung ihrer Versorgung zu treffen. Die Beurteilung, ob eine Versorgung tatsächlich und dauerhaft sichergestellt ist, muss dieser Personengruppe selbst überlassen bleiben.

Quellen: AbilityWatch e.V., Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Lohnfortzahlung für Eltern verlängert

Erwerbstätige Eltern, die aufgrund von Kita- und Schulschließungen ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, leiden unter einer Doppelbelastung. Um sie in der Corona-Pandemie weiterhin zu unterstützen, hat die Bundesregierung die geltende Lohnfortzahlung verlängert.

Insgesamt 20 Wochen

Eltern, die aufgrund der Corona-Pandemie mit gleichzeitiger Kinderbetreuung und Berufsausübung unter einer Doppelbellastung leiden, erhalten weiterhin Unterstützung. Die bereits geltende Lohnfortzahlung bei Kita- und Schulschließung wird von sechs auf zehn Wochen verlängert. Das hat das Kabinett beschlossen.

Der Anspruch setzt voraus, dass Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, behindert oder auf Hilfe angewiesen sind, mangels anderer zumutbarer Betreuungsmöglichkeit von den Eltern selbst betreut werden. Ersetzt werden 67 Prozent des Verdienstausfalls (bis maximal 2016 Euro monatlich).

Die 10 Wochen zählen pro Elternteil, dass heißt Eltern haben insgesamt einen Anspruch auf 20 Wochen. Alleinerziehende haben ebenfalls Anspruch auf 20 Wochen Lohnfortzahlung.

Die Lohnfortzahlung kann auch tageweise in Anspruch genommen werden, wenn die Betreuung der Kinder zum Beispiel nur einen oder zwei Tage in der Woche gewährleistet ist. Der Gesamt anspruch verlängert sich dadurch dementsprechend.

Neuregelung im März

Im ersten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung wurde im Infektionsschutzgesetz eine Entschädigungsregelung für Eltern geschaffen, deren Kindern der Besuch einer Betreuungseinrichtung durch entsprechende behördliche Schließungen nicht mehr möglich ist. Sie erhielten bis zu sechs Wochen 67 % ihres Verdienstausfalls (maximal 2016 Euro).
Die Frist, diese Entschädigung zu beantragen wurde im zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung von drei auf zwölf Monate verlängert.

Von Sozialverbänden wird kritisiert, dass 67% des Nettolohns bei weitem nicht ausreicht. Außerdem sollte der Anspruch für die Dauer der Krise gelten. Es fehel ein ausreichender Kündigungsschutz. Der Nachweis, dass Eltern keine andere „zumutbare Betreuungsmöglichkeit“ haben, müsse gestrichen werden.

Noch gibt es keinen veröffentlichten Gesetzentwurf, in denen man genauer die Einzelheiten und die Begründungen überprüfen könnte.

Quelle: BMAS, FOKUS-Soziarecht
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Unterstützung von Wissenschaft und Studierenden aufgrund der COVID-19-Pandemie

Das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz von Ende März führte unter anderem den  § 53 Absatz 2 BAföG ein. Damit sollten unerwünschte Leistungskürzungen in den Fällen vermieden werden, in denen nach dem BAföG geförderte Auszubildende – etwa im Medizinstudium oder in einer schulischen Gesundheitsberufsausbildung – während eines bereits laufenden Bewilligungszeitraums vergütete Einsatztätigkeiten zur Bekämpfung der aktuellen Corona-Pandemie in oder für Einrichtungen aufnehmen, die der medizinischen Behandlung oder Versorgung oder der Pflege dienen.
Diese Vorschrift ist nun wieder rückwirkend zum 1. März 2020 gestrichen.

Stattdessen: Neuregelung des Einkommensbegriffs

Mit der Neuregelung des Einkommensbegriffs in § 21 Absatz 4 BAföG sollen die Ausnahmetatbestände von Einkünften, die nicht als Einkommen gelten, in einer neuen Nummer 5 um zusätzliche Einkünfte aus pandemiebedingt übernommenen bzw. hinsichtlich des Arbeitszeitumfangs aufgestockten Tätigkeiten ergänzt werden. Zugleich soll der Kreis der hiervon erfassten Tätigkeitsbereiche auf alle systemrelevanten Branchen und Berufe ausgedehnt werden. Durch die Regelung soll ein Anreiz geschaffen werden, auf freiwilliger Basis vorübergehend Tätigkeiten in diesen Bereichen aufzunehmen,  beziehungsweise bereits vorher aufgenommene Tätigkeiten aufzustocken.

Die Regelung greift durch die bestehenden Rechtsverweise auch bei Entscheidungen über eine Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz sowie über Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch.

Die vorgesehene Regelung zum Einkommensbegriff des BAföG gilt rückwirkend zum 1. März 2020. Sie soll ausschließlich für Förderungsmonate während der Dauer der aktuellen COVID-19-Pandemie gelten, deren Ende derzeit nicht exakt prognostiziert werden kann. Daher ist in einem neuen Absatz 8a des § 66a BAföG anknüpfend an § 5 Absatz 1 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes als Anwendungsmaßgabe vorgesehen, dass die Regelung nur bis zum Ende des Monats gelten soll, in dem die Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite infolge der CO-VID-19-Pandemie durch den Bundestag festgestellt und bekannt gemacht wird.

Verlängerung von Zeitverträgen

Die vertraglichen Höchstbefristungsgrenzen für wissenschaftliches und künstlerisches Personal können in einer Qualifizierungsphase um die Zeit verlängert werden, in der es pandemiebedingte Einschränkungen des Wissenschaftsbetriebs gibt. Entsprechende Beschäftigungsverhältnisse können bis zu sechs Monaten verlängert werden – vorausgesetzt, sie bestehen zwischen 1. März und 30. September 2020. Die betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erhalten hierdurch mehr Flexibilität und Planungssicherheit: Es soll ihnen ermöglicht werden, ihre Promotion und ihre berufliche Weiterentwicklung trotz der Einschränkungen weiterzuverfolgen.

Entschließung: BAföG ausnahmsweise länger zahlen

Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Unterstützung von Wissenschaft und Studierenden aufgrund der COVID-19-Pandemie im Prinzip zugestimmt.

In einer begleitenden Entschließung macht der Bundesrat deutlich, dass BAföG-Studierenden durch die pandemiebedingten Verzögerungen keine Nachteile entstehen dürfen. Die Bundesregierung solle deshalb ausnahmsweise eine Förderung über die Höchstdauer hinaus ermöglichen.

Darlehensprogramm überprüfen

Außerdem kritisiert der Bundesrat, dass die Bundesregierung bei ihren Planungen zur Aufstockung des Nothilfefonds der Studierendenwerke und Ausweitung des Überbrückungskredits für ausländische Studierende die Anregungen aus den Länderkreisen nicht aufgegriffen hat: Sie hatten sich anstelle eines Darlehensmodells für ein Dual-Modell aus Zuschüssen und Darlehen ausgesprochen, um so eine gerechte und niedrigschwellige Unterstützung von Studierenden in Not möglich zu machen. Der Bundesrat appelliert deshalb an die Bundesregierung, das Darlehensprogramm noch einmal im Sinne der Studierenden zu überprüfen.

Quellen: Bundestag, Bundesrat, SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

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