Mit dem „Migrationspaket“ der alten GroKo-Regierung wurden zum 1. September 2019 die Regeln für Asylbewerber verschärft. Unter anderem wurde seitdem mit dem § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), eine eigene Bedarfsgruppe für Asylbewerber in Sammelunterkünften geschaffen, deren Leistungen aufgrund des „Synergieeffektes“ geringer ausfallen. Dabei wurde einfach mal angenommen, dass Menschen aus völlig unterschiedlichen Herkunfts- und persönlichen Hintergründen, von Natur aus so gut miteinander können, dass sie sich auch gegenseitig unterstützen.
Unvereinbar mit dem Grundgesetz
Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht nun kassiert. Mit dem am 24. November 2023 veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist.
„Sonderbedarfsstufe“
Die Entscheidung betrifft alleinstehende Erwachsene, die in sogenannten Sammelunterkünften wohnen und sich seit mindestens 18 Monaten rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Ihnen hat der Gesetzgeber ab dem 1. September 2019 einen um 10 % geringeren Bedarf an existenzsichernden Leistungen zugeschrieben, indem nicht mehr die Regelbedarfsstufe 1, sondern die in § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG neu geschaffene „Sonderbedarfsstufe“ der Regelbedarfsstufe 2 zugrunde gelegt wird. Dies ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums unvereinbar.
Es ist nicht erkennbar, dass in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt werden oder werden können, die eine Absenkung der Leistungen um 10 % tragen würden. Daneben kann der Gesetzgeber zwar im Sinne des Nachrangs staatlicher Leistungen grundsätzlich auch eine von den Bedürftigen nicht genutzte, ihnen aber an sich tatsächlich eröffnete und zumutbare Möglichkeit von Einsparungen berücksichtigen. Doch fehlt es an hinreichend tragfähigen Anhaltspunkten für die Annahme, dass die Voraussetzungen dafür in den Sammelunterkünften tatsächlich gegeben sind.
Quellen: Bundesverfassungsgericht, FOKUS-Sozialrecht
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