Ein breites Bündnis von 22 zivilgesellschaftlichen Organisationen, Verbänden und Gewerkschaften, darunter DGB, Diakonie, Der Paritätische, AWO, Kinderschutzbund, Kinderhilfswerk und VDK, haben in einer gemeinsamen Erklärung zur Bundestagswahl die Parteien aufgefordert, der Bekämpfung von Kinderarmut in der nächsten Wahlperiode höchste Priorität einzuräumen und eine Kindergrundsicherung einzuführen.
Drei Millionen
Zur Zeit leben fast 3 Millionen Kinder und Jugendliche von staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung, davon 1,6 Millionen, obwohl ihre Eltern erwerbstätig sind. Sie sind auf Leistungen nach SGB II und SGB XII angewiesen, auf Kindergrundsicherung, Wohngeld oder Asylbewerberleistungen unter 18 Jahre.
Auswirkungen auf Zukunftschancen
Das Fatale an der Kinderarmut ist, dass sie nicht nur Auswirkungen auf die gegenwärtige Lage der Kinder hat, sondern ihnen auch in hohem Maße die Zukunftschancen verbaut.
Bürokratische Hindernisse
Viele familienbezogene Leistungen erreichen ihr Ziel nicht. Sie sind aufgrund bürokratischer Hürden nicht einfach zugänglich und vielfach nicht ausreichend aufeinander abgestimmt. Deshalb werden viel zu viele Kinder und ihre Familien nicht erreicht, beispielsweise hat der Kinderzuschlag eine sehr hohe Nichtinanspruchnahme und bei Leistungen von sogenannten „Aufstocker*innen“ spricht die Bundesregierung selbst von einer Dunkelziffer von bis zu 50 Prozent.
Kindergeld – einfach, aber ungerecht
Relativ leicht zu bekommen ist einzig das Kindergeld. Hier profitieren allerdings Familien mit hohen Einkommen durch den Kinderfreibetrag deutlich stärker als Familien, die nur das Kindergeld erhalten – dieser Vorteil kann sich bis zum 18. Geburtstag eines Kindes auf bis zu 20.000 Euro summieren.
Umfassende Reform
Die unterzeichnenden Organisationen fordern deshalb eine umfassende Reform zur Bekämpfung von Kinderarmut. Die Kindergrundsicherung gehört in den nächsten
Koalitionsvertrag und muss als prioritäres Vorhaben in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden.
Anforderungen an eine Kindergrundsicherung
Die Kindergrundsicherung muss so ausgestaltet sein,
- dass sie eine eigenständige Leistung für jedes Kind ist.
- Sie soll bestehende kinderbezogene Leistungen bündeln und Kindergeld, den steuerlichen Kinderfreibetrag, den Kinderzuschlag, die Hartz-IV-Leistungen für Kinder und Jugendliche und die pauschalen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets ersetzen.
- Die Basis für eine Kindergrundsicherung muss ein neu berechnetes kindliches
Existenzminimum sein, dazu gehören die notwendigen Ausgaben für den Lebensunterhalt genauso wie für Bildung und soziale Teilhabe. Notwendig ist eine
Leistungshöhe, die deutlich über den Hartz-IV-Sätzen für Kinder und Jugendliche liegt. - Sie muss sozial gerecht ausgestaltet sein und Kinder in allen Familienformen gleichermaßen erreichen. Die am stärksten von Armut betroffenen Familien müssen deutlich bessergestellt werden, mit steigendem Einkommen sinkt die Leistung langsam ab. Die Anrechnung von Einkommen muss so gestaltet werden, dass die Aufnahme oder die Ausweitung einer Erwerbstätigkeit ausreichend wertgeschätzt und honoriert wird. Schnittstellen zu anderen Leistungen, wie Unterhalt und Unterhaltsvorschuss müssen gut aufeinander abgestimmt sein.
- Sie muss einfach, unbürokratisch und möglichst automatisch ausgezahlt werden, damit sie auch tatsächlich bei allen Kindern ankommt. Familien brauchen eine einzige Anlaufstelle vor Ort.
Soziale Infrastruktur
Flankierend zur Einführung einer Kindergrundsicherung muss eine bedarfsgerechte soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche und ihre Familien aufgebaut werden.
Vorschläge gibt es schon
Die Neuberechnung des kindliches Existenzminimum ist dabei ein zentrales Element. Hier gibt es schon einige Vorschläge, beispielsweise vom DGB oder von den Grünen, die als Grundlage eines gesellschaftlichen Diskurses dienen können.
Quelle: Der Paritätische
Abbildung: Privat: Thomas Knoche