Mindestlohn und Praktikum

Im Mindestlohngesetz ist im § 22 unter der Überschrift „Persönlicher Anwendungsbereich“ festgeschrieben, dass jemand, der ein Praktikum absolviert grundsätzlich Anspruch auf einen Mindestlohn hat. Als Praktikant*innen gelten Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung handelt.

kein Mindestlohn während einer Ausbildung

Dementsprechend haben Personen, die Praktika ausüben, die zu einer Berufsausbildung gehören, keinen Anspruch auch Mindestlohn:

  • Praktika, die verpflichtend im Rahmen einer Schul-, Ausbildungs- oder Prüfungsordnung geleistet werden,
  • Berufspraktika.

Nicht unter das Mindestlohngesetz fallen außerdem

  • Praktika von bis zu sechs Wochen Dauer zur Orientierung für die Wahl einer Ausbildung oder eines Studiums,
  • Praktika von bis zu sechs Wochen, welches während der Ausbildung geleistet wird und inhaltlichen Bezug zur Ausbildung aufweist, wenn nicht bereits zuvor ein solches Praktikum bei demselben Ausbildenden geleistet wurde.

Nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen zudem Praktikantinnen und Praktikanten, die an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III teilnehmen.

BAG-Entscheidung

Nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden verpflichtende Vorpraktika vor Studienbeginn. Darüber musste das Bundesarbeitsgericht am 19. Januar 2022 entscheiden.

Der Fall

Eine angehende Medizinstudentin absolvierte von Mai bis November 2019 ein Praktikum auf der Krankenpflegestation eines Krankenhauses. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Dem Arbeitgeber war bekannt, dass sie beabsichtigte, sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Für diesen Studiengang ist laut Studienordnung vorher ein sechsmonatiger Krankenpflegedienst als Zugangsvoraussetzung abzuleisten. Die Studentin verlangte nun rückwirkend eine Bezahlung nach Mindestlohn für ihre Arbeit während des Praktikums.

kein Anspruch

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass verpflichtende Vorpraktika unter die Praktika fallen, die verpflichtend im Rahmen einer Schul-, Ausbildungs- oder Prüfungsordnung geleistet werden müssen. Daher bestehe kein Anspruch auf Mindestlohn. Im vorliegenden Fall war es aus Sicht des BAG unerheblich, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, da diese staatlich anerkannt sei.

Quelle: BAG, Haufe, SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

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Minijobgrenze steigt

Mitte 2020 gab es in Deutschland etwa 7 Millionen Menschen, die einen Minijob ausübten. Die Mehrzahl davon waren Frauen. In der Reinigungsbranche arbeiten etwa 1,1 Millionen Minijobber*innen. Sie verdienen im Höchstfall 450 Euro im Monat. Die soziale Absicherung ist eher mäßig bis schlecht. Viele Minijobs verdrängen reguläre Arbeitsplätze, weil oftmals für Arbeitgeber das Anbieten von Minijobs attraktiver ist als das Einrichten regulärer Arbeitsplätze.

Immer weniger Stunden bis zur Obergrenze

Seit 2015 müssen auch Minijobber mindestens den gesetzlichen Mindestlohn bekommen. Der Mindestlohn damals betrug 8,50 Euro. Im Laufe der Jahre stieg der Mindestlohn an, die Minijobgrenze aber blieb. Das bedeutete, dass Minijobber immer weniger Stunden brauchten, um an die Obergrenze von 450 Euro zu stoßen:

JahrHöhe (in EUR)Stunden (pro Monat)
20158,5052,9
20178,8450,9
20199,1949,0
20209,3548,1
1.1.20219,5047,4
1.7.20219,6046,9
1.1.20229,8245,8
1.7.202210,4543,1

Ziel: 10-Stunden-Woche

Mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro würden ab Oktober 2022 schon 37,5 Monatsstunden reichen, um auf 450 Euro zu kommen. Deswegen plant das BMAS eine gleichzeitige Erhöhung der Minijobgrenze auf 520 Euro. Das bedeutet, dass dann 43,3 Stunden, also ziemlich genau eine 10-Stunden-Woche, reichen, um die Obergrenze zu erreichen, also in etwa so viel wie im Juli 2022, aber weniger als Anfang 2022. Um auf die 52,9 Stunden wie 2015 zu kommen, bräuchte es eine Obergrenze von 635 Euro.

Auch Midijobs betroffen

Gleichzeitig, so der Plan, wird auch die Obergrenze für Midijobs von 1300 Euro auf 1600 Euro steigen. In diesem Übergangsbereich (früher: Gleitzone) steigt der Arbeitnehmerbeitrag für die Sozialversicherung von ca. 10 % linear auf den vollen Anteil von ca. 20 % an. Der Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung bleibt unverändert bei ca. 20 %.

Dynamisierung

Zu vermuten ist, dass die Obergrenze für Minijob und Übergangsbereich an die Höhe des Mindestlohns gekoppelt und damit dynamisiert wird.

Damit würde eine Vorgabe des Koalitionsvertrags erfüllt: „Bei den Mini- und Midi-Jobs werden wir Verbesserungen vornehmen: Hürden, die eine Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung erschweren, wollen wir abbauen. Wir erhöhen die Midi-JobGrenze auf 1.600 Euro. Künftig orientiert sich die Minijob-Grenze an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Sie wird dementsprechend mit Anhebung des Mindestlohns auf 520 Euro erhöht. Gleichzeitig werden wir verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden. Die Einhaltung des geltenden Arbeitsrechts bei Mini-Jobs werden wir stärker kontrollieren.

Abbau von Hürden?

Allerdings kann von einem „Abbau von Hürden bei der Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung“ nicht wirklich die Rede sein kann, solange so ein bürokratisches Berechnungsmonster weiter existiert.

Gewerkschafts-Forderungen

Die Gewerkschaften fordern schon länger für Minijobber*innen einen besseren Schutz vor Arbeitslosigkeit und Anspruch auf Krankengeld. Auch müsse der Minijob mehr für die Rente bringen. Daher sollten Minijobs ausnahmslos rentenversicherungspflichtig werden. Der DGB will, dass hier der volle Sozialversicherungsbeitrag durch den Arbeitgeber übernommen wird. Arbeitnehmer können dann mit steigendem Bruttolohn schrittweise bis zur Parität an der Finanzierung beteiligt werden. Nur so könnten Hürden für die Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung abgebaut werden und verhindert werden, dass Minijobs weiterhin zur Teilzeit- und Armutsfalle für Frauen würden.

Erster Anlauf schon 2019

Einen Anlauf zur Anhebung und Dynamisierung der Minijob-Grenze war schon 2019 im Gespräch. Damals gab es dazu Länderinitiativen und sogar ein Eckpunktepapier des damaligen Wirtschaftsministers Altmeier im Rahmen des Bürokratieentlastungsgesetzes.

Quellen: SOLEX, RND FOKUS-Sozialrecht

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