Modernisierung des Bestellungsverfahrens von Nachlasspflegern

Der Petitionsausschuss stimmte am 10. Oktober 2018 einstimmig dafür, eine Petition an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zu überweisen, die Änderungen hinsichtlich der Bestellung von Nachlasspflegern fordert.

Die Petition fordert, auf die bisherige Regelung zu verzichten, nach der ein Nachlasspfleger vom zuständigen Gericht bestellt und mittels Handschlag zu treuer und gewissenhafter Führung seines Amtes zu verpflichtet werde. Derzeit ist das in § 1789 BGB geregelt. Diese Vorgabe gehe aber an der Praxis vorbei, denn Realität sei, dass zwar eine Nachlasspflegschaft bestellt werde, es aber oft einige Tage dauere, bis sowohl der zuständige Rechtspfleger als auch der bestellte Nachlasspfleger Zeit für eine persönliche Verpflichtung – den Handschlag an Eides statt – hätten.

In der Petition wird daher eine Verpflichtung per Telefax gefordert. Diese sei zeitgemäßer und würde den Sicherungszweck der Nachlasspflegschaft besser erfüllen. Denn mit einem Bestellungsbeschluss, der per Fax übermittelt wird, könne der Nachlasspfleger sofort Sicherungsmaßnahmen ergreifen (z. B. Durchsuchung der Wohnung).

Modernisierung des Vormundschaftsrechts in Vorbereitung

Die Überweisung der Petition nimmt der Ausschuss als Anlass, um die Modernisierungsbestrebungen des Vormundschaftsrechts voranzutreiben.

An einer Reform des Vormundschaftsrechts (die auch eine Reform der Vorschriften des Betreuungsrechts umfasst) – insbesondere einer Neustrukturierung der §§ 1773-1921 BGB – wird ja bereits seit längerem gearbeitet. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hatte bereits im August 2016 einen ersten Diskussionsteilentwurf der geplanten Reform veröffentlicht. Nun liegt seit Mitte September 2018 ein zweiter Diskussionsteilentwurf vor.

Quelle: Aktuelle Meldung des Bundestags vom 10.10.2018 (hib 744/2018)

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Pflegesofortprogramm in der Kritik

In der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag stößt das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (19/4453) bei Gesundheitsverbänden auf einige Bedenken.

Pflegepersonal-Stärkungsgesetz

Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz sieht zahlreiche Initiativen vor.

  • In der stationären Altenpflege sollen 13.000 neue Stellen geschaffen und finanziert werden. Je nach Größe erhielten die Pflegeeinrichtungen zwischen einer halben und zwei Pflegestellen zusätzlich.
  • Die Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser sollen ab 2020 aus den Fallpauschalen herausgenommen und auf eine krankenhausindividuelle Vergütung umgestellt werden. Zudem würde ab 2020 erstmals in Kliniken ein Pflegepersonalquotient ermittelt, der das Verhältnis der Pflegekräfte zum Pflegeaufwand beschreibe.
  • Jede zusätzliche oder aufgestockte Pflegestelle im Krankenhaus solle künftig vollständig von den Krankenversicherungen refinanziert werden. Bereits für das Jahr 2018 sollen rückwirkend auch Tarifsteigerungen für Pflegekräfte im Krankenhaus voll refinanziert werden.

Kritik der Experten

Die Fachverbände und Experten begrüßen die Intention, das Pflegepersonal in der stationären Kranken- und Altenpflege aufzustocken, allerdings werden die dazu vorgesehenen Methoden kritisch hinterfragt.

  • Nach Ansicht des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) ist der Gesetzentwurf zu einseitig auf Verbesserungen in der vollstationären Pflege ausgerichtet. Um die Lage zu verbessern, müsse es auch im teilstationären und ambulanten Bereich mehr Pflegekräfte geben.
  • Der Sozialverband VdK ging auf die steigenden Eigenanteile in Pflegeheimen ein. Höhere Vergütungen der Fachkräfte in der vollstationären Pflege führten ,,zu wahrhaften Kostenexplosionen für die Pflegehaushalte“ und in der ambulanten Pflege gegebenenfalls zu einer Unterversorgung. Der Anstieg der Eigenanteile müsse schnellstens gestoppt und zurückgeführt werden. Die 13.000 zusätzlichen Stellen in der Altenpflege reichten zudem für eine adäquate Versorgung nicht aus.
  • Der AOK-Bundesverband kritisierte die geplante Herauslösung der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen (DRG) im Krankenhaus. Die Rückkehr zur Selbstkostendeckung sei nicht nachvollziehbar, weil mit dem DRG-System erst die nötige finanzielle Transparenz hergestellt werde.
    Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte hingegen, mit der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den DRGs werde die Grundlage gelegt für eine bessere Personalverfügbarkeit und bessere Arbeitsbedingungen und somit für die Qualität der Versorgung.
  • Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wandte sich gegen die Streichung des Pflegezuschlags im Umfang von bisher 500 Millionen Euro pro Jahr ab 2020. Damit würden die Kliniken in ihren Möglichkeiten zur Stärkung der Pflege geschwächt. Die vorgesehenen Verbesserungen für das Pflegepersonal müssten weitgehend aus dem Mittelbestand der Häuser genommen werden. Die DKG forderte, den Pflegezuschlag dauerhaft zu erhalten.
    Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes nannte in der Anhörung die Argumente der DKG nicht nachvollziehbar. Wenn die Krankenhauspflege künftig vollständig refinanziert werde, sei der Pflegezuschlag nicht mehr nötig.
  • Die geplante Methode zur Ermittlung des Personalbedarfs in der Klinikpflege wird vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) abgelehnt. Ein  Personalquotient könne die Versorgungsqualität nicht verbessern. Nötig sei ein fundiertes Personalbemessungsverfahren, das sich am tatsächlichen Pflegebedarf orientiere. Dazu gebe es bereits Instrumente wie die Pflegepersonalregelung (PPR) und die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV).
  • Die Ökonomin Dr. Susanna Kochskämper mahnte in der Anhörung, angesichts steigender Kosten in der Pflege müsse über die künftige Finanzierung und Lastenverteilung neu beraten werden. Auch ein Sprecher der Deutschen Stiftung Patientenschutz forderte ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der Pflege.

Änderungsvorschläge des Bundesrats

Der Bundesrat hatte den Gesetzentwurf in seiner letzten Sitzung am 21.9. beraten und zahlreiche Änderungen am Entwurf der Bundesregierung für ein Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (19/4453) gefordert. Die meisten Vorschläge wurden von der Bundesregierung abgelehnt, in einigen Fällen wird eine Prüfung zugesagt, wie aus der Unterrichtung (19/4729) der Bundesregierung hervorgeht.

Der Bundesrat will unter anderem, dass an dem Pflegezuschlag für Krankenhäuser in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr festgehalten wird. Derzeit ist vorgesehen, den Zuschlag ab 2020 zu streichen. Die Länderkammer befürchtet, in der Folge könnten ungewollte Finanzierungslücken entstehen, die in anderen Bereichen der Krankenhäuser die Personallage beeinträchtigen.

Die Bundesregierung will nun prüfen, ob neben der Einführung des Pflegebudgets auf den gänzlichen Wegfall des Pflegezuschlags verzichtet werden kann.

Es soll auch geprüft werden, inwieweit Maßnahmen zur Verbesserung der Hebammenbetreuung bei Geburten im Krankenhaus gefördert werden können. Zudem wird geprüft, ob weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Pflegekräfte in Rehabilitationseinrichtungen sowie der Einrichtungen selbst erforderlich sind.

Bei weiteren zu prüfenden Änderungen geht es unter anderem um Regelungen im Zusammenhang mit dem fortgeführten Krankenhausstrukturfonds, die Kontrolle intensiv-pflegerischer Leistungen, die bessere Vergütung ambulanter Pflegedienste sowie bestehende pflegeentlastende Maßnahmen, die im Pflegebudget erhöhend berücksichtigt werden sollen.

Der Gesetzentwurf ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig.

Quelle: Bundestag

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Häusliche Krankenpflege in Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Bisher hatten stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe oft das Problem, dass die Finanzierung der häuslichen Krankenpflege bei erkrankten Bewohnern ungeklärt war. Grund dafür ist, dass im § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V über den Anspruch auf häusliche Krankenpflege stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nicht ausdrücklich als “ geeigneter Ort“ aufgelistet sind. Als Beispiel für „geeignete Orte“ der häusliche Krankenpflege sind dort neben Haushalt und Familie auch betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und Werkstätten für Behinderte aufgeführt.

Klarstellung im Pflegestärkungsgesetz zum 1.1.2017

Im Rahmen des PSG III wurde Satz 8 in § 37 Abs. 2 SGB V angefügt, der mehr rechtliche Klarheit schaffen soll:
Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen Leistungen der häuslichen Krankenpflege, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert. Dies soll zusätzlich zur bisherigen Praxis auf der Basis der Rechtsprechung des BSG gelten, wonach häusliche Krankenpflege nach dem SGB V auch in Behindertenhilfeeinrichtungen übernommen wird, solange es sich nicht um einfachste Maßnahmen handelt oder die Leistung bereits durch entsprechende Verträge mit dem Eingliederungshilfeträger abgegolten wurde (§ 37 Abs. 2 Satz 8 SGB V).

Häusliche Krankenpflege Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat nun die Häusliche Krankenpflege-Richtlinie konkretisiert und näher bestimmt, in welchen Fällen behinderte Menschen in Einrichtungen oder Werkstätten (nach § 43a SGB XI) künftig Anspruch auf Behandlungspflege haben. Die veränderte Richtlinie liegt derzeit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vor. Sie tritt nach Prüfung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Nach der bisherigen geltenden Fassung der HKP-RL wird der Anspruch auf Häusliche Krankenpflege an einen regelmäßig wiederkehrenden Aufenthalt des Versicherten an den entsprechenden Ort geknüpft sowie daran, ob die verordneten Maßnahmen dort zuverlässig und unter geeigneten räumlichen Bedingungen durchgeführt werden können. Aufgrund der Anfügung des § 37 Absatz 2 Satz 8 SGB V besteht nun ein Anpassungsbedarf in der HKP-RL.

Einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege

Aufgrund der Gesetzesbegründung zu § 37 Absatz 2 Satz 8 SGB V (BT Drucksache 18/10510) sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2015, Az.: B 3 KR 16/14 R) müssen Einrichtungen im Sinne von § 43a SGB XI die erforderlichen sogenannten „einfachsten“ Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege regelmäßig mit eigenem Personal erbringen. Sofern zum Zeitpunkt der Verordnung keine expliziten Hinweise vorliegen, dass die Einrichtung die Maßnahmen nicht mit eigenem Personal erbringen kann, kann die verordnende Ärztin/der verordnende Arzt davon ausgehen, dass die Einrichtung die einfachsten Maßnahmen der Behandlungspflege erbringt. Zu den sog. „einfachsten Maßnahmen“ der medizinischen Behandlungspflege gehören nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Leistungen, die für Versicherte im eigenen Haushalt grundsätzlich von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden könnten. Einfachste Maßnahmen sind somit solche, die ohne medizinische Vorkenntnisse und Fertigkeiten von Laien erbracht werden können und nicht mit nennenswerten Infektions- oder Verletzungsgefahren verbunden sind. Diese fallen damit regelmäßig in den Aufgabenbereich stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe. Insoweit besteht kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Dazu gehört beispielhaft die regelmäßige Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern u. ä.

Weitergehende Behandlung nur, wenn vertraglich festgelegt

Darüber hinaus müssen die Einrichtungen im Sinne von § 43a SGB XI auch weitergehende Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege mit eigenem Personal erbringen, sofern sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt.  Einrichtungen im Sinne von § 43a SGB XI sind jedoch nicht zur Erbringung von behandlungspflegerischen Maßnahmen verpflichtet, wenn insoweit ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege vorliegt, der die ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 37 Absatz 2 Satz 8 SGB V erfordert.

Quellen: Gemeinsamer Bundesausschuss, Bundessozialgericht, Solex

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Neuregelung für Selbständige durch das GKV-VEG

Das geplante GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG) enthält eine Neuregelung für Selbständige, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.

Die Beiträge für freiwillig Versicherte mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und Versorgungsbezüge werden seit dem 1.1.2018 zunächst immer vorläufig festgesetzt. Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides werden die Beiträge für diese Einkommensarten für das betreffende Kalenderjahr auf der Basis der tatsächlich erzielten Einkünfte rückwirkend neu festgesetzt. So kommt es letztlich entweder zu einer Erstattung oder zu Nachzahlung von Beiträgen. In jedem Fall gilt aber eine Untergrenze (Mindestbemessungsgrenze), nach der die Krankenkassenbeiträge berechnet werden, auch wenn der Selbständige tatsächlich weniger verdient hat als die Mindestbemessungsgrenze.

Senkung der Mindestbemessungsgrenze

Zum 1.1.2019 sieht der Gesetzentwurf im § 240 Abs.4 SGB V eine Senkung der Mindestbemessungsgrenze vor. So sollen dann als beitragspflichtige Einnahme pro Tag nur noch der achzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße zählen, sofern der Nachweis niedriger Einnahmen erfolgt ist. Das gleiche gilt dann auch für Bezieher eines Gründungszuschusses (§ 93 SGB III).
Wenn die monatliche Bezugsgröße 2019 wie geplant auf 3.115 Euro pro Monat steigt, bedeutet das bei hauptberuflich Selbständigen eine Mindestbemessungsgrenze von 1.168,13 Euro. Dies dürfte für gering verdienende Selbständige eine deutliche Entlastung sein.

Bisherige Regelung

Die zur Zeit gültige Mindestbemessungsgrenze ergibt sich aus dem vierzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße, das sind zur Zeit 2.283,75 Euro; bei Beziehern eines Gründungszuschusses zählt der sechzigste Teil der Bezugsgröße, das sind zur Zeit 1.522,50 Euro.

Neuregelung zum 1.1.2019

Die gesetzliche Neuregelung soll zum 1.1.2019 in Kraft treten und beträfe dann die vorläufigen und endgültigen Beitragsfestsetzungen ab diesem Zeitpunkt. Für die noch ausstehenden endgültigen Beitragsfestsetzungen für das Kalenderjahr 2018 würden weiterhin die beiden bisher geltenden Mindestbemessungsgrenzen gelten.

Einwände des GKV-Spitzenverbands

Das Gesetz könnte ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen werden, allerdings hat der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) schon angemerkt, dass die Senkung der Mindestbemessungdgrenze zu deutlich ausfiele. Er bevorzugt eine einheitliche Mindestbemessungsgrenze von 1557,60 Euro, das wäre dann der sechzigte Teil der monatlichen Bezugsgröße.

Quellen: Bundesregierung, Gestzentwurf, GKV-Spitzenverband, Haufe-Online

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Zahlungspflicht endet mit Auszug aus dem Heim

Ein Pflegeheimbetreiber hat bei einem vorzeitigen Heimwechsel eines Leistungen der sozialen Pflegeversicherung beziehenden Bewohners keinen Anspruch auf Zahlung des Entgeltes.

So der Richterspruch des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 04.10.2018 – III ZR 292/17). Das Gericht hatte über die Frage zu entscheiden, ob der Bewohner eines Pflegeheims, der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bezieht, das vereinbarte Entgelt an das Heim zahlen muss, wenn er nach einer Eigenkündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist auszieht.

Der Sachverhalt: Geklagt hatte einan Multipler Sklerose erkrankter Mann. Er wollte in ein anderes Haus umziehen, das auf seine Krankheit spezialisiert ist. Weil die Einrichtung, in der er wohnte, eine einmonatige Kündigungsfrist vorsah, reichte er Ende Januar 2015 die Kündigung für Ende Februar 2015 ein. Da aber im spezialisierten Heim bereits früher ein Zimmer frei wurde, zog der Mann schon am 14. Februar aus. Der Träger der bisherigen Einrichtung klagte nun noch Geld für den ganzen Monat Februar ein.

Die Entscheidung des BGH: Zu Unrecht, wie das Gericht befand, da da die Zahlungspflicht des Bewohners mit dem Tag seines Auszugs am 14. Februar 2014 gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) endete.

§ 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI, dem das Prinzip der tagesgleichen Vergütung zugrunde liegt, bestimmt, dass die im Begriff des Gesamtheimentgelts zusammengefassten Zahlungsansprüche der Einrichtung für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts taggenau berechnet werden. Danach besteht der Zahlungsanspruch des Heimträgers nur für die Tage, in denen sich der Pflegebedürftige tatsächlich im Heim aufhält (Berechnungstage). In Anwendung des Prinzips der Berechnung auf Tagesbasis ordnet § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI an, dass die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt.

Nach seinem eindeutigen Wortlaut regelt § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI nicht allein die Zahlungspflicht des Kostenträgers, sondern erfasst ebenso die zivilrechtliche Vergütungspflicht des Heimbewohners. Es handelt sich um eine gegenüber den heimvertraglichen Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes vorrangige Sonderregelung zugunsten von Heimbewohnern, die gleichzeitig Leistungsbezieher der Pflegeversicherung sind. Dieser Vorrang kommt darin zum Ausdruck, dass abweichende Vereinbarungen nichtig sind (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WBVG, § 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI).

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 164 vom 4.10.2018

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Neues Gutachten: Bayerisches Familiengeld nicht auf Hartz IV anrechenbar

Familiengeld ersetzt Landeserziehungsgeld und Betreuungsgeld

Seit dem 1. September 2018 wird das Bayerische Familiengeld ausgezahlt. Bislang erhielten Familien in Bayern mit geringem Einkommen Landeserziehungsgeld und Eltern, die das Kind selbst betreuten und auf einen Kita-Platz verzichteten Betreuungsgeld.

Diese beiden Förderungen wurden aufgegeben; stattdessen wird seit September 2018 ein bayerisches Familiengeld ausgezahlt. Dieses ist unabhängig vom Einkommen und der Art der Betreuung, wird also an alle Familien ausgezahlt, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Freistaat Bayern gewährt den Eltern für jedes Kind vom 13. bis zum 36. Lebensmonat (also 2. und 3. Lebensjahr) 250 Euro pro Monat, ab dem dritten Kind sogar 300 Euro pro Monat. Das Familiengeld erhalten Eltern für ihre Kinder, die ab dem 1. Oktober 2015 geboren sind.

Anrechenbarkeit auf SGB II-Leistungen?

Dies brachte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf den Plan. Zwar ist im Bayerischen Familiengeldgesetz folgender Passus zu finden: „Das Familiengeld dient … nicht der Existenzsicherung. Es soll auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden.“ (Satz 3 und 4 von Art. 1 BayFamGG.
Ob dies tatsächlich so ist, ist derzeit heftig umstritten. Zumindest prüft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, inwiefern diese Leistung auf die Anrechnung auf SGB II-Leistungen ausgenommen werden kann oder ob das Familiengeld als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat darum ein Gutachten in Auftrag gegeben, das nun vorliegt. Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität Augsburg, kommt in seinem Rechtsgutachten zu folgendem Ergebnis:

  • Die Anrechnung des Bayerischen Familiengeldes auf das Arbeitslosengeld II ist rechtswidrig.
  • Das Familiengeld ist eine Fortentwicklung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes. Beide Leistungen weisen wesentliche Gemeinsamkeiten auf. Deshalb ist das Familiengeld – wie bisher schon das Landeserziehungsgeld – anrechnungsfrei. Dies ergibt sich aus der Formulierung von § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG i.V.m. § 27 Abs. 2 BEEG, wonach dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder nicht auf einkommensabhängige Sozialleistungen angerecht werden.
  • Das Familiengeld hat einen anderen Zweck als existenzsichernde Leistungen. Auch deshalb ist es anrechnungsfrei; siehe dazu auch § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach sind „Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, … nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen  … im Einzelfall demselben Zweck dienen.“

Ob das BMAS dieser Rechtsauffassung folgt, ist noch nicht entschieden (und wird sicher auch vor der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober 2018 nicht mehr entschieden).

Quellen: Pressemitteilung des StMAS; Rechtsgutachten von Prof. Wollenschläger
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Bundesteilhabegesetz – Was wird aus dem Barbetrag?

Für viele Bewohner in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe ist er eine wichtige Größe: der Barbetrag. Darüber können sie in der Regel frei verfügen und persönliche Dinge kaufen, von Musik-CDs über Süßigkeiten bis zu Kosmetikartikel.
Der zur Zeit gültige Barbetrag beträgt 112,30 EUR, das sind gemäß § 27b SGB XII 27 Prozent der Regelbedarfsstufe 1. Er stellt einen teilweisen Ausgleich dafür dar, dass hilfebedürftige Menschen in stationären Einrichtungen keinen Regelsatz erhalten und ohne Barbetrag ohne verfügbare finanzielle Mittel dastehen würden. Mit der Trennung von Fachleistung der Eingliederungshilfe und Lebensunterhalt wird es ab dem Jahr 2020 in der neuen Wohnform als Nachfolgeregelung zur heutigen stationären Einrichtung keinen Barbetrag mehr geben. Allerdings fällt der Barbetrag nicht ersatzlos weg, sondern er wird durch den an die Leistungsberechtigten in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu zahlenden Regelsatz ersetzt. Dies ist die Konsequenz der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen untereinander und unabhängig von der Wohnform. Leben sie in Wohnungen, erhalten sie bereits heute einen monatlichen Regelsatz und keinen Barbetrag. Dies wird ab 2020 auch für Menschen mit Behinderungen in der neuen Wohnform gelten, welche die heutige stationäre Einrichtung ablöst.

Heutige Regelung

In vollstationären Einrichtungen werden die Maßnahmen der Eingliederungshilfe (Fachleistungen der Eingliederungshilfe) und die zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlichen Bedarfe als Komplexleistung erbracht. Der in die Komplexleistung in einer stationären Einrichtung eingehende notwendige Lebensunterhalt wird in pauschalierter Form berücksichtigt. Nach § 27b Absatz 1 Satz 2 SGB XII entspricht der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen dem Umfang der Bedarfe in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 42 Nummer 1, 2 und 4 SGB XII. Dies sind

  • der Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 3
  • die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels (Mehrbedarf, einmalige Bedarfe, Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung, Beiträge für Vorsorge) sowie
  • die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 42 Nummer 4 Buchstabe b, hierbei handelt es sich um eine pauschalierte Größe, die der durchschnittlichen Warmmiete eines Einpersonenhaushalts im örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweils zuständigen SGB XII-Trägers entspricht.

Hinzu kommt der „weitere“ notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen (§ 27b Absatz 2 SGB XII), der insbesondere Kleidung (Bekleidungspauschale) und einen Barbetrag umfasst. Der Barbetrag und die Bekleidungspauschale sind nicht Bestandteil der Vergütung der Eingliederungshilfe, sondern werden als Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII an die Leistungsberechtigten ausgezahlt.

Zukünftige Regelung (ab 2020)

Ab 2020 werden die stationären Einrichtungen nicht mehr als solche bezeichnet. Diese Wohnform wird dann nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 SGB XII in der Fassung ab 2020 umständlich bezeichnet als persönlicher Wohnraum und zusätzliche Räumlichkeiten zur gemeinschaftlichen Nutzung, der aber keine eigenständige Wohnung darstellt.
Für die Leistungsempfänger, die Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, und in dieser neuen Wohnform leben, gilt nun mehr nicht mehr der § 27b SGB XII, der ja, auch in der Fassung ab 2020, ausdrücklich nur für stationäre Einrichtungen gelten soll.
Aufgrund der Trennung der bislang in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbrachten Komplexleistung entfallen die heute bestehenden Unterschiede in der Deckung der Lebensunterhaltsbedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung) bei Leistungsberechtigten, die in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe untergebracht sind, gegenüber Leistungsberechtigten, die in Wohnungen leben.
Für den notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a Absatz 1 Satz 1 SGB XII von Erwachsenen bedeutet dies, dass alle für die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums erforderlichen Aufwendungen durch die Bedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu decken sind. Dies sind insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Wohnungsausstattung einschließlich Fernseher und Computer, sowie Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens, wozu auch in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft zählt. Darin eingeschlossen sind alle durch die Regelbedarfe abgedeckten Bedarfslagen, die hierfür erforderlichen Aufwendungen sind aus dem monatlichen Regelsatz zu finanzieren.
Ab dem Jahr 2020 gilt dies auch für Menschen mit Behinderungen, die heute in einer stationären Einrichtung leben. Diesem Personenkreis sind neben dem Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 2 alle weiteren Lebensunterhaltsbedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anzuerkennen, für die im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt werden. Dies schließt Bedarfe für Unterkunft und Heizung mit ein.

Barbetrag im Gesamtplan

Damit die Leistungsberechtigten wieder in den Genuss eines Barbetrag zur persönliche Verfügung kommen können, wird in der Gesamtplankonferenz auch darüber beraten, welcher Anteil vom Regelsatz der Leistungsanbieter für seine Leistungen erhält und welcher Anteil den Leistungsberechtigten danach als Bargeldleistung für die Deckung der vom Leistungsanbieter nicht abgedeckten persönlichen Bedarfen verbleibt. Dies ist ausdrücklich im § 121 Abs.4 Punkt 6 SGB IX in der Fassung ab 1.1.2020 so festgelegt. Das Beratungsergebnis wird im Gesamtplan, der dann Grundlage für den Verwaltungsakt ist, dokumentiert und dadurch rechtlich verbindlich. Gleichzeitig wird mit der Beratung in der Gesamtplankonferenz auch Transparenz und Kontrolle darüber hergestellt, für welche Leistung der Leistungsanbieter Beträge in welcher Höhe in Rechnung stellt, die dann aus dem monatlichen Regelsatz zu finanzieren sind.

Evaluation bis 2021

Angesichts der weitreichenden Änderungen, die sich aus dem BTHG auch für notwendigen Lebensunterhalts ergeben, sieht das Gesetz eine umfangreiche Evaluation der Wirkungen vor. Diese Evaluation beinhaltet auch die Auswirkungen der Zahlung eines Regelsatzes an Menschen mit Behinderungen. Dazu wird in den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten der Neuregelung, also in den Jahren 2020 und 2021 untersucht, welcher Anteil des Regelsatzes den Leistungsberechtigten in der neuen Wohnform zur Deckung persönlicher Bedarfe verbleibt. Zu den Ergebnissen wird das BMAS dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat einen Bericht vorlegen.

Quellen: BMAS, Bundesanzeiger

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