Pflegerin hilft altem Mann aus dem Bett

Pflegesofortprogramm in der Kritik

In der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag stößt das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (19/4453) bei Gesundheitsverbänden auf einige Bedenken.

Pflegepersonal-Stärkungsgesetz

Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz sieht zahlreiche Initiativen vor.

  • In der stationären Altenpflege sollen 13.000 neue Stellen geschaffen und finanziert werden. Je nach Größe erhielten die Pflegeeinrichtungen zwischen einer halben und zwei Pflegestellen zusätzlich.
  • Die Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser sollen ab 2020 aus den Fallpauschalen herausgenommen und auf eine krankenhausindividuelle Vergütung umgestellt werden. Zudem würde ab 2020 erstmals in Kliniken ein Pflegepersonalquotient ermittelt, der das Verhältnis der Pflegekräfte zum Pflegeaufwand beschreibe.
  • Jede zusätzliche oder aufgestockte Pflegestelle im Krankenhaus solle künftig vollständig von den Krankenversicherungen refinanziert werden. Bereits für das Jahr 2018 sollen rückwirkend auch Tarifsteigerungen für Pflegekräfte im Krankenhaus voll refinanziert werden.

Kritik der Experten

Die Fachverbände und Experten begrüßen die Intention, das Pflegepersonal in der stationären Kranken- und Altenpflege aufzustocken, allerdings werden die dazu vorgesehenen Methoden kritisch hinterfragt.

  • Nach Ansicht des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) ist der Gesetzentwurf zu einseitig auf Verbesserungen in der vollstationären Pflege ausgerichtet. Um die Lage zu verbessern, müsse es auch im teilstationären und ambulanten Bereich mehr Pflegekräfte geben.
  • Der Sozialverband VdK ging auf die steigenden Eigenanteile in Pflegeheimen ein. Höhere Vergütungen der Fachkräfte in der vollstationären Pflege führten ,,zu wahrhaften Kostenexplosionen für die Pflegehaushalte“ und in der ambulanten Pflege gegebenenfalls zu einer Unterversorgung. Der Anstieg der Eigenanteile müsse schnellstens gestoppt und zurückgeführt werden. Die 13.000 zusätzlichen Stellen in der Altenpflege reichten zudem für eine adäquate Versorgung nicht aus.
  • Der AOK-Bundesverband kritisierte die geplante Herauslösung der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen (DRG) im Krankenhaus. Die Rückkehr zur Selbstkostendeckung sei nicht nachvollziehbar, weil mit dem DRG-System erst die nötige finanzielle Transparenz hergestellt werde.
    Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte hingegen, mit der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den DRGs werde die Grundlage gelegt für eine bessere Personalverfügbarkeit und bessere Arbeitsbedingungen und somit für die Qualität der Versorgung.
  • Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wandte sich gegen die Streichung des Pflegezuschlags im Umfang von bisher 500 Millionen Euro pro Jahr ab 2020. Damit würden die Kliniken in ihren Möglichkeiten zur Stärkung der Pflege geschwächt. Die vorgesehenen Verbesserungen für das Pflegepersonal müssten weitgehend aus dem Mittelbestand der Häuser genommen werden. Die DKG forderte, den Pflegezuschlag dauerhaft zu erhalten.
    Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes nannte in der Anhörung die Argumente der DKG nicht nachvollziehbar. Wenn die Krankenhauspflege künftig vollständig refinanziert werde, sei der Pflegezuschlag nicht mehr nötig.
  • Die geplante Methode zur Ermittlung des Personalbedarfs in der Klinikpflege wird vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) abgelehnt. Ein  Personalquotient könne die Versorgungsqualität nicht verbessern. Nötig sei ein fundiertes Personalbemessungsverfahren, das sich am tatsächlichen Pflegebedarf orientiere. Dazu gebe es bereits Instrumente wie die Pflegepersonalregelung (PPR) und die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV).
  • Die Ökonomin Dr. Susanna Kochskämper mahnte in der Anhörung, angesichts steigender Kosten in der Pflege müsse über die künftige Finanzierung und Lastenverteilung neu beraten werden. Auch ein Sprecher der Deutschen Stiftung Patientenschutz forderte ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der Pflege.

Änderungsvorschläge des Bundesrats

Der Bundesrat hatte den Gesetzentwurf in seiner letzten Sitzung am 21.9. beraten und zahlreiche Änderungen am Entwurf der Bundesregierung für ein Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (19/4453) gefordert. Die meisten Vorschläge wurden von der Bundesregierung abgelehnt, in einigen Fällen wird eine Prüfung zugesagt, wie aus der Unterrichtung (19/4729) der Bundesregierung hervorgeht.

Der Bundesrat will unter anderem, dass an dem Pflegezuschlag für Krankenhäuser in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr festgehalten wird. Derzeit ist vorgesehen, den Zuschlag ab 2020 zu streichen. Die Länderkammer befürchtet, in der Folge könnten ungewollte Finanzierungslücken entstehen, die in anderen Bereichen der Krankenhäuser die Personallage beeinträchtigen.

Die Bundesregierung will nun prüfen, ob neben der Einführung des Pflegebudgets auf den gänzlichen Wegfall des Pflegezuschlags verzichtet werden kann.

Es soll auch geprüft werden, inwieweit Maßnahmen zur Verbesserung der Hebammenbetreuung bei Geburten im Krankenhaus gefördert werden können. Zudem wird geprüft, ob weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Pflegekräfte in Rehabilitationseinrichtungen sowie der Einrichtungen selbst erforderlich sind.

Bei weiteren zu prüfenden Änderungen geht es unter anderem um Regelungen im Zusammenhang mit dem fortgeführten Krankenhausstrukturfonds, die Kontrolle intensiv-pflegerischer Leistungen, die bessere Vergütung ambulanter Pflegedienste sowie bestehende pflegeentlastende Maßnahmen, die im Pflegebudget erhöhend berücksichtigt werden sollen.

Der Gesetzentwurf ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig.

Quelle: Bundestag

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