Kinder in Coronazeiten

Das Bundesgesundheitsministerium stellte am 8. Februar den Abschlussbericht „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ einer Interministerielle Arbeitsgruppe vor.

Psychische Belastung

Der Bericht stützt sich auf sechs Studien zur Kindergesundheit, unter anderem KIDA vom Robert-Koch-Institut und eine Studie der DAK. Die Arbeitsgruppe der Ministerien sah teils sehr unterschiedliche Ergebnisse der Studien und damit einhergehenden Handlungsempfehlungen, in allen Studien sah man aber erhöhte psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie.

erhöhter Unterstützungsbedarf

So träten bei vielen Betroffenen Essstörungen und Depressionen auf, auch würden sich Kinder und Jugendliche weniger bewegen. Auffällig sei, wie sich sprachliche sowie emotionale Entwicklung bei Betroffenen verzögere. Im Bericht der Arbeitsgruppe werden zudem Studien zitiert, die Eigenschaften für einen erhöhte Unterstützungsbedarf identifizieren. Dazu gehören Armut, ein geringerer Bildungsstatus der Eltern, Eltern in keiner festen Partnerschaft sowie ein Migrationshintergrund, beengte Wohnverhältnisse sowie psychische Belastungen bei den Eltern selbst.

Maßnahmepaket

Nun will die Bundesregierung mit einem großen Maßnahmepaket gegensteuern. Aufgelistet und beschrieben werden die Maßnahmen im Abschlussbericht ab Seite 15 in folgenden Handlungsfeldern:

  • Frühe Hilfen
  • Kindertagesbetreuung
  • Schulen
  • Gesundheitswesen
  • Jugendhilfe, Familienhilfe

Empfehlungen wurden ignoriert

Dass die Schulen zu lange geschlossen wurden, räumte auch Minister Lauterbach ein. Er erwähnt aber nicht, auch der Abschlussbericht übrigens nicht, dass es frühzeitig eine vom Robert-Koch-Institut herausgegebene Empfehlung gab, um den Schulbetrieb so weit wie möglich sicher gewährleisten zu können. Diese Empfehlungen wurden nirgends vernünftig umgesetzt, vermutlich aus finanziellen Gründen. Stattdessen gab es beispelsweise ganz schnell etwa im NRW-Landtag Dutzende von Luftreinigern; bis die Finanzierung von Luftreinigern in Schulen langsam in die Gänge kam, war die Pandemie schon fast vorbei.

Unterrichtsausfälle trotz geöffneter Schulen

Als später immer häufiger Schulschließungen ausgeschlossen wurden, verhinderte dies keinigswegs häufige Unterichtsausfälle: Es gab zu viele kranke Lehrer*innen und Schüler*innen. Gleichzeitig wurden wegen der heiligen Kuh „Präsenzpflicht“ viele Eltern vulnerabler Kinder gezwungen ihre Kinder massiven Gesundheitsrisiken auszusetzen.

Kinder an die Macht!

Vernünftig ist es allemal, gerade Kindern aus weniger priveligierten Schichten, die am meisten unter den Schulschließungen gelitten haben, nachträglich Förderangebote zu machen. Aber solange Kinder und Bildung so wenig Bedeutung auf den Proritätenlisten der Politik haben, wird davon vieles im Sande verlaufen.

Quelle: Bundesregierung, taz

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Präsenzpflicht

Die Präsenpflicht wird aufgehoben. Allerdings nur für die Abgeordneten des Bundestags. Dies meldet die Tagesschau heute am 28.1.2022. Sie dürfen wegen der hohen Corona-Ansteckungsrate am ersten Sitzungstag des Bundestags im Februar, den 15.2. schwänzen.

Bußgeld, wenn die Kinder geschützt werden sollen

Viele Eltern können von der Aufhebung der Präsenzpflicht nur träumen. Sie müssen ihre Kinder in die Schule schicken, auch wenn die Gefahr groß ist, dass sie sich dort anstecken. Lassen sie ihre Kinder trotzdem zu Hause, drohen ihnen umgehend Bußgeldbescheide. Ganz besonders trifft dies Eltern mit vorerkrankten Kindern. Eine betroffene Kölner Familie geht nun mit Bußgeldbescheiden von insgesamt 15.000 Euro, die zur Not Zwangsvollstreckt werden oder in Beugehaft umgewandelt können, vor das Bundesverfassungsgericht. Sie sind der Ansicht, dass das Recht, sich vor einer Infektion in der Schule zu schützen, die Präsenzpflicht überwiege. Das Recht auf Bildung könne auch mit Heimunterricht gewährleistet werden. Über einen anderen konkreten Fall berichtet Bent Freiwald auf krautreporter.de.

Zweierlei Maß in NRW

Übrigens ist in NRW gängige Praxis, dass Eltern, die der Auffassung sind, eine Testpflicht in der Schule sei Kennzeichen einer Diktatur, und die deswegen ihre Kinder nicht in die Schule schicken, keine besonderen Maßnahmen befürchten müssen. Offenbar wird dieses Verhalten vom Land entschuldigt und geduldet. Dies geht aus einer Recherche der „Neuen Westfälischen“ vom 25.1.2022 hervor.

Urteil aus Bamberg

In diesem Zusammenhang ist auch ein Urteil aus vor Corona-Zeiten interessant, dass einen anderen Blickwinkel auf die „heilige Kuh“ Präsenzpflicht erlaubt. Bislang wird ja gerne ein Verstoß gegen die Schulpflicht gleich als Kindeswohlgefährdung gebrandmarkt. Das Urteil stammt vom 22.11.2021, die behandelten Sachverhalte aber aus den Jahren 2018 und 2019.

Keine Kindeswohlgefährdung

Das Oberlandesgericht Bamberg hat in dem Urteil festgestellt, dass im Fall einer Schulverweigerung nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung angenommen werden kann. Es müssen vielmehr alle wesentlichen Aspekte des konkreten Einzelfalls ermittelt und hinsichtlich einer konkreten Kindeswohlgefährdung bewertet werden.

§§ 1666, 1666a BGB ermöglichen lediglich ein staatliches Einschreiten zur Abwehr einer konkreten Kindeswohlgefährdung, nicht die Durchsetzung einer bestmöglichen Förderung des jeweils betroffenen Kindes. Zwar kann es einen Missbrauch der elterlichen Sorge darstellen, der das Wohl des Kindes nachhaltig gefährdet und Maßnahmen des Familiengerichts nach §§ 1666, 1666a BGB erfordert, wenn Eltern sich beharrlich weigern, ihre Kinder einer öffentlichen Schule oder anerkannten Ersatzschule zuzuführen, um sie stattdessen zu Hause zu unterrichten.

Im Fall einer Schulverweigerung kann jedoch nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung angenommen werden. Allgemeine Erwägungen reichen zur Begründung einer konkreten und erheblichen Gefährdung nicht aus. Worum es ging und wie das konkrete Urteil aussieht, kann man bei openjur nachlesen.

BVG: Recht auf Distanzunterricht

Ein paar Tage vor dem Bamberger Urteil, am 19.11.2021, hat das Bundesverfassungsgericht mehrere Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen das vollständige oder teilweise Verbot von Präsenzunterricht an allgemeinbildenden Schulen zum Infektionsschutz („Schulschließungen“) nach der vom 22. April bis zum 30. Juni 2021 geltenden „Bundesnotbremse“ richten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser Entscheidung erstmals ein Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung anerkannt.

Präsenzpflicht ist nicht oberstes Ziel

Karlsruhe hat nicht nur erstmalig ein „Recht auf schulische Bildung“ kreiert. Es formuliert einen Anspruch der Schüler:innen auf digitalen Distanzunterricht. Damit ist nicht mehr die Präsenzpflicht oberstes Ziel, sondern das Recht auf schulische Bildung. Mehr zur Bewertung des BVG-Urteils aus der Sicht von Verfassungsrechtlern und Pädagogen kann man auf „Table.Bildung“ lesen.

Die Verfassungsgerichtsurteil findet sich in der dazugehörigen Pressemitteilung.

Quellen: Tagesschau, Familie Jahnz-Warscheid, Krautreporter, Neue Westfälische, openjur, Table.Bildung, Bundesverfassungsgericht

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Entschädigung für Eltern

Nach einem Kabinettsbeschluss vom 16.12.2020 sollen Eltern auch dann Anspruch auf Entschädigung haben, wenn aus Gründen des Infektionsschutzes Schulferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in der Schule ausgesetzt wird. 

Anspruch 10, bzw. 20 Wochen

Eltern haben Anspruch auf Entschädigung, wenn sie einen Verdienstausfall wegen der Kinderbetreuung hatten. Dies gilt bisher, wenn Schulen, Kitas oder Einrichtungen für Kinder mit Behinderungen geschlossen wurden.

Bei gemeinsamer Betreuung erhalten Eltern eine Entschädigung für bis zu zehn Wochen Verdienstausfall, bei alleiniger Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege bis zu 20 Wochen.

Der Anspruch setzt voraus, dass Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, behindert oder auf Hilfe angewiesen sind, mangels anderer zumutbarer Betreuungsmöglichkeit von den Eltern selbst betreut werden. Ersetzt werden 67 Prozent des Verdienstausfalls (bis maximal 2016 Euro monatlich).

auch tageweise

Die Lohnfortzahlung kann auch tageweise in Anspruch genommen werden, wenn die Betreuung der Kinder zum Beispiel nur einen oder zwei Tage in der Woche gewährleistet ist. Der Gesamt anspruch verlängert sich dadurch dementsprechend.

Die Anträge für die Entschädigung stellt der Arbeitgeber bei der zuständigen Behörde vor Ort und gibt sie als Lohnfortzahlung an den Arbeitnehmer weiter. Mehr Informationen dazu gibt das Bundesinnenministerium auf ifsg-online.de.

Ergänzung des Entschädigungsanspruchs nach § 56 Absatz 1a Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Mit einer Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes regelt die Bundesregierung nun auch die Entschädigung von Eltern, die ihre Kinder aufgrund verlängerter Schulferien, ausgesetztem Präsenzunterricht oder Hybridunterricht zuhause betreuen müssen.

Quelle: Bundeskabinett

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