In vielen EU-Ländern sind die Umfragewerte rechtspopulistischer Parteien hoch – bei der Europawahl im Juni könnten sie triumphieren. Wirtschaftswissenschaftler vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) haben erforscht, wie Regierungen gegensteuern können.
Das Istitut
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ist ein Zentrum weltwirtschaftlicher Forschung mit Sitz in Kiel. Es zählt zu den sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten, die als Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft zu gleichen Teilen vom Bund und der Gemeinschaft der Bundesländer finanziert werden.
Die Studie
Das Ergebnis der Studie, veröffentlicht im April 2924 in einem sogenannten „Policy Brief“, ist eindeutig: EU-Regionalpolitik verringert Unterstützung populistischer Parteien:
- Insbesondere verringert EU-Regionalpolitik die Unterstützung populistischer Parteien vom rechten Rand des politischen Spektrums.
- Entsprechende Investitionen in die Entwicklung randständiger Regionen reduzieren den Stimmenanteil rechtspopulistischer Parteien bei Europawahlen um 2–3 Prozentpunkte; im Durchschnitt entspricht das einer Reduktion von 15–20 Prozent.
- Gleichzeitig erhöht sich das Vertrauen in demokratische Institutionen, und die Unzufriedenheit mit der EU nimmt ab.
- Die Unterstützung linkspopulistischer Parteien wird nicht beeinflusst.
Investitionen wirken
Angesichts der anstehenden Europawahlen und der Präsidentschaftswahlen in den USA ist die Frage, wie der Aufstieg des Populismus gestoppt werden kann von breitem Interesse. Die Studie zeigt, dass regionalpolitische Maßnahmen die Unterstützung populistischer Parteien wirksam verringern. Investitionen der EU in die Entwicklung strukturschwacher Regionen führen dazu, dass der Stimmenanteil rechtspopulistischer Parteien bei Europawahlen um 15–20 Prozent sinkt. Darüber hinaus erhöht EU-Regionalpolitik das Vertrauen in demokratische Institutionen und verringert die Unzufriedenheit mit der EU.
Unterstützung strukturschwacher Regionen
EU-Regionalpolitik finanziert sich aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) sowie dem Europäischen Sozialfonds und dem Kohäsionsfonds. Die Autoren der Studie, Robert Gold und Jakob Lehr, konzentrierten sich auf die Hauptförderlinie zur Unterstützung strukturschwacher Regionen, dem sog. „Ziel-1“.
Ziel-1 folgt siebenjährigen Förderperioden. Untersucht wurden Politikeffekte für drei Perioden von 2000 bis 2020 für bis zu 27 Mitgliedsstaaten. Zu Beginn jeder Förderperiode definiert die EU-Kommission Regionen, die sich für Ziel-1-Förderung qualifizieren. Diese Regionen erhalten im Durchschnitt 1,4 Milliarden Euro an Ziel-1-Mitteln, das sind 530 Euro pro Einwohner*in.
200 Euro pro Kopf
Ziel-1-Investitionen in die Entwicklung strukturschwacher Regionen verringern den regionalen Stimmenanteil rechtspopulistischer Parteien bei Europawahlen. Im Durchschnitt verringert EU-Regionalpolitik den Stimmenanteil der Rechtspopulisten um 2–3 Prozentpunkte. Das sind 15–20 Prozent der Stimmen für diese Parteien. Entsprechend reduziert EU-Regionalförderung in Höhe von 200 Euro pro Kopf die Unterstützung der Rechtspopulisten um wenigstens einen Prozentpunkt.
Wahlverhalten reagiert auf die Förderung
Die Analyse konzentriert sich auf den reinen Politikeffekt, unabhängig von zeitgleichen Einflüssen. Zunächst wurden ähnlich strukturschwache Regionen verglichen, die sich nur aufgrund regulatorischer Bestimmungen im Förderstatus unterscheiden. Dann werden strukturschwache Regionen analysiert, die aufgrund der EU-Osterweiterung ihren Förderstatus verloren. Schließlich wurden Regionen betrachtet, die nur (nicht) gefördert werden, weil sie arme (reiche) Nachbarregionen haben. Alle Resultate zeichnen dasselbe Bild: Regionalförderung reduziert die Unterstützung rechtpopulistischer Parteien, der Verlust von Regionalförderung erhöht sie, und das Wahlverhalten in strukturschwachen Regionen reagiert besonders stark auf die Förderung.
Eine Analyse von Befragungsdaten Hunderttausender von EU-Bürgerinnen erlaubt Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Wirkungskanäle. Ziel-1-Förderung erhöht das Vertrauen in die EU und in demokratische Institutionen. Dies scheint ein Grund zu sein, warum Wählerinnen in geförderten Regionen populistischen Parteien ihre Unterstützung entziehen.
Quellen: Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). wikipedia, Bundeswirtschaftsministerium, Spiegel
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