Die Bundesregierung stellte am 2.12.2020 den Kabinettsentwurf des „Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen – Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG“ vor. Darin enthalten ist eine Änderung zum Referentenentwurf, die für Zündstoff gesorgt hat.
Worum geht es?
Wenn leibliche Eltern ihr Kind, das in einer Pflegefamilie aufwächst, weil die Eltern sich aus irgendwelchen Gründen nicht angemessen um ihr Kind kümmern konnten, zurückholen wollen, muss zunächst einmal klar sein, dass sie ihre Probleme dauerhaft überwunden haben. Trotzdem kann es aber gut sein, dass das Kind gar nicht zurück will, weil es mittlerweile einestarke Bindung zur Pflegefamilie aufgebaut hat. Im entsprechenden Paragrafen des BGB sollte ursprünglich folgender Absatz 3 eingefügt werden:
„Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 (Herausnahme in eine Pflegefamilie) ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn
1. die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet
oder
2. der Gefährdung des Kindeswohls innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums auf andere Weise, auch durch öffentliche Hilfen anlässlich seiner Rückführung zu den Eltern, begegnet werden kann.“
Gerade der zweite Punkt löste zum Beispiel bei der „Deutschen Kinderhilfe“ und beim Deutschen Familiengerichtstag (DFGT) Widerspruch aus. Dies bedeute, dass Kinder auch dann probeweise zu den leiblichen Eltern zurück sollen, wenn die Situation dort potentiell gefährdend ist. Stundenweise Familienhilfen könnten rund um die Uhr bestehende Risiken für Kinder nicht kompensieren. „Für viele Pflegekinder wäre diese ethisch nicht vertretbare Experimentierklausel katastrophal“, erklärt der Jurist Ludwig Salgo von der Universität Frankfurt, Experte bei der Kinderkommission des Bundestages.
Im jetzt veröffentlichten Kabinettsentwurf ist der umstrittene Punkt 2 raus. Jetzt lautet der neue Absatz:
„Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet.“
Jetzt geht es also ausschließlich um das Kindeswohl. Es ist nicht mehr festgelegt, dass Maßnahmen versucht werden müssen, um das zu erreichen. Gleichwohl muss jeder Einzelfall genau geprüft werden. Ausgeschlossen ist dabei auch nicht, dass unter Umständen der Rückführungsprozess in die Herkunftsfamilie so ausgestaltet werden kann, dass sich das Kind ohne Gefährdung seines Wohls einerseits von seiner Pflegeperson lösen und andererseits in seine Herkunftsfamilie wieder integrieren kann. Dazu sollen Familienhilfen zur Verfügung stehen, wie Beratung und Unterstützung. Wie schwierig das Thema ist, zeigt sich schon darin, dass die Gesetzesbegründung allein zu dem neuen Absatz 3 fast drei Seiten lang ist.
Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Der Gesetzentwurf sieht gesetzliche Änderungen in fünf Bereichen vor:
- Besserer Kinder- und Jugendschutz
- Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
- Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
- Mehr Prävention vor Ort
- Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
Die einzelnen Punkte werden auf der Homepage des Ministeriums näher erläutert.
Quelle: Bundeskabinett, BMFSFJ, Tagesspiegel vom 20.11.2020
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