Sozialer Arbeitsmarkt am Ende?

In einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“, abgedruckt am 24. Juni 2022 auf der Homepage des BMAS, betonte Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, die Bedeutung des Sozialen Arbeitsmarktes: „Bei Langzeitarbeitslosen, die lange draußen waren, kommen wir nicht umhin, Brücken zu bauen. Dafür haben wir den sozialen Arbeitsmarkt geschaffen, bei dem die Betreuung besonders intensiv ist und auch Lohnzuschüsse gezahlt werden. Auf diesem Weg haben immerhin schon 50.000 Menschen wieder Tritt gefasst und sozialversicherungspflichtige Arbeit gefunden.

Mittel werden gekürzt

Sein Kabinettskollege Christian Lindner, seines Zeichens Finanzminister, plant nun offenbar das Ende des viel gelobten Erfolgsmodells, in dem er die dafür erforderlichen Mittel streichen will. Der Entwurf des Haushalts 2023 sieht eine drastische Senkung der Mittel für Hartz IV vor. Unter anderem laut „Spiegel“ soll im Haushaltsentwurf 2023 der Posten „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ bei der Grundsicherung von Arbeitssuchenden kräftig eingestampft werden. Die Rede ist von 609 Millionen weniger Mittel.

Mehrjährige Förderung begrenzt

Mittelfristig sollen vor allem die Mittel für mehrjährige Förderungen weitgehend reduziert werden. Bis zum Jahre 2029 sollen die Fälligkeiten entsprechender Verpflichtungsermächtigungen auf jährlich nur noch fünf Millionen Euro reduziert sein.

Wenn es bei diesem Plan bliebe, hieße das de facto das Ende des Sozialen Arbeitsmarktes nach § 16i des SGB II.

Worum geht es?

Seit dem 1. Januar 2019 gilt der § 16i SGB II, mit dem die Bundesregierung einen Sozialen Arbeitsmarkt geschaffen wurde. Damit sollen langzeitarbeitslosen Menschen über 25 Jahren neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden. Durch individuelle Beratung und intensive Betreuung sollen sie bei der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz unterstützt werden. Arbeitgeber erhalten Zuschüsse zu den Lohnkosten, die Beschäftigten eine beschäftigungsbegleitende Unterstützung.

längerfristige Perspektiven

Es handelt sich um ein bewerberorientiertes Vorgehen der Jobcenter, insbesondere die gezielte Stellenakquise in der direkten Arbeitgeberansprache. Das Jobcenter bietet dazu eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung (sog. Coaching) für diesen Personenkreis, der in absehbarer Zeit keine realistische Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung hätte. Dies soll eine längerfristige Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnen. Neben der Eröffnung von Teilhabechancen bleibt die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und damit der Übergang aus der geförderten in eine ungeförderte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittel- und langfristiges das Ziel.

Höhe und Dauer

§ 16i Abs. 2 SGB II regelt Höhe und Dauer der Förderung.

Der Lohnkostenzuschuss ist der Höhe nach pauschal festgelegt und degressiv ausgestaltet. Die degressive Ausgestaltung berücksichtigt, dass die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit im Regelfall mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses ansteigt. Damit wird gerechtfertigt, den Anreiz für die Beschäftigung nach und nach abzusenken.

Der Zuschuss beträgt:

in den ersten beiden Jahren des Arbeitsverhältnisses100 Prozent
im dritten Jahr des Arbeitsverhältnisses90 Prozent
im vierten Jahr des Arbeitsverhältnisses80 Prozent
im fünften Jahr des Arbeitsverhältnisses70 Prozent

Voraussetzungen

Teilnehmer am sozialen Arbeitsmarkt müssen mindestens sieben Jahre lang Hartz IV bezogen haben und sechs Jahre lang arbeitssuchend sein.

Darüber hinaus spielen bestimme „Vermittlungshemmnisse“ eine Rolle – zu diesen gehören Umstände, die eine erfolgreiche Arbeitsplatzvermittlung schwierig oder bislang unmöglich gemacht haben. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit wird dieses Angebot derzeit von etwa 42.000 Menschen angenommen. Die Aufwendungen dafür betragen bislang pro Jahr etwa vier Milliarden Euro.

Kein Geld?

Wenn man bedenkt, wie schnell mal so eben 100 Milliarden für die Bundeswehr bereitgestellt wurden, muten die geplanten Kürzungen bei den Ärmsten der Gesellschaft seltsam an.

Quellen: BMAS, Bundesfinanzministerium, T-Online, SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

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Zwischenbericht zum Teilhabechancengesetz

Seit dem 1. Januar 2019 gilt das Teihabechancengesetz (nicht zu verwechseln mit dem Teilhabestärkungsgesetz, bei denen es um Änderungen im SGB IX geht.). Mit dem Teihabechancengesetz sollte ein neuer sozialer Arbeitsmarkt entstehen, durch den die Beschäftigungschancen von arbeitsmarktfernen Menschen verbessert und damit soziale Teilhabe ermöglicht würde.

Zwischenbericht

Mittlerweile werden rund 55.000 Arbeitsverhältnisse gefördert. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Wirkung des Gesetzes untersucht und bewertet es in seinem Zwischenbericht durchweg sehr positiv. 

Die drei wichtigsten Erkenntnisse des IAB sind:

  • Die Jobcenter empfinden vor allem die Förderung der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) als innovativ und als Bereicherung für die Eingliederung von arbeitsmarktfernen Menschen.
  • Mit dem Teilhabechancengesetz werden die richtigen Zielgruppen erreicht: Arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Menschen, meist ohne Berufsabschluss, darunter viele ältere Menschen.
  • Klar bestätigt wird, dass der neue Ansatz, geförderte Beschäftigung mit einem begleitenden Coaching zu verbinden, zu einer nachhaltigeren Beschäftigungsaufnahme führt. Dies sichert eine Stabilisierung im Alltag und im Beruf.

Worum geht’s?

Es handelt sich um Instrumente der Jobcenter, deren Rechtsgrundlage im SGB II geregelt ist:

  • § 16e SGB II: Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und
  • § 16i SGB II: Teilhabe am Arbeitsmarkt

Eingliederung von Langzeitarbeitslosen

Bei diesem Instrument geht es um die Besetzung vorhandener Arbeitsplätze mit Langzeitarbeitslosen und deren Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigungschancen.

Gefördert werden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei allen Arten von Arbeitgebern mit dem Ziel der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Lohnkostenzuschüsse stellen für Arbeitgeber einen besonderen Anreiz dar, Langzeitarbeitslose zu integrieren. Die Ausgestaltung als klassischer Lohnkostenzuschuss ist für Arbeitgeber attraktiv. Anders als bei einer Maßnahme besteht keine temporäre Zuweisung; die Förderung knüpft allein daran an, dass ein mindestens zweijähriges Arbeitsverhältnis begründet wird.

Teilhabe am Arbeitsmarkt

Damit sollten zusätzliche Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Menschen über 25 Jahren geschaffen werden. Neben der Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und -chancen soll auch die soziale Teilhabe gefördert werden.

Durch individuelle Beratung und intensive Betreuung sollen sie bei der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz unterstützt werden. Arbeitgeber erhalten Zuschüsse zu den Lohnkosten, die Beschäftigten eine beschäftigungsbegleitende Unterstützung.

Es handelt sich um ein bewerberorientiertes Vorgehen der Jobcenter, insbesondere die gezielte Stellenakquise in der direkten Arbeitgeberansprache. Das Jobcenter bietet dazu eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung (sog. Coaching) für diesen Personenkreis, der in absehbarer Zeit keine realistische Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung hätte. Dies soll eine längerfristige Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnen. Neben der Eröffnung von Teilhabechancen bleibt die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und damit der Übergang aus der geförderten in eine ungeförderte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittel- und langfristig das Ziel.

Entfristung

Die Regelungen des § 16i SGB II laufen zum Jahresende 2024 aus. Förderungen können bis bis zum 31. Dezember 2024 beginnen und längstens bis zum 31. Dezember 2029 erbracht werden.

Die positiven Ergebnisse und Erkenntnisse des IAB sowie die Rückmeldungen aus der Praxis sprechen bereits jetzt dafür, so das BMAS, § 16i SGB II „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ zu entfristen und dauerhaft im Förderinstrumentarium des SGB II zu implementieren.

Quellen: BMAS, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), FOKUS-Sozialrecht

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