Bruchlandung für die ePA?

Seit Januar 2025 erhalten alle GKV-Versicherte in Deutschland automatisch eine elektronische Patienten-Akte (ePA) von ihrer Krankenkasse. Hausärztinnen und Hausärzte sind nach der Einführungs- und Testphase gesetzlich verpflichtet, diese mit bestimmten Daten zu befüllen, die im Rahmen der aktuellen Behandlung der Patientinnen und Patienten erhoben werden (§ 347 Abs.1 SGB V).

nur schleppend angenommen

Wie die Rheinische Post am 21.7.2025 meldete, wird die ePA von den Patient:innen nur schleppend angenommen. Für wichtige Gesundheitsdaten wie Untersuchungsbefunde und Laborwerte haben die allermeisten gesetzlich Versicherten inzwischen auch eine elektronische Patientenakte (ePA). Millionen benutzen sie bisher aber noch nicht für sich selbst, um hineinzusehen oder sensible Angaben zu sperren. Der Hausärzteverband kritisierte deswegen hauptsächlich die Krankenkassen.

bessere Aufklärung nötig

Der ePA drohe eine Bruchlandung, so der Der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes, Markus Beier, in der Rheinuschen Post. Die Zahl der aktiven Nutzer sei ernüchternd. Er forderte eine bessere Aufklärung von Patientinnen und Patienten durch die Krankenkassen. Bislang hätten sich die Kassen darauf beschränkt, Briefe mit allgemeinen Informationen zu verschicken.

nicht alltagstauglich

Die elektronische Patientenakte sei in ihrer aktuellen Form schlichtweg nicht alltagstauglich, sagte der Hausärzte-Chef und verwies etwa auf einen aus seiner Sicht komplizierten Registrierungsprozess und störanfällige Technik.

Falls die ePA scheitert, wäre das gerade für die Patienten eine schlechte Nachricht. Eine gut umgesetzte ePA habe zweifellos das Potenzial, die Versorgung spürbar zu verbessern und zu vereinfachen.

GKV sieht erstklassige Arbeit der Kassen

Die Kassen sehen das natürlich anders. In einer Meldung vom 22.7.2025 betont der GKV-Spitzenverband, die Krankenkassen hätten erstklassige Arbeit geleistet, indem sie in kurzer Zeit termingerecht über 70 Millionen elektronische Patientenakten angelegt und die Versicherten darüber informiert hätten. Jetzt gehe es darum, die Akzeptanz und den praktischen Nutzen der ePA weiter zu erhöhen, damit sie tatsächlich in der Breite der Versorgung ankomme und diese verbessern könne.

nächster Schritt im Oktober

Der nächste große Schritt sei zum 1. Oktober geplant, denn ab dann seien alle Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, neue Diagnosen und Befunde in der elektronischen Patientenakte abzulegen.

Selbstversuch

Ich habe aufgrund dieser Meldungen ebenfalls versucht, meine persönliche ePA einmal anzuschauen. Vielleicht, so mein erster Gedanke, gehört für viele Menschen der Inhalt seiner ePA ja nicht gerade zu den aktuell drängendsten Problemen. Nun gut, reinschauen kann ich ja mal, vielleicht steht ja doch was drin, was ich noch nicht wusste. Oder was ich sperren könnte, obwohl ich auf Anhieb nicht weiß, was das bei mir sein könnte.

Also gut. Anmelden. Um die ePA zu nutzen, muss ich eine App installieren. Die fordert mich auf, erst die Krankenkassen-App zu installieren. Das geht relativ schnell, ich benutze die Zugangsdaten von meinem PC. Die hab ich schon länger. Dann wieder zurück zur ePA-App. Und hier muss ich erst einmal aufgeben. Da ich weniger der Smartphone-Mensch bin, benutze ich schon länger kein neueres Modell mehr. Fürs Telefonieren, Kurznachrichten, Online-Banking und die Uhrzeit reichte das bisher. Aber nicht für die ePA. Mein Smartphone sei nicht NFC-fähig. Ich muss also persönlich bei meiner Krankenkassen-Filiale erscheinen und mir die App freischalten lassen.

Jetzt muss ich an die – zugegebenen nur noch wenigen – Mitmenschen denken, die nicht über ein Smartphone verfügen und auch mit PCs kaum etwas anfangen können. Es gibt sie aber. Wir sollten sie nicht zurücklassen.

Quellen: Rheinische Post, Hausärzteverband, GKV, FOKUS-Sozialrecht

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Stärkung der hausärztlichen Versorgung

Viele Hausärztinnen und Hausärzte sind mit ihren Arbeitsbedingungen extrem unzufrieden. Ihre Wartezimmer sind oft übervoll – und nach Feierabend müssen die Hausärztinnen und -ärzte weiter am Schreibtisch sitzen, um den „Papierkram“ mit den Krankenkassen zu machen, damit sie für all ihre Leistungen bezahlt werden. Dabei falle viel zu viel Bürokratie an, sagen sie. Ihr größtes Problem ist aber dies: Sie werden nicht für alle Untersuchungen und Behandlungen, die sie an Patienten vornehmen, bezahlt.

Unser gesetzliches Krankenversicherungssystem, in dem etwa neun von zehn Deutschen versichert sind, funktioniert so: Einer (der Arzt) erbringt eine Leistung, ein Zweiter (der Patient) bekommt diese Leistung, und ein Dritter (die Krankenkasse) bezahlt dafür. Diese Dreiecksbeziehung ist anfällig für das, was Volkswirte „Fehlanreize“ nennen.

Zum Beispiel: Der Patient bestellt beim Arzt Behandlungen oder Medikamente, die er gar nicht unbedingt braucht. Der Arzt bietet sie an, weil er daran verdient. Und bezahlen muss dafür am Ende die Allgemeinheit mit steigenden Krankenkassenbeiträgen. Um das zu verhindern, sind die Einnahmen der niedergelassenen Ärzte (also solche mit eigener Praxis mit Kassensitz) gedeckelt. Das soll verhindern, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. 

Gesundheitsminister Lauterbach hat sich Anfang Januar mit den Ärztevertretern getroffen und schlägt folgendes Maßnahmepaket vor.

Reform der hausärztlichen Honorierung

  • Entbudgetierung aller Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung nach ähnlicher Systematik wie für die Kinder- und Jugendärzte.
  • Einführung einer jahresbezogenen hausärztlichen Versorgungspauschale für die Be-
    handlung von erwachsenen Versicherten mit chronischer Erkrankung (mit kontinuierlichem Arzneimittelbedarf).
  • Hausärztliche Vorhaltepauschale: Für echte Versorgerpraxen, die maßgeblich die hausärztliche Versorgung aufrechthalten, wird eine Vorhaltepauschale gesetzlich vorgegeben. Diese ist abrechenbar, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind (z.B. Hausbesuche, Mindestanzahl an Versicherten in Behandlung).
  • Einführung einer einmal jährlich abrechenbaren Vergütung für Hausärzte für eine qualifizierte Hitzeberatung vulnerabler Gruppen. Ziel: Zahl der Hitzetoten soll weiter gesenkt werden (Schätzungen RKI Hitzetote 2022: 4.500 – 2023: 3.200).

Entbürokratisierung

  • Einführung einer wirkungsvollen Bagatellgrenze bei den Wirtschaftlichkeitsprüfun-
    gen von ärztlich verordneten Leistungen.
  • Festsetzung einer Ausschlussfrist von zwei Jahren für Beratungen im Rahmen der
    Wirtschaftlichkeitsprüfung
  • Abschaffung des zweistufigen Antragsverfahrens in der Kurzzeittherapie (Psychotherapie)
  • Vereinfachung bei den Vorgaben zur Einholung eines Konsiliarberichts bei ärztlich
    überwiesenen Patientinnen und Patienten (Psychotherapie)
  • Abschaffung der Präqualifizierungspflicht für Vertragsärztinnen und -ärzte, die Hilfs
    mittel an Versicherte abgeben

Digitalisierung

  • Entlastung der Praxen durch die Möglichkeit zur Ausstellung von elektronischen Re-
    zepten und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei bekannten Patientinnen und Patienten lediglich durch telefonische Konsultation,
  • Flexibilisierung des Umfangs, in dem Videosprechstunden erbracht werden können und Ermöglichung von Homeoffice für Ärzte,
  • Umstellung des bisherigen BtM-Rezeptes auf einen digitalisierten Verschreibungsprozess, einschließlich digitaler Nachweisführung.

Sektorenübergreifende Versorgung

  • Förderung der Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen,
  • Im Rahmen der Krankenhausreform wird die sektorenübergreifende Zusammenarbeit insbesondere durch die Einführung von Level 1i-Krankenhäusern gestärkt.

Die meisten dieser Punkte sollen durch die angekündigten Versorgungsstärkungsgesetze und die Digitalisierungsgetze in Angriff genommen werden, die Lauterbach letzten Sommer ankündigte und die seitdem in Arbeit oder im Beratungsprozess sind.

Quellen: Deutschlandfunk, Tagesspiegel, correctiv, Bundestag, FOKUS-Sozialrexht

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