Hilfe für Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern

Unter dem Titel „Prävention stärken – Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern unterstützen“ brachten die Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gemeinsam einen Beschluss-Antrag in Bundestag ein. Der Antrag wurde im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.

Ziel

Ziel des Antrags, Kinder suchtkranker Eltern oder von Eltern mit psychischen Erkrankungen besser zu unterstützen. In Deutschland würde dies nach Auffassung von Experten etwa jedes vierte Kind betreffen. In dem Antrag heißt es, dass dies ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, denn Kinder und Jugendliche aus Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil trügen ein drei- bis vierfach erhöhtes Risiko, selbst psychisch zu erkranken. Etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung habe mindestens ein psychisch erkranktes Elternteil. Verwiesen wird auch auf die Corona-Pandemie, die das Problem noch einmal verschärft habe.

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung deshalb unter anderem auf, die Empfehlung Nr. 18 der interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit psychisch kranken Eltern umzusetzen. Die Empfehlung besagt, gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und den Sozialversicherungsträgern einen Handlungsrahmen für ein kommunales Gesamtkonzept zur Entwicklung, Umsetzung, Evaluation und Verstetigung multiprofessioneller, qualitätsgesicherter und rechtskreisübergreifender Hilfesysteme zu erstellen.

Bedarfsorientiertes Angebot an „frühen Hilfen“

Außerdem soll das Präventionsgesetz mit Blick auf die Förderung der seelischen Gesundheit, auf Familienorientierung und die Belange von Kindern mit psychisch oder suchtkranken Eltern sowie auf eine Stärkung der Verhältnisprävention bei Suchtmitteln insgesamt weiterentwickelt werden. Eine dauerhafte Erhöhung der Mittel des Fonds „Frühe Hilfen“ solle geprüft werden, damit ein bedarfsorientiertes Angebot der frühen Hilfen bundesseitig flächendeckend gewährleistet werden kann. 

Die Fraktionen fordern ferner, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu erweitern, um aufsuchende psychotherapeutische Versorgung bedarfsorientiert auch in Kitas und Schulen anzubieten, wenn nur so sichergestellt werden kann, dass die therapeutische Versorgung das Kind erreicht.

Frühe Hilfen

Frühe Hilfen als Leitbild des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) sind koordinierte Hilfsangebote an (werdende) Familien und ihre Kinder ab der Schwangerschaft bis in die ersten Lebensjahre, vor allem bis zum dritten Lebensjahr der Kinder. Eine erste Begriffsbestimmung „Frühe Hilfen“ wurde in Deutschland im Jahr 2006 vom NZFH entwickelt; das Konzept wurde in Modellprojekten in der Praxis erprobt, 2009 in Form einer Begriffsbestimmung weiterentwickelt und 2014 in Form eines von Leitsätzen formulierten Leitbildes gefasst.

Elternkompetenzen stärken

Im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) beschreibt § 1 Abs. 4 KKG „Frühe Hilfen“ als ein wesentliches Unterstützungselement für Eltern bei der Wahrnehmung ihres Erziehungsrechts und ihrer Erziehungsverantwortung durch die staatliche Gemeinschaft. Frühe Hilfen verfolgen das Ziel, Elternkompetenzen von Anfang an zu stärken, um Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern bestmöglich zu fördern, Risiken für ihr Wohl möglichst früh wahrzunehmen und Gefährdungen systematisch abzuwenden. Indem Frühe Hilfen so auch dazu dienen, insbesondere in belastenden Lebenslagen (z. B. auf Grund der psychischen Erkrankung eines Elternteils, persönlicher Gewalterfahrung der Eltern, Verschuldung oder der chronischen Erkrankung des Kindes) und bei geschwächten familiären Bewältigungsressourcen Vernachlässigung und Misshandlung präventiv und wirksam vorzubeugen, sind sie Bestandteil eines weiten und umfassenden Verständnisses von Kinderschutz. Zielgruppe Früher Hilfen sind Kinder bereits während der Schwangerschaft bis zum Alter von ca. drei Jahren und damit Schwangere und werdende Väter sowie junge Mütter und Väter.

Budget steigt nur langsam

Nach einem Gesetzentwurf des Bundesrats vom Februar 2022 sollte das Bugdet der Frühen Hilfen von 51 auf 65 Millionen Euro angehoben werden. Im Bundeshaushalt 2024 sind allerdings nur 56 Millionen Euro dafür angesetzt. Auch eine Dynamisierung der Zahlungen ist bislang ausgeblieben.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht, Bundesstiftung Frühe Hilfen, wikipedia, SOLEX

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Bundesrat will mehr Mittel für Frühe Hilfen

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, den Beitrag des Bundes für die Bundesstiftung Frühe Hilfen zu erhöhen. Am 10. Juni 2022 beschloss er auf Anregung von 14 Ländern, einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen.

Forderung

Der Bund müsse die seit 2014 unveränderten Fördermittel entsprechend veränderter Rahmenbedingungen und der Preisentwicklung ab dem Jahr 2023 schrittweise um 45 Millionen Euro auf 96 Millionen im Jahr 2025 erhöhen und in den Folgejahren entsprechend der Entwicklung der Anzahl der Kinder von null bis drei Jahren, der Tarifsteigerungen des öffentlichen Dienstes und des Verbraucherpreisindexes des Statistischen Bundesamts anpassen.

Präventiver Kinderschutz und Gesundheitsförderung

Bei den Frühen Hilfen, die unter dem Aspekt des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor Gefährdungen entwickelt und aufgebaut worden sind, inzwischen aber auch als Maßnahme der Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern verstanden werden, handele es sich um ein verhältnismäßig junges Arbeitsfeld, betont der Bundesrat in einem Gesetzentwurf.

Die ersten Ansätze und Programme seien in den Jahren 2005 bis 2010 entwickelt und – in der Regel mit Modellcharakter – umgesetzt worden. Am Anfang hätte dabei vor allem die aufsuchende Arbeit durch fortgebildete Familienhebammen im Vordergrund gestanden. Insbesondere auf Grund des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz und der rechtlich auf diesem Gesetz beruhenden Bundesinitiative Frühe Hilfen – seit 1. Januar 2018 Bundesstiftung Frühe Hilfen – hätten sich die Frühen Hilfen zu einem eigenständigen sozial- und gesundheitspolitischen Handlungsfeld entwickelt, das sich bundesweit zunehmend professionalisiert und immer stärker durch fachliche Standards geprägt sei.

Gesetzesinitiative schon 2019

Schon 2019 hatte der Bundesrat einen inhaltlich entsprechenden Entwurf in den Bundestag eingebracht. Dort wurde er jedoch nicht abschließend beraten und unterfiel mit Ende der Legislaturperiode der so genannten Diskontinuität.

Diskontinuität

Nach diesem Grundsatz verfallen am Ende der Wahlperiode im Bundestag alle noch nicht abschließend behandelten Vorlagen (vgl. § 125 Geschäftsordnung des Bundestages). Die bisherigen Abgeordneten verlieren ihr Mandat und Fraktionen oder Ausschüsse müssen neu gebildet werden. Für den Bundesrat als kontinuierlich tagendes Organ gilt dieser Grundsatz nicht.

keine feste Fristen

Der Bundesrat startet nun einen erneuten Versuch, das Thema weiterzuverfolgen. Der Entwurf wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie nimmt dazu Stellung und legt dann beide Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vor. Feste Fristen, wann dieser sich damit befasst, gibt es nicht.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Soziarecht

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