Bezahlkarten und Pullfaktoren

Die Ampel-Fraktionen haben sich nach wochenlangen Diskussionen auf eine gemeinsame Gesetzesgrundlage zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber geeinigt.

Überweisungen ins Heimatland verhindern

Die Bezahlkarten sollen Leistungsberechtigten unter anderem die Möglichkeit nehmen, Geld aus staatlicher Unterstützung in Deutschland an Angehörige und Freunde im Heimatland zu überweisen. Außerdem wird darin festgehalten, dass die Leistungsbehörden selbst entscheiden können, wieviel Bargeld die Karteninhaber innerhalb eines bestimmten Zeitraums abheben können. Damit werde „den individuellen Bedürfnissen und Umständen vor Ort“ Rechnung getragen. „Die Regelung ermöglicht den Leistungsbehörden auch im Rahmen der Ermessensausübung Umstände zu berücksichtigen, aufgrund derer der Einsatz einer Bezahlkarte im Einzelfall nicht zweckmäßig erscheint“, heißt es im Entwurf weiter.

Taschengeld für den Schulausflug

„Das Taschengeld für den Schulausflug, das Busticket, um zum Ausbildungsplatz zu kommen, der Strom- oder Internetanschluss – all das muss bei der Einführung von Bezahlkarten vor Ort garantiert werden“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte, die Länder hätten nun die Möglichkeit, ihren Beitrag zu einer „neuen Migrations-Realpolitik zu leisten, indem sie einen der wesentlichen Pull-Faktoren für irreguläre Einwanderung ausschalten“.

Experten kritisieren These von Pull-Faktoren

Die Höhe von Sozialleistungen ist nicht entscheidend für Migrationsbewegungen. Das betonte in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag eine Mehrheit der geladenen Sachverständigen. Mehrere Wissenschaftlerinnen wiesen in der Anhörung darauf hin, dass die These von dem einen entscheidenden Pull-Faktor für Migration schon seit Jahrzehnten als wissenschaftlich überholt gilt. Entscheidender seien die Community vor Ort, Arbeitsperspektiven und die demokratische Verfasstheit des Ziellandes.

Sozialleistungen sind keine primären Gründe

Noa Kerstin Ha, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), kritisierte die These von den Pull-Faktoren als „bestenfalls unvollständig“. Aktuelle Studien würden die Evidenz sogenannter Wohlfahrtsmagneten eindeutig widerlegen, sagte sie. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) wies Vera Egenberger darauf hin, dass die Ablehnung von Migration selten auf Fakten basiere. Auch sie bekräftigte, eine Absenkung von Leistungen werde Migration nicht reduzieren, denn die primären Gründe dafür seien andere, wie zum Beispiel Kriegs- und Krisensituationen oder Klimakatastrophen. Hier müsse man ansetzen, wolle man Wanderungsbewegungen stoppen, betonte Egenberger.

Sachleistungen sind Ladenhüter

Den Ruf nach Sachleistungen kritisierte Katharina Voss von der Diakonie Deutschland als „Ladenhüter“, denn die Debatte sei eigentlich längst abgeschlossen. Die Praxis in den Kommunen hätte gezeigt: „Es ist personalintensiv, teuer und unpraktisch und geht für die Betroffenen oft am Bedarf vorbei.“ Demgegenüber böte ein Bezahlkarte Vereinfachungen, wenn sie diskriminierungsfrei ausgestaltet werde. Dies sei aber derzeit mit der willkürlichen Festlegung auf einen verfügbaren Betrag von zum Beispiel 50 Euro, über den die Asylsuchenden frei verfügen können sollen, nicht der Fall.

Gute Erfahrungen

Zustimmend zur Bezahlkarte äußerte sich dagegen Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag: „Wir machen damit gute Erfahrungen.“ Die Betroffenen könnten überall damit einkaufen, sogar online, aber es sei natürlich abhängig vom Betrag, der auf der Karte verfügbar ist, ergänzte sie. Daniel Thym, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Universität Konstanz, bezeichnete Sozialleistungen als den „nicht relevantesten Faktor“ für Migrationsströme, gleichwohl könnte deren Absenkung einen „symbolisch sichtbaren Effekt“ haben. 

Bezahlkarten für Millardäre?

Mittlerweile wurde in den sozialen Medien die (satirische) Forderung nach Bezahlkarten für Millardäre laut, „damit sie ihr Geld nicht ständig ins Ausland schicken, etwa auf die Cayman-Inseln.“

Quellen: Bundesregierung, Table Media, Bundestag, siehe auch FOKUS-Sozialrecht vom Februar

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Anhörung im Bundestag zur COP28

Seit 2015, als die Pariser Klimaziele beschlossen wurden, brachten alle nachfolgenden Klimakonferenzen enttäuschende Ergebnisse. Auch die am 30. November in Dubai stattfindende Klimakonferenz – COP 28 – weckt keine großen Hoffnungen und steht schon vor Beginn unter massiver Kritik. Vor allem der Veranstaltungsort und der Präsident der Weltklimakonferenz, Sultan Ahmed al-Dschaber, der gleichzeitig Chef von ADNOC ist, eines der weltweit größten Erdölkonzerne, sorgen bei Klimaschützern für Kopfschütteln.

Erdöl-Multi als Gastgeber

So schrieben im Januar hunderte Nichtregierungsorganisationen in einem offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, dessen Ernennung bedrohe die „Legitimität“ der Konferenz in Dubai. Keine guten Vorzeichen für die Rettung des Planeten also.

Anhörung im Bundestag

Trotzdem fand am 28. November im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags eine Anhörung von geladenen Sachverständigen statt, die durchweg mehr Anstrengungen zur Erreichung der Pariser Klimaziele forderten. Ausgenommen der von der AFD geladene Christopher Monckton of Brenchley, der wieder ein Bühne bekam für den Schwachsinn, den er im Auftrag des menschenverachtenden Heartland-Instituts verbreiten durfte. (Die Heartland-Stiftung ist übrigens Teil des Atlas-Netzwerks, dem anderem führende FDP-Politiker angehören, zum Beispiel Frank Schäffler, der vor kurzem durch die Torpedierung des von seiner eigenen Partei mitbeschlossenen Gebäude-Einergie-Gesetzes aufgefallen ist. Das nur am Rande.)

Zusage an Entwicklungsländer nicht eingehalten

Bertha Aguerta, Referentin für Klimafinanzierung und Entwicklung beim Verein Germanwatch, erinnerte daran, dass die Industriestaaten hätten zugesagt haben, seit 2020 100 Milliarden Dollar pro Jahr bereitzustellen, um den Entwicklungsländern zu helfen, Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen. 2021 sei dieses Ziel leider nicht erreicht worden. Zwar habe Deutschland seinen Beitrag geleistet. Andere Industriestaaten hätten dies jedoch nicht getan. Insofern müsse von einem Scheitern gesprochen werden. Anpassungsmaßnahmen, so Aguerta, seien jedoch besonders wichtig für die Entwicklungsländer, da die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher würden und die nachhaltige Entwicklung bedrohten.

Zielkonflikte

„Für mich ist proaktive internationale Klimapolitik Krisen- und Konfliktprävention“, sagte der von der Unionsfraktion nominierte Professor Jan Christoph Steckel vom Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Die globale Reduktion von Emissionen sei im globalen Interesse. Steckel forderte, die eigenen Ziele und Interessen klar zu formulieren, Zielkonflikte klar zu benennen, „und diese nach Möglichkeit auch aufzulösen“. Zielkonflikte gebe es international wie auch national. Der Anstieg der Kohleverstromung in den letzten Jahren in Ländern wie China, Indien, Indonesien und den Philippinen sei darauf zurückzuführen, dass es in diesen Ländern die günstigste Möglichkeit war, schnell viel Stromkapazität ans Netz zu bringen. „Ziele, wie Energiesicherheit oder kurzfristig günstiger Strom wurden von den nationalen Regierungen höher gewertet als klimapolitische Ziele.“

Dies bedeute aber nicht, dass es keine klimafreundlichen Alternativen gebe oder Kohle eine unumstößliche Bedingung für ökonomische Entwicklung sei, betonte Steckel. Diese Alternativen seien aber mit höheren Kosten verbunden. „Daher ist eine internationale Politik der ausgestreckten Hand, wie sie es unter anderem mit den Just Energy Transition Partnerships (JETPs) versucht wird, der richtige Weg“, sagte er.

Weit entfernt von den nötigen Klimazielen

Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Sachverständige benannte Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Kira Vinke, sieht die Welt in einer „wirklich brenzligen Krise“. Aktuell würden Prozesse im Erdsystem losgetreten, die sich auf viele hunderte Jahre auswirken könnten. „Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Ambitionen im Klimaschutz steigern, auch national“, sagte sie. Die deutsche Klima-Außenpolitik gründe sich schließlich in ihrer Legitimierung auf ihrer Klima-Innenpolitik.

Um das 1,5 Grad-Ziel bis Ende des Jahrhunderts noch im Blick behalten zu können, müssten die Emissionen weltweit um 40 Prozent bis 2030 gesenkt werden, sagte Vinke. „Davon sind wir weit entfernt“, fügte sie hinzu. Benötigt werde der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien. Ein Ziel könne sein, bis 2030 11.000 Gigawatt hinzuzubauen. Die Expertin sprach sich für mehr multilaterale oder bilaterale Abkommen aus, um eine neue Dynamik auch mit Blick auf den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung zu erzielen. Wenn es beispielsweise derzeit nicht möglich sei, einen globalen CO2-Preis zu erreichen, könne in kleineren Gruppen etwa ein Methanpreis ausgemacht werden. Dazu müsse versucht werden, „auch mit den Amerikanern eine stärkere Partnerschaft einzugehen“.

Vinke ging auch auf die Kreditvergabe für Klimaanpassungsmaßnahmen ein. Benötigt würden mehr Zuwendungen, „weil es für viele Länder nicht möglich ist, für bestimmte Anpassungsmaßnahmen Kredite aufzunehmen und diese fristgerecht zurückzuzahlen“.

Klimaclubs als Alternative

Professor Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, von der FDP-Fraktion zu der Anhörung eingeladen, blickt wenig hoffnungsvoll auf die anstehende Konferenz von Dubai. Erwartet worden sei, dass nun der Mechanismus des „Naming and Shaming“ einsetze. In den vorliegenden Dokumenten stehe davon aber gar nichts. Es sei nur eine kollektive statt einer individuellen Bestandsaufnahme geplant. Im Grunde vertage man sich bei dieser Bestandsaufnahme schon wieder bis zur nächsten in fünf Jahren, bemängelte er. „Es ist also nicht zu erwarten, dass dort der zentrale Vollzugsmechanismus des Paris-Abkommens greift“, so Schwarze.

Realistischer sei ohnehin derzeit ein Klimastabilisierungsszenario jenseits von zwei Grad. Schon 2026 werde wohl das 1,5 Grand-Ziel dauerhaft verletzt werden. Alternativen zum Paris-Abkommen seien die Klimaclubs. „Diese Idee ist für Ökonomen außerordentlich charmant“, sagte Schwarze. Sie stelle die CO2-Bepreisung in den Mittelpunkt aller Ziele, was viele Vorteile habe. Allerdings sei diese Zielsetzung etwa im Rahmen der G7 aufgegeben worden. Schwarze nannte dies ernüchternd. Es gelte nun, den klimafreundlichen technischen Fortschritt durch internationale Forschungskooperation stärker zu fördern.

Quellen: Bundeszentrale für politische Bildung, wikipedia, t-online, Bundestag

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Kritik am Klimaschutzgesetz

„Keine Verschiebung von Reduktionslasten in die Zukunft und damit auf die nachfolgenden Generationen“ war ein Kernsatz des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 29. April 2021. Darauf wies Roda Verheyen, Vorstand von Green Legal Impact und Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts bei der Sachverständigen-Anhörung am 8. November 2023 zur geplanten Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes hin.

Belastung der nachfolgenden Generationen

Genau diese Verschiebung der Lasten passiere aber nun mit der geplanten Novelle. Die auf Vorschlag der SPD geladenen Expertin appellierte an die Abgeordneten: „Es ist zwingend erforderlich, dieses Gesetz so nicht anzunehmen.“ Zu dem gleichen Ergebnis kam Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, der ebenfalls auf Vorschlag der SPD eingeladen war.

Aufhebung der Sektorenziele

Kern der Novelle des Klimaschutzgesetzes ist die Aufhebung der Sektorenziele, so dass nun nur noch die Jahresemissionsgesamtmengen für alle Sektoren zusammen bewertet werden und gegebenenfalls für Nachbesserungen sorgen sollen. Dies entlastet vor allem das Verkehrsministerium, dass seine Sektorenziele bisher krachend verfehlt hat.

Klimablockadepolitik

Das Klimaschutzgesetz sei „nicht ansatzweise mit der 1,5 Grad-Grenze kompatibel, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Mit dem Gesetz gehe es offenbar darum, “säumige Ministerien vor schlechter Presse zu schonen und Klimablockadepolitik in Schlüsselsektoren wie dem Verkehr in einer mehrjährigen Gesamtrechnung„ zu verstecken. Müller-Kraenner, der auf Einladung der Linken-Fraktion Stellung nahm, sprach von drohender “Verantwortungsdiffussion„. Ähnlich sah das Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring. Der vorliegende Gesetzentwurf diene lediglich der Verschleierung ungenügender Klimaschutzbemühungen sagte der Experte, der auf Einladung der Grünen-Fraktion sprach.

Keine Aufweichung der Sektorziele

Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach sich dezidiert gegen eine Aufweichung der Sektorziele aus und plädierte für eine Beibehaltung der derzeitigen Methodik, die eine gezielte Anreizwirkung zur Senkung der Treibhausgasemissionen in den Sektoren habe. Dazu führte die Expertin, die auf Einladung der Grünen-Fraktion an der Anhörung teilnahm, aus, dass zur Vermeidung von Zielabweichungen die Verrechnung von Über- und Untererfüllungen nur bis zu einer bestimmten Grenze zugelassen werden sollte.

gemeinsame Verantwortung der Regierung

Eine andere Meinung hat der von der CDU eingeladene Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina/Nationale Akademie der Wissenschaften, Gerald Haug. Er nannte die sektorübergreifende Klimaschutzpolitik genauso richtig wie die daraus folgende gemeinsame Verantwortung der Regierung.

Langfristige und strukturelle Maßnahmen unzureichend

Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagte, der Reformbedarf für das Klimaschutzgesetz bestehe, weil dessen Steuerungsmechanismen zwar hohe Verbindlichkeit und Flexibilität aufwiesen, „aber an den jeweils falschen Stellen“. Jahresscharfe sektorale Emissionsminderungsziele und die Zuweisung von sektoraler ministerieller Verantwortlichkeit schafften eine Vielzahl von politischen Interventionspunkten – vor allem bei der Ausgestaltung der Sofortprogramme, die bisher das zentrale Instrument der Nachsteuerung seien. Es sei jedoch mehr als fraglich, ob dies auch zu höherer langfristiger Glaubwürdigkeit führe. „Denn Sofortprogramme schließen Lücken, die in der Regel überhaupt erst entstehen, weil die langfristigen und strukturellen Maßnahmen unzureichend sind“, sagte Pahle, der auf Einladung der FDP sprach.

Teure Zukunft

Verkehr und Gebäude seien die Sektoren, die schon in der Vergangenheit ihre Ziele nicht erreicht hätten, sodass man nach europäischen Regeln Emissionszertifikate mit deutschem Steuerzahlergeld zukaufen musste, erklärte Christoph Bals von Germanwatch, der auf Einladung der Unionsfraktion sprach. Das werde zukünftig aber viel teurer, sagte Bals. Abschätzungen gingen von bis zu zweistelligen Milliardenbeträgen aus. Eventuell drohten EU-Vertragsverletzungsverfahren und Strafzahlungen. Eine fehlende Strategie im Verkehrs- und Gebäudebereich wäre daher “grob fahrlässig„, so Bals.

Finanzausstattung der Kommunen

Am bestehenden Monitoring und Kontrollmechanismus sowie der Pflicht, innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorzulegen, müsse festgehalten werden, forderte auch Tim Bagner vom Deutschen Städtetag, der auf Einladung gemäß einer Regelung der Geschäftsordnung des Bundestags zur Teilnahme von Vertretern kommunaler Spitzenverbände an Anhörungen sprach. Wie Bagner und Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag forderte Alexander Kramer vom Deutschen Städte- und Gemeindebund Bund und Länder auf, für eine langfristige und hinreichende Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen.

soziale Akzeptanz

Leon Krüger vom DGB, der auf Einladung der SPD-Fraktion sprach, unterstrich das Anliegen des Gewerkschaftsbundes, dass es für die ökonomisch ausgewogene Flankierung wie auch die soziale Akzeptanz der Klimaschutzmaßnahmen unerlässlich sei, die Bevölkerung über ein Klimageld zu entlasten und so klimaschutzbezogene Mehrbelastungen zu kompensieren“.

Quellen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht

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(Keine) Reformen im SGB II

Im Januar dieses Jahres präsentierte das BMAS einen Gesetzentwurf zur Änderung des SGB II (Elftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze). Wir berichteten am 30. Januar 2021 darüber.

Kein Änderungsgesetz vor den Wahlen

Der Entwurf ist mittlerweile in der Versenkung verschwunden. Er gelangte in der
laufenden Legislaturperiode nicht mehr zur Beratung und Verabschiedung in den Deutschen Bundestag, obwohl mit ihm das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Reform des Sanktionsrechts – Urteil des Ersten Senats vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16 – umgesetzt werden sollte.

Außerdem sollte der in der Pandemie vorübergehend eingeführte vereinfachte Zugang zum Arbeitslosengeld II dauerhaft festgelegt werden. Und es sollte weitere Anpassungen und Klarstellungen zur Weiterentwicklung des Eingliederungsprozesses geben.

Ausschuss-Anhörung

Stattdessen haben nun die Oppositionsfraktionen mehrere Anträge für Reformen im System der Grundsicherung für Arbeitssuchende gestellt. Auch mehrere Verbände melden Änderungsbedarf in der Grundsicherung an. Dazu gab es am 7. Juni 2021 eine Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Anträge der Opposition:

  • Einführung von Bagatellgrenzen bei Rückforderungen (FDP),
  • 25-Prozent-Freibetrag für Rentner (AfD),
  • sanktionsfreie Mindestsicherung und Verhinderung von Grundsicherungskürzungen bei Rentnern (Linke),
  • Garantiesicherung statt Hartz IV (Grüne).

Forderungen der Verbände:

  • Der Deutsche Caritasverband e. V. will unter anderem einen Paradigmenwechsel in der Grundsicherung, der das „Fördern“ deutlich markanter ins Zentrum rückt. Integrationserfolge dürften nicht länger durch die Drohungen mit Verwaltungsakten und einem starren Sanktionsregime behindert werden.
  • Der Deutsche Landkreistag unterstützt, wie die meisten anderen Verbände auch, die Einführung einer Bagatellgrenze für Rückforderungen. „Dies würde zu mehr Bürgerfreundlichkeit und zur Vermeidung unnötiger Bürokratie beitragen.“
  • Die Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. fordert unter anderem „eine Regelsatzermittlung, die Zirkelschlüsse vermeidet und eine untere Haltelinie gewährleistet und eine Festlegung von Kosten der Unterkunft, die die tatsächlichen Gegebenheiten am Wohnungsmarkt zum Maßstab nimmt“.
  • Der Deutsche Städtetag schreibt: „Die Städte zweifeln daran, ob der restriktive Umgang der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit jungen Menschen zielführend ist“, deren Ungleichbehandlung im SGB II müsse beendet werden.
  • Die Bundesagentur für Arbeit befürwortet das System des „Förderns und Forderns“ in der Grundsicherung, schlägt aber dennoch eine Entschärfung des Sanktionsrechts bei unter 25-Jährigen und auch die Einführung einer Bagatellgrenze für Rückforderungen vor.
  • Der Sozialverband VdK Deutschland e. V. schreibt: „Die Aussetzung der Vermögensprüfung und die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten im Zuge des erleichterten Zugangs zur Grundsicherung im Zuge der Corona-Pandemie waren sehr sinnvolle Maßnahmen, die unbedingt in einem neuen Grundsicherungssystem fortgesetzt werden müssten.“
  • Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält es unter anderem für notwendig, die Regelsätze neu zu ermitteln, eine Kindergrundsicherung und ein Recht auf Weiterbildung einzuführen. Während Die Linke jedoch fordere, das neue Leistungsniveau in Höhe einer Pauschale von 1.200 Euro aus der Armutsgrenze abzuleiten, halte der DGB eine Herleitung aus den Verbrauchausgaben für sachgerechter – wenn die Referenzgruppen neu definiert würden und bestimmte Standards erfüllten.
  • Der Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD) fordert, „die Regelsätze mittels eines transparenteren Statistikmodells zu ermitteln, das sich am tatsächlichen Bedarf orientiert und auf willkürliche, sachlich nicht begründbare Abschläge und normative Streichungen verzichtet“.
  • Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung „unterstützt die Erhöhung des Personalschlüssels beziehungsweise die Reduktion des Betreuungsschlüssels, weil damit zum einen die gesetzliche Forderung nach einer festen Ansprechperson besser erfüllt werden könnte und zum anderen die Beratungsqualität erhöht werden könnte“.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Anhörung zu Pauschbeträgen

Am 9.Juli berichteten wir über den Referentenentwurf des Finanzministeriums zur Erhöhung der Be­hin­der­ten-Pausch­be­trä­ge und An­pas­sung wei­te­rer steu­er­li­cher Re­ge­lun­gen (Be­hin­der­ten-Pausch­be­trags­ge­setz). Am 30.9.2020 fand im Bundestag eine Anhörung zum Gesetzentwurf statt.

Übereinstimmend wurde die Anhebung von allen Sachverständigen und Fachverbänden begrüßt. Trotzdem gab es auch Kritik und Verbesserungsvorschläge.

Keine Dynamisierung vorgesehen

Bemängelt wird vor allem, dass diese Anhebung der Pauschbeträge die erste seit 45 Jahren ist:

  • Der Bund der Steuerzahler wies darauf hin, dass die Anpassung von Pauschbeträgen grundsätzlich regelmäßig erfolgen sollte, um ihrer Vereinfachungsfunktion gerecht zu werden, damit es nicht wieder 45 Jahre dauere, bis es zur nächsten Anhebung komme. Zwar werde nun die Anhebung der Pauschbeträge auf ein angemessenes Niveau nachgeholt. Dies ersetze aber nicht die Überprüfung und die Anpassung in den nächsten Jahren.
  • Auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe schlug eine gesetzlich verankerte Dynamisierung vor. So könnte der Behindertenpauschbetrag auch in Zukunft seinen Zweck erfüllen.
  • Vom deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband hieß es dazu in dessen Stellungnahme, wäre seit 1975 eine jährliche Anpassung an die Inflationsrate vorgenommen worden, wären die Beträge heute mehr als doppelt so hoch. Es handele sich bei Pauschbeträgen gerade nicht um Steuerentlastungen, sondern schlicht um eine Vereinfachung im Steuerrecht.

Übertragbarkeit des Pauschbetrages

Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine machte die Übertragbarkeit des Pauschbetrages zum Thema. Nach geltendem Recht könne ein Pauschbetrag für behinderte Menschen vom Kind auf die Eltern übertragen werden, wenn der Pauschbetrag vom Kind nicht selbst in Anspruch genommen werde. Vorgeschlagen wurde eine Erweiterung dahingehend, dass ein Pauschbetrag der Eltern auch von deren Kindern geltend gemacht werden könne, wenn sie ihre Eltern persönlich betreuen würden.

taubblinde Menschen

Der deutsche Gehörlosen-Bund wies darauf hin, dass in dem Gesetzentwurf das für taubblinde Menschen vergebene Merkzeichen TBI fehle. Wegen ihres hohen Hilfebedarfs sei die Gruppe der taubblinden Menschen aber ebenso auf den für bestimmte Betroffenengruppen vorgesehenen erhöhten Pauschbetrag angewiesen, wenn nicht sogar auf einen noch höheren Betrag. Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Behinderten, nannte die Forderung nach einer steuerrechtlichen Gleichberechtigung taubblinder und blinder Menschen in seiner Stellungnahme berechtigt.

Pflege-Pauschbetrag

Der Gesetzentwurf sieht auch eine Erhöhung des seit 1990 unveränderten Pflegepauschbetrags vor. Der Pflegepauschbetrag bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 4 und 5 soll erhöht und für die Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 neu eingeführt werden. Der Pflegepauschbetrag soll künftig auch unabhängig vom Vorliegen des Kriteriums ‚hilflos‘ bei der zu pflegenden Person“ geltend gemacht werden können.
Dies wurde vom Sozialverband VdK ausdrücklich begrüßt, der darauf hinwies, dass gerade in der Corona-Krise für viele Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen zahlreiche ambulante Unterstützungsstrukturen und andere Hilfen weggebrochen seien.

Quellen: Bundestag, Finanzministerium, FOKUS-Sozialrecht

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