Bundesteilhabegesetz (Teil 9) – Personenkreis

Kapitel 2 der Eingliederungshilfe beschreibt die Grundsätze, zu denen zunächst die Frage gehört, wer leistungsberechtigt ist. (§ 99 SGB IX und § 53 SGB XII)

Begriff der Behinderung

Die mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) erfolgte Reform der Eingliederungshilfe sollte auch eine Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises umfassen. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes war aber heillos umstritten, wie diese neue Legaldefinition aussehen soll.

Unumstritten ist, dass das Vorliegen einer Behinderung die erste Voraussetzung ist, um Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX zu erhalten. Deshalb ist die Klärung, wer eigentlich behindert ist, ein erster wichtiger Schritt hin zur Leistungsberechtigung. Der bisherige Behinderungsbegriff aus dem alten, bis Ende 2017 geltenden SGB IX wurde durch eine moderne, an die „International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF)“ der WHO angelehnte Definition ersetzt. Das BTHG hat diese Forderung aufgegriffen und in § 2, Abs. 1 SGB IX ab dem 01.01.2018 eine entsprechende Definition vorgenommen.

Der Behindertenbegriff ist im ICF erheblich weiter gefasst als im SGB IX und im SGB XII. Dies gilt auch nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes zum 1. Januar 2018.

Bisher wurde im SGB IX die Behinderung als Beeinträchtigung der Teilhabe bei nicht alterstypisch beeinträchtigten Funktionszustand beschrieben (siehe § 2 SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung); dagegen ist im ICF schon eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit ohne Beeinträchtigung der Teilhabe als Behinderung definiert.

Durch das Bundesteilhabegesetz wurde der Begriff der Behinderung in § 2 SGB IX mit Geltung ab 1.1.2018 der ICF weitgehend angepasst – eine vollständige Umsetzung ist allerdings immer noch nicht vorgenommen. Nunmehr sind Menschen mit Behinderungen Personen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.

Der neue Begriff bezieht neben den funktionellen Beeinträchtigungen (funktionale körperliche, geistige oder seelische Dysfunktionen, Sinnesbeeinträchtigungen) deren Wechselwirkung mit fördernden und hemmenden (Barrieren) Faktoren aus der personalen oder sachlichen Umgebung der betroffenen Person mit ein. Das Ergebnis dieser Wechselwirkung ist in Verbindung mit den Wünschen und Einstellungen der Person dann die tatsächlich vorliegende Behinderung an der vollen Teilhabe an der Gesellschaft. Strukturiert werden diese Wechselwirkungen durch neun verschiedene Lebensbereiche (z. B. Kommunikation, Selbstversorgung, Mobilität oder interpersonelle Interaktion und Beziehungen).

Gültig bis 31.12.2022

Nach § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen eine Leistung der Eingliederungshilfe, wenn sie

  • behindert sind im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und sie
  • dadurch wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind.

Diese Definition gilt auch weiterhin bis 31.12.2022, denn erst am 1.1.2023 soll – sofern die bis dahin abgeschlossene Evaluation dazu eine Lösung bietet – die Leistungsberechtigung für die Eingliederungshilfe auf neue Grundsätze gestellt werden.

ab 2023

Seit September 2018 liegt der Abschlussbericht zu den rechtlichen Wirkungen im Fall der Umsetzung von Artikel 25a § 99 des Bundesteilhabegesetzes (ab 2023) auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe vor.
Geplant war, dass die Umsetzung kostenneutral ist und den gleichen Personenkreis bedient.
Das kurzgefasste Ergebnis der Untersuchung lautet: das klappt nicht.

Ob der § 99 SGB IX ab 1.1.2023 also so aussieht, wie geplant, ist noch offen.

Quellen: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), SOLEX, dejure.org

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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Bundesteilhabegesetz (Teil 8) Rechtsanspruch

Eine der noch offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz lautet: Gibt es einen Rechtsanspruch auf die Leistungen der Eingliederungshilfe?
Zuständig für die Beantwortung der Frage sollte eigentlich der § 107 SGB IX sein.

Die Regelung, dass Leistungen der Eingliederungshilfe nicht übertragbar sind, nicht verpfändbar sind und auch nicht gepfändet werden können, sind vom § 17 SGB XII übernommen. Es fehlt jedoch, weder in der Überschrift noch im Text der Hinweis darauf, dass es einen Anspruch auf die Hilfeleitungen gibt. Der 1. (Halb-)Satz des § 17 SGB XII lautet: „Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch,…“. In § 107 SGB IX steht davon nichts. Die Überschrift zu § 17 SGB XII lautet: „Anspruch“. Die Überschrift zu § 107 SGB IX lautet: „Übertragung, Verpfändung oder Pfändung, Auswahlermessen“.
Heißt das nun, dass das Gewähren von Leistungen der Eingliederungshilfe nur vom Ermessen des Trägers abhängt?

Der Rehabilitationswissenschaftler Dr. Harry Fuchs schreibt in seinem Skript zum Blockseminar „Bundesteilhabegesetz“ am 16.2.2018: „Im Gegensatz zum bisherigen Recht (§ 17 Abs.1 SGB XII) besteht kein einklagbarer Rechtsanspruch auf EinglH. Stattdessen wird den Trägern ein noch weiter ausgedehnter Ermessenspielraum bei der Entscheidung eingeräumt, der zudem durch eine Zumutbarkeitsregelung geprägt ist, über die ebenfalls der Träger entscheidet (§ 104 SGB IX).“ Er befürchtet, dass „dass einheitliche Lebensverhältnisse behinderter Menschen kaum noch zu gewährleisten sind“, weil es im BTHG keine Maßstäbe zur Bemessung der Höhe der Leistungen gebe. Daher sei abzusehen, dass es in Verbindung mit dem weitgehendem Trägerermessen bundesweit zu sehr unterschiedlichen Entscheidungen kommen werde.

Prof. Dr. Arne von Boetticher dagegen schreibt in seinem Buch: „Das neue Teilhaberecht“ (Nomos Verlagsgesellschaft, 2018), auf Leistungen der Eingliederungshilfe bestehe weiterhin ein Rechtsanspruch, wenn die Voraussetzungen des § 99 SGB IX erfüllt sind. Die Ausübung des pflichtgemäßen Bemessens sei beschränkt auf das „Wie“ der Leistungserbringung, nicht auf das „Ob“. „Nur dann, wenn eine Behinderung im Sinne des § 1 SGB IX vorliegt, die jedoch die Schwelle der wesentlichen Teilhabeeinschränkung nach § 53 SGB XII nicht erreicht, steht es im Ermessen des Eingliederungshifeträgers, ob Leistungen zu erbringen sind.“ Die ab 2023 gültige Fassung des § 99 SGB IX sehe eine Fortsetzung dieser Differenzierung nach Anspruchs- und Ermessensregelung vor.

Quellen: Dr. Harry Fuchs, Dr. Arne von Boetticher, „Das neue Teilhaberecht“ (Nomos Verlagsgesellschaft, 2018), dejure.org

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Erhöhung der Vergütung von beruflichen Betreuern und Vormündern: Gesetzentwurf liegt vor

Über zehn Jahre hat sich an der Vergütung nichts geändert. Und nun geht es doch schneller als erwartet: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung – an den Bundesrat übermittelt am 1. März 2019 – wurde als besonders eilbedürftig qualifiziert und mit Fristablaufsdatum 12. April 2019 versehen. Dies deutet stark darauf hin, dass der Zeitplan der Bundesregierung darauf abzielt, das Gesetzgebungsverfahren mit 2. Einbringen in den Bundesrat am 12. April 2019 abzuschließen.

Der Zeitplan würde dann wie folgt lauten:

  • Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • Zweite und dritte Lesung im Bundestag
  • 12.04.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat (also vorauss. Mai oder spätestens Juni 2019)

Quelle: Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung (Drs. 101/19)

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Anlass ist der vor kurzem vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgestellte Gesetzentwurf zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung, der nun vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Nachdem lange Zeit die pauschale Vergütung von Berufsbetreuerinnen und -betreuer unangetastet blieb, hebt der Gesetzesentwurf die durchschnittliche Vergütung um 17 Prozent.

Zugleich ändert sich die Systematik der Vergütung der beruflich tätigen Betreuer vom Stundenansatz und Stundensatz hin zur fallbezogenen Monatspauschale, auch sind „Sonderzahlungen“ unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Bundesteilhabegesetz (Teil 7) – Beratung und Unterstützung

Zentrale Bedeutung bei der Umsetzung der Selbstbestimmung und der vollen und gleichberechtigten Teilhabe ist eine umfassende Beratung und Unterstützung (§ 106 SGB IX). Dabei muss die Beratung in für den Betroffenen wahrnehmbarer Form geschehen. Dies trägt dem Artikel 21 der UN-Behindertenrechtkommission Rechnung. Die Beratung soll sich insbesondere der Leichten Sprache bedienen, aber auch Gebärdensprache, Brailleschrift, ergänzende und alternative Kommunikationsformen sollen eingesetzt werden, wenn es gewünscht wird.

Unverständlich ist, warum die Vorschrift in wahrnehmbarer Form zu kommunizieren nur auf die Beratung beschränkt ist. Genauso notwendig ist dies bei den Unterstützungsleistungen. Nicht nur beim Empfang von Informationen, sondern auch bei der Entgegennahme von Hilfeleistungen bei Anträgen, Entscheidungen und Inanspruchnahme von Leistungen ist es wesentlich, dass die leistungsberechtigte Person die Hilfen auch wahrnehmen kann, damit er sie dann annimmt.

Leistungsberechtigte sollen auch auf andere Beratungsmöglichkeiten hingewiesen werden, wie zum Beispiel auf die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung nach § 32 SGB IX (s.u.) oder Beratungen bei Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege.

Der Inhalt der Beratungs- und Unterstützungspflicht ist ausführlich beschrieben und erfordert eine hohe Fachlichkeit bei den Leistungsträgern.

Die Beratung umfasst insbesondere folgende Themen:

  1. die persönliche Situation des Leistungsberechtigten, den Bedarf, die eigenen Kräfte und Mittel sowie die mögliche Stärkung der Selbsthilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft einschließlich eines gesellschaftlichen Engagements,
  2. die Leistungen der Eingliederungshilfe einschließlich des Zugangs zum Leistungssystem,
  3. die Leistungen anderer Leistungsträger,
  4. die Verwaltungsabläufe
  5. Hinweise auf Leistungsanbieter und andere Hilfemöglichkeiten im Sozialraum und auf Möglichkeiten zur Leistungserbringung,
  6. Hinweise auf andere Beratungsangebote im Sozialraum,
  7. eine gebotene Budgetberatung.

Die Unterstützung umfasst insbesondere folgende Themen:

  1. Hilfe bei der Antragstellung,
  2. Hilfe bei der Klärung weiterer zuständiger Leistungsträger,
  3. das Hinwirken auf zeitnahe Entscheidungen und Leistungen der anderen Leistungsträger,
  4. Hilfe bei der Erfüllung von Mitwirkungspflichten,
  5. Hilfe bei der Inanspruchnahme von Leistungen,
  6. die Vorbereitung von Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft einschließlich des gesellschaftlichen Engagements,
  7. die Vorbereitung von Kontakten und Begleitung zu Leistungsanbietern und anderen Hilfemöglichkeiten,
  8. Hilfe bei der Entscheidung über Leistungserbringer sowie bei der Aushandlung und dem Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern sowie
  9. Hilfe bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus der Zielvereinbarung und dem Bewilligungsbescheid.

Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung

Mit dem Bundesteilhabegesetz wurde zum 01.01.2018 die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) eingeführt (§ 32 SGB IX). Diese ist unabhängig von Leistungserbringern oder Leistungsträgern und nur dem Ratsuchenden verpflichtet. Als niederschwelliges Beratungsangebot soll sie wohnortnah sein, zeitnah agieren und mit dem Betroffenen auf „Augenhöhe“ sprechen. Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollen die Beratungsstellen aus Fördermitteln des BMAS finanziert werden. Bei der Förderung besonders berücksichtigt werden sollen Beratungsngebote von Betroffenen für Betroffene (Peer-to-Peer-Counseling).

Ziel der EUTB soll sein, „die Position von Menschen mit (drohenden) Behinderungen gegenüber den Leistungsträgern und Leistungserbringern im sozialrechtlichen Dreieck durch ein ergänzendes, allein dem Ratsuchenden gegenüber verpflichtetes Beratungsangebot zu stärken und insbesondere im Vorfeld der Beantragung konkreter Leistungen die notwendige Orientierungs-, Planungs- und Entscheidungshilfe zu geben. Das Angebot soll ganzheitlich die individuelle Persönlichkeit und Situation der Ratsuchenden aufgreifen und deren gesamtes soziales Umfeld mit dem Ziel einbeziehen, die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu stärken. Ratsuchenden soll dafür ein unabhängiges, d. h. insbesondere von ökonomischen Interessen und der Kostenverantwortung der Leistungsträger und Leistungserbringer weitgehend freies Beratungsangebot zur Verfügung stehen“ (so die Förderrichtlinie zur Durchführung der „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ für Menschen mit Behinderungen vom 17.05.2017).

Mit dem Bundesteilhabegesetz wurden die „gemeinsamen Sevicestellen“ als Beratungsstruktur aufgegeben. Anders als die Servicestellen müssen die Teilhabeberatungsstellen unabhängig sein und dürfen sich weder in Trägerschaft der Reha-Träger noch in der von Leitungserbringern befinden.

Einen individuellen Rechtsanspruch auf eine EUTB gibt es aber nicht. Sollte es an der Umsetzung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung mangeln, kann dagegen nur auf politischem Weg angegangen werden. Auch sind die Landkreise und Städte nicht verpflichtet solche Angebote einzurichten, die laut Gesetzesbegründung flächendeckend entstehen sollen.

EUTB werden im „neuen“ SGB IX an verschiedenen Stellen als Ansprechpartner genannt, etwa

  • in § 12 Abs. 1 Nr. 4 im Rahmen der allgemeinen Bereitstellung und Vermittlung geeigneter barrierefreier informationsangebote,
  • in § 20 Abs. 3 vor der Durchführung einer Teilhabekonferenz,
  • in § 33 im Rahmen der Beratungsstrukturen und der Beratungspflicht der SGB IX – Träger und
  • in § 106 Abs. 4 speziell der Träger der Eingliederungshilfe.

Ca. 800 EUTB werden bis 2022 mit Bundesmitteln gefördert. Auf https://www.teilhabeberatung.de/ kann man herausfinden, welche Organisationen eine Bewilligung erhalten haben unnd welche in der Nähe zu finden sind.

Quellen: Quellen: SOLEX, Bundestag, dejure.org

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Rückforderung von Blindengeld rechtens – Leistungen der Pflegeversicherung 

Ein bereits bewilligtes und gezahltes Blindengeld kann zurückgefordert werden, wenn der Antragsteller den Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung verschwiegen hat. Dies entschied das Verwaltungsgericht Aachen (VG) mit Urteil vom 19. Februar 2019.

Leistungen der Pflegeversicherung werden auf den Blindengeldanspruch zum Teil angerechnet. Daher kann ist eine rückwirkenden Aufhebung des Blindengeldes zulässig, wenn der Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung pflichtwidrig nicht mitgeteilt wird.

Der Sachverhalt:

Die im Jahr 1928 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Falls beantragte im Oktober 2007 die Gewährung von Blindengeld. Der Landschaftsverband Rheinland wies die Klägerin bei Antragstellung und wiederholt auch in den Folgejahren darauf hin, dass Leistungen der Pflegeversicherung auf den Blindengeldanspruch zum Teil angerechnet würden und sie den Bezug solcher Leistungen demensprechend mitteilen müsse. Im Jahr 2016 stellte sich heraus, dass die Klägerin seit Oktober 2008 Leistungen der Pflegeversicherung erhielt. Der Landschaftsverband Rheinland forderte daraufhin zu viel gezahltes Blindengeld in Höhe von rund 13.000 Euro zurück.

Das Urteil:

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Aachen entschied, dass die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides erfüllt seien, da die Frau ihrer Pflicht zur Mitteilung der Änderung des Verhältnisse sei die Klägerin grob fahrlässig nicht nachgekommen. Ihre Sehbehinderung stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Ihr sei bekannt gewesen, dass der Bezug von Pflegeleistungen Auswirkungen auf die Höhe des Blindengeldes habe und dementsprechend dem Landschaftsverband mitzuteilen gewesen sei. Nachdem ihr Pflegeleistungen ab 1. Oktober 2008 (elf Monate nach Bewilligung des Blindengeldes), bewilligt worden waren und sie nur wenige Monate später, nämlich im Mai 2009, erneut auf ihre diesbezügliche Mitteilungspflicht hingewiesen worden war, hätte es sich ihr aufdrängen müssen, dass dieser Sachverhalt dem Landschaftsverband mitzuteilen sei.

Als grob fahrlässig wäre es unabhängig hiervon auch anzusehen, wenn die Klägerin sich nicht darum gekümmert hätte, wie sie trotz ihrer Sehbehinderung Kenntnis von dem Inhalt behördlicher Schreiben erhalten könnte, um den ihr bekannten Obliegenheiten gegenüber den Sozialleistungsträgern nachkommen zu können.

Quelle: Pressemitteilung des Gerichts v. 19.02.2019

Fingerabdruckscan bei Asylbewerbern ist jetzt erlaubt

Seit 27. Februar 2019 sind die Regelungen zur Überprüfung der Identität mittels Fingerabdruckdaten im Asylbewerberleistungsgesetz (§ 9 Abs. 3 und § 11 Abs. 3a AsylbLG) in Kraft. Dies geht aus der Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt I Nr. 5 hervor.

Die Bekanntmachung lautet:

„Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat festgestellt, dass die technischen Voraussetzungen der Ausstattung für die nach § 10 des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen Behörden mit Geräten zur Überprüfung der Identität mittels Fingerabdruckdaten geschaffen sind. Somit wird nach Artikel 31 Absatz 5 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) bekannt gemacht, dass die Artikel 4 [red. Anm. = Einfügung von Satz 2 in § 9 Abs. 3 und Einfügung von Abs. 3a in § 11 AsylbLG], … dieses Gesetzes am 27. Februar 2019 in Kraft treten.“

Mit dem oben genannten Änderungsgesetz wird geregelt, dass es zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 SGB I gehört, dass Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragen bzw. bereits erhalten, auf Verlangen der zuständigen Leistungsbehörde die Abnahme der Fingerabdrücke dulden müssen, wenn dies zur Prüfung ihrer Identität – siehe § 11 Abs. 3a neu AsylbLG – erforderlich ist (§ 9 Abs. 3 Satz 2 neu AsylbLG).

Der neu eingefügte Absatz 3a AsylbLG lautet:

„(3a) Soweit nach einem Datenabruf aus dem Ausländerzentralregister Zweifel an der Identität einer Person, die Leistungen nach diesem Gesetz als Leistungsberechtigter nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 7 beantragt oder bezieht, fortbestehen, erhebt die zuständige Behörde zur weiteren Überprüfung der Identität Fingerabdrücke der Person und nimmt eine Überprüfung der Identität mittels der Fingerabdruckdaten durch Abfrage des Ausländerzentralregisters vor. Die Befugnis nach Satz 1 setzt keinen vorherigen Datenabgleich mit der Ausländerbehörde nach Absatz 3 voraus. Von den Regelungen des Verwaltungsverfahrens in den Sätzen 1 und 2 kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.“

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Basiskonto: Gerichtsurteil begrenzt Höhe der Kontogebühren

Nach Ansicht des Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) ist das Basiskonto bei der Deutschen Bank zu teuer. Die Kosten seien unangemessen hoch und damit unwirksam.

Ein monatlicher Grundpreis von 8,99 Euro sowie Kosten von 1,50 Euro für eine beleghafte Überweisung im Rahmen eines Basiskontos sind unangemessen hoch und damit unwirksam. Basiskonten müssen zwar nicht als günstigstes Kontomodell eines Kreditinstituts angeboten werden, die Preise sollen aber das durchschnittliche Nutzerverhalten dieser Kontoinhaber angemessen widerspiegeln – so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) im am 27.02.2019 verkündetem Urteil. Das Gericht richtet sich hier nach der gesetztlichen Vorgabe im Zahlungskontengesetz. Danach muss ein Basiskonto nicht kostenfrei angeboten werden. Die Entgelte müssen aber laut Gesetz „angemessen“ sein und sich am Nutzerverhalten orientieren.

Was „angemessen“ ist, legt das OLG Frankfurt in seinem Urteil wie folgt aus: Ausgangspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit seien die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten unter Berücksichtigung des Umfangs der von der Bank zu erbringenden Leistungen. Besondere Bedeutung erlange hier, dass „die wirtschaftliche Lage der betroffenen Verbraucher, die Basiskonten beantragen, regelmäßig angespannt ist, weshalb zugrunde gelegt werden kann, dass sie regelmäßig nur wenige Zahlungen über das Basiskonto abwickeln“.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Das letzte Wort in der Sache könnte der BGH sprechen, da die Rechtssache zur Revision zugelassen wurde. Man erhofft sich dadurch auch ein Grundsatzurteil, was dann künftig auch den Banken bundesweit den Weg weist.

Quelle: Pressemitteilung OLG Frankfurt/Main v. 27.02.2019

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Mütterrente ab 1. März

Das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz) verabschiedet, dass zum 1. Januar in Kraft trat sieht vor, dass für erziehende Elternteile, die aufgrund der Erziehung von mehr als zwei Kindern im besonderen Maße rentenrechtliche Nachteile aufgrund eingeschränkter Erwerbsarbeit hinnehmen mussten,  für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern das dritte Kindererziehungsjahr in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt wird. Sie werden insoweit gleichgestellt mit denjenigen, die ab 1992 geborene Kinder erzogen haben beziehungsweise erziehen.

Bestandsrentnerinnen wird die gestiegene Rente ab 1. März rückwirkend zum 1. Januar 2019 ausgezahlt. Neurentnerinnen erhalten die höhere Rente bereits seit Jahresbeginn.

Für jedes Kind erhalten sie dann einen halben Rentenpunkt mehr, wodurch sich die Zahl der Rentenpunkte pro Kind von zwei auf zweieinhalb erhöht. Da ein Rentenpunkt gegenwärtig einem Monatsbruttowert von 30,69 Euro im Osten und 32,03 Euro im Westen entspricht, werden monatlich also 15,35 Euro bzw. 16,02 Euro brutto mehr pro Kind ausgezahlt. Väter, die den überwiegenden Teil der Kindererziehung übernommen haben, haben ebenfalls Anspruch darauf, benötigen dafür aber die Einwilligung der Mutter. Wurde die Erziehung von beiden Elternteilen gleichermaßen übernommen, müssen sie sich einigen, wer die Erziehungszeiten angerechnet bekommt. Für Kinder ab Geburtsjahr 1992 erhalten Mütter bzw. erziehende Väter unverändert drei Rentenpunkte.

Mehr zum RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz finden Sie hier in einem Beitrag der Deutschen Rentenversicherung.

Quelle: Deutsche Rentenversicherung, Fokus Sozialrecht

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Aktualisiertes Hilfsmittelverzeichnis

Der GKV-Spitzenverband hat die Überarbeitung und Fortschreibung des ca. 32.500 Produkte umfassenden Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses abgeschlossen.

Rechtliche Grundlagen

Die Versorgung mit Hilfsmitteln im Sinne des § 33 SGB V ist Teil der medizinischen Vorsorgeleistungen und der Krankenbehandlung.
Nach § 139 Abs. 1 SGB V erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen.
Nachdem es in der Vergangenheit immer wieder Beschwerden darüber gab, dass Versicherte mit schlechten und/oder veralteten Hilfsmitteln versorgt wurden, eskalierte der Streit im Herbst 2015 zwischen dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung und dem GKV-Spitzenverband, der schießlich in einer Gesetzesinitiative mündete. Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG)“, das am 11. April 2017 in Kraft trat, wurden zahlreiche Maßnahmen beschlossen, die zu einer besseren und transparenteren Hilfsmittelversorgung führen sollen, unter anderem wurde der  Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 das Hilfsmittelverzeichnis grundlegend zu aktualisieren (§ 139 Abs. 9 SGB V).

Verbesserungen für Versicherte

Die Überarbeitung des Hilfs- und Pflegehilfsmittelverzeichnis hat zu zahlreichen Verbesserungen geführt. Unter anderem:

  • Mit dem motorbetriebenen und computergesteuerten Exo-Skelett können Querschnittsgelähmte aufstehen, sich hinsetzen, stehen und gehen.
  • Mechatronische Fußpassteile und Kniegelenke verhelfen Versicherten sicherer zu gehen, senken das Sturzrisiko und erhöhen die Bewegungsmöglichkeiten.
  • Mit myoelektrisch gesteuerten Armprothesen, die mithilfe von elektrischer Energie angetrieben werden und die noch vorhanden Muskelspannungen des Armstumpfes verstärken, können Nutzerinnen und Nutzer besser greifen und Gegenstände halten.
  • Das Eigengewicht von Rollatoren darf 10 Kilogramm nicht mehr überschreiten; damit wird die alltägliche Benutzung leichter. Zu mehr Sicherheit tragen darüber hinaus Ankipphilfen, anatomische Handgriffe sowie allseitige Reflektoren bei.
  • Die Neuregelung bei der Versorgung mit Elektromobilen schreibt vor, dass der individuelle Nutzungsumfang der bzw. des Versicherten zuvor ermittelt wird; so kann etwa berücksichtigt werden, ob das Elektromobil auch im öffentlichen Nahverkehr genutzt werden soll.

In der Überarbeitung und Fortschreibung des Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses für GKV-Versicherte waren zahlreiche Akteure beteiligt: Hersteller- und Leistungserbringerorganisationen, Patientenvertretungen, MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) und MDS (Medizinischer Dienst des GKV-Spitzenverbandes), medizinische Fachgesellschaften, Sachverständige sowie natürlich die Krankenkassen und ihre Verbände.

Portal zum Recherchieren

Im Zeitraum von Juli 2015 bis Dezember 2018 wurden die 41 Produktgruppen des Hilfs- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses überarbeitet, fortgeschrieben und aktualisiert. Das Hilfsmittelverzeichnis umfasst ca. 32.500 Produkte in ca. 2.600 Produktarten. Im Webportal Hilfsmittelverzeichnis stellt der GKV-Spitzenverband ein strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis zur ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis zur Verfügung. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht der Kranken- und Pflegekassen umfasste Hilfsmittel aufgeführt. Das Hilfsmittelverzeichnis gliedert sich in Anlehnung an das jeweilige Therapieziel in 37 unterschiedliche Produktgruppen. Das Pflegehilfsmittelverzeichnis besteht aus weiteren vier Produktgruppen.

Quellen: GKV-Spitzenverband, SOLEX,

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