Übernahme objektiv unangemessener Unterkunftskosten

(Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Juni 2019 – S 2 SO 184/18)

Der Fall

Ein Rentner- Ehepaar bezieht Altersrenten und ergänzend Grundsicherung im Alter. Sie bewohnen eine 62 qm große Wohnung für eine Bruttokaltmiete von 580 Euro. Die Klägerin ist gehbehindert und bewegt sich in der Wohnung mit Gehstock und Rollator fort. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit) und B (Berechtigung für eine ständige Begleitung) festgestellt. Inzwischen wurde ihr ein Rollstuhl verordnet. Das Sozialamt wies die Kläger darauf hin, dass nach den von einem Institut vorgenommenen statistischen Erhebungen in ihrem Umfeld eine Bruttokaltmiete von 461 Euro angemessen sei und forderte sie auf, eine kostengünstigere Wohnung zu suchen. Zunächst übernahm er aber für mehrere Jahre die tatsächlichen Kosten. Ab Mitte 2017 übernahm das Sozialamt nur noch die von ihm für angemessen gehaltenen Kosten und bemängelte, das Rentnerpaar habe sich nicht ausreichend bemüht eine günstigere Wohnung zu finden. Die beiden wandten ein, sie würden gerne in eine behindertengerechte Wohnung umziehen. Solche existierten aber nicht zu dem vom Sozialamt genannten Mietpreis. Sie könnten auch nicht aus ihrer Gegend wegziehen, weil ihre Töchter eigens zugezogen seien, um sie pflegerisch zu unterstützen.
Das Sozialgericht gab den Klägern Recht und verurteilte das Sozialamt, die Unterkunftskosten weiterhin voll zu übernehmen. Zwar sei die Wohnung der Kläger nach den vorliegenden statistischen Erhebungen zu teuer. Den betagten Klägern sei es jedoch nachvollziehbar nicht möglich, ohne Hilfe eine entsprechende Wohnung zu finden. Hilfestellung, etwa in Form von Übernahme von Maklerkosten, hatte das Amt nicht angeboten. Auch sei zweifelhaft, ob eine günstigere Wohnung, die den angesichts der Gehbehinderung der Klägerin speziellen Erfordernissen entspreche, verfügbar sei.

Gesetzliche Grundlage

Nach § 35 SGB XII werden Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, sofern sie angemessen sind. Angemessen ist in der Regel eine Miete in der Höhe des öffentlichen Mietspiegels. Höhere Mietkosten muss das Sozialamt normalerweise nur längstens für 6 Monate übernehmen. Es sei denn, es ist diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten, eine Kostensenkung herbeizuführen. In jedem Fall kann es sich lohnen, alle individuellen Gründe aufzuführen, die gegen einen Wohnungswechsel sprechen.

Prüfungsschema

Zur Prüfung der einzelfallbezogenen Angemessenheit hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 7.11.2006 (Az. B 7b AS 18/06) ein dreistufiges Prüfungsschema aufgestellt:

  • Prüfung der Wohnungsgröße:
    Die Angemessenheit einer Unterkunft für die Leistungsberechtigten lässt sich nur beurteilen, wenn die konkrete Größe der Wohnung festgestellt wird. Hierbei wird für die Angemessenheit der Größe einer Wohnung auf die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Wohnungsbaus (Wohnraumförderungsgesetz) zurückzugreifen sein.
  • Prüfung des Wohnstandards:
    Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Leistungsberechtigten lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als Vergleichsmaßstab ist dabei in erster Linie der Wohnungsstandard am konkreten Wohnort heranzuziehen. Ein Umzug in eine andere Wohngemeinde kommt im Regelfall nicht in Betracht. Im Rahmen der Berücksichtigung dieser Faktoren ist nach der sogenannten Produkttheorie nicht auf eine Bewertung der einzelnen Faktoren abzustellen.
    Produkttheorie im engeren Sinne bedeutet, dass das Produkt aus der angemessene qm-Zahl mit dem Mietspiegelwert des jeweiligen Baujahres der Wohnung maßgeblich für die Angemessenheitsprüfung ist. Demnach kann ein Leistungsbezieher auch in einer größeren aber preiswerteren oder in einer kleineren aber pro qm teureren Wohnung wohnen, ohne dass die Übernahme der Unterkunftskosten versagt werden könnte.
    Das Bundessozialgericht weitet dieses Gedanken aus. Demnach kommt es darauf an, dass das Produkt aus Wohnstandard / Wohnlage und Preis der Wohnung im Bereich der Angemessenheit liegt.
  • Prüfung des örtlichen Wohnungsmarktes:
    Schließlich muss überprüft werden, ob nach der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes die Kläger tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit haben, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung anzumieten. Besteht eine solche konkrete Unterkunftsalternative nicht, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen.

Diese zu Mietwohnungen entwickelten Grundsätze gelten auch, soweit Hilfebedürftige ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe bewohnen, das nicht als Vermögen berücksichtigt wird und daher den Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nicht von vornherein ausschließt. (Bundessozialgericht vom 2.7.2009 – B 14 AS 32/07 R).

Quellen: Pressemitteilung des Sozialgerichts Mannheim, SOLEX

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Übernahme von erforderlichen Reisekosten bei einer stationären medizinischen Rehabilitation für pflegende Angehörige

Im Hebammenreformgesetz, das noch in der parlamentarischen Beratung ist und zum 1.1.2020 in Kraft treten soll, hat die Bundesregierung eine Klarstellung, bzw. Ergänzung zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz untergebracht.

Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurde zum. 1. Januar 2019 der gesetzliche Anspruch eingeführt, dass die Krankenkassen auch die Kosten der Versorgung des Pflegebedürftigen  in der Kurklinik übernehmen muss, wenn der pflegende Angehörige eine medizinische Rehabilitation verschrieben bekommen hat. Vergessen wurde allerdings eine Regelung, wie es mit der Übernahme der Reisekosten aussieht. 

In Artikel 2 des Gesetzentwurfs wird § 60 Abs. 5 SGB V neu gefasst und damit klargestellt, dass die Krankenkassen bei einer stationären medizinischen Rehabilitation für pflegende Angehörige auch die Reisekosten für die Pflegebedürftigen im Falle ihrer Mitnahme übernehmen.

In § 73 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) werden Reisekosten als Oberbegriff geregelt, unter die auch die Fahrkosten fallen. In § 60 Absatz 5 SGB V wird deshalb ebenfalls ausschließlich der Oberbegriff der Reisekosten verwendet.

Bei einer medizinischen Rehabilitation für pflegende Angehörige sollen die Krankenkassen auch die für die Pflegebedürftigen erforderlichen Reisekosten entsprechend § 73 Absatz 1 und 3 SGB IX übernehmen, wenn die Pflegebedürftigen in derselben Rehabilitationseinrichtung wie die pflegenden Angehörigen versorgt werden (§ 40 Absatz 3 Satz 2 SGB V). Aus diesem Grund wird der für die Versicherten bestehende Anspruch auf die Übernahme der Reisekosten nach § 73 Absatz 1 und 3 SGB IX bei pflegenden Angehörigen auf die entsprechenden Reisekosten für den Pflegebedürftigen ausgeweitet.

Für den Fall, dass die Pflegebedürftigen in einer anderen als in der Einrichtung des pflegenden Angehörigen versorgt werden (§ 40 Absatz 3 Satz 3), hat die Krankenkasse des pflegenden Angehörigen ebenfalls die Reisekosten im entsprechenden Leistungsumfang der Regelung des § 73 Absatz 1 und 3 SGB IX zu übernehmen. Dies stellt sicher, dass in beiden Konstellationen auch derselbe Leistungsanspruch hinsichtlich dieser Kosten besteht.

Ergibt sich der Anspruch auf Versorgung des Pflegebedürftigen in diesen Fällen im Rahmen der Leistung der Kurzzeitpflege aus § 42 des Elften Buches, hat die für den Pflegebedürftigen zuständige Pflegekasse der Krankenkasse des pflegenden Angehörigen diese Kosten zu erstatten.

Die Ergänzung zu den Reisekosten soll rückwirkend zum 1.1.2019 gelten.

Quelle: Paritätischer Gesamtverband, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD

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Empfehlungen der BAGüS

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) teilte im Mai eine Namensänderung mit. Sie heißt ab 2020: „Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe“. Die bekannte Abkürzung – BAGüS – bleibt aber erhalten. Da mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) ab 2020 mit dem „Träger der Eingliederungshilfe“ ein neuer Sozialleistungsträger geschaffen wurde, macht die BAGüS mit der Namensänderung deutlich, dass sie künftig auch die Interessen der überregionalen Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX wahrnimmt.

Was ist BAGüS?

Die BAGüS ist ein freiwilliger Zusammenschluss aller 23 überörtlichen Träger der Sozialhilfe in Deutschland. Je nach Landesrecht sind überörtliche Träger der Sozialhilfe entweder die Bundesländer selbst oder höhere Kommunalverbände wie etwa die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR), der Landeswohlfahrtsverband Hessen oder der Kommunale Sozialverband Sachsen. Die Aufgaben dieser überörtlichen Sozialhilfeträger sind im Wesentlichen im Sozialgesetzbuch (SGB) geregelt, vor allem im SGB XII und SGB IX.

Die BAGüS veröffentlicht Empfehlungen zur Anwendung geltenden Rechts und Stellungnahmen zu aktuellen Gesetzesvorhaben und anderen Entwicklungen. Vor allem die Empfehlungen zu aktuellen Fragen des Bundesteilhabegesetzes sind in der täglichen Arbeit sehr hilfreich und können gesetzliche Regeln und ihre Auswirkungen in der Praxis verdeutlichen. Zielpersonen sind zunächst die Sachbearbeiter der Träger der Eingliederungshilfe bei der Entscheidung über Leistungen. Sie haben keinen verbindlichen Richtliniencharakter. Die Empfehlungen sind aber auch durchweg hilfreich für Leistungserbringer und Leistungsempfänger, weil klar wird, worauf es bei der Beantragung und der Erbringung von Leistungen ankommt.

KFZ-Empfehlungen

Aktuell gibt es beispielsweise die Kfz-Empfehlungen:
Menschen mit Behinderungen erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe für ein Kfz als besondere Form der Leistungen zur Mobilität im Rahmen der Leistungen zur Sozialen Teilhabe (§ 113 Abs. 2 Nr. 7 und Abs. 3 i.V.m. § 114 und § 83 SGB IX)

  • zur Beschaffung eines Kfz,
  • für die erforderliche Zusatzausstattung,
  • zur Erlangung der Fahrerlaubnis,
  • zur Instandhaltung und
  • für die mit dem Betrieb des Kfz verbundenen Kosten.

In den Empfehlungen wird nun genau definiert,

  • wer leistungsbrechtigt ist,
  • welche Leistungen für Volljährige, welche für Minderjährige möglich sind,
  • wie Einkommen und Vermögen einzusetzen ist,
  • was die notwendigen Kosten bei der Beschaffung eines PKWs sind,
  • welche Zusatzausstattungen wann übernommen werden,
  • was die notwendigen Kosten der Instandhaltung sind,
  • welche Kosten für den laufenden Betrieb nötig sind,
  • welche Fahrten sollen mit dem Kfz durchdeführt werden? Handelt es sich hierbei um notwendige Wege / zu berücksichtigende Fahrten?

Barmittelempfehlungen

Eine weitere Empfehlung vom Mai 2019 behandelt die mögliche Höhe der Barmittel bei erwachsene Leistungsberechtigten in besonderen Wohnformen (bis Ende 2019: stationäre Einrichtungen, Wohnheime).
Ab 01.01.2020 erhalten erwachsene Leistungsberechtigte in besonderen Wohnformen nach der gesetzlichen Konzeption keine pauschalierten existenzsichernden Leistungen zuzüglich Barbetrag und Bekleidung nach § 27b SGB XII mehr. An deren Stelle treten vielmehr Regelleistungen der Existenzsicherung, wie sie bisher schon aus der ambulanten Leistungsgewährung bekannt sind, bestehend aus Regelsätzen, etwaigen Mehrbedarfen, Bedarfen für Unterkunft und Heizung sowie gegebenenfalls weiteren Leistungen (Beiträge für die Kranken-und Pflegeversicherung, einmalige Bedarfe etc.).

Die BAGüS kommt nun zu dem Ergebnis und damit zu der Empfehlung, dass der Orientierungswert für die Beratung der Höhe des Barmittelanteils in allen Einzelfällen der angemessene Barbetrag nach § 27b Abs. 3 SGB XII (i.d.F. 2020) ist. Das sind 27 % der Regelbedarfsstufe 1 (RBS 1); das entspricht der Höhe des bis 2019 geltenden Barbetrags.

Wie die Empfehlung zustande kommt, wird in dem achtseitigem Papier genau beschrieben.

Weitere Empfehlungen findet man auf der Hompage der BAGüS.

Quelle: BAGüS

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Höhere Zuschüsse für Auszubildende (BAB, Abg)

Das „Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes“ wurde am 15. Juli 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit steigen zum 1. August 2019 – zum Start des neuen Ausbildungsjahres – die finanziellen Unterstützungsleistungen für Auszubildende, die nicht mehr zuhause wohnen sowie für junge Menschen mit Behinderung, die eine Ausbildung in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation oder in einer Werkstätte für behinderte Menschen (WfbM) absolvieren.

BAB: Angleichung an neue BAföG-Sätze

Das Gesetz passt die jeweiligen Bedarfssätze und Freibeträge der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) an die neuen BAföG-Sätze an – diese hatte der Bundesrat ebenfalls gebilligt (26. BAföG-Änderungsgesetz, siehe auch hier).

Künftig werden alle Personen in Schule, Studium und beruflicher Ausbildung weitgehend gleichgestellt. Das Ausbildungsgeld erhöht sich zum 1. August 2019 um fünf Prozent und zum 1. August 2020 um weitere zwei Prozent.

Konkret steigt der Höchstbetrag für Lebensunterhalt und Wohnen von derzeit 622 Euro auf monatlich 716 Euro. Zum 1. August 2020 ist eine weitere Erhöhung auf 723 Euro pro Monat vorgesehen. Zusätzlich können weiterhin Zuschüsse, etwa für Fahrkosten oder Kinderbetreuung, beantragt werden.

Angleichung des Ausbildungsgeldes in Werkstätten für Menschen mit Behinderung

Personen, die im Eingangsverfahren oder im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen oder an vergleichbaren Maßnahmen anderer Träger teilnehmen, erhalten künftig ebenfalls mehr Geld. Die Steigerung von 80 Euro auf 117 Euro entspricht der Anhebung des Ausbildungsgeldes.

Um eine finanzielle Überforderung der Werkstätten zu vermeiden, passt der Bundestagsbeschluss den Grundbetrag in vier Stufen an:

  • 80 Euro ab 1. August 2019,
  • 89 Euro ab 1. Januar 2020,
  • 99 Euro ab 1. Januar 2021,
  • 109 Euro ab 1. Januar 2022.

In einer Werkstatt, die wirtschaftlich leistungsfähig ist, kann allerdings auch ein höherer Grundbetrag gezahlt werden. Am 1. Januar 2023 ist dann der Betrag von 119 Euro monatlich erreicht, der für das Ausbildungsgeld schon ab dem 1. August 2020 vorgesehen ist.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Jugendämter und Bundesteilhabegesetz

Das Bundesteilhabegesetz betrifft das SGB VIII, die Kinder- und Jugendhilfe, bei weitem nicht in dem Maße, wie es andere Bereiche der Sozialgesetzgebung verändert. Trotzdem müssen auch die Jugendämter einige Neuregelungen des BTHG beachten.
Deswegen hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter im Mai dieses Jahres die Arbeitshilfe „Anforderungen an die Jugendämter durch das Bundesteilhabegesetz“ veröffentlicht.

Rehabilitationsträger

§ 5 SGB IX umfasst fünf Leistungsgruppen. Für vier dieser Leistungsgruppen können die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX Rehabilitationsträger sein:

  • Leistungen zu medizinischen Rehabilitation
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
  • Leistungen zur Teilhabe an Bildung
  • Leistungen zur sozialen Teilhabe

Nicht zuständig sind die Jugendämter für die Leistungsgruppe „unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen“.

Verfahrensregelungen

Die Zuständigkeiten der Rehabilitationsträger und die Leistungsvoraussetzungen richten sich weiterhin gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IX nach dem jeweiligen Leistungsgesetz, das heißt für die Jugendhilfe nach § 35a oder § 41 in Verbindung mit § 35a SGB VIII. Allerdings gehen seit dem 1. Januar 2018 gemäß § 7 Abs. 2 SGB IX die Kapitel 2 bis 4 (§§ 9 bis 24 SGB IX) den jeweiligen Leistungsgesetzen aller sieben Rehabilitationsträger vor.

Diese Kapitel regeln das Verfahren der Rehabilitationsträger, insbesondere

  • die vorrangige Prüfung von Leistungen zur Teilhabe (§ 9 SGB IX),
  • die frühzeitige Erkennung von Reha-Bedarfen und Hinwirkung auf Antragsstellung (§ 12 SGB IX),
  • die Bedarfsermittlung mit geeigneten, standardisierten Instrumenten (§ 13 SGB IX),
  • das Verfahren mit Fristen zur Klärung der Fallverantwortung des sogenannten „leistenden Rehabilitationsträgers“ (§ 14 SGB IX),
  • die Verpflichtung des leistenden Rehabilitationsträgers zur Beteiligung der anderen betroffenen Rehabilitationsträger (§ 15 SGB IX),
  • die Durchführung eines Teilhabeplanverfahren (§ 19 SGB IX), ggf. auch einer Teilhabeplankonferenz (§ 20 SGB IX), zusätzlich zum Hilfeplanverfahren (§ 21 SGB IX).Während die §§ 9 bis 24 SGB IX den Vorschriften des SGB VIII vorgehen, sind die anderen Vorschriften des Teil 1 SGB IX zu berücksichtigen, sofern sich aus dem SGB VIII als Spezialgesetz nichts Abweichendes ergibt (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IX).

    Gemäß § 26 SGB IX vereinbaren die gesetzlichen Krankenkassen, die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung sowie der Kriegsopferversorgung/-fürsorge gemeinsame Empfehlungen zur Sicherung ihrer Zusammenarbeit im Rahmen der BAR (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation). Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe, die an deren Vorbereitung beteiligt werden, orientieren sich nach § 26 Abs. 5 SGB IX bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem SGB IX an diesen Empfehlungen oder können ihnen beitreten.

Strukturelle Änderungen

Neben den neuen Verfahrensvorgaben erfolgen durch das BTHG auch strukturelle Änderungen. Dazu gehören

  • die Verpflichtung der Rehabilitationsträger durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ein Rehabilitationsbedarf frühzeitig erkannt und auf eine Antragstellung der Leistungsberechtigten hingewirkt wird, insbesondere durch die Bereitstellung und Vermittlung von barrierefreien Informationsangeboten und die Benennung von Ansprechstellen (§ 12 SGB IX),
  • die Einführung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (§ 32 SGB IX), die vom Bund befristet gefördert wird und die Beratung durch die Rehabilitationsträger ergänzt,
  • die Einführung eines jährlichen Teilhabeverfahrensberichts (§ 41 SGB IX) für alle Rehabilitationsträger zu 16 Erhebungsmerkmalen. Diese Daten müssen die Jugendämter erheben und an die BAR melden.

Quellen: Bundesarbeitsgemeinsschaft der Landesjugendämter, dejure.org: SGB IX in der Fassung ab 1.1.2018, bzw. 1.1.2020

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Klimakrise und Sozialpolitik

Die Fakten zur Klimakrise sind nicht zu leugnen, nur tun wir so, als gäbe es sie nicht. Die Möglichkeiten, die Folgen möglichst gering zu halten, sind ebenfalls bekannt. Nur scheuen wir davor zurück, wirksam gegenzusteuern, weil  eventuelle Nebenwirkungen Angst machen. Etwa der Verlust von Arbeitsplätzen in der Kohleindustrie (dass durch das Ausbremsen der erneuerbaren Energien durch die Bundesregierung vier mal mehr Arbeitsplätze vernichtet wurden, wird dabei ausgeblendet).
Oder die drohende Steuererhöhung durch eine CO2-Bepreisung. Gerne wird dann von den Marionetten der Klimavernichtungsindustrie die arme Oma herbeigezaubert, die dann ihren Strom nicht mehr bezahlen kann oder der kleine Angestellte in der Vorstadt, dessen Spritpreise für den Weg zur Arbeit ins unermessliche steigen.

Breiter Konsens wichtig

Es ist sicher richtig und wichtig für Maßnahmen gegen den Klimawandel einen breiten Konsens anzustreben. Dazu gehört vor allem, dass Menschen mit niedrigem Einkommen nicht die Hauptlast tragen dürfen. CO2-Bepreisungsvorschläge des Umweltministeriums und der Grünen enthalten daher auch die Forderung nach entsprechender finanzieller Entlastung.

Auch von Seiten der Wissenschaft gibt es Studien, wie die Klimwandelmaßnahmen sozialverträglich gestaltet werden können.

Konzept für CO2-Steuer

Zum Start des UN-Klimagipfels COP 24 in Katowice haben Ottmar Edenhofer und sein Kollege Christian Flachsland ein Konzept für eine CO2-Preis-Reform vorgelegt, das einen „sozial gerechten und effizienten Übergang hin zum nachhaltigen Wirtschaften“ ermöglichen soll. Das Eckpunktepapier wird von drei Forschungsinstituten gemeinsam getragen: dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

Klimaschutz und soziale Belange lokal denken

Adelphi, eine unabhängige Denkfabrik und Beratungseinrichtung für Klima, Umwelt und Entwicklung stellte 2018 ein Konzept vor mit dem Titel: „Klimaschutz und soziale Belange lokal denken„. Den Kommunen wird hier als Bindeglied zwischen Bürgerinnen und Bürgern und staatlichem Handeln bei der Ausgestaltung sozialverträglichen Klimaschutzes eine zentrale Rolle zugeschrieben. Den Herausforderungen der Energiewende kann auf lokaler Ebene erfolgreich und vor allem auch sozialverträglich begegnet werden, wenn Kommunen neben den eigenen Klimaschutzaktivitäten der Einbindung der privaten Haushalte eine wichtige Rolle beimessen. Oft scheitern etwa Häuserdämmungen schlicht daran, dass sich die Häuslebesitzer dies einfach nicht leisten können und wegen vorhandener Hypothekenbelastung auch keine zusätzlichen Kredite aufnehmen können.
Ziel einer sozialverträglichen Gestaltung der Energiewende sollte es laut Adelphi-Projekt sein, den Nutzen der Energiepolitik auch für diejenigen Haushalte zu erschließen, die bisher vorrangig durch die steigenden Kosten belastet werden.

Entscheidendes noch 2019?

Es ist nur zu hoffen, dass es nicht längst zu spät ist, sich über all das Gedanken zu machen. Wenn wir nicht sofort, das heißt noch in diesem Jahr, beginnen, Entscheidendes, etwa den Beginn des sofortigen Kohleausstiegs, in die Wege zu leiten, werden wir von den Ereignissen überrollt mit unabsehbaren Folgen für uns, unsere Kinder und Enkel. Die Große Koalition hat uns nach dem Denkzettel bei der Europawahl noch einmal bis September vertröstet. Dann sollen die Maßnahmen auf dem Tisch des „Klimakabinetts“ liegen. Wenn die nicht ausreichen, den Klimazielen von Paris entsprechen und den Forderungen von fast allen ernstzunehmenden Wissenschaftlern, dann wird die Verletzung der Schulpflicht das geringste Problem sein, das die handlungsunfähige Elite erwartet. Dann sind wir alle aufgefordert, die nötigen Entscheidungen auch durch massiven zivilen Ungehorsam zu erzwingen.

Quellen: Klimareporter.de, Adelphi

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Empfehlungen zur Bedarfsdeckung in der Hilfe zur Pflege (SGB XII)

Der Deutsche Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat Empfehlungen veröffentlicht, wie auf Grundlage des SGB XII bestehende Bedarfe von Personen ohne Pflegegrad oder im Pflegegrad 1 in der Hilfe zur Pflege ermittelt und gedeckt werden können und empfehlen dem Gesetzgeber zu überprüfen, ob weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) werden die Regelungen im Siebten Kapitel des SGB XII (= Hilfe zur Pflege) neu strukturiert und an den seit 1. Januar 2017 geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff angepasst. Der sozialhilferechtliche Pflegebedürftigkeitsbegriff alter Fassung war gegenüber dem seit dem 1. Januar 2017 geltenden pflegeversicherungsrechtlichen Begriff insoweit offener, als er eine flexible Öffnungsklausel für Pflegebedürftige unterhalb der formalen Schwelle zur Pflegebedürftigkeit und jenseits der üblichen Unterstützungsbedarfe enthielt. Das hat zur Folge, dass Personen, die keinen Pflegegrad erreicht haben (früher sog. „Pflegestufe 0“ in der Hilfe zur Pflege), keine Leistungen der Hilfe zur Pflege mehr erhalten. Die überwiegende Zahl an Personen, die bisher in der Pflegestufe 0 waren, profitieren jedoch von der Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes auf kognitive Einschränkungen und erhalten Pflegegrad 1 oder 2. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 erhalten in der Hilfe zur Pflege im Wesentlichen den sog. Entlastungsbetrag nach § 66 SGB XII von bis zu 125 € monatlich.

Es gibt aber Fälle, bei denen es zu einer Finanzierungs- bzw. Versorgungslücke kommen kann, wenn bestehende Bedarfe nicht oder nicht ausreichend durch die Hilfe zur Pflege gedeckt werden können.

Bedarfe ermitteln

Der Deutsche Verein empfiehlt den Trägern der Sozialhilfe, die Bedarfsermittlung, Beratung und Hilfeplanung durch Pflegefachkräfte oder vergleichbar qualifizierte Berufsgruppen durchzuführen. Ergänzend kann es sinnvoll sein, einen kommunalen Sozialdienst einzubeziehen. Im Hinblick auf eine älter werdende Bevölkerung empfiehlt der Deutsche Verein den Kommunen, ihre sozialen Dienste einschließlich des öffentlichen Gesundheitsdienstes entsprechend zu qualifizieren und ihre Kompetenzen auszubauen.

Für Personen mit Pflegegrad 1 sind die Leistungen der Hilfe zur Pflege begrenzt, da entsprechend des neuen Begutachtungsinstruments nur von einer geringen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit auszugehen ist. Dennoch kann eine Unterstützung notwendig sein, die nicht durch die für den Pflegegrad 1 vorgesehenen Leistungen gedeckt werden kann. Gleiches gilt für die Fälle, in denen kein Pflegegrad festgestellt wurde, aber dennoch Unterstützungsbedarf besteht.

Bedarfssicherung

Zur Sicherstellung dieses Bedarfs schlägt der Deutsche Verein für die Praxis der Träger der Sozialhilfe die Prüfung folgender Anspruchsgrundlagen vor:

  • Reicht der Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 € zur Bedarfsdeckung nicht aus, können Unterstützungsleistungen bei der Haushaltsführung als Hilfe zur Weiterführung des Haushalts nach § 70 SGB XII gewährt werden.
  • Die Anwendung des § 71 SGB XII (Altenhilfe) sollte geprüft weden, um Bedarfslagen von Personen ohne Pflegegrad oder mit Pflegegrad 1 zu decken. Ziel der Altenhilfe ist die Deckung einer zusätzlichen, aus den körperlichen, seelischen oder geistigen Alterserschwernissen herrührenden Bedarfslage.
  • Auch die Regelung des § 27a Abs. 4 SGB XII kann in Frage kommen, selbst wenn die Person keinen regelmäßigen Leistungsbezug der Hilfe zum Lebensunterhalt hat. Zum Beispiel, wenn bestimmte Tätigkeiten aufgrund von Einschränkungen der Selbstständigkeit nicht eigenständig durchgeführt werden können (z.B. Putzen, Einkaufen oder die Zubereitung von Mahlzeiten).
  • Aufstockung der Krankenkassenleistung nach § 39c SGB V durch die Hilfe zur Pflege: § 39c SGB V sieht Leistungen der Krankenkasse für die Kurzzeitpflege von Personen vor, die aufgrund einer akuten schweren Krankheit, nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten Operation zu Hause nicht angemessen versorgt werden können, die jedoch aufgrund der Bedarfsprognose nicht dauerhaft, d.h. weniger als voraussichtlich sechs Monaten pflegebedürftig i.S.d. SGB XI sind. Die Krankenkassenleistung kann durch die Leistungen nach § 63 SGB XII aufgestockt werden, sofern zumindest eine kurzzeitige Pflegebedürftigkeit entsprechend des Pflegegrades 2 vorliegt. Der Träger der Sozialhilfe muss von sich aus tätig werden, um Pflegegrad und sozialhilferechtlichen Bedarf festzustellen.

Weitere Empfehlungen de Deutschen Vereins betreffen die möglichen Anwendung

  • der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§ 67 SGB XII) und
  • der Hilfe in sonstigen Lebenslagen (§ 73 SGB XII)

Quellen: Deutsche Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.; Paritätischer Gesamtverband, SOLEX

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Mindestlohn

§ 23 des Mindestlohngesetzes lautet kurz und knackig: „Dieses Gesetz ist im Jahr 2020 zu evaluieren.“

Der erste gesetzlich festgelegte Mindestlohn betrug zum 1.1.2015 8,50 Euro pro Stunde. 2017 stieg die Lohnuntergrenze nach einem Beschluss der unabhängigen Mindestlohnkommission der Bundesregierung erstmals auf 8,84 Euro an. 2019 ging es hoch auf 9,19 Euro. Die nächste Steigerungsstufe folgt am der 1. Januar 2020 mit 9,35 Euro. (Siehe auch hier)

Nun kündigte auch der Bundesarbeitsminister die vorgeschriebene Überprüfung des Mindestlohngesetzes an.

Bei der Evaluation geht es insbesondere um die Fragen:

  • Gefährdet der Mindestlohn Jobs?
  • Soll die Mindestlohnkommission die Höhe weiterhin alle zwei Jahre anpassen, oder besser jedes Jahr?
  • Welche Faktoren sollen bei der Berechnung einfließen?

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat schon mal klar gesagt, dass es eine wesentliche Anhebung des Mindestlohns geben muss auf mindestens 12 Euro. Würde die Steigerungsrate so beibehalten wie in den letzten 5 Jahren, wäre man erst im Jahr 2032 bei 12 Euro. Arbeitsminister Hubertus Heil hat eine gründliche Überprüfung zugesagt. Es sei aber auch wichtig, die Tarifbindung in Deutschland wieder zu stärken. Von ihr profitieren derzeit nur noch 47% der Beschäftigten.

Außerdem kann der Mindestlohn nur wirken, wenn sich alle daran halten und wenn die Kontrollen funktionieren. Die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS) soll deutlich mehr Personal erhalten. Rund 3500 zusätzliche Mitarbeiter sind bis 2030 vorgesehen, damit würde die Zahl auf über 10.000 wachsen.

Mindestlohn in der Pflege

Gesundheitsminister Spahn hat mittlerweile für die Beschäftigten in der Pflege einen Mindestlohn von mindestens 14 Euro gefordert. Der liegt zur Zeit bei 11,05 Euro in Westdeutschland und 10,55 Euro in Ostdeutschland.  Das Bundeskabinett hatte bereits im Juni einen Gesetzentwurf beschlossen, der Maßnahmen für bessere Löhne vorsieht – unter anderem eine ständige Pflegekommission, die den Mindestlohn anheben könnte.

Natürlich stellt sich die Frage, wie das ganze finanziert werden soll, ohne die Pflegebedürftigen und ihr Angehörigen weiter zu belasten. Wenn man sich aber daran erinnert, dass während der Finanzkrise vor 10, 12 Jahren mehrere Hundert Milliarden Euro zur Rettung der Banken problemlos locker gemacht werden konnten, dürfte das kein Problem sein.

Quelle: Tagesschau.de

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Anhebung und Dynamisierung der Minijob-Grenze

Länderinitiativen

Im Herbst 2018 hatte das Land Nordrheinwestfalen im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Dynamisierung der Einkommensgrenze für Minijobs vorgelegt. Der Gesetzentwurf wurde aber von der Tagesordnung gestrichen.
Zur Zeit wird in den Ausschüssen ein Antrag Bayerns behandelt, der eine Erhöhung der Verdienstgrenze bei geringfügiger Beschäftigung (Minijobs) von 450 Euro auf 530 Euro vorsieht.

Begründung für die Vorstöße ist, dass durch die Anhebung der Mindestlöhne die mögliche Arbeistzeit immer weiter sinkt, die im Rahmen eines Minijobs von 450 Euro im Monat abgeleistet werden kann.

Eckpunktepapier

Nun hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Eckpunktepapier zum Bürokratieentlastungsgesetz III vorgelegt. Dort werden neben Vorschlägen zur Entbürokratisierung des Steuerrechts und der konsequenten Nutzung der Digitalisierung auch Maßnahmen zur Anhebung und Dynamisierung der Minijob-Grenze vorgestellt.

Ausgangslage

Das Eckpunktepapier beschreibt zunächst die Ausgangslage. Die Höchstgrenze für geringfügige Beschäftigung liegt bei 450 Euro und ist seit 2013 unverändert. Hingegen ist der 2015 eingeführte allgemeine gesetzliche Mindestlohn von ursprünglich 8,50 Euro auf aktuell 9,19 Euro gestiegen und wird ab 01.01.2020 erneut auf 9,35 Euro steigen. Mit jeder Erhöhung des Mindestlohnes dürfen Minijobber immer weniger Stunden arbeiten (derzeit 50 Stunden/Monat) und profitieren nicht von den Mindestlohn-Erhöhungen.

Maßnahmen

Als Maßnahmen empfiehlt das Wirtschaftsministerium, die Verdienstgrenze auf 500 Euro anzuheben, was eine Arbeitszeit von 55 Stunden/Monat ermöglichen würde (gerechnet auf Basis des Mindestlohns von 9,35 Euro ab 01.01.2020). Anschließend solle die Verdienstgrenze an die Mindestlohnentwicklung gekoppelt werden.
Dies würde es für etwa 700.000 Beschäftigte lohnenswert machen, mehr zu arbeiten und mehr zu verdienen. Die Kopplung würde bewirken, dass mehr Stunden gearbeitet werden dürfen ohne die Verdienstgrenze zu reißen.

Quelle: Bundeswirtschaftsministerium, FOKUS-Sozialrecht

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Gesetzespaket gegen Ausländer durchgewunken

Trotz vieler kritischer Stimmen in den Anhörungen und auch in den Ausschüssen hat der Bundesrat das Gesetzespaket zur Abschreckung von Ausländern und Flüchtlingen durchgewunken.

  • Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden massiv gekürzt aufgrund der Definition von zufällig zusammengewürfelten Menschen als »Schicksalsgemeinschaft«. Integration wird verhindert und die Isolierung weiter verschärft. Die Situation in vielen Gemeinschaftsunterkünftenist ohnehin angespannt. Das wird die Situation nicht verbessern.
  • Das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, besser „Haut-Ab-Gesetz“ wird die Integration in Ausbildung und Arbeit verhindern; die Folgekosten der Ausweitung der Zwangsisolierung in der Erstaufnahme und der Zwang, Sachleistungen zu zahlen wird laut Bundesratdrucksache Seite 7 zu einer Steigerung von 31,43 Euro auf 47,51 Euro bei Unterbringung in der Erstaufnahme führen; die geplante Vermischung von Strafhaft und Abschiebungshaft verletzt die Menschenwürde und läuft klar dem Europarecht zuwider (Bundesratdrucksache Seite 4).

Über Inhalte und der nun durchgewunkenen Gesetze und die Reaktionen darauf konnte man hier schon einige Beiträge lesen:

Vermutlich soll die Verschärfung der Gesetze noch rechtzeitig vor den kommenden Wahlen Stimmen aus dem rechten Lager zurückholen. Das wird wieder nicht gelingen. Stattdessen ist Deutschland wieder ein Stück kälter geworden.

Quellen: FOKUS-Sozialrecht, Bundesrat, Pro-Asyl

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