Elterngeldreform noch 2019?

Nach übereinstimmenden Presse- und Internetberichten (Zeit, Haufe, evangelisch.de) kündigte Familienministerin Franziska Giffey an, noch in diesem Jahr das Elterngeld weiter auszubauen. Es solle noch mehr auf Partnerschaftlichkeit zwischen Müttern und Vätern ausgerichtet werden. Franziska Giffey kündigte an, noch in diesem Jahr das Elterngeld weiter auszubauen.

Mehr Väter in Elternzeit

Das Elterngeld solle noch mehr auf Partnerschaftlichkeit zwischen Müttern und Vätern ausgerichtet werden. Zwar ist die Anzahl der Väter gestiegen, die Elternzeit und Elterngeld in Anspruch nehmen; dies Zahl müsse aber noch ausgebaut werden. Dass auch Väter Elternzeit nehemn ist in der Bevölkerung weitgehend akzeptiert. Dass Sie es dennoch oft nicht oder nur in geringerem Umfang als Mütter tun, liegt häufig daran, dass Väter in der Regel immer noch mehr verdienen als Mütter, der Verdienstausfall daher um so größer ist.

Unterstützung der Eltern von Frühgeborenen

Die Reform soll nach Angaben der Ministerin auch Eltern von zu früh geborenen Kindern unterstützen. Deren Anteil an den Geburten nehme zu, sagte Giffey. Wenn ein Kind ein oder zwei Monate zu früh komme, dann sei die Entwicklung nach der Elternzeit nicht die gleiche, wie bei einer Geburt zum errechneten Termin.

Einzelheiten zu dem Reformvorhaben sind noch nicht bekannt.

letzte Reform 2015

Die letzte Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) stammt aus dem Jahr 2015. Die damaligen Änderungen im Überblick:

ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus

Das ElterngeldPlus unterstützt Väter und Mütter, die schon während des Elterngeldbezugs und danach in Teilzeit arbeiten wollen. Mit den ElterngeldPlus-Monaten können sie während der Teilzeittätigkeit doppelt so lange die Förderung durch das Elterngeld nutzen. Aus einem Elterngeldmonat werden zwei ElterngeldPlus-Monate. Bis 30.6.2015 konnten Eltern zwar Teilzeitarbeit und Elterngeld kombinieren, allerdings verloren sie einen Teil ihres Elterngeldanspruches: Ihr Lohn minderte die ausgezahlten Beträge, ohne dass es dafür zum Ausgleich einen längeren Bezug des Elterngeldes gab.
Neben dem ElterngeldPlus, das diese Lücke schließt, wurde der Partnerschaftsbonus eingeführt: Wenn beide Eltern pro Woche 25 bis 30 Stunden parallel arbeiten, erhält jeder Elternteil das ElterngeldPlus nochmals für vier zusätzliche Monate.

Verschiedene Kombinationen möglich

(Basis-)Elterngeld, ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus lassen sich kombinieren: Das Zeitbudget von 12 Monaten kann flexibel eingesetzt werden. Pausiert etwa die Mutter für sechs Monate und bezieht Basis-Elterngeld, so kann sie anschließend für zwölf Monate ElterngeldPlus beziehen (6 * Basis-Elterngeld + 12 * Elterngeld Plus = 6 * Basis-Elterngeld). Ihr Partner kann die beiden Partnermonate nutzen und 2 Monate Elterngeld oder 4 Monate ElterngeldPlus nutzen (2 * Basis-Elterngeld = 4 * Elterngeld Plus). Arbeiten beide im Anschluss für mindestens vier Monate Teilzeit mit 25 bis 30 Wochenstunden, können beide den Partnerschaftsbonus nutzen und erhalten zu selben Zeit jeweils 4 Monate ElterngeldPlus.
Möglich ist auch, dass Mutter und Vater nach der Geburt bis zu 30 Stunden in der Woche in Teilzeit arbeiten und gemeinsam jeweils 14 Monate ElterngeldPlus beziehen (2 * 14 * Elterngeld Plus = 14 * Basis-Elterngeld). Im Anschluss könnten auch sie den Partnerschaftsbonus nutzen.
Alleinerziehende können das neue ElterngeldPlus im gleichen Maße nutzen und zusammen mit den Partnermonaten statt der 14 regulären Elterngeldmonate bis zu 28 ElterngeldPlus-Monate in Anspruch nehmen.

Elternzeit flexibler gestalten

Auch die Elternzeit kann flexibel gestaltet werden. Grundsätzlich können Eltern bis zum 3. Geburtstag eines Kindes eine unbezahlte Auszeit vom Job nehmen. Seit dem 1.7.2015 können 24 Monate (statt vorher 12 Monaten) zwischen dem 3. und dem 8. Geburtstag des Kindes genommen werden. Eine Zustimmung des Arbeitgebers wird dafür nicht notwendig sein. Jedoch muss die Elternzeit nach dem 3. Geburtstag des Kindes 13 Wochen vorher angemeldet werden – Elternzeit vor dem 3. Geburtstag ist nur sieben Wochen vorher anzumelden. Zudem können beide Elternteile ihre Elternzeit in je drei (statt vor dem 1.7.2015 zwei) Abschnitte aufteilen.

Quellen: Haufe, Zeit, evangelisch.de, SOLEX

Abbildung: Fotolia_200192096_Subscription_XXL.jpg

Rechengrößen der Sozialversicherung für 2020

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 3.9.2019 den Referentenentwurf zur Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2020 vorgelegt. Die Rechengrößen werden jedes Jahr gemäß der Einkommensentwicklung angepasst. Maßgebend für 2020 ist das Jahr 2018. Bei der Ermittlung der jeweiligen Einkommensentwicklung zählen die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer. So gab es 2018 eine Steigerung

  • im Bundesgebiet um 3,12 Prozent,
  • in den alten Bundesländern um 3,06 Prozent und
  • in den neuen Bundesländern um 3,38 Prozent.

Durchschnittsentgelt Rentenversicherung

Das Durchschnittsentgelt in der Rentenversicherung für das Jahr 2018 beträgt 38.212 Euro. Das vorläufige Durchschnittsentgelt für das Jahr 2020 beträgt 40.551 Euro.

Bezugsgröße

in den alten Bundesländern:

  • 2019: 3.115 Euro pro Monat
  • 2020: 3.185 Euro pro Monat

in den neuen Bundesländern:

  • 2019: 2.870 Euro pro Monat
  • 2020: 3.010 Euro pro Monat

Die Bezugsgröße ist unter anderem für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgeblich. Außerdem ist sie bei der Berechnung von Hinzuverdienstgrenzen bei den Renten, bei der Errechnung der Belastungsgrenzen bei der Zuzahlung in der Krankenversicherung, bei Zuschüssen der Kassen zu ambulanten Hospizdiensten und vieles mehr wichtig.

Beitragsbemessunggrenzen

Beitragsbemessungsgrenze (West) in der allgemeinen Rentenversicherung:

  • 2019: 6.700 Euro pro Monat
  • 2020: 6.900 Euro pro Monat

Beitragsbemessungsgrenze (Ost) in der allgemeinen Rentenversicherung:

  • 2019: 6.150 Euro pro Monat
  • 2020: 6.450 Euro pro Monat

Beitragsbemessungsgrenze (bundeseinheitlich) in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung:

  • 2019: 4.537,50 Euro pro Monat
  • 2020: 4.687,50 Euro pro Monat

Die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Jahresarbeitsentgeltgrenze):

  • 2019: 60.750 Euro pro Jahr
  • 2020: 62.550 Euro pro Jahr

Zustimmung des Bundesrats

Bevor die Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet wird, muss sie von der Bundesregierung beschlossen werden und der Bundesrat muss anschließend zugestimmt haben.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Abbildung: Fotolia_158866271_Subscription_XXL.jpg

Studentische Krankenversicherung

Der Entwurf eines Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) enthält auch Regelungen zur Krankenversicherung der Studenten. Diese wird weiterentwickelt und modernisiert.

Ende der studentischen Krankenversicherung mit 30

Auf eine Begrenzung der Fachsemesteranzahl wird aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung verzichtet und damit die studentische Krankenversicherung durch die Altersgrenze der Vollendung des 30. Lebensjahres begrenzt. (§ 5 SGB V Abs.1 Nr.9) Die Altersgrenze wird auch bei versicherungspflichtigen Praktikanten ohne Entgelt nachvollzogen, deren Praktikum in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschrieben ist. Gleichzeitig wird die sogenannte Examensregelung abgeschafft, durch die freiwillig Versicherten im Anschluss an das Ende der studentischen Krankenversicherung eine 6-monatige Übergangszeit zum günstigeren Beitragssatz der studentischen Krankenversicherung gewährt wurde. Diese Änderung soll zum 1.4.2020 in Kraft treten.

Neues Meldeverfahren

Weiter wird mit einer Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2022 ein verpflichtendes elektronisches Meldeverfahren zwischen Hochschulen und Krankenkassen eingeführt und die da-mit verbundenen Informations- und Meldepflichten festgelegt. Die veraltete Studenten-krankenversicherungs-Meldeverordnung (SKV-MV) wird aufgehoben und durch einen neuen § 199a SGB V ersetzt.

Der Gesetzentwurf steht auf der Tagesordnung der 980. Sitzung des Bundesrates am 20.09.2019.

Höhere Zuschüsse zur Krankenversicherung

Mit der kürzlich verabschiedeten BAföG – Reform können Studenten, die das 30. Lebensjahr vollendet haben, mit dem Studium aber noch nicht fertig sind, höhere Zuschüsse zu Kranken- und Pflegeversicherung erhalten, weil sie sich dann ja nicht mehr zum günstigeren Studententarif versichern können.

Studierende und Auszubildende, die ab Vollendung des 30. Lebensjahrs nicht mehr in der Krankenversicherung der Studierenden versicherungspflichtig sind und als freiwillig Versicherte höhere Beiträge zahlen müssen, bekommen entsprechend höhere Zuschläge (vgl. § 13a Abs.2 und 4 BAföG):

  • 155 EUR für die Krankenversicherung,
  • 34 EUR für die Pflegeversicherung.

Beiträge zur studentischen Kranken- und Pflegeversicherung ab Wintersemester 2019/2020:

Krankenversicherung 76,04 EUR
durchschnittlicher Zusatzbeitrag* 6,70 EUR
Pflegeversicherung 22,69 EUR
Pflegeversicherungszuschlag für Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr 24,55 EUR

möglicher höchster Gesamtbeitrag (Summe der Zeilen 1,2,4) 107,28 EUR

*der Zusatzbeitrag kann von Kasse zu Kasse variieren, Durchschnitt 2019: 0,9%.

Der Zuschlag zur Kranken- und Pflegeversicherung für BAföG-Empfänger unter 30 beträgt zur Zeit 84 Euro (KV) und 25 Euro (PV).

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht, SOLEX

pixabay.com: students-250164_1280.jpg

MDK-Reformgesetz

Anfang August legte die Bundesregierung den Entwurf eines „Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen“ (MDK-Reformgesetz) vor. Mit dem Entwurf möchte die Bundesregierung die Unabhängigkeit, Transparenz und Effizienz der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) erhöhen. Künftig sollen sie organisatorisch unabhängig von den Krankenkassen als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts einheitlich unter der Bezeichnung „Medizinischer Dienst“ (MD) geführt werden. In den Verwaltungsräten der MD werden künftig auch Vertreterinnen und Vertreter der Patientinnen und Patienten, der Pflegebedürftigen, der Verbraucher, der Ärzteschaft und der Pflegeberufe vertreten sein. Der Gesetzentwurf wird am 20.9.2018 im Bundesrat beraten.

Aufgaben des MDK

Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) sind die sozialmedizinischen Beratungs- und Begutachtungsdienste der gesetzlichen  Kranken- und Pflegeversicherung. Sie wirken mit über 9 000 Beschäftigten daran mit, dass die Leistungen der Kranken- und Pflegekassen nach objektiven medizinischen Kriterien allen Versicherten zu gleichen Bedingungen  zugutekommen. Zugleich führen sie die Begutachtung und Feststellung möglicher Abrechnungsfehler sowie Qualitätskontrollen durch.

Ziel des Gesetzes

Vor allem bei den Krankenhausabrechnungen, die der MDK im Auftrag der Krankenkassen überprüft, gab es häufig Streitigkeiten um Konditionen und Abrechnungsdetails. Dies ist ein wichtiger Punkt, der sich mit der Reform ändern soll. Den bisher ständig steigenden Prüfungsquoten soll ein Riegel vorgeschoben werden. Zukünftig will die Bundesregierung Anreize für korrekte Abrechnungen geben. So sollen Krankenhäuser, die nicht negativ auffallen mit niedrigeren Prüfungsquoten und somit geringerem Aufwand belohnt werden. Ab 2020 soll eine maximale Prüfungsquote für jedes Krankenhaus festgesetzt werden, sodass die MD-Prüfungen auf ein vernünftiges Maß reduziert werden sollen. Bis 2021 sollen dann anhand der Erfahrungen mit den einzelnen Krankenhäusern individuelle Prüfungsquoten festgesetzt werden. Ein wichtiger Punkt ist zudem, dass unnötige Prüffelder wie die Pflegepersonalkostenvergütung zukünftig vermieden werden sollen.

Reaktionen

Krankenhausverbände, Ärzte- und Patientenvertreter begrüßen im Wesentlichen den Entwurf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund beklagt allerdings, dass ein wesentliches Instrument zur Prüfung von Krankenhausabrechnungen sowie zur Begutachtung von Versichertenanträgen und erbrachten Leistungen genommen wird. Die MDKen hätten immerhin aktuell eine Rekordsumme von ca. 2,8 Mrd. Euro an fehlerhaften Prüfabrechnungen festgestellt. Der DGB fürchtet, dass hier ein wichtiges Kontrollinstrument verloren geht.

Quellen: Bundesrat, DGB

Abbildung: pixabay.com homework-3235100_1280.jpg

Insolvenzgeldumlage bleibt stabil

Die Insolvenzgeldumlage 2020 soll bei 0,06 Prozent bleiben. Die Verordnung zur Festsetzung des Umlagesatzes für das Insolvenzgeld für das Kalenderjahr 2020 steht auf der Tagesordnung der 980. Sitzung des Bundesrates am 20.09.2019.

Insolvenzgeld

§ 165 bis § 172 SGB III

Seit dem 1. Januar 1999 hat die Bundesrepublik Deutschland ein einheitliches Insolvenzrecht. Die vorherige (bereits seit 1877 gültige) Konkursordnung ging von der Zerschlagung des Unternehmens aus. Die Insolvenzordnung stellt die Fortführung des Unternehmens in den Mittelpunkt. Hier spielt das Insolvenzgeld eine entscheidende Rolle. Es ermöglicht dem Unternehmen mit dem Insolvenzverwalter in der Insolvenzantragsphase die Sanierungsaussichten zu prüfen, ohne dass die Arbeitnehmer aus Gründen der Existenzsicherung „davonlaufen“ müssen. Wirtschaftlich betrachtet stellt es das Unternehmen von Lohnansprüchen frei und ermöglicht dadurch oft erst die Finanzierung des Insolvenzverfahrens und die Unternehmenssanierung aus der Insolvenzmasse. Im Falle der Zerschlagung des Unternehmens sichert das Insolvenzgeld dem Arbeitnehmer seine Ansprüche aus erbrachter Arbeitsleistung.

Finanzierung des Insolvenzgeldes

§ 358 bis § 361 SGB III

Die notwendigen Mittel werden durch die Insolvenzgeldumlage (Umlage U3) erbracht. Umlagepflichtig sind grundsätzlich alle Arbeitgeber. Die Umlagepflicht des Arbeitgebers ergibt sich kraft Gesetz und ist nicht von einem Verwaltungsakt der Einzugsstelle abhängig. Ausgenommen sind nur Privathaushalte, der Bund, die Länder, die Gemeinden sowie Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren nicht zulässig ist. Damit hat dieses Verfahren den Charakter einer Versicherung. Träger dieser Versicherung ist die Bundesagentur für Arbeit, Auszahlungsstellen sind die örtlichen Arbeitsagenturen.

Berechnung der Umlage

Für die Berechnung der Umlage gelten grundsätzlich die Regeln wie zur Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Maßgebend und Grundlage der Umlageermittlung ist das rentenversicherungspflichtige Entgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung. Besteht keine Rentenversicherungspflicht für das Arbeitsverhältnis, wird das Entgelt herangezogen, das bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragspflichtig wäre. Beitragsfreiheit in der Rentenversicherung bedeutet also keine Befreiung von der Insolvenzgeldumlage.

Zu den zu deckenden Aufwendungen gehören das Insolvenzgeld einschließlich des von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Gesamtsozialversicherungsbeitrages, die Verwaltungskosten und die Kosten für den Einzug der Umlage sowie die Kosten für die Prüfung der Arbeitgeber.

Rechtsverordnung

Die Höhe des Beitragssatzes für diese Umlage wird seit 2009 durch Rechtsverordnung (Bundesarbeitsministerium) alljährlich und bundeseinheitlich festgelegt. Betrug die Umlage im Jahr 2009 noch 0,1% des rentenversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts, so stieg sie im Jahr 2010 wegen der schwierigen Wirtschaftslage und zahlreicher Insolvenzen auf 0,41%.

Die Insolvenzgeldumlage wurde aufgrund der „konjunkturellen Aufhellung“ für 2011 auf 0,0% festgesetzt. Seit 2013 bis 2015 betrug der Umlagesatz 0,15%, 2016 und 2017: 0,09%, 2018: 0,06%.

Aktueller Umlagesatz für das Jahr 20190,06%.
Dabei bleibt es auch im Jahr 2020.

Quellen: BMAS, www.lohn-info.de, SOLEX

Fotolia_122364265_Subscription_XXL.jpg

Leistungen der häuslichen Krankenpflege für Bewohner von Demenz-WGs

Das Bayerische Landessozialgericht hat entschieden, dass die Bewohner von Senioren- und Demenzwohngruppen grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege gegenüber ihrer Krankenkasse haben. (Bayerisches LandessozialgerichtUrteil vom 20.08.2019 – L 5 KR 402/19, L 5 KR 403/19, L 5 KR 404/19 -)

Einfachste medizinische Behandlungspflege

Im zugrunde liegenden Streitfall verweigerte eine große bayerische Krankenkasse Senioren, die in Demenz- oder Senioren-Wohngemeinschaften leben, die Leistungen zur häuslichen Krankenpflege wie An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, Medikamentengabe, Blutzuckermessungen, obwohl eine ärztliche Verordnung vorlag. Sie begründete dies damit, dass es sich dabei um Maßnahmen handle, die keine medizinische oder pflegerische Fachkunde erfordern und daher von anderen Personen, die in der WG sich um die Betreuung der Bewohner kümmern, durchzuführen seien.

Leistungspflicht der Krankenkasse

Das Bayerische Landessozialgericht bejahte dagegen einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege gegenüber der Krankenkasse. Das Gericht verwies darauf, dass der Anspruch auch für Maßnahmen der sogenannten einfachsten medizinischen Behandlungspflege gelte, die grundsätzlich auch von medizinischen Laien geleistet werden könnte. Hierunter falle zum Beispiel auch das Messen von Blutzucker, das Verabreichen von Medikamenten, das Anziehen von Kompressionsstrümpfen. Ein solcher Anspruch könne dann entfallen, wenn aufgrund eines Vertrages, z.B. des Betreuungsvertrages der Wohngruppe, diese Leistungen ausdrücklich im Rahmen der Betreuung zu erbringen sind. In allen anderen Fällen bleibe es allerdings bei der Leistungspflicht der Krankenkasse.

Das Bayerische LSG hat die Berufungen der Krankenkasse zurückgewiesen und in allen drei Fällen die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Bundessozialgericht

In den vergangenen Jahren gab es in ähnlich gelagerten Fällen aus dem Bereich der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Einrichtungen Urteile des Bundessozialgerichts. (Siehe Beitrag vom 8.10.2018)

Kurzgefasst lautet das Ergebnis: Einfachste Tätigkeiten der medizinischen Behandlungspflege können vom Betreuungspersonal in den Einrichtungen ausgeführt werden, müssen daher nicht von der Krankenkasse finanziert werden. Ob das allerdings in Demenz-WGs auch möglich ist, darum geht es letztlich bei dem aktuellen Streitfall.

Häusliche Krankenpflege Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 23. August 2019 die neueste Fassung der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie herausgegeben. Diese Richtlinie regelt die Verordnung häuslicher Krankenpflege, deren Dauer und deren Genehmigung durch die Krankenkassen sowie die Zusammenarbeit der Vertragsärztinnen und
Vertragsärzte mit den die häusliche Krankenpflege durchführenden ambulanten Pflegediensten und den Krankenhäusern.

Quelle: FOKUS-Sozialrecht, Haufe

Abbildung: pxabay.com: hypertension-867855_1280.jpg

Bundesteilhabegesetz (Teil 19) – Gesamtplanung

Dem Gesamtplan in der Eingliederungshilfe wird im Kontext einer personenorientierten Leistungserbringung eine Schlüsselfunktion zugesprochen. Das Gesamtplanverfahren stärkt auch die Teilhabe der Leistungsberechtigten am Verfahren insgesamt. Allerdings ist das Verfahren sehr kompliziert und komplex. Um wirklich gegenüber dem Leistungsträgern und Leistungserbringern eine, auf dem Papier vorhandene, gleichberechtigte Position zu erhalten, bedarf es viel Kenntnis, Energie und Selbstbewusstsein der Leistungsberechtigten, ihrer Vertrauenspersonen und ihrer gesetzlichen Vertreter. Bei der Beteiligung mehrerer Rehabilitationsträger ist auch die notwendige Transparenz nur schwer zu erreichen. Deswegen ist eine gute Beratung um so wichtiger.

Rechtsgrundlagen sind die §§ 117 bis 122 SGB IX

Gesamtplanverfahren

§ 117 SGB IX

Das Gesamtplanverfahren ist nach folgenden Maßstäben durchzuführen:

  1. Information und Beratung, Beteiligung des Leistungsberechtigten
    Im Vorfeld des Verfahrens haben Betroffene einen Anspruch auf Information und Beratung. Der Träger der Eingliederungshilfe ist nach § 106 SGB IX zur umfassenden und kostenfreien Beratung und Unterstützung verpflichtet. Außerdem stehen das Beratungsangebot der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabe-Beratungsstellen (EUTB) nach § 32 SGB IX zur Verfügung. Über die Möglichkeit, sich bei der EUTB und bei staatlichen Stellen beraten zu lassen, müssen Leistungsträger und Leistungserbringer informieren.
  2. Dokumentation der Wünsche des Leistungsberechtigten zu Ziel und Art der Leistungen
  3. Bei der Durchführung des Gesamtplan Verfahrens müssen folgende Kriterien beachtet werden:
    transparent: Das Verfahren soll so gestaltet werden, dass alle Beteiligten, vor allem aber der Leistungsberechtigte unter Berücksichtigung seiner kommunikativen Fähigkeiten, Ziel, Ablauf und Hintergrund des Gesamtplanverfahrens nachvollziehen  können.
    trägerübergreifend: Die Bedarfsermittlung darf sich nicht nur auf die Teilhabeaspekte beschränken, die mithilfe von Eingliederungshilfeleistungen voraussichtlich überwunden werden können, sondern hat die Bedarfe einer Person ganzheitlich auf der Basis des bio-psycho-sozialen Modells der ICF zu erfassen.
    interdisziplinär: Am Gesamtplanverfahren sind die fachlichen Disziplinen zu beteiligen, die die für die Ermittlung und Feststellung des Bedarfs notwendige Fachkompetenz mitbringen.
    konsensorientiert: Bestehen unterschiedliche Auffassungen zum Bedarf oder über Ziel, Art und Umfang der Leistungen, so hat der Träger der Eingliederungshilfe darauf hinzuwirken, dass eine konsentierte Entscheidung unter Beteiligung der leistungsberechtigten Person erreicht wird. Hierzu eignet sich etwa die Gesamtplan-/Teilhabeplankonferenz.
    individuell: Das Gesamtplanverfahren ist auf die individuellen Bedarfe des Menschen mit Behinderungen ausgerichtet. Es erfolgt personenzentriert.
    lebensweltbezogen: Die konkreten und individuellen Alltagsbezüge (familiäre und andere soziale Beziehungen, individuelle Lebensbedingungen, Alltagserfahrungen und Hintergründe) sind zu berücksichtigen.
    sozialraumorientiert: Der Sozialraum und seine Ressourcen sind bei der Bedarfsermittlung und -feststellung zu berücksichtigen, sowohl in der Form der Barrieren, die ein Sozialraum beinhalten kann als auch in seinen Förderfaktoren.
    zielorientiert: Ziele können sowohl Förderziele als auch Erhaltungsziele sein. Diese Ziele können in einer Teilhabezielvereinbarung vereinbart werden.
  4. Ermittlung des individuellen Bedarfes,
  5. Durchführung einer Gesamtplankonferenz,
  6. Abstimmung der Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer in einer Gesamtplankonferenz unter Beteiligung betroffener Leistungsträger.

Vertrauensperson

Auf Verlangen des Leistungsberechtigten kann eine Person ihres Vertrauens am Gesamtplanverfahren beteiligt werden. Dies kann insbesondere auch ein ihn beratender anderer Mensch mit Behinderung oder eine von den Leistungsträgern so weit wie möglich unabhängige Beratungsinstanz sein.

Anhaltspunkte für Pflegebedürftigkeit

Wenn Anhaltspunkte für eine Pflegebedürftigkeit vorliegen, muss die zuständige Pflegekasse mit Zustimmung des Leistungsberechtigten informiert und am Gesamtplanverfahren beteiligt werden, soweit dies für die Feststellung der Leistungen der Eingliederungshilfe erforderlich ist. Die Pflegekasse ist im Rahmen des Gesamtplanverfahrens nicht wie ein Rehabilitationsträger oder entsprechende andere Leistungsträger beteiligt, sondern wird beratend mit einbezogen.

Anhaltspunkte für einen Bedarf an notwendigem Lebensunterhalt

Wenn Anhaltspunkte für einen Bedarf an notwendigem Lebensunterhalt vorliegen, ist der Träger dieser Leistungen mit Zustimmung des Leistungsberechtigten zu informieren und am Gesamtplanverfahren zu beteiligen.

Instrumente der Bedarfsermittlung

§ 118 SGB IX

Die Bedarfsermittlung ist unverzichtbarer Baustein des Gesamtplanverfahrens und damit die grundlegende Voraussetzung für die Planung der Leistungen. An die Bedarfsermittlung werden hohe fachliche Anforderungen gestellt.

Vorgabe des Gesetzgebers an die Instrumente der Bedarfsermittlung ist die ICF-Orientierung. Außerdem müssen die Kriterien des § 13 SGB IX (Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs), genügen. Dazu muss zumindest erfasst werden,

  • ob eine Behinderung vorliegt oder einzutreten droht,
  • welche Auswirkung die Behinderung auf die Teilhabe der Leistungsberechtigten hat,
  • welche Ziele mit Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen,
  • welche Leistungen im Rahmen einer Prognose zur Erreichung der Ziele voraussichtlich erfolgreich sind.

Die Instrumente haben die Beschreibung einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe in den folgenden Lebensbereichen vorzusehen:

  1. Lernen und Wissensanwendung,
  2. Allgemeine Aufgaben und Anforderungen,
  3. Kommunikation,
  4. Mobilität,
  5. Selbstversorgung,
  6. häusliches Leben,
  7. interpersonelle Interaktionen und Beziehungen,
  8. bedeutende Lebensbereiche und
  9. Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben.

Gesamtplankonferenz

§ 119 SGB IX

Der Träger der Eingliederungshilfe kann mit Zustimmung des Leistungsberechtigten eine Gesamtplankonferenz durchführen, um die Leistungen für Leistungsberechtigte sicherzustellen. Diese kann als zweiter Schritt eine unvollständige Bedarfsermittlung ergänzen. Eine Gesamtplankonferenz sollte angestrebt werden, wenn trotz sorgfältiger und umfassender Bedarfsermittlung über das Bedarfsermittlungsinstrument weiterhin unterschiedliche Auffassungen zum Bedarf bestehen. Bei komplexen Fallkonstellationen dient sie der schnelleren Klärung des Sachverhaltes. Wenn der maßgebliche Sachverhalt schriftlich ermittelt werden kann oder der Aufwand für die Durchführung sowie Vor- und Nachbereitung einer Gesamtplankonferenz in keinem angemessenen Verhältnis zum Umfang der beantragten Leistung steht, kann von einer Gesamtplankonferenz abgesehen werden.

Wird eine Gesamtplankonferenz durchgeführt, beraten der Träger der Eingliederungshilfe, der Leistungsberechtigte und sonstige beteiligte Leistungsträger gemeinsam auf Grundlage der Ergebnisse der Bedarfsermittlung nach § 118 SGB IX. Inhalte sind insbesondere:

  1. die Stellungnahmen der beteiligten Leistungsträger und die gutachterliche Stellungnahme des Leistungserbringers bei Beendigung der Leistung zur beruflichen Bildung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen nach § 57 SGB IX,
  2. die Wünsche des Leistungsberechtigten,
  3. den Beratungs- und Unterstützungsbedarf,
  4. die Erbringung der Leistungen.
  5. Barbetrag
    Das Ergebnis über die Beratung des Barmittelanteils ist verpflichtender Bestandteil des Gesamtplanes (siehe § 121 Abs.4 Nr.6 SGB IX). Im Bereich der besonderen Wohnform ist dieser im Gesamtplan dokumentierte Barmittelanteil dann auch als verbindlich bei dem zwischen Leistungsberechtigten und Leistungserbringer abzuschließendem Vertrag anzusehen und entsprechend zu berücksichtigen. (Dazu siehe auch Bundesteilhabegesetz (Teil 14) – Trennung der Leistungen (2))

Ziel der Gesamtplankonferenz ist es, die Leistungsträger in die Lage zu versetzen ein tragfähiges Beratungsergebnis bezüglich der festzustellenden Leistung zu erzielen.

Bedarfe von Müttern und Vätern mit Behinderungen

Die Bedarfe von Müttern und Vätern mit Behinderungen im Kontext der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder sind vielfältig und können hinsichtlich ihres Abstimmungsbedarfes komplex sein. Neben Leistungen von vorrangigen Leistungsträgern sind auch die mögliche Unterstützung aus dem familiären, freundschaftlichen oder nachbarschaftlichen Umfeld möglich oder die Unterstützung im Rahmen eines Ehrenamtes in den Blick zu nehmen. Vor diesem Hintergrund ist für diese Fälle mit Zustimmung der Leistungsberechtigten eine Gesamtplankonferenz unter Beteiligung der genannten Leistungsträger, Stellen bzw. Personen aus dem familiären, freundschaftlichen oder nachbarschaftlichen Umfeld durchzuführen.

Feststellung der Leistungen – Verwaltungsakt

§ 120 SGB IX

Auf Grundlage der Beratung in der Gesamtplankonferenz nach § 119 SGB IX werden die Leistungen abgestimmt, ein Gesamtplan erstellt und auf dessen Grundlage der Verwaltungsakt erlassen. Der individuelle Bedarf von Menschen mit Behinderung zur Erzielung gleichberechtigter Teilhabe wird damit abschließend ermittelt und die Leistungen zur Bedarfsdeckung innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang, nach den für die beteiligten Träger geltenden Leistungsgesetzen festgestellt. Es kann sich hierbei auch um Teilbedarfslagen handeln. Die Feststellung der Leistungen (§ 120 SGB IX) ist Teil des Verwaltungsverfahrens und bildet den Abschluss des Prüfungs- und Abwägungsprozesses des Leistungsträgers über die erforderlichen Leistungen. Der Leistungsträger der Eingliederungshilfe stellt fest, welche Leistungen zur Deckung des ermittelten Bedarfes erforderlich sind. Sofern mehrere Rehabilitationsträger beteiligt sind, haben diese die Leistungen im Teilhabeplanverfahren aufeinander abzustimmen. Die Feststellungen fließen in den Gesamtplan nach § 121 SGB IX ein und sind bindend für den abschließenden Verwaltungsakt über die festgestellten Leistungen.

In Einzelfällen, beispielsweise wenn ein Angehöriger, mit dem ein Leistungsberechtigter zusammen wohnt, plötzlich verstirbt, kann eine zeitnahe bzw. sofortige Leistungserbringung vor der Durchführung einer Gesamtplankonferenz erforderlich sein. In diesen Fällen erbringt der Träger der Eingliederungshilfe die Leistungen in seinem Zuständigkeitsbereich nach pflichtgemäßem Ermessen vorläufig.

Gesamtplan

§ 121 SGB IX

Die Vorschrift bestimmt die Funktion, die Form und inhaltliche Ausgestaltung des Gesamtplans. Sie bestimmt, wer an der Erarbeitung des Gesamtplans beteiligt ist.

Funktion

Der Gesamtplan dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses. Anhand der im Gesamtplan enthaltenen Angaben können die Planungen und Ziele von Prozessen dokumentiert und ggfs. überprüft und weiterentwickelt werden.

Form

Der Gesamtplan bedarf der Schriftform, ist aber ansonsten an keine formellen Anforderungen gebunden. Er soll regelmäßig, spätestens nach zwei Jahren überprüft und fortgeschrieben werden.

Beteiligte

Die Erstellung des Gesamtplans erfolgt unter Einbindung des Leistungsberechtigten, einer Person seines Vertrauens und den im Einzelfall Beteiligten (z. B. behandelnder Arzt, Gesundheitsamt, Landesarzt, Jugendamt, Bundesagentur für Arbeit).

Inhalt

Die Mindestinhalte eines Gesamtplans bestehen zunächst aus den Inhalten die für einen Teilhabeplan (§ 19 SGB IX) gefordert sind. Insbesondere soll der Gesamtplan folgendes beinhalten:

  • die Ergebnisse der Bedarfsermittlung,
  • die hierfür eingesetzten Verfahren und Instrumente,
  • Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle,
  • die konkreten festgestellten Bedarfe,
  • die geplanten bzw. durchgeführten Maßnahmen,
  • die vereinbarten Ziele und
  • die Aktivitäten der Leistungsberechtigten.

Erhält der Leistungsberechtigte eine pauschale Geldleistung, so wird dies im Gesamtplan festgehalten. Dies gilt auch für das Ergebnis über die Beratungen des Anteils des Regelsatzes, der dem Leistungsberechtigten als Barmittel verbleibt. (s.o.)

Bei Veränderungen bezüglich der Lebenssituation der Leistungsberechtigten kann der Gesamtplan jederzeit angepasst werden. Bei Bedarf kann ein Gesamtplan unabhängig von der enthaltenen Laufzeit modifiziert werden. Dies kann durch alle Verfahrensbeteiligte angeregt werden.

Kopie an…

Der Träger der Eingliederungshilfe stellt der leistungsberechtigten Person den Gesamtplan zur Verfügung.

Teilhabezielvereinbarung

§ 122 SGB IX

Das Verfahren der Gesamtplanung soll die Überprüfung bewilligter Leistungen nach Zeitabläufen ermöglichen. Hierzu gibt die Vorschrift dem Träger der Eingliederungshilfe die Möglichkeit, mit den Leistungsberechtigten eine Teilhabezielvereinbarung abzuschließen. Eine solche Teilhabezielvereinbarung muss nicht zwingend ein eigenständiges Dokument sein. Auch die Unterzeichnung bzw. Vereinbarung von im Rahmen der Bedarfsermittlung und -feststellung formulierten Zielen kann eine Zielvereinbarung in diesem Sinne darstellen.

Auf veränderte Teilhabeziele aufgrund veränderter Bedarfe und Wünsche ist flexibel zu reagieren. Vor diesem Hintergrund hat der Träger der Eingliederungshilfe die Vereinbarung anzupassen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Vereinbarungsziele nicht oder nicht mehr erreicht werden.

Bundesteilhabegesetz (Teil 18) – Teihabeplan und Gesamtplan

Um die Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe besser zu verstehen, muss zunächst auf die Unterschiede und Geneinsamkeiten zwischen Teilhabeplan und Gesamtplan eingegangen werden. Ausführliches zum Gesamtplan in Bundeseilhabegesetz (Teil 19).

Rechtsgrundlagen sind §§ 19 bis 23 SGB IX und § 117 SGB IX bis § 122 SGB IX in der Fassung ab 1.1.2020.

Leistung aus einer Hand

Um „Leistungen wie aus einer Hand“ gewähren zu können und Nachteile des gegliederten Systems der Rehabilitation für die Menschen mit Behinderungen abzubauen, wurde durch das Bundesteilhabegesetz mit Geltung ab 01.01.2018 für alle Rehabilitationsträger ein verbindliches, partizipatives Teilhabeplanverfahren vorgeschrieben. Eine Pflicht zur Aufstellung eines Teilhabeplans besteht immer dann, wenn

  1. mehrere Rehabilitationsträger Leistungen erbringen müssen oder
  2. nur leistende Rehabilitationsträger Leistungen verschiedener Leistungsgruppen erbringt oder
  3. die leistungsberechtigte Person dies wünscht.

Ist der Träger der Eingliederungshilfe für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortlicher Rehabilitationsträger, so müssen auch die Vorschriften für das sogenannte Gesamtplanverfahren beachtet werden. Die Regelungen zum Gesamtplan knüpfen an die Regelungen zur Teilhabeplanung an, normieren darüberhinaus aber noch Spezifika für die Leistungen der Eingliederungshilfe.

Teihabeplan kann, Gesamtplan muss

Ein Teilhabeplan muss nur erstellt werden, soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrer Rehabilitationsträger erforderlich sind; der Gesamtplan muss auch bei Einzelleistungen der Eingliederungshilfe erstellt werden.

Während die Gesamtplanung nur für die Eingliederungshilfe gilt, wurden die Regelungen zur Teilhabeplanung für alle Rehabilitationsträger nach dem SGB IX geschaffen. Die Regelungen zum Teilhabeplanverfahren gehen denen des Gesamtplanverfahrens vor, wie § 7 Abs.2 SGB IX festlegt. Dementsprechend enthält der Gesamtplan neben den Mindestinhalten nach § 19 SGB IX i.V.m. § 13 SGB IX weitere Angaben gemäß § 121 Abs.4 SGB IX zu den im Rahmen der Gesamtplanung eingesetzten Verfahren und Instrumenten sowie zu Maßstäben und Kriterien der Wirkungskontrolle einschließlich des Überprüfungszeitpunkts, den Aktivitäten der Leistungsberechtigten, den Feststellungen über die Selbsthilferessourcen der Leistungsberechtigten sowie über Art, Inhalt, Umfang und Dauer der zu erbringenden Leistungen.

Beim Zusammentreffen von Teilhabe- und Gesamtplanverfahren knüpfen die Regelungen für das Gesamtplanverfahren damit an die Vorschriften zur Teilhabeplanung der Rehabilitationsträger im Teil 1 des SGB IX an und ergänzen diese Regelungen zum Teilhabeplanverfahren um die Spezifika der Eingliederungshilfe.

Ein Teilhabeplanverfahren muss auch dann durchgeführt werden, wenn der Träger der Eingliederungshilfe im Einzelfall alleiniger Rehabilitationsträger ist, aber Leistungen aus mehreren Leistungsgruppen wie Leistungen zur Sozialen Teilhabe und zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigt werden. Der Gesamtplan ist dann ein Teil des Teilhabeplans.

Empfehlungen

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV) hat im Juni 2019 Empfehlungen zur Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe und ihr Verhältnis zur Teilhabeplanung veröffentlicht, in dem er umter anderem empfiehlt, einen Teilhabeplan und einen Gesamtplan inhaltlich einander anzugleichen oder zu einem Plan zu vereinen. Dabei ist die Teilhabeplankonferenz mit der Gesamtplankonferenz zu verbinden, wenn der Eingliederungshilfeträger für die Teilhabeplanung verantwortlich ist.


Bundesteilhabegesetz (Teil 17) – Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung

Die Eingliederungshilfe hat eine andere Aufgabe als die Pflegeversicherung und die Hilfe zur Pflege.

  • Die Eingliederungshilfe will behinderten Menschen und von Behinderung bedrohten Menschen die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen, erleichtern oder sichern; die einzelnen Leistungen der Eingliederungshilfe sollen dazu beitragen, Nachteile abzubauen. Jede Linderung der Behinderung bzw. ihrer Folgen für die Teilhabefähigkeit reicht aus, z.B. auch die Besserung des seelischen Wohlbefindens eines Betroffenen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. August 2005). Prinzipiell gibt es keine feste Altersgrenze; auch bei alten Menschen kann daher ein Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen bestehen.
  • Die Pflegeversicherung und die Hilfe zur Pflege wollen pflegebedürftigen Menschen, auch jenen Menschen die zudem behindert sind oder von Behinderung bedroht sind, ermöglichen, trotz Pflegebedürftigkeit, so lange wie möglich, menschenwürdig leben zu können, in ihrer Selbständigkeit gestärkt zu werden und einen kompensatorischen Ausgleich des Mangels an Fähigkeiten zu erfahren.

Die Leistungen der Eingliederungshilfe und die Leistungen der Pflege sind grundsätzlich verschieden und stehen gleichrangig zueinander. Die Regelungen zum Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe finden sich in § 13 des Elften Buches.

Drei Schnittstellen

Im Verhältnis Eingliederungshilfe zur Pflege sind drei Schnittstellen zu beachten:

  • Schnittstelle im ambulanten Bereich.
  • Schnittstelle in Einrichtungen der Behindertenhilfe, bzw. der Eingliederungshilfe
  • Schnittstelle der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege

Wohnformen

Wichtig für das Verständnis der Schnittstellen ist die Begriffsklärung der verschiedenen Wohnformen.

Obwohl die Zielsetzung des Bundesteilhabegesetzes eine personenzentrierte Unterstützung des Leistungsberechtigten ist, unabhängig von der Wohnform, und sich im Wesentlichen auf das Alter des Leistungsberechtigten bei Behinderungseintritt bezieht (Lebenslagenmodell, s.u.), muss im Zusammenspiel mit der Pflegeversicherung und der Hilfe zur Pflege doch wieder nach Wohnformen unterschieden werden. Relevant sind demnach folgende Wohnformen:

  • Wohnung: Gesetzliche Definition in § 42a Abs.2 Satz 2 SGB XII: „Wohnung ist die Zusammenfassung mehrerer Räume, die von anderen Wohnungen oder Wohnräumen baulich getrennt sind und die in ihrer Gesamtheit alle für die Führung eines Haushalts notwendigen Einrichtungen, Ausstattungen und Räumlichkeiten umfassen.“
  • Gemeinschaftliche Wohnform („Gemeinschaftliches Wohnen“, „Ambulant Betreutes Wohnen“): Hier wird für die Angemessenheit von Wohnflächen und Unterkunftskosten zwischen „persönlichem Wohnraum und zusätzlichen Räumlichkeiten“ in Einrichtungen sowie anderen Unterkünften (z. B. Plätze in Obdachlosenunterkünften) unterschieden, die weder als „Wohnung“ noch als „persönlicher Wohnraum“ in Einrichtungen anzusehen sind (§ 42a Abs.2 Nr.2 und Nr.3 SGB XII).
  • Besondere Wohnform („Stationäres Wohnen“): Einrichtung, in der ausschließlich Menschen mit Behinderungen betreut werden (§ 104 Abs.3 Satz 3 SGB IX).

Schnittstelle ambulanter Bereich

§ 91 Abs.3 SGB IX und § 13 Abs.3, Abs.4 und Abs.4a SGB XI

Hier wird grundsätzlich das Nebeneinander der Zuständigkeiten von Eingliederungshilfe im ambulanten, bzw. häuslichen Bereich und Pflegeversicherung festgeschrieben. In den Einrichtungen und Räumlichkeiten nach § 71 Abs.4 SGB XI sollen die notwendigen Hilfen einschließlich der Pflegeleistungen gewährt werden.

Die Regelung des § 71 Abs.4 SGB XI bestimmt, wann es sich nicht um eine Pflegeeinrichtung handelt, sondern um eine stationäre Einrichtung mit anderer Zielrichtung. Um die bisherigen, an der Wohnform orientierten Leistungsansprüche im SGB XI auch unter der personenzentrierten Neugestaltung der Eingliederungshilfe aufrecht erhalten zu können, erfasst diese Regelung auch Räumlichkeiten, in denen der Zweck des Wohnens von Menschen mit Behinderungen und die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe im Vordergrund stehen. Ganz aus der Zeit gefallen ist hier übrigens die Formulierung: „…die Erziehung kranker Menschen oder von Menschen mit Behinderungen…“

Treffen Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe zusammen, können beide Leistungsträger mit Zustimmung des Leistungsberechtigten vereinbaren, dass der Träger der Eingliederungshilfe die Leistungen der Pflegeversicherung auf Grundlage des Bescheids der Pflegekasse übernimmt. Näheres zu den Modalitäten der Übernahme und der Durchführung der Leistungen hat der GKV-Spitzenverband und die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGÜS) veröffentlicht.

Wie sich aus Absatz 4a ergibt, muss die Pflegekasse an dem Gesamtplanverfahren beratend teilnehmen, wenn der Leistungsberechtigte einverstanden ist und soweit dies für den Träger der Eingliederungshilfe zur Feststellung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe an Bildung, Soziale Teilhabe – erforderlich ist; dies ergibt sich auch aus § 117 Abs.3 Satz 1 SGB IX, der Regelung über die Durchführung des Gesamtplanes.

Die Einbeziehung der Pflegekassen dient dazu, die zur Bedarfsdeckung erforderlichen Leistungen aufeinander abzustimmen und eine etwaige Vereinbarung möglichst frühzeitig gemeinsam vorzubereiten. Ist der Leistungsberechtigte nicht mit der Einbeziehung der Pflegekasse einverstanden, muss der Eingliederungshilfeträger nach den ihm vorliegenden Informationen entscheiden.

Abgrenzung nach Bedarf und Ziel

Eine Abgrenzung erfolgt nach dem Bedarf bzw. danach, welchem Ziel die konkrete Maßnahme dient,  also nach der Zielrichtung des Bedarfs:

Zunächst ist auf den Grundsatz „Versicherung vor Steuer“ zurückzugreifen: Kann der Bedarf des Leistungsberechtigten bereits durch Leistungen der Pflegeversicherung ( Versicherungsleistung) gedeckt werden, ist die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe (Steuerleistung) nicht möglich Die Bedarfsermittlung ist im Teilhabe- bzw. Gesamtplanverfahren unter Beteiligung des Leistungsberechtigten und unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren und Wünsche des Leistungsberechtigten festzustellen. Die zur Bedarfsdeckung erforderlichen Maßnahmen müssen dann den beteiligten Leistungsträgern unter Berücksichtigung der jeweiligen Zielsetzung zugeordnet werden.

Eine weitere Abgrenzung stellt die Zielsetzung der Maßnahme dar: Die Eingliederungshilfe verfolgt einen sozialpädagogischen Ansatz der Befähigung, während es der Pflegeversicherung um die Wiedergewinnung von Fähigkeiten geht, die verloren gegangen sind oder die es zu erhalten gilt. Bei körperbezogenen Pflegemaßnahmen ist daher eher eine Leistung der Pflegeversicherung anzunehmen.

Problematischer wird dies allerdings bei Betreuungsmaßnahmen, Hilfen bei der Haushaltsführung sowie Angeboten zur Unterstützung im Alltag. Hier ist die Schnittmenge zwischen den Leistungssystemen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe (insbesondere Assistenzleistungen im Rahmen der Sozialen Teilhabe) hoch. Der Träger der Eingliederungshilfe muss hier daher im Einzelfall stets prüfen, ob der Maßnahmezweck im Bereich der Befähigung zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung liegt. Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob die Maßnahme durch Leistungen der Pflegeversicherung vollständig gedeckt ist oder ob zur Bedarfsdeckung Leistungen der Eingliederungshilfe notwendig sind (bzw. eventuell Leistungen des Sozialhilfeträgers durch „Hilfe zur Pflege“, wenn ein pflegerischer Bedarf vorliegt).

Schnittstelle in Einrichtungen der Behindertenhilfe, bzw. der Eingliederungshilfe

Die Schnittstellenregelung zwischen Eingliederungshilfe und Leistungen der sozialen Pflegeversicherung in Fällen, in denen Betroffene in Einrichtungen (oder Räumlichkeiten) nach § 43a SGB XI leben, findet sich in § 103 Abs.1 SGB IX in Verbindung mit § 71 Abs.4 SGB XI.

Die Vorschrift regelt das Verhältnis von Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe im stationären Bereich. Sie regelt auch die Erbringung von Pflegeleistungen in Wohnformen, die im Bereich der Leistungen der Eingliederungshilfe für erwachsene Menschen mit Behinderung an die Stelle der derzeitigen vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe treten.

Der Anwendungsbereich der obigen Vorschriften ist eröffnet, wenn folgende Eigenschaften kumulativ vorliegen:

  1. Im Vordergrund muss der Zweck des Wohnens und die Erbringung von Eingliederungshilfe stehen.
  2. Die Räumlichkeiten müssen unter das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) fallen.
  3. Der Umfang der Gesamtversorgung der dort wohnenden Menschen muss regelmäßig weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entsprechen.

In diesen Fällen beteiligt sich die Pflegekasse zur Abgeltung der pflegebedingten Aufwendungen anstelle des Anspruchs auf Leistungen bei vollstationärer Pflege mit einem Pauschalbetrag in Höhe bis zu 266 EUR monatlich.

Trägerverantwortete Betreute Wohngemeinschaften

Hier handelt es sich um Wohnformen, in denen der Zweck des Wohnens von Menschen mit Behinderung und der Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für diese im Vordergrund steht, die aber nach heutigem Verständnis nicht stationär sind. Hier werden oft Pflegesachleistungen durch ambulante Pflegedienste und ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe nebeneinander erbracht. Bei Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf könnte der Umfang der Gesamtversorgung (Pflege und Eingliederungshilfe zusammen) regelmäßig einen Umfang erreichen, der weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht.

Es besteht die Gefahr, dass in Wohngemeinschaften mit Bewohner*innen mit sehr hohem Unterstützungsbedarf in Zukunft keine Pflegesachleistungen durch ambulante Pflegedienste bewilligt werden, sondern die Einrichtungen hinsichtlich der Schnittstelle Pflege-Eingliederungshilfe so behandelt werden, wie heutige stationäre Wohnheime. Bis auf den Erstattungsbetrag in Höhe von maximal 266 EUR je Monat müssen sie ab 2020 alle Kosten der Pflege selbst übernehmen.

Für die Bewohner*innen die bereits am 01.01.2017 Pflegesachleistungen erhalten, ändert sich aufgrund der Besitzstandsregelung in § 145 SGB XI nichts, solange sie ihren Wohnplatz behalten. Für alle in eine solche Wohnform neu aufgenommenen Menschen, würden aber die neuen Regelungen Anwendung finden. Das bedeutet, dass aus der Sicht des Leistungsrechts und auch des Leistungserbringungsrechts für eine Übergangszeit unterschiedliche Regelungen gelten.

Schnittstelle der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege

§ 103 Abs.2 SGB IX

Lebenslagenmodell

Beim Zusammentreffen von Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege wird nun das sogenannte „Lebenslagenmodell“ umgesetzt: Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe die Leistungen der Hilfe zur Pflege. Damit gelten für die Betroffenen die günstigeren Einkommens- und Vermögensgrenzen der Eingliederungshilfe. Bei Personen, die vor Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe haben, gilt diese Regelung auch über die Altersgrenze hinaus, soweit die Ziele der Eingliederungshilfe erreicht werden können.

Die Eingliederungshilfe (EGH) umfasst in ambulanten Versorgungssettings auch die Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XII (Hilfe zur Pflege), wenn der Leistungsberechtigte vor Vollendung des maßgeblichen Rentenalters ( Regelaltersgrenze!) bereits Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten hat.

Das bedeutet bei Behinderung von Geburt an oder bis zur Regelaltersgrenze:

  • Die Leistungen der EGH umfassen die häuslichen Leistungen der Hilfe zur Pflege.
  • Dies gilt auch über die Regelaltersgrenze hinaus, soweit die Teilhabeziele der EGH noch erreicht werden können.
  • Es gelten die Einkommens- und Vermögensgrenzen der EGH

Das bedeutet bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze:

  • Gleichrangiger Zugang zu Leistungen von Hilfe zur Pflege und EGH mit der Konsequenz von zwei Kostenträgern (Sozialhilfeträger, Eingliederungshilfeträger)
  • Unterschiedliche Einkommens- und Vermögensgrenzen Einkommens- und Vermögensgrenzen.

Quellen: Bundestag, BMAS, SOLEX, FOKUS Sozialrecht,
Thomas Knoche: Bundesteilhabegesetz Reformstufe 3: Neue Eingliederungshilfe, Walhalla-Verlag 2019

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

Abbildung: fotolia: group-418449_1280.jpg

Vergütung von Berufsbetreuern

Die Vergütung des Betreuers hat sich zum 27. 7. 2019 geändert. Anstelle des bisherigen Zeitpauschalsystems ist ein neues Fallpauschalsystem eingeführt geworden. Der Betreuer muss nicht mehr seinen Stundensatz mit der vorgegebenen Stundenzahl multiplizieren, sondern kann aus drei Vergütungstabellen entsprechend seiner nutzbaren Kenntnisse einen bestimmten Betrag für den jeweiligen Abrechnungsmonat entnehmen. Dabei spielen weiterhin die Faktoren „Dauer der Betreuung“ (Laufzeit seit Erstbestellung), der „gewöhnliche Aufenthalt des Betreuten“ (stationäre Einrichtung, gleichgestellte ambulant betreute Wohnform oder andere Wohnform), sowie der „Vermögensstatus des Betreuten“ (mittellos oder vermögend am Ende des Abrechnungsmonats) eine Rolle.

Daneben wurde eine gesonderte Pauschale für die Verwaltung höherer bzw. besonderer Vermögensbestandteile eingeführt; außerdem neu geregelt wird die Übernahme einer Betreuung von einem ehrenamtlichen Betreuer oder die Abgabe an einem solchen. Soweit der Betreuer ausnahmsweise die Stundenvergütung geltend machen kann, wurden die Stundensätze angehoben; dies gilt auch für den Verfahrenspfleger.

Mit der Gesetzesänderung wurde die Vergütung durchschnittlich um ca. 17 % angehoben, wobei die Erhöhung sich am Beginn der Betreuung am meisten auswirkt, und nach 24 Monaten weitgehend abflacht.

Vergütung von Berufsbetreuern

Betreuungen werden entgeltlich geführt, wenn das Gericht bei der Bestellung des Betreuers festgestellt hat, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 286 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, § 1 VBVG). In diesem Fall bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach den Vorschriften des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG).

Grundsätzlich werden alle von Berufs- und Vereinsbetreuern geführten Betreuungen pauschal abgerechnet. Das VBVG knüpft an ein mehrstufiges allgemeines Pauschalierungsmodell an. Diese Pauschalierung richtet sich nach der Dauer der Betreuung, dem allgemeinen Aufenthaltsort des Betreuten und seiner Vermögenslage (§ 5 Abs. 1 VBVG). In den Pauschalsätzen enthalten sind alle Auslagen des Betreuers, § 5 Abs. 5 VBVG.

Das Pauschalierungsmodell geht von drei Prämissen aus:

  • Ein Betreuter, der in einer stationären Einrichtung oder gleichgestellten ambulant betreuter Wohnform lebt, verursacht weniger Arbeitsaufwand als ein Betreuter, der nicht in einer solchen lebt (andere Wohnform).
  • Der Arbeitsaufwand für einen vermögenden Betreuten ist höher als für einen Mittellosen.
  • Zu Betreuungsbeginn ist der Aufwand am höchsten. Er sinkt im Laufe des ersten und zweiten Betreuungsjahres und bleibt in den Folgejahren auf relativ niedrigem Niveau.

Demgemäß wurde das Vergütungsmodell wie folgt aufgebaut:

1. Qualifikation des Betreuers (§ 4 Abs. 1 VBVG)

4 Abs. 1 VBVG ordnet die Betreuerkenntnisse in drei Stufen ein:

  • Vergütungstabelle A: Der Betreuer verfügt über keine besonderen Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
  • Vergütungstabelle B: Der Betreuer verfügt über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse sind durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben worden.
  • Vergütungstabelle C: Der Betreuer verfügt über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse sind durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben.

2. Fallpauschalensystem – Vergütungstabellen (Anlage zu § 4 Abs. 1 VBVG)

Vergütungstabelle A

Vergütungstabelle C

Vergütungstabelle B

Vergütungstabelle B

Vergütungstabelle C

Vergütungstabelle C

Eine Erhöhung der Fallpauschalen ist grundsätzlich nicht möglich, auch wenn ein großer Zeitaufwand und/oder erhebliche Schwierigkeiten vorliegen. Allerdings sieht § 5a VBVG bestimmte gesonderte Pauschalen vor, soweit der Betreute nicht mittellos ist.

Verwaltet der Betreuer

  • Geldvermögen in Höhe von mindestens 150.000 EUR,
  • Wohnraum, der nicht vom Betreuten oder seinem Ehegatten genutzt wird oder
  • ein Erwerbsgeschäft des Betreuten,

so erhält er zusätzlich zur Fallpauschale gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VBVG eine monatliche Pauschale von 30 EUR, soweit der Betreute nicht mittellos ist.

Findet ein Wechsel von einem ehrenamtlichen zu einem beruflichen Betreuer statt, ist der berufliche Betreuer mit einer einmaligen (zusätzlichen) Pauschale in Höhe von 200 EUR zu vergüten (§ 5a Abs. 2 VBVG).

Findet ein Wechsel von einem beruflichen zu einem ehrenamtlichen Betreuer statt, ist gemäß § 5a Abs. 3 Satz 1 VBVG der berufliche Betreuer mit einer einmaligen Pauschale in Höhe des 1,5-fachen der zum Zeitpunkt des Betreuerwechsels zu vergütenden Fallpauschale zu vergüten.

Die gesonderten Pauschalen können nur zusammen mit der Fallpauschale geltend gemacht werden. Beantragt werden kann gemäß § 9 Satz 1 VBVG die Fallpauschale immer erst nach drei Monaten (Fälligkeit).

Ausnahmsweise erfolgt gemäß § 6 Satz 1 VBVG eine Vergütung nach konkretem Zeitaufwand (z.B. bei einer Betreuung zur Entscheidung über die Sterilisation oder einem berufsmäßigen Ersatzbetreuer bei rechtlicher Verhinderung des Betreuers). Die Vergütungsstufen betragen in diesem Fall je nach Qualifikation 23,00 EUR, 29,50 EUR und 39,00 EUR je Stunde. Zusätzlich zu diesen Vergütungsbeträgen wird Ersatz für Aufwendungen gezahlt. Diese Sätze gelten unmittelbar bei mittellosen Betroffenen und grundsätzlich auch bei den Vermögenden, wobei bei Letzteren im Einzelfall gerichtlich auch höhere Stundensätze zugebilligt werden können (§ 6 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 3 VBVG).

Die Tätigkeit als Betreuer ist umsatzsteuerbefreit, § 4 Nr. 16 Buchstabe k UStG. Dies gilt nicht für den Verfahrenspfleger (§§ 276, 317 FamFG) sowie für Betreuer, die Tätigkeiten im Rahmen ihres Berufs oder Gewerbes erbringen (§ 1908i Abs. 1 i. V. m. § 1835 Abs. 3 BGB).

Auslagenersatz und Vergütung für ehrenamtliche Betreuer

Aufwendungs- bzw. Auslagenersatz (§ 1835 BGB)

Entstehen dem Betreuer bei der Führung der Betreuung Auslagen, so bekommt er diese – soweit sie zur Führung der Betreuung notwendig waren – ersetzt.

An Auslagen können z. B. entstehen:

  • Fahrtauslagen (einschließlich Parkgebühren)
  • Portoauslagen
  • Fotokopierauslagen

Den entsprechenden Geldbetrag kann der Betreuer bei vermögenden Betreuten (= grundsätzlich Vermögen von mehr als zur Zeit 5.000 EUR) direkt aus dem Vermögen der/des Betreuten entnehmen bzw. der/dem Betreuten in Rechnung stellen (wenn zum Aufgabenkreis nicht die Vermögensverwaltung gehört).

Ist die/der Betreute mittellos (= Vermögen von grundsätzlich nicht mehr als 5.000 Euro), werden dem Betreuer die Aufwendungen auf Antrag aus der Staatskasse erstattet. Es wird empfohlen, dem Antrag auf Erstattung eine detaillierte Aufstellung (z. B. lfd. Nummer/Datum/Bezeichnung des Grundes/Höhe der Auslagen sowie Belege, soweit vorhanden) über die entstandenen Aufwendungen beizufügen.

Pauschaler Aufwendungsersatz/Aufwandspauschale (§ 1835a BGB)

Zur Abgeltung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz kann der ehrenamtliche Betreuer eine pauschale Aufwandsentschädigung von zur Zeit jährlich 399 EUR geltend machen. Hinsichtlich der Aufwandspauschale entfällt die Vorlage von Nachweisen.

Der Anspruch auf die Aufwandspauschale entsteht (= Fälligkeit) ein Jahr nach der Bestellung zum Betreuer bzw. mit dem Ende der Betreuung (= Aufhebung der Betreuung, Tod der/des Betreuten bzw. dem Zeitpunkt der Entlassung des Betreuers) jeweils neu für das abgelaufene volle Betreuungsjahr bzw. anteilig für den Zeitraum der Bestellung bis zur Beendigung.

Bei vermögenden Betreuten (Entnahmebetrag drückt das Vermögen nicht unter 5.000 EUR) kann die Pauschale dem Vermögen entnommen bzw. der/dem Betreuten in Rechnung gestellt werden. Bei vermögenslosen Betreuten wird die Aufwandspauschale nach Eintritt der Fälligkeit auf Antrag des Betreuers aus der Staatskasse erstattet.

Der Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 1835 BGB) erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht wird (es kommt auf die Entstehung einer jeden Auslage an). Der Anspruch auf Aufwandspauschale (§ 1835a BGB) erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Jahres, in dem der pauschale Anspruch entsteht, geltend gemacht wird. Der Antrag ist an das zuständige Amtsgericht – Betreuungsgericht – oder an die/den Betreuten zu richten.

Unter Berücksichtigung des geltenden Steuerfreibetrags nach § 3 Nr. 26b Satz 1 EstG auf Aufwandspauschalen können die Einkünfte der ehrenamtlichen Betreuer steuerlich berechnet werden.

Von den erzielten Einnahmen (den gezahlten Aufwandspauschalen) ist der Freibetrag von
2.400 EUR gemäß § 3 Nr. 26b EStG abzuziehen. Die so ermittelten Einkünfte bleiben steuerfrei, wenn sie unterhalb des Freibetrags von 2.400 EUR liegen. Der ehrenamtliche Betreuer (sofern keine anderen steuerfreien Einkünfte im Rahmen von § 3 Nr. 26 EStG vorliegen) kann jährlich bis zu sechsmal die Pauschale von 399 EUR steuerfrei erhalten. Die Gesamtsumme liegt dann bei 2.394 EUR; erst ab der siebten Pauschale wird der Freibetrag überschritten.

Erhält der Betreuer die Aufwandspauschale nach § 1835a BGB mehr als sechsmal innerhalb eines Kalenderjahres, ist diese im Rahmen der Einkommensteuererklärung zu deklarieren. Überschreiten die Einnahmen den steuerfreien Betrag von 2.400 EUR wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Diese Ausgaben müssen sich aber auf die Tätigkeiten beziehen, für die nicht bereits der Steuerfreibetrag von 2.400 EUR in Anspruch genommen wurde, § 3 Nr. 26b Satz 2 i. V. m. § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG.

Erhält der (ehrenamtliche) Betreuer nur seine tatsächlich angefallenen Aufwendungen im Rahmen des § 1835 Abs. 1 BGB (also nicht die Aufwandspauschale nach § 1835a BGB) erstattet, handelt es sich in der Regel nicht um einkommensteuerrelevante Einkünfte, da kein Gewinn bzw. Überschuss erzielt wird. Erhält der Betreuer die Aufwandspauschale nach § 1835a BGB mehr als siebenmal innerhalb eines Kalenderjahres, ist diese im Rahmen der Einkommensteuererklärung zu deklarieren.

Vergütung des ehrenamtlichen Betreuers (§ 1836 Abs. 2 BGB)

Die Betreuung wird grundsätzlich unentgeltlich (ehrenamtlich) geführt. Die Bewilligung einer Vergütung kann nur erfolgen, wenn das Vermögen der/des Betreuten sowie der Umfang und die Bedeutung der Betreuungsgeschäfte dies rechtfertigen. Maßgeblich ist in erster Linie der zeitliche Aufwand. Es ist deshalb immer erforderlich mit dem Antrag auf Vergütung einen ausführlichen Tätigkeitsnachweis einzureichen und ggf. die in der Betreuungsführung aufgetretenen Schwierigkeiten zu bezeichnen.