Bundestag hebt Wahlausschluss von Vollbetreuten auf; neu: Regelung zu Assistenzleistungen

Am 16.05.2019 wurde der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze“ in 2./3. Lesung im Bundestag verabschiedet (Drs. 19/9228). Die Änderungen sollen am 1. Juli 2019 in Kraft treten. Zuvor muss das Gesetz noch den Bundesrat durchlaufen.

Wie berichtet, hatte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 29. Januar 2019 (Az.: 2 BvC 62/14) die derzeit bestehende Regelung in § 13 Ziffer 2 und Ziffer 3 für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar beurteilt und die Regelungen deshalb für nichtig erklärt. Per einstweiliger Anordnung hatte das Bundesverfassungsgericht am 15. April 2019 die Vorschriften zum Wahlrechtsausschluss von behinderten und psychisch kranken Menschen zur Europawahl gekippt und ermöglicht so, dass die Betroffenen an der Europawahl teilnehmen können (Voraussetzung ist eine Antragstellung – siehe die Ausführungen im gesonderten Beitrag!).

Die Wahlrechtsausschlüsse des § 13 Nummer 2 und 3 des Bundeswahlgesetzes
und des § 6a Absatz 1 des Europawahlgesetzes werden mit dieser Gesetzesänderung nun beendet.

Zugleich werden

  • die Grenzen zulässiger Assistenz bei der Ausübung des Wahlrechts bestimmt,
  • wird die Strafbarkeit der Wahlfälschung bei zulässiger Assistenz in § 107a des
    Strafgesetzbuches klargestellt
  • die notwendigen Folgeänderungen in der Bundeswahlordnung, der Europawahlordnung und in dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgenommen.

Grenzen zulässiger Assistenz:

Nach dem neu eingefügten § 14 Abs. 5 Bundeswahlgesetz kann ein Wahlberechtigter, der nicht lesen kann oder der wegen einer Behinderung seine Stimme nicht selbst abgeben kann, technische Unterstützung bekommen.

„(5) Ein Wahlberechtigter, der des Lesens unkundig oder wegen einer Behinderung an der Abgabe seiner Stimme gehindert ist, kann sich hierzu der Hilfe einer anderen Person bedienen. Die Hilfeleistung ist auf technische Hilfe bei der Kundgabe einer vom Wahlberechtigten selbst getroffenen und geäußerten Wahlentscheidung beschränkt. Unzulässig ist eine Hilfeleistung, die unter missbräuchlicher Einflussnahme erfolgt, die selbstbestimmte Willensbildung oder Entscheidung des Wahlberechtigten ersetzt oder verändert oder wenn ein Interessenkonflikt der Hilfsperson besteht.“

Die Hilfsperson muss das 16. Lebensjahr vollendet haben. Sie hat eine „Versicherung an Eides statt“ zu unterzeichnen, wenn sie bei der Wahl assistiert. Außerdem ist die Hilfsperson zur Geheimhaltung der Kenntnisse verpflichtet, die sie durch die Hilfeleistung erlangt hat.

Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht, macht sich strafbar (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe). Unbefugt wählt auch, wer im Rahmen zulässiger Assistenz entgegen der Wahlentscheidung des Wahlberechtigten oder ohne eine geäußerte Wahlentscheidung des Wahlberechtigten eine Stimme abgibt. Bereits der Versuch ist nach § 107a Abs. 1 und Abs. 3 StGB strafbar.

Kinderrechte im Grundgesetz

Noch hat das Familienministerium (BMFSJ) keinen Gesetzentwurf zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz vorgelegt. Dies soll im Laufe des Jahres, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, noch geschehen.

Für den 22.Mai ruft die Initiative „Kinderrechte ins Grundgesetz“ zu einer gemeinsamen Aktion über die sozialen Netzwerke auf. Jeder kann über Twiiter,  Facebook, Instagram und so weiter den Satz „Kinderrechte ins Grundgesetz, damit…“ in seinem Sinne genau am 22.Mai vervollständigen und absenden.

Zu der Initiative gehören unter anderem der Kinderschutzbund, das Deutsche Kinderhilfswerk und Unicef.

Treffen der zuständigen Minister in Weimar

Die Jugend- und Familienminister aller 16 Bundesländer haben sich letzte Woche in Weimar auf eine stärkere Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz der Bundesrepublik geeinigt. Entsprechend des bei einem Treffen am Freitag in Weimar einstimmig gefassten Beschlusses sollen Kinder stärker bei staatlichen Entscheidungen berücksichtigt werden. In der Verfassung soll unter anderem festgehalten werden, dass der Staat Sorge für kindergerechte Lebensbedingungen tragen soll. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll nun bis Ende des Jahres Vorschläge für die dazu nötige Verfassungsänderung ausarbeiten.

Begründungen der Initiative Kinderrechte

  • Deutschland hat sich mit der Ratifizierung der KRK verpflichtet, alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Rechte zu treffen. Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes (KRA) legt dafür den Vertragsstaaten die Aufnahme der Kinderrechte in die nationale Verfassung nahe.
  • Die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland ist durch die aktuelle Rechtslage nicht abgesichert: Es besteht ein erhebliches Umsetzungsdefizit in Rechtsprechung und Verwaltung, da die Rechte durch eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes oder eine Kombination mit anderen Verfassungsnormen erst kompliziert gewonnen werden müssen.
  • Eine Stärkung der Rechte von Kindern ist angezeigt, da Kinder nicht einfach nur eine gesellschaftliche Teilgruppe von vielen sind. Alle Menschen durchlaufen das Kindesalter und benötigen in dieser Altersphase besondere Rechte, so wie sie in der KRK normiert und von Deutschland mit Ratifizierung anerkannt wurden. Der beispiellose Schutzgehalt des Kindeswohls zeigt sich auch in der Normierung des Kindeswohlvorrangs in anderen menschenrechtlichen Verträgen, der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und der EU Grundrechtecharta.
  • Ein Kindergrundrecht i.S.d. KRK kann in das Grundgesetz eingefügt werden, ohne das grundsätzliche Verhältnis von Kindern, Eltern und Staat anzutasten. Eine Stärkung der Rechte von Kindern führt nicht automatisch zu einer Schwächung der Rechte von Eltern. Im Gegenteil erhalten Eltern dadurch also bessere Möglichkeiten, die Rechte ihrer Kinder gegenüber staatlichen Einrichtungen durchzusetzen.
  • Die Absicherung einer vorrangigen Berücksichtigung des Wohls von Kindern auch auf Verfassungsebene ist nötig, damit Rechtsanwenderinnen, wie Gerichte und Verwaltung, den Interessen von Kindern hinreichend Gewicht verleihen. Das Kindeswohl soll damit nicht eine Entscheidung vorgeben, sondern als eine wesentliche Leitlinie fungieren.
  • Insgesamt würde der Staat seine Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse, Kindesinteressen, die Beteiligung von Kindern und die Gewährleistung gleicher Entwicklungschancen für alle Kinder stärker wahrnehmen. Angesichts der aktuellen Debatte über wachsende Kinderarmut, unterschiedliche Bildungschancen, ein Auseinanderdriften der Gesellschaft in Reich und Arm und häufige Fälle von Vernachlässigung wäre dies ein wichtiges Signal.

Bildungspflicht – Schulpflicht

Ein wesentlicher Punkt in der Kinderrechtskonvention ist das Recht eines jeden Kindes auf Bildung und die Verpflichtung des Staates, jedem Kind, auch Flüchtlingskindern, die Möglichkeit zur Bildung zu bieten. In Deutschland soll dies mit der allgemeinen Schulpflicht gewährleistet sein. Schulpflicht, im Sinne von Bildungspflicht gibt es in vielen Ländern. Allerdings ist damit nur in Deutschland, Nordkorea, Kuba und der Türkei der Zwang damit verbunden, sich in bestimmten Gebäuden aufzuhalten.
Wenn mit Hilfe eines Zusatzartikels über die Menschenrechte des Kindes im Grundgesetz verdeutlicht würde, dass auch Artikel 1 und Artikel 2 des Grundgesetzes für Kinder uneingeschränkt gilt, müsste der Schulgebäude-Anwesenheits-Zwang in Deutschland abgeschafft werden.

Quellen: BMFSFJ, Deutsches Kinderhilfswerk,
zum Thema Bildung außerhalb der Schule hier ein Interview von Alex Capistran  mit Rechtsanwalt Andreas Vogt, erschienen in „Oya – anders denken.anders leben“

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Bundestag stimmt für die Erhöhung der Betreuervergütung

Am 16.05.2019 hat der Bundestag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 19/8694 ) in 2./3. Lesung unverändert zugestimmt. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen wurden nicht berücksichtigt.

Obwohl einige Fraktionen das Gesetz für nicht ausreichend bezeichneten, stellte sich keine Fraktion gegen das Gesetz, lediglich die FDP enthielt sich der Abstimmung. Übereinstimmend bestand die Meinung, dass die 17 Prozent Erhöhung eigentlich zu wenig seien und nur einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern geschuldet. Einig war man sich auch, dass diese Erhöhung noch nicht das Ende des Reformprozesses sein dürfe. Qualitätsorientiert sei das Betreuungsrecht weiterzuenwickeln.

Eine Aufzeichnung der Debatte kann in der Mediathek des Bundestages abgerufen werden.

Der Bundesrat soll nun möglichst zeitnah – noch vor der parlamentarischen Sommerpause – über das Gesetz abstimmen. Vor der Sommerpause kommt der Bundesrat noch am 7. Juni und am 28. Juni zusammen. Wie bekannt, besteht eine Zustimmungspflicht; sollte die Zustimmung nicht erteilt werden, muss der Vermittlungsausschuss angerufen werden.

Der voraussichtliche Zeitplan:

  • 01.03.2019: Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • 04.04.2019: Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • 16.05.2019: Zweite und dritte Lesung im Bundestag; Verabschiedung des Gesetzes
  • vorauss. 7.06.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat, Zustimmung
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat.

Reform der Hebammenausbildung

In allen EU-Mitgliedsstaaten außer in Deutschland werden Hebammen bereits an Hochschulen ausgebildet. Das Bundeskabinett hat heute den Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine Reform der Hebammenausbildung in Form eines dualen Studiums verabschiedet. Alle Hebammen sollen zukünftig an Hochschulen ausgebildet werden. Die Akademisierung der Hebammenausbildung setzt die Berufsanerkennungsrichtlinie der Europäischen Union um. Das ermögliche künftigen Hebammen und Entbindungshelfern, überall in Europa in ihrem Beruf arbeiten zu können.

EU-Vorgabe

Die Hebammenausbildung muss aufgrund der EU-Richtlinie 2005/36/EG bis zum 18. Januar 2020 novelliert werden. Um die daraus folgenden Vorgaben umzusetzen, soll die Zugangsvoraussetzung zur Hebammenausbildung von einer zehnjährigen auf eine zwölfjährige allgemeine Schulausbildung angehoben werden. Die Hebammenausbildung wird vollständig akademisiert. Das zukünftige Hebammenstudium wird sich an dem dualen Studium orientieren und einen hohen Praxisanteil aufweisen. Vergleichbar einem Bachelor-Studiengang werde das Hebammenstudium sechs bis acht Semester dauern.

Ab 2021

Ab 2021 soll nur noch die Ausbildung an einer Hochschule möglich sein. Bis dahin werden die neuen Studien- und Prüfungsordnungen erarbeitet.

In der Pressemitteilung der Bundesregierung vom 15.5.2019 heißt es: „Wer bereits Hebamme ist und die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Hebamme hat, wird diese Erlaubnis behalten – egal wo und wie die Ausbildung erfolgte. Auch wer derzeit an einer Hebammenschule lernt, darf sich sicher sein: Wer die Ausbildung erfolgreich abschließt, ist und bleibt Hebamme.“

Stellungnahme des DHV

Der Deutsche Hebammenverband  begrüßt ausdrücklich den vorgelegten Gesetzentwurf, plädiert aber für einige Änderungen im Gesetzentwurf:

  • für die bestmögliche Betreuung der Schwangeren soll eine Vorbehaltstätigkeit durch Ärztinnen und Ärzte und Hebammen festgelegt werden,
  • ein weniger umständlicher Weg für die Kostenerstattung der freiberuflichen Externats-Hebammen müsse gefunden werden und
  • den nachträglichen Titelerwerb aller Hebammen zum Bachelor soll ermöglicht werden.

Quellen: Bundesregierung, Deutscher Hebammenverband

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Bundesteilhabegesetz (Teil 16) – Teilhabe an Bildung

Eingliederungshilfe – Leistungen zur Teilhabe an Bildung

§ 112 SGB IX

Die Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe entsprechen inhaltlich den Leistungen zur Teilhabe an Bildung aus dem Teil 1 des SGB IX. Es werden aber konkret die Leistungspflichten benannt und der Umfang der Leistungen näher beschrieben.

Es geht hier, wie auch im § 75 SGB IX nicht um die Bildungleistungen als solche, sondern um unterstützende Maßnahmen, um die Bildungsangebote wahrnehmen zu können.

Der Leistungskatalog ist offen gestaltet, daher kommen alle Leistungen in betracht, die geeignet und wirtschaftlich sind, die Teilhabe an Bildung zu verwirklichen. Eingeschlossen sind die Bildung sowohl an allgemeinbildenden Schulen, an Hochschulen und bei der Weiterbildung

Schulen

§ 112 Abs.1 Nr.1 und Abs.1 Satz 2, Satz 3, Satz 5 bis 8 SGB IX

Zu den Leistungen bei der Schulbildung gehören

  • Unterstützung schulischer Ganztagsangebote in der offenen Form, die im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule stehen und unter deren Aufsicht und Verantwortung ausgeführt werden, an den stundenplanmäßigen Unterricht anknüpfen und in der Regel in den Räumlichkeiten der Schule oder in deren Umfeld durchgeführt werden,
  • heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, der leistungsberechtigten Person den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern
  • Gegenstände und Hilfsmittel, die wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zur Teilhabe an Bildung erforderlich sind.

Voraussetzung für eine Hilfsmittelversorgung ist, dass die leistungsberechtigte Person das Hilfsmittel bedienen kann. Die Versorgung mit Hilfsmitteln schließt eine notwendige Unterweisung im Gebrauch und eine notwendige Instandhaltung oder Änderung ein. Die Ersatzbeschaffung des Hilfsmittels erfolgt, wenn sie infolge der körperlichen Entwicklung der leistungsberechtigten Person notwendig ist oder wenn das Hilfsmittel aus anderen Gründen ungeeignet oder unbrauchbar geworden ist.

Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf

§ 112 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 SGB IX

Zu den Hilfen zur (hoch-)schulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf gehören

  • Hilfen zur Teilnahme an Fernunterricht,
  • Hilfen zur Ableistung eines Praktikums, das für den Schul- oder Hochschulbesuch oder für die Berufszulassung erforderlich ist,
  • Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Vorbereitung auf die schulische oder hochschulische Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf,
  • Gegenstände und Hilfsmittel, die wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zur Teilhabe an Bildung erforderlich sind.

Zweitausbildung

§ 112 Abs.1 Satz 4 SGB IX

Hilfen zu einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung können erneut erbracht werden, wenn dies aus behinderungsbedingten Gründen erforderlich ist. Dies könnte der Fall sein, wenn die Behinderung erst während des Berufslebens eintritt oder sich eine Verschlimmerung einer bisherigen Behinderung ergibt.

Höherqualifizierung

§ 112 Abs.1 Nr.2 und Abs.2 SGB IX

Möglich sind auch Unterstützungsleitungen bei dem Wunsch nach Höherqualifizierung. Unter folgenden Voraussetzungen werden Hilfen bei einer höherqualifizierenden Weiterbildung erbracht. Die Weiterbildung muss

  • in einem zeitlichen Zusammenhang an eine duale, schulische oder hochschulische Berufsausbildung anschließen,
  • in dieselbe fachliche Richtung weiterführen oder im Fall eines Masterstudiums diese interdisziplinär ergänzen und
  • es dem Leistungsberechtigten ermöglichen, das von ihm angestrebte Berufsziel zu erreichen.

Mit dem zeitlichen Zusammenhang ist nicht eine Zeitspanne zwischen den Bildungsabschnitten gemeint, sondern eine Altersgrenze. In der Gesetzesbegründung wird von einer Orientierung an § 10 Abs.3 Satz 1 BaföG gesprochen. Die leistungsberechtigte Person dürfte zu Beginn der Zweitausbildung noch nicht 30 Jahre alt sein, bei einem Masterstudium noch nicht 35. Es handelt sich aber hier eher um Ermessensentscheidungen, weil im Gestz keine Altersgrenzen angegeben werden und in der Begründung nur von einer „Orientierung“ an der BaföG – Regelung gesprochen wird.

Gemeinsame Leistungserbringung

§ 112 Abs.4 SGB IX

Der Eingliederungshilfeträger kann mit den Leistungserbringern vereinbaren, dass Leistungen zur Teilhabe an Bildung an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden, wenn diese das wünschen und es ihnen zumutbar ist (siehe Wunsch- und Wahlrecht, § 104 SGB IX)

In der Praxis macht es an Schulen Sinn, wenn eine Assistenzkraft für eine Lerngruppe zuständig ist. So können sich die Assistenzkräfte bei einer Schule bei Krankheit und Urlaub gegenseitig vertreten.

Beitrag zu den Leistungen

§ 138 Abs.1 Nr.4 und Nr.5 SGB IX

Leistungen zur Teilhabe an Bildung sind beitragsfrei bei Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu nach § 112 Abs.1 Nummer 1 SGB IX.

Bei Leistungen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf nach § 112 Abs.1 Nummer 2 SGB IX sind sie nur beitragsfrei, soweit diese Leistungen in besonderen Ausbildungsstätten über Tag und Nacht für Menschen mit Behinderungen erbracht werden. Beispielsweise in Ausbildungsstätten mit Internat der Berufsbildungswerke. (Siehe auch: Bundesteilhabegesetz (Teil 3) – Einkommensanrechnung)

Quelle: SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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Bundesteilhabegesetz (Teil 15) – Teilhabe am Arbeitsleben

§ 111 SGB IX

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die im § 111 geregelt werden, sind die Leistungen, die in den Zuständigkeitsbereich der Träger der Eingliederungshilfe fallen.

Im § 49 SGB IX hingegen werden in einem offenen Leistungskatalog eine Vielzahl von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beschrieben und geregelt, die von unterschiedlichsten Trägern zur Verfügung gestellt und finanziert werden müssen. (Bundesanstalt für Arbeit, Rentenversicherung, Unfallversicherung, Versorgungsämter, Eingliederungshilfe)

Beim Leistungskatalog der Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen der Eingliederungshilfe handelt es sich aber um eine abschließende Aufzählung. Die Leistungen umfassen ausschließlich

  • Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen nach den §§ 58 und § 62 SGB IX, einschließlich Arbeitsförderungsgeld nach § 59 SGB IX,
  • Leistungen bei anderen Leistungsanbietern nach den §§ 60 und § 62 SGB IX, einschließlich Arbeitsförderungsgeld nach § 59 SGB IX,
  • das Budget für Arbeit für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei einem privaten und öffentlichen Arbeitgeber nach § 61 SGB IX, sowie
  • Gegenstände und Hilfsmittel, die erforderlich sind, um die vorgenannten Beschäftigungen ausüben zu können.

Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM

§ 58 SGB IX

Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für Menschen mit Behinderung nach § 58 SGB IX oder bei anderen Anbietern nach § 60 SGB IX (s.u.) erhalten Menschen mit Behinderung, bei denen eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in einem Inklusionsbetrieb (§ 215 SGB IX) oder eine Berufsvorbereitung, individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung, berufliche Anpassung und Weiterbildung oder berufliche Ausbildung im Rahmen wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommen und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen.

Leistungen bei anderen Leistungsanbietern

§ 60 SGB IX

Neu mit dem Bundesteilhabegesetz eingeführt wurden „andere Anbieter“. Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen haben, können seit 01.01.2018 alternativ die ihnen zustehenden Leistungen auch außerhalb bei anderen Leistungsanbietern in Anspruch nehmen (Wahlrecht nach § 62 SGB IX). Die Voraussetzungen, die andere Leistungsanbieter mitbringen müssen sind im Prinzip dieselben, wie sie auch für Werkstätten für behinderte Menschen gelten – mit den Ausnahmen, dass keine Mindestgröße und auch keine Aufnahmepflicht vorgegeben sind.

Budget für Arbeit

§ 61 SGB IX

Mit dem Budget für Arbeit wird für Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen haben, eine weitere Alternative zur Beschäftigung in dieser Werkstatt geboten. Die Alternative besteht darin, dass ein dauerhafter Lohnkostenzuschuss nebst Anleitung und Begleitung (Arbeitsassistenz) ermöglicht wird, der einen Arbeitgeber dazu bewegt, mit dem Menschen mit Behinderungen trotz dessen voller Erwerbsminderung einen regulären Arbeitsvertrag zu schließen.

Arbeitsförderungsgeld

§ 59 SGB IX

Arbeitsförderungsgeld ist eine finanzielle Leistung, die Leistungsberechtigte erhalten, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderung beschäftigt sind. Es wird an Institutionen gezahlt, die Arbeit für Menschen mit Förderungsbedarf im Rahmen einer Behinderung anbieten und von diesen zusammen mit dem Werkstattlohn überwiesen, aber getrennt ausgewiesen. Auch Beschäftigte anderer Leistungsanbieter können zusätzlich zu ihrem Arbeitslohn ein Arbeitsförderungsgeld beanspruchen.

Wahlrecht

§ 62 SGB IX

Menschen mit Behinderungen haben ein Wahlrecht, wie bzw. bei welchem Anbieter er die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen möchte. Möglich ist auch, dass er einzelne Module bei unterschiedlichen Anbietern wählt (z. B. Leistungen der beruflichen Bildung in der Werkstatt und Leistungen zur Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter). Aus diesem Wunsch- und Wahlrecht des Betroffenen ergibt sich die Verpflichtung der Werkstatt, mit anderen Leistungsanbietern zusammenzuarbeiten und entsprechende Leistungen anzubieten. Der unmittelbar verantwortliche Leistungsanbieter bleibt in dieser Zeit auch Verantwortlicher für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge, soweit diese nicht durch den Leistungsträger zu entrichten sind.

Dagegen besteht kein Wahlrecht zur „Mischung“ von Leistungen, wenn ein Budget für Arbeit in Anspruch genommen wird.

Der Passus in § 62 Abs.2 SGB IX, dass die Leistungserbringung der Zustimmung des unmittelbar verantwortlichen Leistungsanbieters widerspricht eigentlich dem Wahlrecht, der verantwortliche Leistungsanbieter könnte den Wunsch Leistungen von einem anderen Anbietere zu beziehen ja auch ablehnen. Laut Gesetzesbegründung soll aber damit nur geregelt werden, wer die Koordinierung und die Zusammenarbeit organisiert und letztlich darum, wer die Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.

Gegenstände und Hilfsmittel

§ 111 Abs.2 SGB IX

Die für Beschäftigungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen geltende Regelung, wonach die Leistungen zur Beschäftigung in Bedarfsfällen Gegenstände und Hilfsmittel einschließen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung erforderlich sind, wird auf Beschäftigungen bei anderen Leistungsanbietern und bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern ausgedehnt.

Voraussetzung für eine Hilfsmittelversorgung ist, dass der Leistungsberechtigte das Hilfsmittel bedienen kann. Die Versorgung mit Hilfsmitteln schließt eine notwendige Unterweisung im Gebrauch und eine notwendige Instandhaltung oder Änderung ein. Die Ersatzbeschaffung des Hilfsmittels erfolgt, wenn sie infolge der körperlichen Entwicklung der Leistungsberechtigten notwendig ist oder wenn das Hilfsmittel aus anderen Gründen ungeeignet oder unbrauchbar geworden ist.

Auch die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs ist möglich, wenn eine leistungsberechtigte Person zur Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung darauf angewiesen ist. Dabei gilt die Kraftfahrzeughilfeverordnung.

Beitrag zu den Leistungen

§ 138 Abs.1 Nr.3 SGB IX

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind beitragsfrei bei Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen nach § 111 Abs.1 SGB IX, bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern und bei anderen Leistungsanbietern nach § 60 SGB IX. (Siehe auch Bundesteilhabegesetz (Teil 3) – Einkommensanrechnung)

Quelle: SOLEX,
dort finden Sie auch ausführlichere Beschreibungen der Themen in den einzelnen Absätzen (nur mit SOLEX-Zugangsdaten):

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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Wohngeld: Gesetzentwurf bringt Verbesserungen

Verbesserungen beim Wohngeld

Die Bundesregierung hat Verbesserungen beim Wohngeld auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf des Innenministeriums  sieht Verbesserungen für rund 660.000 Haushalten vor, darunter rund 180 000 Haushalte, die durch die Reform erstmals oder wieder einen Wohngeldanspruch erhalten. Der Bundesrat muss jedoch noch zustimmen, weil das Wohngeld je zur Hälfte von Bund und Ländern gezahlt wird. Für einen Zwei-Personen-Haushalt soll das Wohngeld von 145 EUR auf 190 EUR im Monat steigen.

Im jetzt gebilligten Referentenentwurf wird eine Berechnung (Mikrosimulationsrechnung) des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW Köln) im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zitiert.

Wechselwirkungsprognose mit anderen Sozialleistungen

In dieser Berechnung werden die komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Sozialleistungen auf Basis der fortgeschriebenen Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 des Statistischen Bundesamtes geschätzt.

Danach profitieren von den geplanten Verbesserunden bei Wohngeld insgesamt drei Gruppen:

  • die bisherigen Wohngeldhaushalte, die im Jahr 2020 auch ohne Anpassung Wohngeld bezogen hätten. Die Reform wird den durchschnittlichen, monatlichen Wohngeldbetrag eines Zwei-Personen-Haushalts, der auch ohne Reform Wohngeld bekommen würde, voraussichtlich von 145 Euro im Jahr 2020 ohne Reform auf 190 Euro erhöhen. Dies entspricht einer Steigerung von rund 30 Prozent.
    Dazukommen werden bis Ende 2020 rund 35 000 Mischhaushalte, bei denen einzelne Haushaltsmitglieder ihren Bedarf dauerhaft durch das Wohngeld decken, während die übrigen Haushaltsmitglieder Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehungsweise Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehen.
  • so genannte Hereinwachserhaushalte, deren Einkommen bislang die Grenzen für einen Wohngeldanspruch überschritten haben und die 2020 erstmals oder wieder mit Wohngeld bei den Wohnkosten entlastet werden. Ende 2020 sind das  rund 155 000 Haushalte, die zum Beispiel im Falle von Zwei-Personen-Haushalten zukünftig durchschnittlich 40 Euro monatlich erhalten.
  • so genannte Wechslerhaushalte, die zuvor Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII bezogen haben: Rund 20 000 Wohngeldhaushalte würden ohne Reform Ende 2020 Leistungen des SGB II beziehen. Zwei-Personen-Wechslerhaushalte werden nach der Reform im Jahr 2020 durchschnittlich 185 Euro Wohngeld pro Monat erhalten. Weitere rund 5 000 Haushalte wechseln aus dem SGB XII in das Wohngeld. Dabei handelt es sich zum überwiegenden Teil um Ein-Personen-Rentnerhaushalte. Diese werden nach der Reform im Jahr 2020 monatlich im Durchschnitt 85 Euro erhalten.

Insgesamt – bezogen auf alle Empfängergruppen – werden Zwei-Personen-Haushalte nach den Berechnungen des IW Köln nach der Reform im Jahr 2020 durchschnittlich 150 Euro Wohngeld erhalten. Bis 2022 wird die Anzahl der Wohngeldempfängerhaushalte auf rund 600 000 Haushalte absinken – vor allem aufgrund von prognostizierten Einkommenssteigerungen und aufgrund des Wechsels in die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII, die anders als das Wohngeld jährlich angepasst werden.

Quelle: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

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BSG: Jobcenter zahlt Schulbücher

Urteil

Das Bundessozialgericht hat heute (8.5.2019) entschieden, dass die Kosten für Schulbücher vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen sind, wenn Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen. (Aktenzeichen B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R). Siehe auch hier.

Die Kosten für Schulbücher sind zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst, nicht aber in der richtigen Höhe, wenn keine Lernmittelfreiheit besteht. Denn der Ermittlung des Regelbedarfs liegt eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde. Deren Ergebnis für Schulbücher ist folglich nicht auf Schüler übertragbar, für die anders als in den meisten Bundesländern keine Lernmittelfreiheit in der Oberstufe gilt.

Daher sind Schulbücher für Schüler, die sie mangels Lernmittelfreiheit selbst kaufen müssen, durch das Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II zu übernehmen. Dieser Mehrbedarf wurde aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz eingeführt.

Ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II scheidet aus, weil dieses einen vom Regelbedarf zutreffend erfassten Bedarf voraussetzt, was bei fehlender Lernmittelfreiheit gerade nicht der Fall ist.

Was sind Mehrbedarfe im SGB II?

Bestimmte Personengruppen oder Personen in Sondersituationen erhalten über die Regelleistung hinaus höhere Leistungen (Mehrbedarfe). Diese werden (meist) in Form prozentualer Anteile vom monatlichen Regelbedarf (mtl. RB) berücksichtigt. Die Summe des insgesamt gezahlten Mehrbedarfs darf den für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten maßgebenden Regelbedarf nicht übersteigen.

Überblick über die Mehrbedarfe (§ 21 SGB II)

Werdende Mütter
(ab der 13. Schwangerschaftswoche):
17% der maßgebenden RBS § 21 Abs. 2 SGB II
Alleinerziehende (mit einem Kind unter 7 Jahren, bzw. 3 Kindern unter 16 Jahren): 36% der maßgebenden RBS § 21 Abs. 3 Nr.1 SGB II
Alleinerziehende (mit minderjährigen Kindern): pro Kind: 12% der maßgebenden RBS je Kind (maximal 60%. § 21 Abs. 3 Nr.2 SGB II
erwerbsfähige Behinderte mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 SGB IX oder bei Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB XII: 35% der maßgebenden RBS § 21 Abs. 4 SGB II
§ 23 Abs. 1 Nr.3 SGB II
Nicht Erwerbsfähige, die voll erwerbsgemindert sind und einen Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen G haben 17% der maßgebenden RBS § 23 Abs. 1 Nr.4 SGB II
Kranke: kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen: in angemessener Höhe (in der Regel 10% bis 30%) § 21 Abs. 5 SGB II
Bei unabweisbaren, laufenden und nicht einmaligen besonderen Bedarfen in tatsächlicher Höhe § 21 Abs. 6 SGB II
Dezentrale Warmwasserversorgung Pauschalierung je nach Regelbedarfstufe § 21 Abs. 7 SGB II

Das Bundessozialgericht bezieht sich in seinem Urteil auf  den „unabweisbaren“ Bedarf in Absatz 6 des § 21.

Dieser Absatz 6 wurde nachträglich  (2010) in das SGB II eingefügt, nach einem herben Rüffel durch das Bundesverfassungsgericht (BVG 1 BvL 1/09).

„Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.“

Definitionen:

Ein besonderer Bedarf liegt vor, wenn er neben den durchschnittlichen Bedarfen, die mit dem Regelbedarf abgedeckt sind, in einer atypischen Lebenslage besteht (atypischer Bedarf).

Unabweisbar ist ein Bedarf, wenn er nicht aufschiebbar und daher zur Vermeidung einer akuten Notsituation unvermeidlich ist. Insbesondere darf dieser Bedarf auch nicht durch die Zuwendungen Dritter oder unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten gedeckt werden können. In seiner Höhe muss er erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichen.

Laufend ist ein Bedarf, wenn die Kosten in regelmäßigen Abständen anfallen – also nicht nur eine einmalige unabwendbare Situation (z.B. kaputter Kühlschrank).

Quellen: Bundessozialgericht, Bundesverfassungsgericht, SOLEX

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Ergebnisse der Sachverständigenanhörung zur Betreuervergütung im Rechtsausschuss

In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 6. Mai 2019 betonten die als Sachverständige geladenen Verbändevertreter in ihren Stellungnahmen, die Anpassung sei angesichts der Schließung von Betreuungsvereinen und Betreuungsbüros kurzfristig dringend erforderlich, könne aber nur ein erster Schritt sein. Änderungswünsche, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf geäußert hatte, lehnten die Sachverständigen wie schon zuvor die Bundesregierung ab.

Die Fragen der Abgeordneten betrafen vor allem die Arbeitsbedingungen der Betreuer und mögliche Verbesserungen, die Auswirkungen der in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen sowie das im Gesetzgebungsprozess zutage getretene Spannungsfeld zwischen Bundesregierung und Bundesrat.

Eine detaillierte Beschreibung des Berufsalltags von Berufsbetreuern gab Hülya Özkan aus Bielefeld, die nach eigenen Angaben 43 Klienten im Alter zwischen 19 und 106 Jahren vertritt, die aus den unterschiedlichsten Gründen eine rechtliche Betreuung benötigen. Sie werde als Berufsbetreuerin bestellt, wenn alle anderen Hilfesysteme versagt hätten. Özkan verwies auf die Studie „Qualität in der rechtlichen Betreuung“ des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG), wonach Berufsbetreuer jetzt schon 20 Prozent unbezahlte Mehrarbeit leisten. Die Studie zeige auch, dass Berufsbetreuer 24 Prozent mehr Zeit und 25 Prozent mehr Vergütung bekommen müssten, um das bezahlt bekommen was sie tatsächlich leisten.

Thorsten Becker, Vorsitzender des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB), der die Interessen von über 7.000 selbständigen oder als Angestellte in Betreuungsvereinen beruflich tätigen Betreuern vertritt, begrüßte, dass der Gesetzgeber nach nunmehr 14 Jahren die Initiative zu einer Erhöhung der Betreuervergütung ergriffen und dies in der laufenden Diskussion zum Reformprozess vorgezogen habe. Jedoch falle die Anhebung im Ergebnis enttäuschend gering und damit wenig wertschätzend aus. Wegen der vor allem von einigen Bundesländern vorgebrachten Maßgabe „so oder gar nicht“ habe sich der BdB entschlossen, den Gesetzentwurf trotz der bestehenden Kritik zu akzeptieren.

Barbara Dannhäuser vom Katholischen Verband für soziale Dienste in Deutschland (SKM) erklärte, die Caritas und ihre Fachverbände begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung des Gesetzentwurfes, die Regelungen seien aber nicht weitreichend genug. Um eine schnelle und längst überfällige Erhöhung der Betreuer- und Vormündervergütung nicht zu verhindern, stimmten die Caritas-Verbände dem Entwurf zu. Dem schloss sich Karina Schulze vom Paritätischen Gesamtverband an, der rund 160 Betreuungsvereine vertritt. Sie sprach von einer Übergangslösung. Ähnlich argumentierte Lydia Hajasch von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Der Refinanzierungsbedarf der Betreuungsvereine werde durch die vorgeschlagenen Regelungen nicht hinreichend gedeckt. Die Grundannahme, dass der Betreuungsaufwand mit fortlaufender Dauer sinke, sei nicht auf alle Betreuungsfälle, insbesondere auf die der Menschen mit geistiger Behinderung, übertragbar.

Dannhäuser ergänzte, mit Sorge würden die aktuellen Versuche der Länder beobachtet, weitere Kosteneinsparungen zu Lasten der Vereine zu fordern. Wie andere Sachverständige auch bewertete sie die angepeilte Erhöhung um durchschnittlich 17 Prozent angesichts von Personalkostenzuwächsen von mindestens 25 Prozent als zu niedrig. Zudem bemängelte Dannhäuser wie auch andere Experten, dass der Entwurf nicht die seit langem geforderte Dynamisierungsregelung sondern lediglich eine Evaluierung nach vier Jahren enthalte. Das sei viel zu spät, zumal mit tatsächlichen Anpassungen frühestens nach weiteren zwei bis drei Jahren gerechnet werden könne.

Walter Klitschka, 1. Vorsitzender des Bundesverbands freier Berufsbetreuer (BVfB), warnte vor einem Aussterben des Berufs, sollte es keine Existenzsicherung für Berufsbetreuer geben. An die Adresse des Bundesrates sagte er, an der Anpassung der Vergütung zum 1. Juli 2019 führe kein Weg vorbei. Die Länder wüssten seit mindestens 2017, dass eine Erhöhung der Ausgaben für Betreuung in der jetzt vorliegenden Größenordnung auf sie zukommt. Das Argument des Bundesrats zu einer Verschiebung auf 2020 aus haushaltstechnischen Gründen sei daher nicht stichhaltig. Für fragwürdig halte der Verband auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Evaluierung erst nach fünf Jahren.

Peter Winterstein, 1. Vorsitzender des Betreuungsgerichtstags (BGT), bezeichnete die Erhöhung der Betreuervergütung als überfällig. Am Vergütungssystem seien jedoch noch weitere Änderungen erforderlich. Zu den Vorschlägen des Bundesrates sagte Winterstein, eine Verlängerung des Evaluationszeitraums dürfe es auf keinen Fall geben, da eine neuerliche Verzögerung von weiteren notwendigen Vergütungsanpassungen die Existenz von Betreuungsvereinen grundlegend gefährde.

Sehr detailliert setzte sich der Familienrechtler Tobias Fröschle von der Universität Siegen mit dem Entwurf auseinander. Ein Vorteil sei, dass eine schwer durchschaubare Berechnungsregelung durch ein einfacher zu handhabendes System ersetzt werde. Viele Zweifelsfragen blieben jedoch bestehen. Änderungen würden hier aber einer umfassenden Neuregelung vorgreifen. Entgegen der Stellungnahme des Bundesrates könne die Anpassung der Betreuervergütung keineswegs warten, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Das würde die Gefahr der Schließung weiterer Betreuungsvereine heraufbeschwören. Bezüglich einer Evaluation teile er jedoch die Bedenken des Bundesrates.

Wirksame Regeln und Strukturen zum Schutz vor Korruption bei rechtlicher Betreuung forderte Adelheid von Stösser von Transparency International Deutschland. Die Diskussion lasse bisher nicht erkennen, dass die Gefahr der Korruption berücksichtigt wird. Im Vordergrund stünden vielmehr Eigeninteressen der gewerbsmäßigen Akteure. Die Vergütungen duften erst steigen, wenn auch die Sicherheit verbessert werde, sagte von Stösser. Transparency International fordere bundesweit geltende Sicherheitsstandards. Nötig sei auch eine Begrenzung der Anzahl von Betreuungen pro Betreuer.

In dem Gesetzentwurf ist ausgehend vom Koalitionsvertrag eine Erhöhung der Vergütung um 17 Prozent in einem modernisierten System von Fallpauschalen vorgesehen. Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll der Vorlage zufolge eine rechtstechnisch einfach und schnell umsetzbare, Qualitätsaspekte berücksichtigende und angemessene Anpassung der seit mehr als 13 Jahren unveränderten Vergütung beruflicher Betreuer erfolgen, die insbesondere auch geeignet ist, eine existenzsichernde Finanzierung der Betreuungsvereine sicherzustellen.

In ihrer Gegenäußerung zur kritischen Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf vom 30.04.2019 (Drs. 19/9765) verteidigt die Bundesregierung ihre Vorlage und lehnt die Änderungsvorschläge der Länderkammer in jedem Punkt ab. Der Bundesrat weist in seiner Stellungnahme unter anderem darauf hin, dass der Gesetzentwurf für die Länder eine jährliche Mehrbelastung von rund 157 Millionen Euro vorsieht. Er hält es für unerlässlich, diese Mehrbelastung über einen höheren Anteil der Länder am Umsatzsteueraufkommen auszugleichen. Änderungsvorschläge betreffen auch die Evaluierung des Gesetzes und dessen Inkrafttreten. In der Gegenäußerung der Regierung heißt es unter anderem, die Finanzierung der Betreuer- und Vormündervergütung sei bei Mittellosigkeit der betroffenen Person Aufgabe der Länder. Auch gebe es aus Bundessicht keine Notwendigkeit zur Anpassung der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder. Auch positioniert sich die Bundesregierung gegen ein Inkrafttreten der Erhöhung erst zum 1 Januar 2020.

Quelle: Heute im Bundestag, Nr. 508

Impfpflicht und Statistik

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will noch dieses Jahr die Impfpflicht einführen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor:

  • Kinder, die bereits in die Kita oder in die Schule gehen, müssen den Nachweis bis zum 31. Juli 2020 nachreichen. Kinder, die bereits in die Kita oder in die Schule gehen, müssen den Nachweis bis zum 31. Juli 2020 nachreichen.
  • Wer sein Kind nicht impfen lässt, dem drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 2500 Euro.
  • Nichtgeimpfte Kinder können von der Kita ausgeschlossen werden

Die Impflücken bei Masern in Deutschland seien weiterhin zu groß, wie aus neuen Auswertungen des RKI zu Impfquoten hervor gehe. Zwar haben 97,1 Prozent der Schulanfänger die erste Impfung bekommen. Aber bei der entscheidenden zweiten Masernimpfung gibt es große regionale Unterschiede, so dass auf Bundesebene die gewünschte Impfquote von 95 Prozent noch immer nicht erreicht wird. Nach den neuen Daten des RKI sind gut 93 Prozent der Schulanfänger 2017 zweimal gegen Masern geimpft.

Da lohnt sich ein Blick auf andere EU – Länder:

Länder in roter Schrift haben Impfpflicht. Dabei fällt auf, dass die Durchimpfungsquote nach der zweiten Impfung nur in 4 Ländern von 10 mit Impfpflicht höher ist als in Deutschland. Insgesamt haben 20 Länder eine noch niedrigere Durchimpfungsquote nach der zweiten Impfung.

Weiter fällt auf, dass in vielen Ländern der empfohlene Zeitpunkt der  Zweitimpfung nur in einem Land (Ungarn) früher liegt als in Deutschland mit 15 Monaten.

Zu der Zahl der Masernfälle gibt es vom Robert-Koch-Institut entsprechende Statistiken:

Ein signifikanter Anstieg der Masernfälle ist in den Jahren 2001 bis 2018 nicht zu erkennen. Zwar gibt es in den ersten 15 Wochen des Jahres 2019 schon 337 Masernfälle und damit mehr als etwa in den ersten 15 Wochen des 2018 (156). Die Durchschnittsanzahl der Masernfälle lag aber in den letzten 19 Jahren bei 596 Fällen in den ersten 15 Wochen des Jahres. Selbst, wenn man 2001 und 2002 nicht mit einrechnet (2188, bzw. 2919 Fälle) kommt man für die letzten 17 Jahre in den ersten 15 Wochen auf einen Durchschnitt von 366 Masernfällen.

Damit stellt sich die Frage, ob eine Impfpflicht wirklich mit „stark gestiegenen“ Zahlen begründet werden kann.

Noch mal zu der ersten Tabelle: 2017 wurde die gewünschte Durchimpfungsrate von 95% von  6 Ländern erreicht, drei mit Impfpflicht, drei ohne Impfpflicht.

Quellen: Bundesministerium für Gesundheit, Robert-Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0, https://survstat.rki.de, Abfragedatum: 05.05.2019

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