Neuregelung für Selbständige durch das GKV-VEG

Das geplante GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG) enthält eine Neuregelung für Selbständige, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.

Die Beiträge für freiwillig Versicherte mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und Versorgungsbezüge werden seit dem 1.1.2018 zunächst immer vorläufig festgesetzt. Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides werden die Beiträge für diese Einkommensarten für das betreffende Kalenderjahr auf der Basis der tatsächlich erzielten Einkünfte rückwirkend neu festgesetzt. So kommt es letztlich entweder zu einer Erstattung oder zu Nachzahlung von Beiträgen. In jedem Fall gilt aber eine Untergrenze (Mindestbemessungsgrenze), nach der die Krankenkassenbeiträge berechnet werden, auch wenn der Selbständige tatsächlich weniger verdient hat als die Mindestbemessungsgrenze.

Senkung der Mindestbemessungsgrenze

Zum 1.1.2019 sieht der Gesetzentwurf im § 240 Abs.4 SGB V eine Senkung der Mindestbemessungsgrenze vor. So sollen dann als beitragspflichtige Einnahme pro Tag nur noch der achzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße zählen, sofern der Nachweis niedriger Einnahmen erfolgt ist. Das gleiche gilt dann auch für Bezieher eines Gründungszuschusses (§ 93 SGB III).
Wenn die monatliche Bezugsgröße 2019 wie geplant auf 3.115 Euro pro Monat steigt, bedeutet das bei hauptberuflich Selbständigen eine Mindestbemessungsgrenze von 1.168,13 Euro. Dies dürfte für gering verdienende Selbständige eine deutliche Entlastung sein.

Bisherige Regelung

Die zur Zeit gültige Mindestbemessungsgrenze ergibt sich aus dem vierzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße, das sind zur Zeit 2.283,75 Euro; bei Beziehern eines Gründungszuschusses zählt der sechzigste Teil der Bezugsgröße, das sind zur Zeit 1.522,50 Euro.

Neuregelung zum 1.1.2019

Die gesetzliche Neuregelung soll zum 1.1.2019 in Kraft treten und beträfe dann die vorläufigen und endgültigen Beitragsfestsetzungen ab diesem Zeitpunkt. Für die noch ausstehenden endgültigen Beitragsfestsetzungen für das Kalenderjahr 2018 würden weiterhin die beiden bisher geltenden Mindestbemessungsgrenzen gelten.

Einwände des GKV-Spitzenverbands

Das Gesetz könnte ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen werden, allerdings hat der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) schon angemerkt, dass die Senkung der Mindestbemessungdgrenze zu deutlich ausfiele. Er bevorzugt eine einheitliche Mindestbemessungsgrenze von 1557,60 Euro, das wäre dann der sechzigte Teil der monatlichen Bezugsgröße.

Quellen: Bundesregierung, Gestzentwurf, GKV-Spitzenverband, Haufe-Online

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Zahlungspflicht endet mit Auszug aus dem Heim

Ein Pflegeheimbetreiber hat bei einem vorzeitigen Heimwechsel eines Leistungen der sozialen Pflegeversicherung beziehenden Bewohners keinen Anspruch auf Zahlung des Entgeltes.

So der Richterspruch des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 04.10.2018 – III ZR 292/17). Das Gericht hatte über die Frage zu entscheiden, ob der Bewohner eines Pflegeheims, der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bezieht, das vereinbarte Entgelt an das Heim zahlen muss, wenn er nach einer Eigenkündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist auszieht.

Der Sachverhalt: Geklagt hatte einan Multipler Sklerose erkrankter Mann. Er wollte in ein anderes Haus umziehen, das auf seine Krankheit spezialisiert ist. Weil die Einrichtung, in der er wohnte, eine einmonatige Kündigungsfrist vorsah, reichte er Ende Januar 2015 die Kündigung für Ende Februar 2015 ein. Da aber im spezialisierten Heim bereits früher ein Zimmer frei wurde, zog der Mann schon am 14. Februar aus. Der Träger der bisherigen Einrichtung klagte nun noch Geld für den ganzen Monat Februar ein.

Die Entscheidung des BGH: Zu Unrecht, wie das Gericht befand, da da die Zahlungspflicht des Bewohners mit dem Tag seines Auszugs am 14. Februar 2014 gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) endete.

§ 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI, dem das Prinzip der tagesgleichen Vergütung zugrunde liegt, bestimmt, dass die im Begriff des Gesamtheimentgelts zusammengefassten Zahlungsansprüche der Einrichtung für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts taggenau berechnet werden. Danach besteht der Zahlungsanspruch des Heimträgers nur für die Tage, in denen sich der Pflegebedürftige tatsächlich im Heim aufhält (Berechnungstage). In Anwendung des Prinzips der Berechnung auf Tagesbasis ordnet § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI an, dass die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt.

Nach seinem eindeutigen Wortlaut regelt § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI nicht allein die Zahlungspflicht des Kostenträgers, sondern erfasst ebenso die zivilrechtliche Vergütungspflicht des Heimbewohners. Es handelt sich um eine gegenüber den heimvertraglichen Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes vorrangige Sonderregelung zugunsten von Heimbewohnern, die gleichzeitig Leistungsbezieher der Pflegeversicherung sind. Dieser Vorrang kommt darin zum Ausdruck, dass abweichende Vereinbarungen nichtig sind (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WBVG, § 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI).

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 164 vom 4.10.2018

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Neues Gutachten: Bayerisches Familiengeld nicht auf Hartz IV anrechenbar

Familiengeld ersetzt Landeserziehungsgeld und Betreuungsgeld

Seit dem 1. September 2018 wird das Bayerische Familiengeld ausgezahlt. Bislang erhielten Familien in Bayern mit geringem Einkommen Landeserziehungsgeld und Eltern, die das Kind selbst betreuten und auf einen Kita-Platz verzichteten Betreuungsgeld.

Diese beiden Förderungen wurden aufgegeben; stattdessen wird seit September 2018 ein bayerisches Familiengeld ausgezahlt. Dieses ist unabhängig vom Einkommen und der Art der Betreuung, wird also an alle Familien ausgezahlt, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Freistaat Bayern gewährt den Eltern für jedes Kind vom 13. bis zum 36. Lebensmonat (also 2. und 3. Lebensjahr) 250 Euro pro Monat, ab dem dritten Kind sogar 300 Euro pro Monat. Das Familiengeld erhalten Eltern für ihre Kinder, die ab dem 1. Oktober 2015 geboren sind.

Anrechenbarkeit auf SGB II-Leistungen?

Dies brachte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf den Plan. Zwar ist im Bayerischen Familiengeldgesetz folgender Passus zu finden: „Das Familiengeld dient … nicht der Existenzsicherung. Es soll auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden.“ (Satz 3 und 4 von Art. 1 BayFamGG.
Ob dies tatsächlich so ist, ist derzeit heftig umstritten. Zumindest prüft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, inwiefern diese Leistung auf die Anrechnung auf SGB II-Leistungen ausgenommen werden kann oder ob das Familiengeld als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat darum ein Gutachten in Auftrag gegeben, das nun vorliegt. Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität Augsburg, kommt in seinem Rechtsgutachten zu folgendem Ergebnis:

  • Die Anrechnung des Bayerischen Familiengeldes auf das Arbeitslosengeld II ist rechtswidrig.
  • Das Familiengeld ist eine Fortentwicklung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes. Beide Leistungen weisen wesentliche Gemeinsamkeiten auf. Deshalb ist das Familiengeld – wie bisher schon das Landeserziehungsgeld – anrechnungsfrei. Dies ergibt sich aus der Formulierung von § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG i.V.m. § 27 Abs. 2 BEEG, wonach dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder nicht auf einkommensabhängige Sozialleistungen angerecht werden.
  • Das Familiengeld hat einen anderen Zweck als existenzsichernde Leistungen. Auch deshalb ist es anrechnungsfrei; siehe dazu auch § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach sind „Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, … nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen  … im Einzelfall demselben Zweck dienen.“

Ob das BMAS dieser Rechtsauffassung folgt, ist noch nicht entschieden (und wird sicher auch vor der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober 2018 nicht mehr entschieden).

Quellen: Pressemitteilung des StMAS; Rechtsgutachten von Prof. Wollenschläger
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Bundesteilhabegesetz – Was wird aus dem Barbetrag?

Für viele Bewohner in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe ist er eine wichtige Größe: der Barbetrag. Darüber können sie in der Regel frei verfügen und persönliche Dinge kaufen, von Musik-CDs über Süßigkeiten bis zu Kosmetikartikel.
Der zur Zeit gültige Barbetrag beträgt 112,30 EUR, das sind gemäß § 27b SGB XII 27 Prozent der Regelbedarfsstufe 1. Er stellt einen teilweisen Ausgleich dafür dar, dass hilfebedürftige Menschen in stationären Einrichtungen keinen Regelsatz erhalten und ohne Barbetrag ohne verfügbare finanzielle Mittel dastehen würden. Mit der Trennung von Fachleistung der Eingliederungshilfe und Lebensunterhalt wird es ab dem Jahr 2020 in der neuen Wohnform als Nachfolgeregelung zur heutigen stationären Einrichtung keinen Barbetrag mehr geben. Allerdings fällt der Barbetrag nicht ersatzlos weg, sondern er wird durch den an die Leistungsberechtigten in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu zahlenden Regelsatz ersetzt. Dies ist die Konsequenz der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen untereinander und unabhängig von der Wohnform. Leben sie in Wohnungen, erhalten sie bereits heute einen monatlichen Regelsatz und keinen Barbetrag. Dies wird ab 2020 auch für Menschen mit Behinderungen in der neuen Wohnform gelten, welche die heutige stationäre Einrichtung ablöst.

Heutige Regelung

In vollstationären Einrichtungen werden die Maßnahmen der Eingliederungshilfe (Fachleistungen der Eingliederungshilfe) und die zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlichen Bedarfe als Komplexleistung erbracht. Der in die Komplexleistung in einer stationären Einrichtung eingehende notwendige Lebensunterhalt wird in pauschalierter Form berücksichtigt. Nach § 27b Absatz 1 Satz 2 SGB XII entspricht der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen dem Umfang der Bedarfe in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 42 Nummer 1, 2 und 4 SGB XII. Dies sind

  • der Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 3
  • die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels (Mehrbedarf, einmalige Bedarfe, Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung, Beiträge für Vorsorge) sowie
  • die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 42 Nummer 4 Buchstabe b, hierbei handelt es sich um eine pauschalierte Größe, die der durchschnittlichen Warmmiete eines Einpersonenhaushalts im örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweils zuständigen SGB XII-Trägers entspricht.

Hinzu kommt der „weitere“ notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen (§ 27b Absatz 2 SGB XII), der insbesondere Kleidung (Bekleidungspauschale) und einen Barbetrag umfasst. Der Barbetrag und die Bekleidungspauschale sind nicht Bestandteil der Vergütung der Eingliederungshilfe, sondern werden als Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII an die Leistungsberechtigten ausgezahlt.

Zukünftige Regelung (ab 2020)

Ab 2020 werden die stationären Einrichtungen nicht mehr als solche bezeichnet. Diese Wohnform wird dann nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 SGB XII in der Fassung ab 2020 umständlich bezeichnet als persönlicher Wohnraum und zusätzliche Räumlichkeiten zur gemeinschaftlichen Nutzung, der aber keine eigenständige Wohnung darstellt.
Für die Leistungsempfänger, die Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, und in dieser neuen Wohnform leben, gilt nun mehr nicht mehr der § 27b SGB XII, der ja, auch in der Fassung ab 2020, ausdrücklich nur für stationäre Einrichtungen gelten soll.
Aufgrund der Trennung der bislang in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbrachten Komplexleistung entfallen die heute bestehenden Unterschiede in der Deckung der Lebensunterhaltsbedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung) bei Leistungsberechtigten, die in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe untergebracht sind, gegenüber Leistungsberechtigten, die in Wohnungen leben.
Für den notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a Absatz 1 Satz 1 SGB XII von Erwachsenen bedeutet dies, dass alle für die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums erforderlichen Aufwendungen durch die Bedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu decken sind. Dies sind insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Wohnungsausstattung einschließlich Fernseher und Computer, sowie Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens, wozu auch in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft zählt. Darin eingeschlossen sind alle durch die Regelbedarfe abgedeckten Bedarfslagen, die hierfür erforderlichen Aufwendungen sind aus dem monatlichen Regelsatz zu finanzieren.
Ab dem Jahr 2020 gilt dies auch für Menschen mit Behinderungen, die heute in einer stationären Einrichtung leben. Diesem Personenkreis sind neben dem Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 2 alle weiteren Lebensunterhaltsbedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anzuerkennen, für die im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt werden. Dies schließt Bedarfe für Unterkunft und Heizung mit ein.

Barbetrag im Gesamtplan

Damit die Leistungsberechtigten wieder in den Genuss eines Barbetrag zur persönliche Verfügung kommen können, wird in der Gesamtplankonferenz auch darüber beraten, welcher Anteil vom Regelsatz der Leistungsanbieter für seine Leistungen erhält und welcher Anteil den Leistungsberechtigten danach als Bargeldleistung für die Deckung der vom Leistungsanbieter nicht abgedeckten persönlichen Bedarfen verbleibt. Dies ist ausdrücklich im § 121 Abs.4 Punkt 6 SGB IX in der Fassung ab 1.1.2020 so festgelegt. Das Beratungsergebnis wird im Gesamtplan, der dann Grundlage für den Verwaltungsakt ist, dokumentiert und dadurch rechtlich verbindlich. Gleichzeitig wird mit der Beratung in der Gesamtplankonferenz auch Transparenz und Kontrolle darüber hergestellt, für welche Leistung der Leistungsanbieter Beträge in welcher Höhe in Rechnung stellt, die dann aus dem monatlichen Regelsatz zu finanzieren sind.

Evaluation bis 2021

Angesichts der weitreichenden Änderungen, die sich aus dem BTHG auch für notwendigen Lebensunterhalts ergeben, sieht das Gesetz eine umfangreiche Evaluation der Wirkungen vor. Diese Evaluation beinhaltet auch die Auswirkungen der Zahlung eines Regelsatzes an Menschen mit Behinderungen. Dazu wird in den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten der Neuregelung, also in den Jahren 2020 und 2021 untersucht, welcher Anteil des Regelsatzes den Leistungsberechtigten in der neuen Wohnform zur Deckung persönlicher Bedarfe verbleibt. Zu den Ergebnissen wird das BMAS dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat einen Bericht vorlegen.

Quellen: BMAS, Bundesanzeiger

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Bundesteihabegesetz (BTHG) – Kosten der Unterkunft ab 2020

Kosten der Unterkunft in Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Ab dem 1. Januar 2020 werden die Fachleistungen der Eingliederungshilfe und die Leistungen für den Lebensunterhalt, inclusive der Kosten für die Unterkunft – auch in stationären Einrichtungen, getrennt behandelt und finanziert. Dies sieht das Bundesteilhabegesetz vor, das dann mit seiner nächsten Stufe in Kraft tritt.
Nach dem derzeit geltenden Recht erhalten Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen eine Gesamtleistung. Durch diese Gesamtleistung werden alle Leistungen der Eingliederungshilfe und des notwendigen Lebensunterhalts nach dem SGB XII erbracht und finanziert. Dabei erfolgte im Hintergrund eine teilweise Refinanzierung der Leistungen durch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Hierfür wird von der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eine Pauschale gezahlt, deren Höhe jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Höhe der in der stationären Einrichtung tatsächlich erbrachten Lebensunterhaltsleistungen steht.

Empfehlungen des BMAS

Ab 2020 werden die Bedarfe für den Lebensunterhalt aus der bisherigen Gesamtleistung herausgelöst, damit werden die Kosten der Unterkunft (KdU) von den Leistungen der Eingliederungshilfe in Einrichtungen getrennt. Welche Kosten der Unterkunft damit genau gemeint sind, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 05.07.2018 „Empfehlungen für die personenzentrierte Leistungserbringung in bisherigen stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe“ beschrieben. Denn in solchen Einrichtungen sind ja nicht nur die persönlichen Wohnräume, sondern auch Gemeinschaftsräume, Therapieräume, Räume für das Personal und einiges mehr zu finanzieren. Das BMAS empfiehlt den Einrichtungen eine Aufteilung in Wohnflächen, Fachleistungsflächen und Mischflächen.

Danach sind Wohnflächen persönlich genutzte Räumlichkeiten und Gemeinschaftsräumlichkeiten:

  • Schlafzimmer,
  • frei benutzbare Küchen (ggf. mit Speisekammer/Vorratsraum),
  • Wohnzimmer,
  • normale Bäder,
  • sowie diese Räume verbindende Flure.

Fachleistungsflächen sind Räumlichkeiten, die über den Wohnraum hinaus für die Erbringung der unterschiedlichen Leistungen der Eingliederungshilfe erforderlich sind oder sein können:

  • Therapieräume,
  • Hobbyräume,
  • Veranstaltungsräume,
  • Pflege-/ Bewegungsbäder,
  • Räume für Personal einschließlich Assistenzkräfte (z.B. Einrichtungsleitung, Nachtbereitschaft).

Mischflächen sind nicht eindeutig zuzuordnenden Flächen:

  • Eingangsbereiche,
  • Treppenhäuser und Flure, die sowohl als Zugang zu Fachräumen als auch zu Wohnräumen benutzt werden müssen,
  • Vorratsräume/Hauswirtschaftsräume für Putzutensilien für das gesamte Haus,
  • Energieversorgungsräume.

Finanzierung

Finanzierung der Wohnflächen
Die kalkulatorische Miete für Wohnflächen wird nach § 42a Abs. 5 SGB XII als Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Warmmiete) berücksichtigt. Das Abstellen auf die durchschnittliche Warmmiete hat zur Folge, dass eine ausschließlich betragsmäßige Betrachtung für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung erfolgt. Eine zusätzliche Angemessenheitsprüfung für die Anerkennung der Bedarfe nach § 42a Abs. 5 SGB XII, beispielsweise auf der Grundlage der einer leistungsberechtigten Person zugeordneten Wohnfläche (Fläche in Quadratmetern) findet im Unterschied zu Wohnungen nicht statt.

Der sich ergebende Euro-Betrag kann jedoch nach Satz 4 im § 42a Abs. 5 SGB XII um bis zu 25 Prozent überschritten werden (das heißt: die durchschnittliche Warmmiete entspricht 100 Prozent, Erhöhung um 25 Prozent ergibt Kappungsgrenze bei 125 Prozent der durchschnittlichen Warmmiete für die im Rahmen der Lebensunterhaltsleistungen anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Die Übernahme der diesen Betrag übersteigenden Kosten der Unterkunft um bis zu 25 % wurde durch nachträgliche Änderung („Reparatur-Gesetz“) von einer Ermessensleistung (vorherige Formulierung „können anerkannt werden, wenn“) zu einer Mussleistung („sind anzuerkennen, wenn“) Die leistungsberechtigte Person muss aber durch den Vertrag nachweisen, dass der sich daraus ergebende monatlich geschuldete Betrag über die Warmmiete hinaus weitere und gesondert im Vertrag ausgewiesene zusätzliche Kosten umfasst für:

  1. Zuschläge für persönlich genutzte Räumlichkeiten, die vollständig oder teilweise möbliert zur Nutzung überlassen werden („Möblierungszuschlag“),
  2. Wohn- und Wohnnebenkosten und diese Kosten im Verhältnis zu vergleichbaren Wohnformen angemessen sind,
  3. Haushaltsstrom, Instandhaltung von persönlichen Räumlichkeiten und den Räumlichkeiten zur gemeinschaftlichen Nutzung sowie der Ausstattung mit Haushaltsgroßgeräten oder
  4. Gebühren für Telekommunikation sowie für den Zugang zu Rundfunk, Fernsehen und Internet.

Die zusätzlichen Aufwendungen nach den Nummern 2 bis 4 werden nach der Anzahl der in einer baulichen Einheit lebenden Personen zu gleichen Teilen aufgeteilt.

Dies bedeutet, dass Aufwendungen von mehr als 100 Prozent der durchschnittlichen Warmmiete eines Einpersonenhaushalts dann als Bedarfe für Unterkunft und Heizung bis zur Höhe von 125 Prozent anzuerkannt werden, wenn mindestens eine der in den Nummer 1 bis 4 enthaltenen Voraussetzungen durch den Vertrag nachgewiesen wird.

Daraus folgt: Wenn sich die Miete auf mindestens 100 Prozent der durchschnittlichen Warmmiete beläuft und sich damit aus der Summe von tatsächlicher Warmmiete und nachgewiesenen zusätzlichen Kosten nach den Nummern 1 bis 4 eine vertragliche monatliche Zahlungsverpflichtung von mehr als 100 Prozent ergibt, werden sie bis zu 125 Prozent als Bedarf anerkannt.

Finanzierung der Fachleistungsflächen
Die Kostenübernahme für die Fachleistungsflächen ist mit dem Träger der Eingliederungshilfe vertraglich zu vereinbaren. Dabei ist das Vertragsrecht nach dem 8. Kapitel des Eingliederungshilferechts (Teil 2) des SGB IX in der Fassung ab 2020 zuständig.

Finanzierung der Mischflächen
Die Kostenzuordnung für Mischflächen erfolgt gemäß der ermittelten oder vertraglich vereinbarten quotalen Aufteilung zwischen Wohn- und Fachleistungsflächen. Diese werden also nicht gesondert abgerechnet, sondern sind Bestandteil der kalkulatorischen Miete je Quadratmeter für die Wohn- und Fachleistungsflächen.

Überschreiten der Angemessenheitsgrenze um mehr als 125 Prozent
Übersteigen die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnflächen auch die Angemessenheitsgrenze um mehr als 25 Prozent, können diese
Mehrkosten auch über die Fachleistungen nach dem ab 2020 geltenden Eingliederungsrecht des SGB IX abgerechnet werden.

Dies setzt allerdings voraus, dass dem Leistungsberechtigten eine entsprechende Leistung nach den im Eingliederungshilferecht dargelegten Regelungen bewilligt wurde und eine schriftliche Vereinbarung des Trägers der Eingliederungshilfe mit dem Leistungserbringer über die entsprechenden Leistungen geschlossen wurde. Die Entscheidung über die Bewilligung im Einzelfall obliegt dem Eingliederungshilfeträger.

Die Bewilligung setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte einen Anspruch auf diese Leistung hat. Es gibt im SGB IX (noch?) keine ausdrückliche Anspruchsnorm für Wohnkosten, welche die 125%-Angemessenheitsgrenze nach § 42a Abs. 5 SGB XII übersteigen. In der Regel wird es sich hierbei um unbenannte Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach dem Kapitel 6 SGB IX handeln. Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen (§ 113 Abs.1 SGB IX). Ob die Wohnkosten über 125 Prozent als eine (unbenannte) Leistung zur sozialen Teilhabe vom Eingliederungshilfeträger bewilligt werden, bestimmt sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln; dabei ist auch die vom Leistungsberechtigten gewünschte Wohnform zu würdigen (§ 104 SGB IX).

In diesem Zusammenhang kommt der für die Eingliederungshilfe vorgesehenen Gesamtplanung eine Schlüsselfunktion zu. Im Rahmen des Gesamtplanverfahrens ist unter Beteiligung des Leistungsberechtigten und möglicher Hinzuziehung des Leistungserbringers als Beteiligter nach § 12 SGB X zu klären, ob und wenn ja, in welchem Umfang und für welche Dauer der Träger der Eingliederungshilfe den 125 Prozent überschreitenden Anteil der kalkulatorischen Miete übernimmt. Dabei ist auch das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen. Der Träger der Lebensunterhaltsleistungen wird am Gesamtplanverfahren beteiligt.

Bewertung der Lebenshilfe

Der Rechtsdienst der Lebenshilfe hält als Fazit fest:
„Haben doch Kritiker befürchtet, die Trennung der Leistungen könnte dazu führen, dass künftig „Einrichtungen“ der Eingliederungshilfe in finanzielle Notlagen geraten könnten, so wird mit den Empfehlungen deutlich, dass mit den Neuregelungen die Leistungsberechtigten auch künftig in die Lage versetzt werden, die umfassenden Leistungen in „Einrichtungen“ der Behindertenhilfe zu finanzieren.“

Quellen: Rechtsdienst der Lebenshilfe, Bundesanzeiger

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Betreuerbestellung trotz Vorsorgevollmacht?

In zwei aktuellen Beschlüssen im August hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Verhältnis von Betreuerbestellung und Vorsorgevollmacht bekräftigt:

Grundsätzlich gilt: Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Eine Vorsorgevollmacht steht nach diesem Grundsatz der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden kann. Auch in diesem Fall ist von einer wirksamen Bevollmächtigung auszugehen.

Der Bundesgerichtshof hat definiert, wann eine Unwirksamkeit vorliegen kann:

Bleiben Bedenken an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der Vollmacht, kommt es darauf an, ob dadurch die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr eingeschränkt ist, entweder weil Dritte die Vollmacht unter Berufung auf diese Bedenken zurückgewiesen haben oder weil entsprechendes konkret zu besorgen ist (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 – XII ZB 425/14).

Trotz Vorsorgevollmacht kann eine Betreuung zudem dann erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn erhebliche Bedenken an der Geeignetheit oder Redlichkeit des Bevollmächtigten bestehen (Senatsbeschluss vom 17. Februar 2016 – XII ZB 498/15).

Siehe auch:
>> BGH, Beschluss vom 15.08.2018 (Az. XII ZB 10/18)
>> BGH, Beschluss vom 08.08.2018 (Az. XII ZB 139/18)

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Terminservice- und Versorgungsgesetz

Mit dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts sollen die Aufgaben der Terminservicestellen deutlich erweitert und das Mindestsprechstundenangebot der niedergelassenen Ärzte erhöht werden. In unterversorgten und von Unterversorgung bedrohten Gebieten müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig eigene Praxen eröffnen oder Versorgungsalternativen anbieten.
Außerdem wird der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung um zusätzliche Angebote erweitert.

Terminservicestellen

Terminservicestellen gibt es seit 2016. Sie sollen den Versicherten innerhalb einer Woche einen Facharzttermin in zumutbarer Entfernung vorschlagen. Die Wartezeit auf den Termin darf vier Wochen nicht überschreiten. Mit dem neuen Gesetz wird die bundesweit einheitliche Rufnummer 116117 eingeführt – 24 Stunden täglich, 7 Tage die Woche. Auch online sollen Patienten demnächst Kontakt aufnehmen können. Die Servicestellen sollen nicht wie bisher nur bei der Suche nach einem Facharzttermin helfen, sondern auch bei der Suche nach Haus- und Kinderärzten. Wer akut Beschwerden hat, soll gleich in offene Arztpraxen oder Notfallambulanzen vermittelt werden.

Mehr Sprechstunden – bessere Vergütung

Ärzte sollen mehr Sprechstunden anbieten, mindestens 25 Stunden pro Woche (Hausbesuchszeiten werden angerechnet). Bisher waren es 20 Stunden. Facharztgruppen der grundversorgenden und wohnortnahen Versorgung (z.B. konservativ tätige Augenärzte, Frauenärzte, HNO-Ärzte) müssen mindestens 5 Stunden pro Woche als offene Sprechstunde anbieten (ohne vorherige Terminvereinbarung).

Ärzte sollen besser vergütet werden, durch Vermittlung eines Termins bim Facharzt, für Mehrarbeit ab der 20. Wochenstunde, für Gespräche mit den Patienten.

Strukturschwache Regionen

Weitere Maßnahmen des Gesetzes zielen darauf ab, die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu verbessern. Dort praktizierende Ärzte sollen einen finanziellen Zuschlag erhalten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen werden verpflichtet, mehr Geld für Praxisgründungen auf dem Land zur Verfügung zu stellen. Außerdem müssen sie neue Versorgungsformen anbieten, wenn es zu wenige Arztpraxen gibt – etwa Patientenbusse, digitale Sprechstunden oder mobile Praxen.

Elektronische Patientenakte

Ab 2021 sollen die Krankenkassen ihren Versicherten ihre Patientenakte elektronisch zur Verfügung stellen. Zugreifen können die Versicherten auf die medizinischen Daten dann auch mobil über Smartphone und Tablet. Das Verfahren für die Erteilung der Einwilligung des Versicherten in die Nutzung der medizinischen Anwendungen -unter Beachtung des Datenschutzes- soll vereinfacht werden.

Zuschuss bei Zahnersatz

Ab 2021 sollen die Versicherten, die auf eine Versorgung mit Zahnersatz angewiesen sind, finanziell entlastet werden. Die Festzuschüsse, die bisher rund 50 Prozent der Kosten der Regelversorgung abdecken, sollen ab dem 1. Januar 2021 auf 60 Prozent erhöht werden. In der Folge steigen auch die Boni, die die Versicherten erhalten, die mit ihrem Bonus-Heft die regelmäßige Inanspruchnahme zahnärztlicher Vorsorge untersuchungen nachweisen können, von 60 bzw. 65 Prozent auf 70 bzw. 75 Prozent.

Quelle: Bundesregierung, Gesetzentwurf

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BTHG-Evaluation: Neuer leistungsberechtigter Personenkreis der Eingliederungshilfe

Der Abschlussbericht zu den rechtlichen Wirkungen im Fall der Umsetzung von Artikel 25a § 99 des Bundesteilhabegesetzes (ab 2023) auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe liegt vor. Er wurde als Unterrichtung durch den Bundestag veröffentlicht (Drucksache 19/4500).

Hintergrund der Untersuchung

Die mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) erfolgte Reform der Eingliederungshilfe (grundsätzlich zum 1.1.2020) soll auch eine Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises umfassen.

Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes war aber heillos umstritten, wie diese neue Legaldefinition aussehen soll.

Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung setzte die Zugehörigkeit zum leistungsberechtigten Personenkreis voraus, dass in mindestens 5 von 9 Lebensbereichen die Ausführung von Aktivitäten nicht ohne personelle oder technische Unterstützung möglich ist oder die Ausführung von Aktivitäten auch mit personaler oder technische Unterstützung in mindestens 3 dieser Lebensbereiche nicht möglich ist. Als Lebensbereiche wurden festgelegt:
(1) Lernen und Wissensanwendung,
(2) Allgemeine Aufgaben und Anforderungen,
(3) Kommunikation,
(4) Mobilität,
(5) Selbstversorgung,
(6) Häusliches Leben,
(7) Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen,
(8) Bedeutende Lebensbereiche und
(9) Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerschaftliches Leben.

Während der Beratungen kam es diesbezüglich zu heftigen Auseinandersetzungen, so dass beschlossen wurde, hier zunächst eine Evaluierung und modellhafte Erprobung durchzuführen, die bis zum 31.12.2022 abgeschlossen sein soll; ab 01.01.2023 soll dann – als 4. Reformstufe des BTHG – eine neue Definition des leistungsberechtigten Personenkreises eingeführt werden.

Bis dahin erhalten Personen, die die Kriterien der derzeitigen Regelungen (§ 53 Abs. 1 und Abs. 2, §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung) erfüllen, Leistungen der Eingliederungshilfe.

Evaluierung abgeschlossen

Wie vom Gesetzgeber gefordert und in Art. 25 Abs. 5 BTHG niedergelegt, fand die Untersuchung in den Jahren 2017 und 2018 statt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die Arbeitsgemeinschaft ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH sowie transfer – Unternehmen für soziale Innovation mit den Unterauftragnehmern Universität Kassel (Prof. Dr. Felix Welti) und Dr. med. Matthias Schmidt-Ohlemann mit dem Forschungsvorhaben „Rechtliche Wirkungen im Fall der Umsetzung von Artikel 25a § 99 BTHG (ab 2023) auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe“ beauftragt.

Als Forschungsfragen wurden festgelegt:

(1) Wie lassen sich die in § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB IX i. d. F. von Art. 25a BTHG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe „in einer größeren Anzahl der Lebensbereiche“ und „in einer geringeren Anzahl der Lebensbereiche“
konkretisieren? Insbesondere soll geklärt werden, in welchen und in wie vielen Lebensbereichen nach der ICF nach § 99 Abs. 4 SGB IX i. d. F. von Art. 25a BTHG die Ausführung von Aktivitäten nur mit personeller oder technischer Unterstützung möglich und in wie vielen Fällen sie auch mit personeller
oder technischer Unterstützung nicht möglich ist. Es ist zu prüfen, bei welcher Konkretisierung der Anzahl der Lebensbereiche sich keine Veränderungen beim Personenkreis gegenüber der derzeit geltenden Rechtslage ergeben.

(2) In welchem Verhältnis steht die Anzahl der Lebensbereiche mit Unterstützungsbedarf zu dem Ausmaß der jeweiligen Einschränkungen? Diese Frage bezieht sich auf Art. 25 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BTHG in Verbindung
mit § 99 Abs. 1 Satz 3 SGB IX i. d. F. von Art. 25a BTHG, wonach mit zunehmender Anzahl der Lebensbereiche ein geringeres Maß der jeweiligen Einschränkung ausreichend ist, um zum leistungsberechtigten Personenkreis zu gehören. Das genannte Verhältnis von Anzahl der Lebensbereiche und Ausmaß der jeweiligen Einschränkungen ist zu konkretisieren.

(3) Welche Kriterien sind im Rahmen einer typisierenden Betrachtung der notwendigen personellen und technischen Unterstützungserfordernisse als spezifisch für die jeweiligen Arten der Behinderung anzusehen? Dies soll beantwortet werden, indem für einzelne Arten der Behinderung jeweils typische Unterstützungsbedarfe in bestimmten Lebensbereichen aufgezeigt werden.

(4) Welche Auswirkungen hat die in § 99 Abs. 1 SGB IX i. d. F. von Art. 25a BTHG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 SGB IX aufgenommene Erweiterung der Definition von Behinderung um die Formulierung „in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren“ auf den leistungsberechtigten Personenkreis?

(5) Welchen Stellenwert hat die ICF-Komponente „Körperfunktionen und -strukturen“ für die Definition? Es ist zu überprüfen, ob die Erweiterung der Bezugnahme auf die körperliche, seelische oder geistige Beeinträchtigung
einer Person um diese Bezugnahme auf die in der ICF benannten Störungsursachen zu einer Veränderung des leistungsberechtigten Personenkreises führen würde.

(6) Werden die zu Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben berechtigten Personen durch die Regelung von § 99 Abs. 6 SGB IX i. d. F. von Art. 25a BTHG erfasst? Dies betrifft Menschen, die wegen der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder erwerbsfähig im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sind, gleichwohl aber in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen (§ 58 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Weiterhin ist zu untersuchen, ob es
durch diese Regelung zu Veränderungen des leistungsberechtigten Personenkreises kommt.

Die Ergebnisse liegen mit diesem Forschungsbericht nun vor und können in der Unterrichtung (Drucksache 19/4500) nachgelesen werden. Der Forschungsbericht

  • erläutert den Hintergrund des Forschungsvorhabens (Abschnitt 2),
  • berichtet über den Projektauftrag, die methodische Umsetzung und den Projektverlauf (Abschnitt 3),
  • präsentiert die Ergebnisse der Aktenanalyse (Abschnitt 4),
  • stellt die Ergebnisse der eigenen Interviews (Abschnitt 5) sowie ausgewählte Ergebnisse aus den Workshops zur Rechtsauslegung und -anwendung dar,
  • beantwortet die Untersuchungsergebnisse zu den Forschungsfragen,
  • stellt konzeptionelle Überlegungen zu Intention und Anwendungskontext der ICF vor (Abschnitt 8),
  • fasst die Untersuchungsergebnisse zusammen und kommentiert diese im Hinblick auf die zu beantwortenden Forschungsfragen (Abschnitt 9).

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Gute-KiTa-Gesetz

Unter diesem Titel verabschiedete das Bundeskabinett am 19. September einen Gestzentwurf zur Verbesserung der Kinderbetreuung. Kernpunkte des Gesetzentwurfs sind:

  1. Der Bund beteiligt sich damit erstmals in einer Größenordnung von 5,5 Milliarden Euro an der Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung.
  2. Eine bundesweit verpflichtende soziale Staffelung der Elternbeiträge soll eingeführt und einkommensschwache Familien von den Kita-Gebühren befreit werden.

Finanzierung aus der Umsatzsteuer

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Bundesländer in den Jahren 2019 bis 2022 einen höheren Anteil am Aufkommen der Umsatzsteuer erhalten, insgesamt 5,5 Milliarden Euro. Für die Zeit danach ist zunächst keine Regelung geplant. Jedes Bundesland soll individuell bei der Weiterentwicklung der Qualität der Kinderbetreuung unterstützt werden – je nach Ausgangslage und Bedarf. Dazu können die Länder Maßnahmen aus zehn Handlungsfeldern auswählen. Das KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz – KiQuTG listet in § 2 die 10 Handlungsfelder auf:

ein bedarfsgerechtes Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangebot in der Kindertagesbetreuung schaffen,

  1. einen guten Fachkraft – Kind – Schlüssel in Tageseinrichtungen sicherstellen,
  2. zur Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung beitragen,
  3. die Leitungen der Tageseinrichtungen stärken,
  4. die Gestaltung der in der Kindertagesbetreuung genutzten Räumlichkeiten verbessern,
  5. Maßnahmen und ganzheitliche Bildung in den Bereichen kindliche Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung fördern,
  6. die sprachliche Bildung fördern,
  7. die Kindertagespflege (§ 22 Absatz 1 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch)
  8. stärken,
  9. die Steuerung des Systems der Kindertagesbetreuung im Sinne eines miteinander abgestimmten, kohärenten und zielorientierten Zusammenwirkens des Landes sowie der Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe verbessern oder
  10. inhaltliche Herausforderungen in der Kindertagesbetreuung bewältigen, insbesondere die Umsetzung geeigneter Verfahren der Beteiligung von Kindern, die Sicherstellung des Schutzes der Kinder, die Integration von Kindern mit besonderen Bedarfen, die Zusammenarbeit mit Eltern und Familien, die Nutzung der Potentiale des Sozialraums und den Abbau geschlechterspezifischer Stereotype.

Befreiung von KiTa-Gebühren

Um einkommensschwache Familien bei den Kosten für die Kindertagesbetreuung zu entlasten soll der § 90 SGB VIII geändert werden. Danach sollen nicht nur wie bisher schon Empfänger von Sozialleistungen von den Kitagebühren befreit werden können, sondern auch Familien mit geringem Einkommen, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen.

Quellen: Gesetzentwurf, BMSFSJ

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Hebammenversorgung und Kaiserschnittrate

Der Bundesrat hat am 21.9. in seiner Sitzung zum Sofortprogramm Pflege der Bundesregierung der Bundesregierung Stellung bezogen. Die geplante Entlastung der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen begrüßt der Bundesrat, allerdings müsse berücksichtigt werden, dass die Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger vergleichbare Probleme wie die Pflege hat. Jedes zweite Krankenhaus habe Schwierigkeiten, offene Hebammenstellen zu besetzen. Die Zahl der Geburten steige dabei weiter an. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren solle deshalb geprüft werden, ob bei den Hebammenstellen eine ähnliche Refinanzierung wie bei den Pflegekräften möglich sei.

Zum Problem der Hebammenversorgung hat auch der Verband deutscher Hebammen Steellung bezogen. Der Verband beklagt, dass die Zahl der Kaiserschnitte in Deutschland deutlich zu hoch ist. Sie liege laut WHO bei 30,5 %. Gründe dafür sieht der Verband in der zunehmenden Arbeitsbelastung bei immer weniger Personal in den Kreißsälen, in einem Verlust von Wissen über die normale Geburt sowie in steigender Angst vor Fehlern. Jeder Kaiserschnitt sei eine Operation und sollte nur dann durchgeführt werden, wenn er medizinisch notwendig ist.

Der Anteil der Kaiserschnittgeburten lag laut Statistischem Bundesamt noch 1991 bei 15,1 %. Im Jahr 2000 bei 21,5 %. Seit dem Jahr 2008 liegt er über 30 %.

Die Weltgesundheitsorganisation hält einen Kaiseschnitt nur in 10 % bis 15 % der Fälle für medizinisch geboten.

Quellen: Bundesrat, Verband deutscher HebammenBundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

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