Verbesserungen für Pflege in Pflegeeinrichtungen

Mehr Pflegekräfte

Der Entwurf des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) sieht vor, dass alle Einrichtungen der vollstationären Altenpflege einschließlich der Kurzzeitpflege in Deutschland im Rahmen des Sofortprogramms bei ihrer täglichen Leistungserbringung unterstützt werden, ohne dass dies mit einer finanziellen Belastung der von der Pflegeeinrichtung versorgten Pflegebedürftigen verbunden ist.

Rechtsanspruch auf mehr Personal

Rechtsgrundlage ist der § 8 SGB XI, hier der im PpSG geplante neue Absatz 6.  Hier erhalten die Einrichtungen unmittelbar einen gesetzlichen Anspruch, auf Antrag schnell und unbürokratisch zusätzliche Pflegefachkräfte durch einen Zuschlag finanziert zu bekommen:

  • Einrichtungen mit bis zu 40 Plätzen erhalten jeweils einen Zuschlag zur Finanzierung einer halben zusätzlichen Pflegestelle,
  • Einrichtungen mit 41 bis zu 80 Plätzen einen Zuschlag zur Finanzierung einer zusätzlichen Pflegestelle,
  • Einrichtungen mit 81 bis zu 120 Plätzen einen Zuschlag zur Finanzierung von anderthalb zusätzlichen Pflegestellen und
  • Einrichtungen ab 121 Plätzen einen Zuschlag zur Finanzierung von zwei zusätzlichen Pflegestellen.

So sollen etwa 13.000 neue Stellen in der stationären Altenpflege geschaffen werden.

Ziel

Ziel ist es, insbesondere den Aufwand im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in der stationären Altenpflege pauschal teilweise abzudecken.

Voraussetzung

Voraussetzung ist, dass es sich um zusätzliches Pflegepersonal handelt. Mit den zusätzlichen Pflegekräften erhalten die Pflegebedürftigen einen erhöhten Anspruch auf mehr Pflege. Es muss sich hierbei grundsätzlich um Pflegefachkräfte handeln. Soweit es der Pflegeeinrichtung innerhalb von 3 Monaten nicht gelingt, Pflegefachkräfte zu finden, ist ein Vergütungszuschlag auch für Pflegehilfskräfte zulässig.

Finanzierung

Zur Finanzierung dieser speziellen Leistung an die Einrichtungen zahlen die Krankenkassen jährlich 640 Millionen Euro an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung. Die privaten Pflegeversicherungen beteiligen sich anteilig mit pauschal 44 Millionen Euro im Jahr.

Quelle: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals

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BGH: Umfassende Beratungspflicht der Sozialleistungsträger – auch über den eigenen Leistungsbereich hinaus

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) befasste sich am 2. August 2018 in einer Entscheidung (Az. III ZR 466/16) mit der Frage, welche Anforderungen an die Beratungspflicht des Trägers der Sozialhilfe gemäß § 14 Satz 1 SGB I zu stellen sind, wenn bei Beantragung von laufenden Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung (§§ 41 ff SGB XII) ein dringender rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf erkennbar ist.

Ein behinderter Mann, dem wegen lückenhafter Beratung beim Sozialamt über Jahre eine Erwerbsminderungsrente entgangen war, kann nun auf Schadenersatz in Höhe von gut 50.000 Euro hoffen. Seine Mutter und Betreuerin hatte die deutlich niedrigere Grundsicherung beantragt. Ein Hinweis durch die Sachbearbeiterin, dass für ihren Sohn eine Erwerbsminderungsrente vielleicht in Betracht kommen könnte, erging nicht.

Die damals zuständige Sachbearbeiterin im Sozialamt hätte besser beraten müssen – so das Urteil der Bundesrichter. Zumindest dann ist der Sozialleistungsträger (hier das Sozialamt) verpflichtet, Bürger auf etwaige Ansprüche, die sie nicht beantragt haben, hinzuweisen, wenn es dafür Anhaltspunkte gibt.

Dies sah der BGH im vorliegenden Fall als gegeben an:

Der Sachverhalt

Der 1984 geborene Sohn ist schwer geistig behindert und steht unter Betreuung durch seine Mutter. Er besuchte bis Juli 2002 eine Förderschule und nahm dann bis September 2014 in einer Werkstatt für behinderte Menschen an berufsbildenden Maßnahmen teil. In der Folgezeit war es ihm nicht möglich, eine Arbeitsstelle zu bekommen und seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Seine zur Betreuerin bestellte Mutter beantragte deshalb im Dezember 2004 beim Landratsamt Meißen laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Nach einem Sachbearbeiterwechsel im Jahr 2011 wurde die Mutter erstmals darüber informiert worden war, dass der Sohn einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung habe. Tatsächlich bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund auf entsprechenden Antrag auch eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab 1. August 2011. In dem Rentenbescheid wurde unter anderem festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen bereits seit dem 2004 erfüllt seien.

Hinweis: Voraussetzung für eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI ist normalerweise eine Vorversicherungszeit von fünf Jahre. Diese allgemeine Wartezeit gilt nicht für Personen, die schon in den ersten sechs Jahren nach ihrer Ausbildung nicht mehr arbeiten können und trotzdem mindestens ein Jahr lang Beiträge gezahlt haben. Diese Sonderregelung traf auf den Sohn zu.

Die Begründung des BGH

Unter den gegebenen Umständen war anlässlich der Beantragung von Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung zumindest ein Hinweis vonseiten der Sachbearbeiterin notwendig, dass auch ein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente (heute: Erwerbsminderungsrente) in Betracht kommen könne und deshalb eine Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten sei.

Im Sozialrecht bestehen für die Sozialleistungsträger besondere Beratungs- und Betreuungspflichten. Eine umfassende Beratung des Versicherten ist die Grundlage für das Funktionieren des immer komplizierter werdenden sozialen Leistungssystems – so der BGH in seinen Ausführungen.

Im Vordergrund stehe dabei nicht mehr nur die Beantwortung von Fragen oder Bitten um Beratung, sondern die verständnisvolle Förderung des Versicherten, das heißt die aufmerksame Prüfung durch den Sachbearbeiter, ob Anlass besteht, den Versicherten auch von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die sich mit seinem Anliegen verbinden; denn schon gezielte Fragen setzen Sachkunde voraus, über die der Versicherte oder sein Bevollmächtigter oft nicht verfügt.

Die Kompliziertheit des Sozialrechts liege gerade in der Verzahnung seiner Sicherungsformen bei den verschiedenen versicherten Risiken, aber auch in der Verknüpfung mit anderen Sicherungssystemen. Die Beratungspflicht sei deshalb nicht auf die Normen beschränkt, die der betreffende Sozialleistungsträger anzuwenden hat. Die Beratungspflicht geht über den eigenen Leistungsbereich hinaus.

Im konkret vorliegenden Fall musste – nach Ansicht des BGH – ein mit Fragen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung befasster Sachbearbeiter des Sozialamts mit Blick auf die Verzahnung und Verknüpfung der Sozialleistungssysteme in Erwägung ziehen, dass bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze ein gesetzlicher Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit bestehen könnte. Es war deshalb ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten.

Aus diesem Gründen sah der BGH eine Amtspflichtverletzung nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG als gegeben an, hob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung durch einen anderen Senat zurück.

Quelle: Pressemitteilung des BGH, 130/2018

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Pflegepersonal-Stärkungsgesetz

Das Bundeskabinett hat am 1.8.2018 den Entwurf des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) beschlossen, das unter anderem das „Sofortprogramm Pflege“ umsetzt soll. Die wesentlichen Schwerpunkte des Gesetzentwurfes, der im übrigen nicht auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen ist, werden hier aufgelistet. Einzelne dieser Maßnahmen werden in den nächsten Tagen an dieser Stelle ausführlicher beschrieben.

Verbesserung der Pflege im Krankenhaus:

  • Jede zusätzliche und jede aufgestockte Pflegestelle am Bett wird vollständig von den Krankenkassen finanziert.
  • Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf für Pflegekräfte werden zeitlich befristet gefördert.
  • Die krankenhausindividuellen Pflegepersonalkosten für die Patientenversorgung wird über ein Pflegebudget vergütet. Es um eine Personaluntergrenze für Kliniken. Hier streiten sich die Krankenversicherungen (GKV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) zur Zeit noch darüber, auf welchem Niveau die Personaluntergrenze liegen soll. Gäbe es keine Einigung, könnte die Personaluntergrenze auch durch eine Verordnung geregelt werden.
  • Tarifsteigerungen für das Pflegepersonal werden vollständig durch die Kassen finanziert.
  • Die Bedingungen zur Schaffung von Ausbildungsplätzen wird verbessert.
  • Zusatzentgelte für erhöhten Pflegeaufwand sollen auf einer gesicherten Datengrundlage abgerechnet werden können.
  • Der Krankenhausstrukturfonds mit einem Volumen von bis zu einer Milliarde Euro jährlich wird für die Dauer von vier Jahren bis 2022 fortgeführt wird.

Stärkung des Pflegepersonals in der Altenpflege:

  • Vollstationäre Pflegeeinrichtungen können zusätzliche Pflegekräfte einstellen, die von der Krankenversicherung in vollem Umfang finanziert werden. Die geplante Neuregelung sieht etwa 13.000 neue Stellen für stationäre Pflegeeinrichtungen vor.
  • Pflegeheime und Pflegedienste erhalten Zuschüsse, wenn sie Anschaffungen
    digitaler oder technischer Ausrüstung tätigen, die die Pflegekräfte in ihrer Arbeit entlasten.
  • Maßnahmen und Angebote, die auf eine bessere Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf für die Pflegekräfte zielen, werden unterstützt.
  • Das Antragsverfahren für Krankenfahrten von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen vom Pflegeheim und der eigenen Häuslichkeit zur ambulanten Behandlung beim Facharzt und Zahnarzt wird vereinfacht.
  • Die Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und stationären Pflegeeinrichtungen soll weiter verbessert und vereinfacht werden und Impulse für den Einsatz von elektronischer Kommunikation gegeben werden; zudem
    wird der Anwendungsbereich der Nutzung von Sprechstunden per Video als telemedizinische Leistung erweitert.

Weitere geplante Maßnahmen:

  • Im ländlichen Raum soll eine Stärkung der ambulanten Alten- und Krankenpflege durch eine bessere Honorierung der Wegezeiten erreicht werden.
  • Der Zugang zu medizinischen Rehabilitationsleistungen für pflegende
    Angehörige soll weiter erleichtert werden.
  • Die betriebliche Gesundheitsförderung in Krankenhäusern und bei Pflegeeinrichtungen soll gestärkt werden.
  • Änderung des IfSG (Infektionschutzgesetz): die Länder sollen vor dem  Hintergrund der Migrationsbewegungen in die Lage versetzt werden, Gesundheitsuntersuchungen für alle Personengruppen vorzusehen, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Lebenssituation wahrscheinlich einem erhöhten  Infektionsrisiko für bestimmte schwerwiegende übertragbare Krankheiten ausgesetzt waren.

Quelle: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals

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Rechtsanspruch auf Brückenteilzeit hilft nur wenigen

Das Bundeskabinett hat am 13. Juni 2018 dem Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und zur Einführung einer Brückenteilzeit zugestimmt. Danach wird unter bestimmten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf eine zeitlich befristete Teilzeit und eine danach erfolgende Rückkehr in die Vollzeittätigkeit gestaltet. Dies sollte vor allem Müttern helfen, nach der Kinderphase wieder in einen vollwertigen Job zurückzufinden

Für einen großen Anteil der teilzeitbeschäftigten Mütter bleibt der Anspruch aber ohne Wirkung, da Teilzeitanspruch nach diesem Gesetz nur für Unternehmen gilt, die in der Regel insgesamt mehr als 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen.

Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass im Dezember 2017 von den 37,4 Mio. Beschäftigten 13,7 Millionen in Teilzeit arbeiteten, darunter 10 Millionen Frauen. In Betrieben mit bis zu 45 Beschäftigten arbeiten von den insgesamt 14,4 Millionen Beschäftigte 7,5 Mio Frauen. Von den 14,4 Mio Beschäftigten arbeiten 6,6 Millionen in Teilzeit. Leider geht aus den Zahlen nicht hervor, wieviel teilzeitbeschäftigte Mütter in diesen Betrieben bis 45 Mitarbeiter arbeiten.
Stattdessen wird Auskunft über Betriebe bis 50 Mitarbeitern im Jahr 2016 gegeben: von den insgesamt 5,1 Millionen teilzeitbeschäftigten Müttern in Deutschland sind 3,15 Millionen in einem Betrieb mit weniger als 50 Mitarbeitern tätig.
Immerhin kann man daraus schließen, dass für eine erhebliche Zahl von Müttern der Rechtsanspruch auf Rückkehr aus der Teilzeit gar nicht in Frage kommt.

Quellen:  Bundestag-Drs. 19/3593, Nachricht der Fraktion die Linke im Bundestag

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Neuregelung des Familiennachzugs ab 1.8.2018

Zum 1. August tritt das Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs in Kraft. Es regelt den Nachzug von engsten Familienangehörigen von subsidiär Schutzberechtigten.
Am 18.3.2016 wurde der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten durch eine Neufassung des § 104 Abs.13 AufenthG für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt, diese Aussetzung wurde noch einmal bis 31.7.2018 verlängert.
Mit dem neuen Gesetz hat sich die Bundesregierung darauf festgelegt, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten nicht länger als Anspruch auszugestalten, obwohl es seit 2015 einen zahlenmäßig deutlichen Rückgang der Asylanträge und bei der Gewährung von subsidiärem Schutz gibt.

Eine Kontigentierung und Begrenzung auf 1000 Fälle pro Monat ist aus verfassungs- und menschenrechtlicher Sicht äußerst bedenklich. Insbesondere bei einem vollständigen Ausschluss bei unbegleiteten Minderjährigen durch das Erreichen des monatlichen Kontingents erscheint die Begrenzung auf 1.000 Personen im Monat als nicht vereinbar mit der UN-Kinderrechtskonvention. Über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung des Familiennachzugs hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden. Das Gericht hält die Frage vielmehr ausdrücklich für offen und klärungsbedürftig. (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.03.2018, 2 BvR 1266/17)

Mit diesem Gesetz wird eine Ungleichbehandlung von anerkannten Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention und subsidiär Schutzberechtigten festgelegt mit der Begründung, dass der Schutzstatus regelmäßig für kürzere Zeit vergeben wird als der Asylstatus. Allerdings trifft diese Einordnung keinerlei Aussage darüber, wie lang die Bleibeperspektive der Betroffenen einzuschätzen ist. Der subsidiäre Schutz kann verlängert werden. Ob eine Person gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtling anerkannt wird oder einen subsidiären Schutzstatus erhält, scheint in der Praxis oft nicht eindeutig auf der Hand zu liegen. Dies zeigen vor allem die vielen erfolgreichen Klagen von Personen mit subsidiärem Schutzstatus, denen durch die Verwaltungsgerichte ein Flüchtlingsstatus zuerkannt wird.

Quellen: FamiliennachzugsneuregelungsgesetzBT-Drs. 19/385, Amnesty International, Bundesverfassungsgericht

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Bundesverfassungsgericht zur Fixierung von Psychiatriepatienten

Die Fixierung von Patienten stellt einen Eingriff in deren Grundrecht auf Freiheit der Person dar. Bei einer nicht nur kurzfristigen Fixierung sämtlicher Gliedmaßen – länger als eine halbe Stunde – handelt es sich um eine Freiheitsentziehung, für die Art. 104 Abs. 2 GG den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung vorsieht. Diese Maßnahme ist auch im Rahmen eines bereits bestehenden Freiheitsentziehungsverhältnisses als eigenständige Freiheitsentziehung zu qualifizieren, die den Richtervorbehalt abermals auslöst, von einer richterlichen Unterbringungsanordnung also nicht gedeckt ist. Daher ist Gesetzgeber aufgefordert, verfahrensrechtliche Bestimmungen für die richterliche Anordnung freiheitsentziehender Fixierungen zu treffen.

Verhandelt wurden zwei Fälle aus Bayern und Baden-Württemberg, in denen Patienten mehrere Stunden an Armen, Beinen und Bauch, bzw. an Armen, Beinen, Bauch, Brust und Stirn fixiert wurden. Die Verfassunsbeschwerden waren erfolgreich. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit dem heute verkündetem Urteil die einschlägige Vorschrift des Landes Baden-Württemberg für verfassungswidrig erklärt und bestimmt, dass der baden-württembergische und der bayerische Gesetzgeber – der bislang keine spezielle Rechtsgrundlage für Fixierungen erlassen hat – verpflichtet sind, bis zum 30. Juni 2019 einen verfassungsgemäßen Zustand herbeizuführen.

Sollte es nicht möglich sein, rechtzeitig eine richterliche Entscheidung einzuholen, wenn etwa akute Selbstmordgefahr besteht, so muss die Entscheidung unverzüglich nachgeholt werden. Das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss. Um den Schutz des Betroffenen sicherzustellen, bedarf es in diesem Zusammenhang eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes, der den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr abdeckt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht

Abbildung: Hindrichs/Fährmann

Teilhabechancengesetz

Am 15.6. berichteten wir hier über Neue Instrumente zur Förderung von Langzeitarbeitslosen. Es lag ein Referententwurf zur Änderung des SGB II vor. Mittlerweile ist daraus ein Gesetzentwuf der Bundsregierung geworden unter dem Titel „Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt (Teilhabechancengesetz – 10. SGB II-ÄndG) “

Im Wesentlichen wird der § 16e SGB II verändert und ein § 16i neu eingeführt werden. Hier die Unterschiede zwischen Referenten- und Regierungsentwurf

Teilhabe am Arbeitsmarkt (§ 16i)

In der aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs können nun ausschließlich Leistungsbeziehende gefördert werden, die das 25. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens sieben Jahren Hartz-IV-Leistungen beziehen. In einem früheren Entwurf wurden noch sechs Jahre Leistungsbezug als Zugangsvoraussetzung formuliert.

Eingliederung von Langzeitarbeitslosen (§16e)

Hier heißt es nun, eine Förderung mit diesem Instrument ist nur dann möglich, wenn andere Maßnahmen, wie Bewerbungstraining oder andere aktivierende Maßnahmen nicht gegriffen haben.

„sehr arbeitsmarktfern“

In der Gesetzesbegründung heißt es, die neuen Instrumente zielen auf hauptsächlich auf sehr arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose. Unter sehr arbeitsmarktfernen Personen sind diejenigen Leistungsbezieher zu verstehen, bei denen durch eine Häufung von Vermittlungshemmnissen (höheres Lebensalter, fehlende oder entwertete Qualifikation, gesundheitliche Beeinträchtigung o. a.) keine oder nur sehr geringe Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt bestehen. Um den „richtigen“ Personen die Unterstützung angedeihen zu können, wird auf die Jobcenter ein ganzes Stück Verwaltungsaufwand zukommen, um die oben genannten Kriterien zu überprüfen.

Begrenzung auf Mindestlohn

Die Begrenzung der Förderung auf den Mindestlohn könnte für diejenigen Arbeitgeber problematisch werden, die aufgrund tariflicher Vereinbarungen höhere Löhne zahlen. Sie wären gegenüber Arbeigebern, die nur Mindestlohn bezahlen, benachteiligt.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales 

Abbildung: fotolia – fottoo

Geringverdiener: Gleitzone wird zu Einstiegsbereich

Wie hier im Beitrag über den  Referentenentwurf eines Rentenleistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetzes am 17.7. beschrieben, soll die bisherige Gleitzone, in der Beschäftigte mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 450,01 bis 850,00 Euro verringerte Arbeitnehmerbeiträge zahlen, zu einem sozialversicherungsrechtlichen Einstiegsbereich weiterentwickelt werden: Die Obergrenze der Beitragsentlastung wird auf 1.300 Euro angehoben und es wird sichergestellt, dass die reduzierten Rentenversicherungsbeiträge nicht mehr zu geringeren Rentenleistungen führen. Durch die Ausweitung der oberen Entgeltgrenze des Einstiegsbereichs (bisher Gleitzone) auf zukünftig 1 300 Euro im Monat werden geringverdienende sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Einstiegsbereich durch eine reduzierte Beitragstragung entlastet.

Midijobber

Arbeitnehmer, die ein Gehalt im Rahmen der Gleitzone (450 bis 850 Euro) beziehen, werden allgemein als Midijobber bezeichnet. Zukünftig würden also Midijobber im Rahmen des Einstiegsbereichs zwischen 450 und 1300 Euro verdienen. Durch die Midijob-Regelung des § 163 Abs.10 SGB VI wird vermieden, dass der vom Arbeitnehmer zu zahlende Beitragsanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen bei einem Verdienst oberhalb der 450-Euro-Grenze abrupt ansteigt. Anstelle der für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer üblichen Beitragsbelastung (circa 21 Prozent des Arbeitsentgelts) steigt die Abgabenlast für Midijobber progressiv an.

Formel zur Beitragsberechnung

Mit Hilfe der in § 163 Abs.10 SGB VI festgeschriebenen Formel:
F × 450 + ([850/(850 – 450)] – [450/(850 -450)] × F) × (AE – 450)
wird für die Beitragsberechnung im Midijob eine reduzierte beitragspflichtige Einnahme ermittelt. Sie entspricht nicht dem tatsächlichen Arbeitsentgelt.

  1. Zunächst wird der Gesamtbeitrag der Sozialversicherung errechnet auf grund der reduzierten beitragspflichtigen Einnahme.
  2. Im zweiten Schritt wird der Arbeitgeberanteil vom tatsächlichen Entgelt errechnet.
  3. Zuletzt ergibt sich der Arbeitnehmeranteil durch die Differenz zwischen Gesamtbeitrag und Arbeitgeberanteil.

Die Formel soll nun dahingehend geändert werden, dass die Zahl 850 durch 1300 ersetzt wird. Also:
F × 450 + ([1300/(1300 – 450)] – [450/(1300 -450)] × F) × (AE – 450).

In beiden Formeln hängt der Faktor F mit der Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zusammen und beträgt im Jahr 2018: 0,7514. (0,3 geteilt durch den aktuellen Gesamtsozialversicherungsbeitrag)

Auswirkungen

Die Änderung der Formel bedeutet, dass nun auch Beschäftigte mit Verdiensten zwischen 850 und 1300 Euro weniger mit Abgaben belastet werden. Auch für Midijobber mit Verdiensten bis 850 Euro ergibt sich eine weitere Reduzierung der Abgaben.

Entgeltpunkte aus tatsächlichem Entgelt

Die Entgeltpunkte für Beitragszeiten aus einer Beschäfti­gung im Einstiegsbereich sollen ab 1.1.2019 immer aus dem tatsächlichen Arbeitsentgelt ermittelt werden. Zur Zeit werden die Entgeltpunkte noch aus der reduzierten beitragspflichtigen Einnahme ermittelt, es sei denn der Arbeitnehmer erklärte schriftlich gegenüber ihrem Arbeitgeber, dass sie volle Rentenversicherungsbeiträge nach dem tatsächlichen Entgelt zahlen möchten. Dies würde dann ab 2019 nicht mehr nötig sein.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales 

Abbildung: pixabay.com: Goumbik

Rundfunkbeitrag ist verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht hat am 18.7.2018 die an die Wohnung geknüpfte Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestätigt. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar sei allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist.

Keine Steuer

Klargestellt hat das Verfassungsgericht, dass es sich beim Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer, sondern um einen Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinn handele, der für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung, die Möglichkeit der Rundfunknutzung, erhoben wird. Daher sei es rechtens, dass für die Regelungen zur Erhebung des Rundfunkbeitrags die Länder die Gesetzgebungskompetenz haben.

Als Gegenleistung zum Rundfunkbeitrag erhalte der Beitragszahler die Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner Funktion als nicht allein dem ökonomischen Wettbewerb unterliegender, die Vielfalt in der Rundfunkberichterstattung gewährleistender Anbieter, der durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen Orientierungshilfe biete. Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks habe beizutragen, wer die allgemein zugänglichen Angebote des Rundfunks empfangen könne, aber nicht notwendig empfangen müsse.

Beitrag pro Wohnung

Den Rundfunkbeitrag pro Wohnung zu erheben, sei vom Spielraum des Gesetzgebers gedeckt. Durch statistische Erhebungen sei nachgewiesen, dass Rundfunk typischerweise in der Wohnung empfangen werde, häufig auch gemeinschaftlich. Den Beitrag an die Empfangsgeräte anzuknüpfen, sei nicht mehr praktikabel und kaum noch kontrollierbar. Dabei spiele es keine Rolle, ob in der Wohnung tatsächlich Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden. Die Gesetzgeber dürfen die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgeräts vorsehen. Maßgeblich ist, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht. Sie ist stets gegeben, weil den Beitragsschuldnern durch das Beschaffen von entsprechenden Empfangsgeräten ein Empfang im gesamten Bundesgebiet möglich ist.

Zweitwohnungen

Die Bemessung des Beitrags bei Zweitwohnungen verstoße allerdings gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit. Soweit Wohnungsinhaber nach der derzeitigen Regelung für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden sind, ist der Vorteil bereits abgegolten; Zweitwohnungsinhaber würden für den gleichen Vorteil mehrfach herangezogen. Durch eine Neuregelung bis spätestens 30.6.2020 müsse der Gesetzgeber dem Rechnung tragen. Ab sofort könnten sich Inhaber einer Zweitwohnung, die bereits für eine Erstwohnung zahlen, auf Antrag vom Beitrag für die Zweitwohnung befreien lassen.

gewerbliche Nutzung

Im gewerblichen Bereich sei die Regekung über die Zahlung der Rundfunkgebühren verfassungsgemäß. Hier knüpft der Beitrag an die „Betriebsstätte“ an, und richtet sich gestaffelt nach der Anzahl der Mitarbeiter. Für betrieblich genutzte Autos gilt: Eins pro Betriebsstätte ist frei, für jedes weitere fällt ein Drittel des Rundfunkbeitrags an. Die Möglichkeit des Rundfunkempfangs, so das Gericht, vermittele den Betriebsstätteninhabern einen Vorteil. Sie könnten sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für den Betrieb beschaffen sowie das Rundfunkangebot zur Information oder Unterhaltung ihrer Beschäftigten und ihrer Kundschaft nutzen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht

Abbildung: pixabay.com – geralt

 

Referentenentwurf eines Rentenleistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetzes

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am Freitag, 13. Juli, seinen Entwurf eines Rentenleistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetzes veröffentlicht.

Doppelte Haltelinie

In der gesetzlichen Rentenversicherung soll für den absehbaren Zeitraum bis 2025 eine sog. doppelte Haltelinie für das Sicherungsniveau bei 48 Prozent und den Beitragssatz bei 20 Prozent eingeführt werden.  Mit Sicherungsniveau ist das Verhältnis zwischen der Jahresrente eines Rentners, der 45 Jahre sozialversicherungspflichtig jeweils das Durchschnittseinkommen bekommen hat, und dem Durchschnittseinkommen der Versicherten in dem Jahr insgesamt gemeint.

Um das Sicherungsniveau zu halten, wird die Rentenanpassungsformel um eine Niveausicherungsklausel ergänzt, die dafür sorgt, dass die Renten bis zum Jahr 2025 so angepasst werden, dass mindestens ein Niveau von 48 Prozent erreicht wird. In den kommenden Rentenanpassungsverordnungen wird zum 1. Juli jeden Jahres dokumentiert, dass dieses Ziel durch die Rentenanpassung eingehalten wird.

Um den Beitragssatz bei 20 Prozent zu halten soll der Bund in den Jahren 2022 bis 2025 Sonderzahlungen in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr an die allgemeine Rentenversicherung leisten.

Erwerbsminderungsrenten

Die Absicherung der Erwerbsgeminderten soll verbessert werden. Zurechnungszeiten sollen ab 2019 in einem Schritt auf 65 Jahre und 8 Monate angehoben werden (Renteneintrittsalter) und dann mit der Anhebung des Renteneintrittsalters schrittweise bis 67 angehoben werden. Die Maßnahme soll jedoch nur auf Neurentner angewandt werden, nicht auf bereits Betroffene. Zudem sollen die Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt erhalten bleiben.

Kindererziehungszeiten

Für erziehende Elternteile, die aufgrund der Erziehung von mehr als zwei Kindern im besonderen Maße rentenrechtliche Nachteile aufgrund eingeschränkter Erwerbsarbeit hinnehmen mussten, soll künftig auch für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern das dritte Kindererziehungsjahr in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt werden. Sie sollen insoweit gleichgestellt werden mit denjenigen, die ab 1992 geborene Kinder erzogen haben beziehungsweise erziehen.

Geringverdiener

Um Geringverdienerinnen und Geringverdiener bei den Sozialabgaben zu entlasten, soll die bisherige Gleitzone, in der Beschäftigte mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 450,01 bis 850,00 Euro verringerte Arbeitnehmerbeiträge zahlen, zu einem sozialversicherungsrechtlichen Einstiegsbereich weiterentwickelt werden: Die Obergrenze der Beitragsentlastung wird auf 1.300 Euro angehoben und es wird sichergestellt, dass die reduzierten Rentenversicherungsbeiträge nicht mehr zu geringeren Rentenleistungen führen.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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