Bundestag stimmt für die Erhöhung der Betreuervergütung

Am 16.05.2019 hat der Bundestag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 19/8694 ) in 2./3. Lesung unverändert zugestimmt. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen wurden nicht berücksichtigt.

Obwohl einige Fraktionen das Gesetz für nicht ausreichend bezeichneten, stellte sich keine Fraktion gegen das Gesetz, lediglich die FDP enthielt sich der Abstimmung. Übereinstimmend bestand die Meinung, dass die 17 Prozent Erhöhung eigentlich zu wenig seien und nur einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern geschuldet. Einig war man sich auch, dass diese Erhöhung noch nicht das Ende des Reformprozesses sein dürfe. Qualitätsorientiert sei das Betreuungsrecht weiterzuenwickeln.

Eine Aufzeichnung der Debatte kann in der Mediathek des Bundestages abgerufen werden.

Der Bundesrat soll nun möglichst zeitnah – noch vor der parlamentarischen Sommerpause – über das Gesetz abstimmen. Vor der Sommerpause kommt der Bundesrat noch am 7. Juni und am 28. Juni zusammen. Wie bekannt, besteht eine Zustimmungspflicht; sollte die Zustimmung nicht erteilt werden, muss der Vermittlungsausschuss angerufen werden.

Der voraussichtliche Zeitplan:

  • 01.03.2019: Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • 04.04.2019: Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • 16.05.2019: Zweite und dritte Lesung im Bundestag; Verabschiedung des Gesetzes
  • vorauss. 7.06.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat, Zustimmung
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat.

Wohngeld: Gesetzentwurf bringt Verbesserungen

Verbesserungen beim Wohngeld

Die Bundesregierung hat Verbesserungen beim Wohngeld auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf des Innenministeriums  sieht Verbesserungen für rund 660.000 Haushalten vor, darunter rund 180 000 Haushalte, die durch die Reform erstmals oder wieder einen Wohngeldanspruch erhalten. Der Bundesrat muss jedoch noch zustimmen, weil das Wohngeld je zur Hälfte von Bund und Ländern gezahlt wird. Für einen Zwei-Personen-Haushalt soll das Wohngeld von 145 EUR auf 190 EUR im Monat steigen.

Im jetzt gebilligten Referentenentwurf wird eine Berechnung (Mikrosimulationsrechnung) des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW Köln) im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zitiert.

Wechselwirkungsprognose mit anderen Sozialleistungen

In dieser Berechnung werden die komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Sozialleistungen auf Basis der fortgeschriebenen Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 des Statistischen Bundesamtes geschätzt.

Danach profitieren von den geplanten Verbesserunden bei Wohngeld insgesamt drei Gruppen:

  • die bisherigen Wohngeldhaushalte, die im Jahr 2020 auch ohne Anpassung Wohngeld bezogen hätten. Die Reform wird den durchschnittlichen, monatlichen Wohngeldbetrag eines Zwei-Personen-Haushalts, der auch ohne Reform Wohngeld bekommen würde, voraussichtlich von 145 Euro im Jahr 2020 ohne Reform auf 190 Euro erhöhen. Dies entspricht einer Steigerung von rund 30 Prozent.
    Dazukommen werden bis Ende 2020 rund 35 000 Mischhaushalte, bei denen einzelne Haushaltsmitglieder ihren Bedarf dauerhaft durch das Wohngeld decken, während die übrigen Haushaltsmitglieder Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehungsweise Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehen.
  • so genannte Hereinwachserhaushalte, deren Einkommen bislang die Grenzen für einen Wohngeldanspruch überschritten haben und die 2020 erstmals oder wieder mit Wohngeld bei den Wohnkosten entlastet werden. Ende 2020 sind das  rund 155 000 Haushalte, die zum Beispiel im Falle von Zwei-Personen-Haushalten zukünftig durchschnittlich 40 Euro monatlich erhalten.
  • so genannte Wechslerhaushalte, die zuvor Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII bezogen haben: Rund 20 000 Wohngeldhaushalte würden ohne Reform Ende 2020 Leistungen des SGB II beziehen. Zwei-Personen-Wechslerhaushalte werden nach der Reform im Jahr 2020 durchschnittlich 185 Euro Wohngeld pro Monat erhalten. Weitere rund 5 000 Haushalte wechseln aus dem SGB XII in das Wohngeld. Dabei handelt es sich zum überwiegenden Teil um Ein-Personen-Rentnerhaushalte. Diese werden nach der Reform im Jahr 2020 monatlich im Durchschnitt 85 Euro erhalten.

Insgesamt – bezogen auf alle Empfängergruppen – werden Zwei-Personen-Haushalte nach den Berechnungen des IW Köln nach der Reform im Jahr 2020 durchschnittlich 150 Euro Wohngeld erhalten. Bis 2022 wird die Anzahl der Wohngeldempfängerhaushalte auf rund 600 000 Haushalte absinken – vor allem aufgrund von prognostizierten Einkommenssteigerungen und aufgrund des Wechsels in die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII, die anders als das Wohngeld jährlich angepasst werden.

Quelle: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

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Ergebnisse der Sachverständigenanhörung zur Betreuervergütung im Rechtsausschuss

In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 6. Mai 2019 betonten die als Sachverständige geladenen Verbändevertreter in ihren Stellungnahmen, die Anpassung sei angesichts der Schließung von Betreuungsvereinen und Betreuungsbüros kurzfristig dringend erforderlich, könne aber nur ein erster Schritt sein. Änderungswünsche, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf geäußert hatte, lehnten die Sachverständigen wie schon zuvor die Bundesregierung ab.

Die Fragen der Abgeordneten betrafen vor allem die Arbeitsbedingungen der Betreuer und mögliche Verbesserungen, die Auswirkungen der in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen sowie das im Gesetzgebungsprozess zutage getretene Spannungsfeld zwischen Bundesregierung und Bundesrat.

Eine detaillierte Beschreibung des Berufsalltags von Berufsbetreuern gab Hülya Özkan aus Bielefeld, die nach eigenen Angaben 43 Klienten im Alter zwischen 19 und 106 Jahren vertritt, die aus den unterschiedlichsten Gründen eine rechtliche Betreuung benötigen. Sie werde als Berufsbetreuerin bestellt, wenn alle anderen Hilfesysteme versagt hätten. Özkan verwies auf die Studie „Qualität in der rechtlichen Betreuung“ des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG), wonach Berufsbetreuer jetzt schon 20 Prozent unbezahlte Mehrarbeit leisten. Die Studie zeige auch, dass Berufsbetreuer 24 Prozent mehr Zeit und 25 Prozent mehr Vergütung bekommen müssten, um das bezahlt bekommen was sie tatsächlich leisten.

Thorsten Becker, Vorsitzender des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB), der die Interessen von über 7.000 selbständigen oder als Angestellte in Betreuungsvereinen beruflich tätigen Betreuern vertritt, begrüßte, dass der Gesetzgeber nach nunmehr 14 Jahren die Initiative zu einer Erhöhung der Betreuervergütung ergriffen und dies in der laufenden Diskussion zum Reformprozess vorgezogen habe. Jedoch falle die Anhebung im Ergebnis enttäuschend gering und damit wenig wertschätzend aus. Wegen der vor allem von einigen Bundesländern vorgebrachten Maßgabe „so oder gar nicht“ habe sich der BdB entschlossen, den Gesetzentwurf trotz der bestehenden Kritik zu akzeptieren.

Barbara Dannhäuser vom Katholischen Verband für soziale Dienste in Deutschland (SKM) erklärte, die Caritas und ihre Fachverbände begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung des Gesetzentwurfes, die Regelungen seien aber nicht weitreichend genug. Um eine schnelle und längst überfällige Erhöhung der Betreuer- und Vormündervergütung nicht zu verhindern, stimmten die Caritas-Verbände dem Entwurf zu. Dem schloss sich Karina Schulze vom Paritätischen Gesamtverband an, der rund 160 Betreuungsvereine vertritt. Sie sprach von einer Übergangslösung. Ähnlich argumentierte Lydia Hajasch von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Der Refinanzierungsbedarf der Betreuungsvereine werde durch die vorgeschlagenen Regelungen nicht hinreichend gedeckt. Die Grundannahme, dass der Betreuungsaufwand mit fortlaufender Dauer sinke, sei nicht auf alle Betreuungsfälle, insbesondere auf die der Menschen mit geistiger Behinderung, übertragbar.

Dannhäuser ergänzte, mit Sorge würden die aktuellen Versuche der Länder beobachtet, weitere Kosteneinsparungen zu Lasten der Vereine zu fordern. Wie andere Sachverständige auch bewertete sie die angepeilte Erhöhung um durchschnittlich 17 Prozent angesichts von Personalkostenzuwächsen von mindestens 25 Prozent als zu niedrig. Zudem bemängelte Dannhäuser wie auch andere Experten, dass der Entwurf nicht die seit langem geforderte Dynamisierungsregelung sondern lediglich eine Evaluierung nach vier Jahren enthalte. Das sei viel zu spät, zumal mit tatsächlichen Anpassungen frühestens nach weiteren zwei bis drei Jahren gerechnet werden könne.

Walter Klitschka, 1. Vorsitzender des Bundesverbands freier Berufsbetreuer (BVfB), warnte vor einem Aussterben des Berufs, sollte es keine Existenzsicherung für Berufsbetreuer geben. An die Adresse des Bundesrates sagte er, an der Anpassung der Vergütung zum 1. Juli 2019 führe kein Weg vorbei. Die Länder wüssten seit mindestens 2017, dass eine Erhöhung der Ausgaben für Betreuung in der jetzt vorliegenden Größenordnung auf sie zukommt. Das Argument des Bundesrats zu einer Verschiebung auf 2020 aus haushaltstechnischen Gründen sei daher nicht stichhaltig. Für fragwürdig halte der Verband auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Evaluierung erst nach fünf Jahren.

Peter Winterstein, 1. Vorsitzender des Betreuungsgerichtstags (BGT), bezeichnete die Erhöhung der Betreuervergütung als überfällig. Am Vergütungssystem seien jedoch noch weitere Änderungen erforderlich. Zu den Vorschlägen des Bundesrates sagte Winterstein, eine Verlängerung des Evaluationszeitraums dürfe es auf keinen Fall geben, da eine neuerliche Verzögerung von weiteren notwendigen Vergütungsanpassungen die Existenz von Betreuungsvereinen grundlegend gefährde.

Sehr detailliert setzte sich der Familienrechtler Tobias Fröschle von der Universität Siegen mit dem Entwurf auseinander. Ein Vorteil sei, dass eine schwer durchschaubare Berechnungsregelung durch ein einfacher zu handhabendes System ersetzt werde. Viele Zweifelsfragen blieben jedoch bestehen. Änderungen würden hier aber einer umfassenden Neuregelung vorgreifen. Entgegen der Stellungnahme des Bundesrates könne die Anpassung der Betreuervergütung keineswegs warten, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Das würde die Gefahr der Schließung weiterer Betreuungsvereine heraufbeschwören. Bezüglich einer Evaluation teile er jedoch die Bedenken des Bundesrates.

Wirksame Regeln und Strukturen zum Schutz vor Korruption bei rechtlicher Betreuung forderte Adelheid von Stösser von Transparency International Deutschland. Die Diskussion lasse bisher nicht erkennen, dass die Gefahr der Korruption berücksichtigt wird. Im Vordergrund stünden vielmehr Eigeninteressen der gewerbsmäßigen Akteure. Die Vergütungen duften erst steigen, wenn auch die Sicherheit verbessert werde, sagte von Stösser. Transparency International fordere bundesweit geltende Sicherheitsstandards. Nötig sei auch eine Begrenzung der Anzahl von Betreuungen pro Betreuer.

In dem Gesetzentwurf ist ausgehend vom Koalitionsvertrag eine Erhöhung der Vergütung um 17 Prozent in einem modernisierten System von Fallpauschalen vorgesehen. Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll der Vorlage zufolge eine rechtstechnisch einfach und schnell umsetzbare, Qualitätsaspekte berücksichtigende und angemessene Anpassung der seit mehr als 13 Jahren unveränderten Vergütung beruflicher Betreuer erfolgen, die insbesondere auch geeignet ist, eine existenzsichernde Finanzierung der Betreuungsvereine sicherzustellen.

In ihrer Gegenäußerung zur kritischen Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf vom 30.04.2019 (Drs. 19/9765) verteidigt die Bundesregierung ihre Vorlage und lehnt die Änderungsvorschläge der Länderkammer in jedem Punkt ab. Der Bundesrat weist in seiner Stellungnahme unter anderem darauf hin, dass der Gesetzentwurf für die Länder eine jährliche Mehrbelastung von rund 157 Millionen Euro vorsieht. Er hält es für unerlässlich, diese Mehrbelastung über einen höheren Anteil der Länder am Umsatzsteueraufkommen auszugleichen. Änderungsvorschläge betreffen auch die Evaluierung des Gesetzes und dessen Inkrafttreten. In der Gegenäußerung der Regierung heißt es unter anderem, die Finanzierung der Betreuer- und Vormündervergütung sei bei Mittellosigkeit der betroffenen Person Aufgabe der Länder. Auch gebe es aus Bundessicht keine Notwendigkeit zur Anpassung der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder. Auch positioniert sich die Bundesregierung gegen ein Inkrafttreten der Erhöhung erst zum 1 Januar 2020.

Quelle: Heute im Bundestag, Nr. 508

Klarstellung des BGH: Schonvermögensgrenze für Betreuervergütung bei 5.000 € – Erhöhungen durch das BTHG sind nicht anzuwenden

Die Eingliederungshilfe wird durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) zum 1.1.2020 aus dem SGB XII (Sozialhilfe) herausgelöst und in das SGB IX als neues eigenes Leistungsgesetz in Teil 2 integriert. Im Zuge dessen verbessern sich auch die Einkommens- und Vermögensgrenzen für Menschen mit Behinderungen. Zum 1.1.2017 wurde durch das BTHG eine bis 31.12.2019 geltende Übergangsregelung in § 60 a SGB XII geschaffen: Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, erhalten zusätzlich – neben dem bisherigen Schonbetrag nach § 90  Abs. 2 Nr. 9 SGB XII – einen Vermögensfreibetrag i.H.v. von bis zu 25.000 € für ihre Lebensführung und Alterssicherung.

Diese Konstruktion führte zu Unklarheiten, welcher Schonbetrag seit 1.1.2017 bei der Betreuervergütung zu berücksichtigen ist. § 1836c Ziffer 2 BGB formuliert den Einsatz des „Vermögens nach Maßgabe des § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“. Dies bedeutete bis 31.12.2016 bei der Berechnung der Mittellosigkeit im Rahmen der Vergütungsfestsetzung: geschützte Barvermögen in Höhe von 5000 Euro gem. § 1836c Nr. 2 BGB, § 5 Abs. 1, 2 VBVG 1 i.V.m. § 90  Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, § 1 der Verordnung zu § 90 Nr. 2 SGB XII.

Mit Geltung ab 1.1.2017 nahmen einige wenige Landgerichtsbezirke an, dass die der neuen Regelung des zusätzlichen Vermögensfreibetrags in § 60a SGB XII auch für die Vergütungsfestsetzung gilt, viele Bezirke dagegen nicht. Auch die Gerichte entschieden uneinheitlich.

Der Bundesgerichtshof stellte nun in seinem Beschluss vom 20.3.2019 (XII ZB 290/18) klar, dass der Vermögensfreibetrag nach § 60a SGB XII keine Anwendung findet:

„Auch wenn ein Betreuter Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen bezieht, hat er sein Vermögen für die Vergütung seines Betreuers insoweit einzusetzen, als es den allgemeinen Schonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von derzeit 5.000 € übersteigt. Der erhöhte Vermögensfreibetrag nach § 60 a SGB XII von bis zu 25.000 € findet dabei keine Anwendung.“ – so der Leitsatz des BGH.

Neben einer ausführlichen historischen Analyse führt der BGH insbesondere als Argument gegen eine Anwendung an, dass es sich bei der Zahlung der Betreuervergütung aus der Staatskasse nicht um eine Form der Eingliederungshilfe handele. Von daher sei bereits eine Anwendung des § 60a SGB XII – der im 6. Kapitel „Eingliederungshilfe“ verortet ist – nicht angezeigt.

Zudem wäre eine Berücksichtigung der Übergangsregel § 60a SGB XII gegenüber der Rechtslage ab 1.1.2020 eine „vorübergehende“ Besserstellung, was der Gesetzgeber sicher nicht gewollt haben kann. Der BGH argumentiert diesbezüglich wie folgt:

„(a) Durch das Bundesteilhabegesetz wird das Recht der Eingliederungshilfe mit Wirkung zum 1. Januar 2020 aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch herausgelöst und im Neunten Buch Sozialgesetzbuch Teil 2 geregelt. Dadurch sollen die mit dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch begonnenen Schritte einer Trennung von Fachleistung und von Leistungen zum Lebensunterhalt zum Ab-schluss gebracht werden. Die Eingliederungshilfe soll sich künftig auf die reinen Fachleistungen konzentrieren, während die Leistungen zum Lebensunterhalt wie bei Menschen ohne Behinderungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetz-buch oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden sollen (BT-Drucks. 18/9522 S. 4). Die derzeit noch in § 92 Abs. 2 SGB XII genannten Ein-gliederungsmaßnahmen, wie die Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, werden zukünftig in § 138 Abs. 1 SGB IX geregelt sein. Für diese Leistungen wird weiterhin kein Vermögen einzusetzen sein, nachdem § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII inhaltsgleich in § 140 Abs. 3 SGB IX übernommen wird (BT-Drucks. 18/9522 S. 90 f., 303 f.).

Für alle anderen Leistungen der Eingliederungshilfe sieht der neue § 139 SGB IX eine an § 90 SGB XII angelehnte Regelung zur Vermögensanrechnung vor, wobei die Höhe des einzusetzenden Barvermögens mit mehr als 50.000 € deutlich über den Schonbetrag nach § 90 Abs. 1 [red. Anm.: gemeint ist wohl Abs. 2] Nr. 9 SGB XII hinausgeht. Der Gesetzgeber hielt diese Erhöhung für angezeigt, weil es um Menschen mit erheblicher Teilhabeeinschränkung gehe und die Regelung des § 139 SGB IX nur für Fachleistungen der Eingliederungshilfe gelte (BT-Drucks. 18/9522 S. 91, 304).

Menschen mit Behinderungen sollen also in Bezug auf alle Eingliederungsleistungen des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch, soweit sie nicht ohnehin bereits unabhängig von vorhandenem Vermögen zu erbringen sind, in den Genuss eines erhöhten Freibetrags kommen. Dagegen sollen Leistungen zum Lebensunterhalt auch künftig nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden. Für solche Leistungen wird auch weiterhin nach Maßgabe des § 90 SGB XII – ebenso wie für die Betreuervergütung – vorhandenes Vermögen einzusetzen sein.“

Quelle: Beschluss inklusive Begründung des BGH vom 20.3.2019 (Az. XII ZB 290/18)

BVerfG: Wahlrecht für betreute Menschen gilt bereits zur Europawahl – Antrag bzw. Einspruch notwendig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat per einstweiliger Anordnung am 15. April 2019 die Vorschriften zum Wahlrechtsausschluss von behinderten und psychisch kranken Menschen zur Europawahl gekippt (Az.: 2 BvQ 22/19). Bereits Ende Januar 2019 hatte das Gericht ja bereits Wahlrechtsausschlüsse bei der Bundestagswahl wegen Verstoß gegen den Gleichberechtigungssatz verworfen. Mehr als 80.000 Betroffene können daher nun an der Europawahl am 26. Mai teilnehmen. Voraussetzung ist aber, dass sie einen entsprechenden Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis bzw. Einspruch gegen das Wählerverzeichnis gestellt haben.

Die Fraktion der Grünen/Bündnis 90, FDP und Linke hatten einen Eilantrag gestellt, damit auch behinderte Menschen, für die ein Betreuer alle Angelegenheiten des Lebens regelt, sowie im Maßregelvollzug untergebrachte, psychisch kranke und schuldunfähige Straftäter an der Europawahl teilnehmen können. Aufgrund der Dringlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht nun die Entscheidung als sogenanntes „Stuhlurteil“ gefällt; danach wird der Tenor bereits im Anschluss an die Verhandlung verkündet. Die genaue Urteilsbegründung folgt später nach.

Die Regelungen im deutschen Europawahlgesetz, wonach in allen Angelegenheiten unter Betreuung stehende Menschen und schuldunfähige Straftäter nicht an den Europawahlen teilnehmen dürfen, sind nicht anzuwenden, so der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Personen, die bisher von den Wahlrechtsausschlüssen für in allen Angelegenheiten Betreute und für in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte schuldunfähige Straftäter betroffen waren, können nach erfolgreichem Antrag bzw. Einspruch an der Europawahl am 26. Mai 2019 teilnehmen.

Notwendig: Antrag bzw. Einspruch aktiv stellen

Personen, für die bisher ein Wahlrechtsausschluss im Melderegister eingetragen war, werden nicht automatisch bzw. von Amts wegen in das Wählerverzeichnis aufgenommen. Sofern sie bei der Europawahl ihre Stimme abgeben wollen, müssen sie einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen (§ 17 Absatz 1 Europawahlordnung) oder Einspruch gegen das Wählerverzeichnis einlegen (§ 21 Europawahlordnung).

Auf den Seiten des Bundeswahlleiters ist zu entnehmen, wer einen Antrag stellen bzw. Einspruch gegen das Wählerverzeichnis erheben kann. Beide notwendigen aktiven Handlungen sind an Fristen gebunden:

  • Nicht Sesshafte, Personen, die sich in einer Justizvollzugsanstalt oder einer entsprechenden Einrichtung befinden sowie Personen mit Wohnsitz im Ausland können bis 5. Mai 2019 (21. Tag vor der Wahl) einen schriftlichen Antrag bei der Gemeinde ihres Hauptwohnortes stellen. Dabei sind Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum und die genaue Anschrift zu nennen. Der Antrag ist persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen. Sofern erforderlich, ist Hilfestellung durch andere Personen (Bevollmächtigte, rechtliche Betreuer) möglich.
  • Personen, die mit Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet sind und nicht zu den oben genannten Personengruppen gehören, können vom 6. bis 10. Mai 2019 einen Einspruch – schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Gemeindebehörde – gegen das Wählerverzeichnis einlegen. Der Einspruch ist persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen. Auch hier ist – sofern erforderlich – Hilfestellung durch andere Personen möglich.

Auf den Seiten des Bundeswahlleiters stehen sowohl für den Antrag als auch für den Einspruch Mustervorlagen zur Verfügung: www.bundeswahlleiter.de

Beschluss Bundesrat: Erhöhung der Betreuervergütung ja .. aber erst ab 2020 .. und weitere Änderungswünsche

Am 12. April 2019 befasste sich der Bundesrat erstmalig mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erhöhung der Vergütung von Betreuern und Verfahrenspflegern. Entgegen der Empfehlung der Ausschüsse sieht der Bundesrat nun nur noch an einigen Punkten Änderungsbedarf, wie sich aus dem Beschluss Drs. 101/19 (B) ergibt.

Generelle Änderungs-/Erweiterungswünsche

Generell ist der Bundesrat der Auffassung, dass berufliche Betreuer einen wichtigen Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen rechtlichen Betreuung und damit auch zum sozialen Zusammenhalt leisten. Sie haben Anspruch auf eine an-gemessene Vergütung ihrer Leistungen, die auch die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung berücksichtigt. Im Sinne einer fairen und transparenten Entlohnung begrüßt der Bundesrat darüber hinaus grundsätzlich eine Pauschalierung der Vergütungen.

Allerdings darf die Kostenbelastung durch die Vergütungserhöhung nicht nur den Bundesländern überlassen werden – so die Ansicht des Bundesrates.  Er hält es für unerlässlich, diese Mehrbelastung über eine Anpassung des Umsatzsteueranteils der Länder auszugleichen (der Gesetzentwurf sieht für die Länder eine jährliche Mehrbelastung von rund 157 Millionen Euro vor).

Die staatliche Erstattung von Kosten auch im Bereich der Betreuung müsse am Maßstab der Erforderlichkeit gemessen werden. Eine Kostenerstattung durch die Länder komme aus Sicht des Bundesrates deshalb nur mit Blick auf solche Aufgaben in Betracht, die unmittelbar durch die Wahrnehmung der Aufgaben des „rechtlichen“ Betreuers veranlasst und sowohl hinsichtlich des zeitlichen Umfangs als auch des Qualifikations- und Vergütungsniveaus notwendig sind. Für eine umfassende Betreuung, die auch im weiteren Sinne Aspekte der sozialen Fürsorge, der Pflege oder Behandlung einbezieht, wären gegebenenfalls andere Kostenträger als die Länder zuständig. Eine umfassende Neuordnung der sozialen und rechtlichen Betreuung müsse aus Sicht des Bundesrates gegebenenfalls über Strukturreformen und nicht über Veränderungen der Vergütungen für die rechtliche Betreuung angestrebt werden.

Die Neuregelung dürfe sich nicht auf eine Erhöhung der Vergütungen be-schränken. Vielmehr müssten vorhandene strukturelle Probleme gelöst werden. Der Bundesrat verweist dabei insbesondere darauf, Anreize für Vorsorgevollmachten und eine stärkere Betreuung im Familienkreis zu schaffen, damit die Fallzahlen der Berufsbetreuer nicht weiter steigen.

Konkrete Änderungswünsche des Gesetzesentwurfs

Die Aufwandspauschale für Verfahrenspfleger soll nach Ansicht des Bundesrates auf 3,50 Euro begrenzt werden; die von der Bundesregierung geplante Erhöhung auf 4,00 Euro hält er für nicht für gerechtfertigt.

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, das Gesetz frühestens zum 1. Januar 2020 in Kraft treten zu lassen, da die Haushaltsplanungen der Bundesländer für das laufende Jahr bereits abgeschlossen seien.

Für die Evaluierung soll mehr Zeit bleiben, der Evaluierungszeitraum soll daher nicht vier, sondern fünf Jahre betragen.

Kritik an der Berechnung der Erhöhung

Kritik äußerte der Bundesrat an der in der Gesetzesbegründung dargelegten Berechnung der Vergütungserhöhung um 17 Prozent – konkret die Aufschläge für die Rechnungsposten „Overhead-Kosten“ und „Sachkosten“.

Besonders bemängelt wurde, dass „Overhead-Kosten“ – also Gemeinkosten – für die Leitungsfunktion und weitere nicht näher bestimmbare Kosten im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 1908f Abs. 1 Nr. 1 BGB (Kosten für Aufsicht, Weiterbildung und Versicherung der Mitarbeiter) in die Berechnung der Pauschalen eingeflossen seien. Die Kosten entstünden jedoch nur dann, wenn ein Betreuungsverein gem. § 1908f BGB anerkannt werden wolle.

Ob mit dieser Kritik die prozentuale Erhöhung noch „gedrückt“ wird, ist derzeit unklar. Mit dieser Argumentation werden sich der Bundestag aber sicher noch befassen.

Das ist vom Tisch

Viele Dinge, die die Bundesratsausschüsse empfohlen hatte, fanden keine Zustimmung im Bundesrat, ist damit also vom Tisch. Zu nennen sind hier insbesondere Fallzahlenbegrenzungen sowie die Einstufung in die Vergütungsgruppen nicht mehr durch die Rechtspfleger erfolgen, sondern durch ein Weisungsrecht der zuständigen Landesbehörden.

.. und so geht es weiter

Die Stellungnahme des Bundesrates geht nun an die Bundesregierung, die sich in ihrer Gegenäußerung damit auseinandersetzt. Beide Dokumente werden schließlich dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt (2./3. Lesung).

1. Lesung im Bundestag: Gesetzentwurf zur besseren Vergütung von Betreuern

Am 25.03.2019 wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung“ dem Bundestag unter der Drucksachen-Nummer 19/8694 zugeleitet.

Am Donnerstag, 4. April 2019 erfolgt die 1. Lesung im Bundestag. Nach 45-minütiger Debatte soll der Entwurf zur weiteren Beratung zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen werden.

Der voraussichtliche Zeitplan gestaltet sich damit wie folgt:

  • 01.03.2019: Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • 04.04.2019: Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • Zweite und dritte Lesung im Bundestag
  • 12.04.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat

Heim oder Betreuer: Wer ist für die Verwaltung der Barbeträge verantwortlich? Mit Hinweis auf die Rechtslage ab 1.1.2020

Das Verwaltungsgericht Minden hat sich in seinem Beschluss vom 13. März 2019 mit der Verwaltung von Barbeträgen eines Heimbewohners beschäftigt und dabei noch einmal dargelegt, wann der Heimträger in der Aufgabenpflicht steht und wann der rechtliche Betreuer. Aber Achtung: diese Rechtsauffassung gilt in Einrichtungen für behinderte Menschen nur noch bis zum 31.12.2019 (siehe dazu die Ausführungen unten).

Verwaltung der Barbeträge: Aufgaben des Heimträgers im Rahmen der sozialen Betreuung

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WTG müssen Leistungsanbieter die soziale Betreuung der Bewohner ihrer Einrichtungen sicherstellen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG gehört zu Betreuung und Betreuungsleistungen auch die soziale Betreuung.

  • Soziale Betreuung umfasst Tätigkeiten, die Menschen in einer selbstbestimmten Lebensführung und insbesondere der Erfüllung ihrer sozialen und kognitiven Bedürfnisse unterstützen sowie der Förderung einer unabhängigen Lebensführung und der vollen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dienen.
  • Nicht umfasst sind allgemeine unterstützende Tätigkeiten, die nicht vorwiegend auf Grund eines durch hohes Alter, Pflegebedürftigkeit oder eine Behinderung begründeten Unterstützungsbedarfs erbracht werden.

Die Verwaltung der Barbeträge eines jeden Bewohners einer Wohn- und Betreuungseinrichtung ist eine der sozialen Betreuung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG zuzuordnende Unterstützungsleistung, weil sie mit derjenigen typischerweise vergleichbar ist, die einem hilfe- bzw. unterstützungsbedürftigen Bewohner außerhalb einer Einrichtung bei der Verwaltung seines „Taschengeldes“ von Familienangehörigen oder sonst nahe stehenden Personen zuteilwerden würde – so das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung.

Ein etwa bestellter Betreuer – auch mit dem Aufgabenbereich der Vermögensbetreuung – ist demgegenüber nicht zur tatsächlichen Verwaltung dieser Barbeträge verpflichtet: Eine Betreuung zur Vermögenssorge verpflichtet den Betreuer nicht, an Stelle des Heimträgers Barbeträge zu verwalten, die dem Betreuten zur persönlichen Verfügung bewilligt worden sind.

Die Pflicht eines Einrichtungsträgers zur Barbetrags- bzw. „Taschengeld“-Verwaltung bis in Höhe normaler „Taschengeldbeträge“ beschränkt sich auf Verwaltungsmaßnahmen, die üblicherweise im Zusammenhang mit solchen „kleineren“ Beträgen anfallen, also

  • die Entgegennahme von baren und unbaren Einzahlungen zu diesem Zweck,
  • die sichere Verwahrung des eingezahlten Geldes,
  • jederzeit mögliche Auszahlungen an jeden Bewohner aus seinem Barbetragsguthaben und
  • die Führung individueller Kontolisten (Kontosalden), die jedem Bewohner den Überblick über seinen ihm aktuell zur Verfügung stehenden verwalteten Barbetrag ermöglichen.

Geldgeschäfte, Verwaltung höherer Geldbeträge: Aufgabe des rechtlichen Betreuers

Darüber hinausgehende speziellere Geldgeschäfte, die üblicherweise von Geldinstituten (Banken, Sparkassen) erledigt werden, gehören hingegen nicht zu der einer Betreuungseinrichtung obliegenden Barbetragsverwaltung und sind nicht Teil der von der Einrichtung zu leistenden sozialen Betreuung, weil derartige Geldgeschäfte nicht notwendig sind, um die Bewohner einer Betreuungseinrichtung bei der Erfüllung ihrer sozialen und kognitiven Bedürfnisse zu unterstützen, ihre unabhängige Lebensführung zu fördern und sie weiterhin am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu lassen.

Deshalb umfasst die soziale Betreuung in Gestalt der Barbetragsverwaltung nicht die Verwahrung und Verwaltung hoher Geldbeträge im vierstelligen oder gar noch höheren Euro-Bereich. Eine Betreuungseinrichtung ist kein Geldinstitut.

Bewohner einer Einrichtung, die derartige Geldgeschäfte vornehmen lassen möchten, müssen sich, ggf. mit Hilfe von rechtlichen Betreuern oder sonstigen rechtlichen Vertretern, insoweit an die üblichen Geldinstitute wenden.

>> Zum Volltext des Beschlusses: Verwaltungsgerichts Minden vom 13.03.2019 (Az. 6 L 1550/18)

Systemwechsel zum 1.1.2020 – Trennung von Fachleistung und existenzsichernder Leistung führt zu neuen Aufgaben des rechtlichen Betreuers

Am 1.1.2020 tritt die 3. Stufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft. Mit diesem Reformschritt wird die Eingliederungshilfe vom SGB XII (Sozialhilfe) in den Teil 2 des SGB IX überführt. Dieser Teil 2 ist betitelt mit „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)“.

Mit dieser Überführung in das SGB IX wird mit dem Teil 2 ein neues eigenes Leistungsrecht für die Eingliederungshilfe geschaffen, in dem klar zwischen Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen getrennt wird. Eingliederungshilfeleistungen sind dann nur noch Fachleistungen; nur diese können dann von den Leistungserbringern mit den Eingliederungshilfeträger abgerechnet werden.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts richten sich dann nach den allgemeinen Vorschriften des SGB XII – also je nach Vorliegen der Voraussetzungen Hilfe zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB XII) oder Grundsicherung im Alter und dauerhafter Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII) oder Grundsicherungsleistungen nach SGB II („Hartz IV), falls Erwerbsfähigkeit noch gegeben ist.

Was wird 2020 mit dem Barbetrag?

Diese Aufsplittung in Fach- und existenzsichernde Leistungen hat auf die „Barbetragsproblematik“ folgende Auswirkungen:

Für viele Bewohner in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe ist er eine wichtige Größe: der Barbetrag. Darüber können sie in der Regel frei verfügen und persönliche Dinge kaufen, von Musik-CDs über Süßigkeiten bis zu Kosmetikartikel. Der zurzeit gültige Barbetrag beträgt 112,30 EUR, das sind gemäß § 27b SGB XII 27 Prozent der Regelbedarfsstufe 1. Er stellt einen teilweisen Ausgleich dafür dar, dass hilfebedürftige Menschen in stationären Einrichtungen keinen Regelsatz erhalten und ohne Barbetrag ohne verfügbare finanzielle Mittel dastehen würden.

Mit der Trennung von Fachleistung der Eingliederungshilfe und Lebensunterhalt wird es ab dem Jahr 2020 in der neuen Wohnform als Nachfolgeregelung zur heutigen stationären Einrichtung keinen Barbetrag mehr geben. Allerdings fällt der Barbetrag nicht ersatzlos weg, sondern er wird durch den an die Leistungsberechtigten in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu zahlenden Regelsatz ersetzt. Dies ist die Konsequenz der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen untereinander und unabhängig von der Wohnform. Leben sie in Wohnungen, erhalten sie bereits heute einen monatlichen Regelsatz und keinen Barbetrag. Dies wird ab 2020 auch für Menschen mit Behinderungen in der neuen Wohnform gelten, welche die heutige stationäre Einrichtung ablöst.

Aufgrund der Trennung der bislang in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbrachten Komplexleistung entfallen die derzeit bestehenden Unterschiede in der Deckung der Lebensunterhaltsbedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung) bei Leistungsberechtigten, die in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe untergebracht sind, gegenüber Leistungsberechtigten, die in Wohnungen leben.

Für den notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a Absatz 1 Satz 1 SGB XII von Erwachsenen bedeutet dies, dass alle für die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums erforderlichen Aufwendungen durch die Bedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu decken sind. Dies sind insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Wohnungsausstattung einschließlich Fernseher und Computer, sowie Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens, wozu auch in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft zählt. Darin eingeschlossen sind alle durch die Regelbedarfe abgedeckten Bedarfslagen, die hierfür erforderlichen Aufwendungen sind aus dem monatlichen Regelsatz zu finanzieren.

Ab dem Jahr 2020 gilt dies auch für Menschen mit Behinderungen, die heute in einer stationären Einrichtung leben. Diesem Personenkreis sind neben dem Regelsatz nach der ab 1.1.2020 für diesen Personenkreis geltenden Regelbedarfsstufe 2 alle weiteren Lebensunterhaltsbedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anzuerkennen, für die im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt werden. Dies schließt Bedarfe für Unterkunft und Heizung mit ein.

Damit die Leistungsberechtigten wieder in den Genuss eines Barbetrag zur persönliche Verfügung kommen können, wird in der Gesamtplankonferenz auch darüber beraten, welcher Anteil vom Regelsatz der Leistungsanbieter für seine Leistungen erhält und welcher Anteil den Leistungsberechtigten danach als Bargeldleistung für die Deckung der vom Leistungsanbieter nicht abgedeckten persönlichen Bedarfen verbleibt. Dies ist ausdrücklich im § 121 Abs. 4 Ziffer 6 SGB IX in der Fassung ab 1.1.2020 so festgelegt. Das Beratungsergebnis wird im Gesamtplan, der dann Grundlage für den Verwaltungsakt ist, dokumentiert und dadurch rechtlich verbindlich. Gleichzeitig wird mit der Beratung in der Gesamtplankonferenz auch Transparenz und Kontrolle darüber hergestellt, für welche Leistung der Leistungsanbieter Beträge in welcher Höhe in Rechnung stellt, die dann aus dem monatlichen Regelsatz zu finanzieren sind.

Auswirkungen auf die rechtliche Betreuung

Für die rechtliche Betreuung bedeutet dies, dass bereits vor dem Jahreswechsel vom rechtlichen Betreuer dafür gesorgt werden muss, dass

  • ein Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt wird
  • ggfs. ein Konto eingerichtet wird, auf den die existenzsichernden Leistungen eingezahlt werden
  • mit dem Leistungserbringer entsprechende Verträge/Vertragsänderungen hinsichtlich der Wohnleistungen erstellt wird bzw. dass bei Zugang von Schreiben des Leistungserbringers diese geprüft und unterzeichnet werden
  • bei Teilhabeplan- bzw. Gesamtplankonferenz die Rechte des Betreuten gewahrt werden bzw. seinen Wünschen entsprochen wird
  • … und vieles mehr, was evtl. jetzt noch gar nicht absehbar ist, weil in den einzelnen Bundesländern die Rahmenverträge usw. noch nicht ausgehandelt sind.

Wer sich zur neuen Rechtslage fit machen möchte, dem sei dieses WALHALLA Praktikerseminar empfohlen:

>> BTHG 2020: Was kommt auf rechtliche Betreuer und Bevollmächtigte zu?

Termine und Orte:
20.11.2019, München >> Jetzt anmelden
04.12.2019, Frankfurt am Main >> Jetzt anmelden
27.01.2020, Hamburg  >> Jetzt anmelden
29.01.2019, Kassel >> Jetzt anmelden


Wohngeldstärkungsgesetz – Entwurf

Am 21. September 2018 tagte der Wohngipfel von Bund und Ländern. Ergebnis: eine Aufstockung der Mittel für Wohngeld auf insgesamt 1,185 Milliarden Euro. Um Haushalte mit niedrigem Einkommen bei den Wohnkosten stärker zu entlasten, haben Bund und Länder auf dem Wohngipfel eine Verbesserung des Wohngeldes zum 1. Januar 2020 vereinbart. Dies greift auch die Vorgabe des Koalitionsvertrages auf, wonach das Wohngeld an die jeweiligen allgemeinen und individuellen Lebensbedingungen angepasst werden soll.

Zuletzt wurde das Wohngeld zum 1. Januar 2016 angepasst. Seitdem sind die Wohnkosten und die Verbraucherpreise deutlich gestiegen und werden voraussichtlich weiter steigen. Die Leistungsfähigkeit des Wohngeldes nimmt dadurch mit der Zeit ab. Zusätzlich führen Einkommensanstiege, die nur die Verbraucherpreisentwicklung ausgleichen, zu einer Reduktion oder dem Verlust des Wohngeldanspruchs. Dies hat zur Folge, dass die Zahl an Wohngeldempfängerhaushalten und damit die Reichweite des Wohngeldes sinken.

Der Entwurf eines Wohngeldstärkungsgesetz  sieht vor:

Eine Anpassung der Parameter der Wohngeldformel, um die Zahl der Wohngeldempfängerinnen und -empfänger zu erhöhen und das Leistungsniveau insgesamt anzuheben. Dies betrifft die Anzahl der Haushaltsmitglieder, das monatliche Haushaltseinkommen sowie die monatliche Miete, (Anlage 1 zu § 19 Abs. 1 WoGG – Entwurf i.V.m. § 19 Abs. 1 WoGG – Entwurf). Eine Anpassung an die allgemeine Entwicklung von Mieten und der nominalen Einkommen in Höhe der Inflation ist dabei berücksichtigt.

Einführung einer Mietenstufe VII, um Gemeinden (ab 10 000 Einwohnern) und Kreise (mit Gemeinden unter 10 000 Einwohnern und gemeindefreien Gebieten) mit besonders hohen Mietenniveaus noch gezielter bei den Wohnkosten zu entlasten. Die einzuführende Mietenstufe VII greift bei einer Abweichung der Miete von 35 Prozent und höher vom bundesdeutschen Mietniveau (pro Quadratmeter), (§ 12 Abs. 5 WoGG – Entwurf). Die Wohngeldleistungen liegen dann in dieser Mietenstufe um etwa 10 Prozent höher als die Leistungen gemäß Stufe VI. Aufgrund dieser Anpassung erhöht sich beispielsweise der maximale Mietbetrag für einen Zweipersonenhaushalt in einer Region, die mehr als 35 Prozent über dem bundesdeutschen Mietniveau (pro Quadratmeter) liegt, um 134 Euro von 633 Euro auf 767 Euro.

Regional gestaffelte Anhebung der Miethöchstbeträge zur Anpassung an die regional differenzierte Mietenentwicklung. So steigt beispielsweise der Höchstbetrag für Miete und Belastung für einen Zweipersonenhaushalt in der Mietenstufe VI von 633 Euro auf 697 Euro. Dies entspricht einer Steigerung von etwa 10 Prozent. Die durchschnittliche Steigerung der Miethöchstsätze beträgt 9,13 Prozent.

Die regelmäßige Überprüfung des Anpassungsbedarfs des Wohngeldes (§ 39 WoGG – Entwurf) soll künftig die Grundlage für eine gegebenenfalls erforderliche, zeitnahe Anpassung des Wohngeldes sein.

Um sicherzustellen, dass alle Wohngeldbeziehenden zeitnah von der Neuregelung profitieren, werden von Amts wegen neue Bescheide erlassen, ohne dass dafür ein Antrag erforderlich ist, (§ 42b Abs. 1 WoGG – Entwurf). Zudem soll nach Inkrafttreten des Gesetzes der vormals bewilligte Betrag des Wohngeldes ausgezahlt werden, auch wenn sich bei der Neuberechnung des Wohngeldes ein niedrigerer Betrag ergeben sollte, (§ 42b Abs. 1 S. 3 WoGG – Entwurf).

Das Gesetz soll zum 1.1.2020 in Kraft treten.

Quelle: Referentenentwurf Wohngeldstärkungsgsetz

Abbildung: pixabay.com: houses-1719055_1280.png

Erhöhung der Vergütung von beruflichen Betreuern und Vormündern: Gesetzentwurf liegt vor

Über zehn Jahre hat sich an der Vergütung nichts geändert. Und nun geht es doch schneller als erwartet: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung – an den Bundesrat übermittelt am 1. März 2019 – wurde als besonders eilbedürftig qualifiziert und mit Fristablaufsdatum 12. April 2019 versehen. Dies deutet stark darauf hin, dass der Zeitplan der Bundesregierung darauf abzielt, das Gesetzgebungsverfahren mit 2. Einbringen in den Bundesrat am 12. April 2019 abzuschließen.

Der Zeitplan würde dann wie folgt lauten:

  • Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • Zweite und dritte Lesung im Bundestag
  • 12.04.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat (also vorauss. Mai oder spätestens Juni 2019)

Quelle: Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung (Drs. 101/19)

Abbildung: pixabay.com – geralt