Abbau unnötiger bürokratischer Hürden – Beschluss der 96. Justizministerkonferenz

Die Justizministerkonferenz (JuMiKo) hat sich auf seiner Tagung vom 4. bis 6. Juni 2025 klar für den Abbau unnötiger bürokratischer Hürden im Betreuungsrecht ausgesprochen, um eine qualitativ hochwertige Betreuung auch künftig nachhaltig zu sichern. Die Länder betonen, dass die hohe Qualität der rechtlichen Betreuung – angesichts des demografischen Wandels und des wachsenden Bedarfs – nur erhalten werden kann, wenn sowohl ehrenamtliche als auch berufliche Betreuer von übermäßigen bürokratischen Belastungen entlastet werden.

Konkret fordern die Justizministerinnen und Justizminister

  • Eine Überprüfung und Reduzierung der Berichts-, Genehmigungs- und Rechnungslegungspflichten für Betreuer auf das unbedingt notwendige Maß, das zum Schutz der Betreuten erforderlich ist. Dies betrifft insbesondere:
    • die Vorgaben für Jahresberichte,
    • die Rechnungslegungspflichten, auch wenn keine Vermögensgefährdung vorliegt,
    • die Genehmigungspflicht bei der bargeldlosen Annahme von Erlösen aus zulässigen Veräußerungen.
  • Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz wird gebeten, diese Pflichten auf mögliche Vereinfachungen hin kritisch zu überprüfen, um die Betreuungspraxis zu entlasten und die Qualität der Betreuung zu sichern.

Erleichterung der Registrierung beruflicher Betreuer

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Erleichterung der Registrierung als beruflicher Betreuer. Bislang ist eine Registrierung nur für Selbstständige oder Mitarbeiter von Betreuungsvereinen möglich. Künftig soll auch Angestellten eines beruflichen Betreuers die Registrierung ermöglicht werden, um die Nachwuchsgewinnung zu erleichtern und eine bessere Einarbeitung sowie Übergabe bei altersbedingten Rückzügen zu gewährleisten.

Hintergrund und Zielsetzung

Die Länder reagieren damit auf den zunehmenden Nachwuchsmangel im Bereich der rechtlichen Betreuung und den steigenden Bedarf durch den demografischen Wandel. Ziel ist es, das Ehrenamt und den Beruf des Betreuers attraktiver zu machen und unnötige bürokratische Hürden abzubauen, ohne den Schutz der betreuten Menschen zu gefährden.

Den Beschluss im Wortlaut kann man hier nachlesen: https://www.justiz.sachsen.de/smj/download/Beschluesse96JuMiKoFruehjahr.pdf

Betreuerbestellung trotz unbekannten Aufenthalts möglich

Ein Betreuer kann auch dann bestellt werden, wenn der Aufenthaltsort der betroffenen Person unbekannt ist. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom vom 9. April 2025 (XII ZB 235/24) in einem Fall bestätigt, in dem eine demenziell erkrankte Person seit Monaten verschwunden ist. Voraussetzung ist, dass der Betreuer trotz dieser Unkenntnis rechtlich im Sinne der Person handeln kann oder ein konkreter Betreuungsbedarf entstehen könnte, falls der Aufenthalt ermittelt wird oder die Person zurückkehrt. Entscheidend ist, dass das Gericht von der Betreuungsbedürftigkeit überzeugt ist.

Folgender Sachverhalt lag vor:

Der Betroffene leidet an einer kognitiven Störung mit Verdacht auf Demenz. Bereits 2018 hatte er einer anderen Person eine umfassende Generalvollmacht erteilt. Später bestellte das Amtsgericht einen professionellen Betreuer, der diese Vollmacht widerrief. Nach erneuter Prüfung ordnete das Gericht zusätzlich einen sogenannten „Einwilligungsvorbehalt“ für die Vermögenssorge an. Im Dezember 2023 verließ der Betroffene seine Wohneinrichtung, seither ist sein Aufenthaltsort unbekannt. Gegen die gerichtlichen Maßnahmen legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein.

So hat das Gericht entschieden:

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof bestätigte die vorherigen Entscheidungen.

Betreuung ist auch bei unbekanntem Aufenthaltsort möglich

Ein Betreuer darf bestellt werden, wenn es dafür einen konkreten Bedarf gibt. Auch wenn der aktuelle Aufenthaltsort der betroffenen Person nicht bekannt ist, kann dieser Bedarf bestehen – etwa wenn der Betreuer durch rechtliche Schritte das Wohl der Person sichern kann oder absehbar ist, dass bei einer Rückkehr Betreuungsaufgaben anfallen würden (§ 1814 Abs. 3 Satz 1 BGB, § 1815 Abs. 1 Satz 3 BGB). Das Gericht muss dabei alle verfügbaren Informationen ausschöpfen (§ 26 FamFG).

Der Betreuungsbedarf war ausreichend belegt

Der Bundesgerichtshof sah den Bedarf an Betreuung für verschiedene Lebensbereiche als gut begründet an. So könne es jederzeit nötig werden, medizinische Entscheidungen zu treffen, etwa bei Gesundheitsproblemen oder einem neuen Krankenhausaufenthalt. Auch eine geeignete Wohnsituation müsse gegebenenfalls organisiert werden. Für die Vermögenssorge bestand Handlungsbedarf, weil der Betreuer versuchte, unrechtmäßig verwendetes Geld für den Betroffenen zurückzufordern. Post- und Behördenangelegenheiten konnte der Betroffene ebenfalls nicht mehr eigenständig regeln.

Einwilligungsvorbehalt war rechtlich gerechtfertigt

Der Einwilligungsvorbehalt im Bereich Vermögen war laut Gericht notwendig, weil der Betroffene in der Vergangenheit finanziell stark beeinflussbar war. Es bestand die Gefahr, dass er ohne Schutz sein Einkommen verlieren würde (§ 1825 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Keine „Unbetreubarkeit“ trotz fehlenden Kontakts

Dass der Betroffene verschwunden ist, reichte nicht aus, um eine Betreuung als sinnlos anzusehen. Selbst ohne direkten Kontakt könne der Betreuer rechtlich im Sinne der Person handeln – etwa durch Anträge bei Sozialversicherungen oder Wohnungsorganisation. Zudem war in der Vergangenheit eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung nötig, was auch in Zukunft wieder der Fall sein könne.

Bundesgerichtshof vom 9. April 2025 (XII ZB 235/24)

Erneute Einrichtung einer Kontrollbetreuung möglich

Eine Kontrollbetreuung kann erneut angeordnet werden – vorausgesetzt, es gibt neue Hinweise, die eine Prüfung rechtfertigen. Das gilt besonders dann, wenn es um hohe Geldbeträge geht, die möglicherweise zu Unrecht übertragen wurden und der Bevollmächtigte zugleich derjenige ist, gegen den sich mögliche Rückforderungen richten. Der BGH entschied in seinem Beschluss vom 26. März 2025 (XII ZB 178/24), dass in einem solchen Fall ein erheblicher Interessenkonflikt vorliegt, der eine Kontrollbetreuung notwendig macht.

Sachverhalt

Die inzwischen 90-jährige Betroffene lebt seit 2019 in einem Pflegeheim und ist an Demenz erkrankt. Sie hatte 2004 ihren beiden Söhnen eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt, jedoch die Vollmacht gegenüber dem älteren Sohn (Beteiligter zu 1) im Jahr 2015 widerrufen. Der andere Sohn (Beteiligter zu 2) blieb weiterhin bevollmächtigt.

Im Juli 2018 erhielt der Beteiligte zu 2 von der Betroffenen Geschenke in Höhe von insgesamt 900.000 Euro. Aufgrund eines Verdachts auf Missbrauch wurde 2021 eine Kontrollbetreuerin eingesetzt. Diese konnte jedoch keinen Missbrauch feststellen, woraufhin das Amtsgericht die Betreuung 2022 wieder aufhob.

Im Jahr 2022 stellte der Beteiligte zu 1 erneut einen Antrag auf Kontrollbetreuung. Er meinte, die Betroffene sei schon im Jahr 2018 geschäftsunfähig gewesen, wodurch die damaligen Schenkungen unwirksam seien. Das Amtsgericht lehnte ab, das Landgericht jedoch ordnete erneut eine Kontrollbetreuung an. Dagegen wandte sich der Beteiligte zu 2 mit einer Rechtsbeschwerde.

So hat der BGH entschieden

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und sah die Anordnung der Kontrollbetreuung als rechtmäßig an.

Keine Bindung an frühere Entscheidung

Der Bundesgerichtshof stellte zunächst klar, dass die frühere Aufhebung der Kontrollbetreuung im Jahr 2022 nicht verbindlich ist. Anders als in Streitverfahren entsteht in Betreuungssachen keine „materielle Rechtskraft“. Gerichte dürfen also – gerade bei neuen Informationen – jederzeit neu prüfen, ob eine Betreuung erforderlich ist.

Betroffene kann ihre Rechte nicht mehr selbst wahrnehmen

Nach Ansicht des Gerichts ist die Betroffene aufgrund ihrer Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage, selbst zu beurteilen, ob sie ihre Schenkungen zurückfordern möchte. Damit ist die erste Voraussetzung für eine Kontrollbetreuung nach § 1820 Abs. 3 Nr. 1 BGB erfüllt.

Konkrete Anhaltspunkte für Betreuungsbedarf

Es liegen konkrete Hinweise vor, dass der Bevollmächtigte – also der Beteiligte zu 2 – die Angelegenheiten der Betroffenen nicht im Sinne ihres mutmaßlichen Willens regelt (§ 1820 Abs. 3 Nr. 2 BGB). So ist nicht auszuschließen, dass sie bei den Schenkungen 2018 nicht geschäftsfähig war. Da der Bevollmächtigte von den Zuwendungen selbst profitiert hat, liegt ein möglicher Interessenkonflikt vor. Das rechtfertigt eine Kontrolle durch eine unabhängige Betreuerin.

Interessenkonflikt macht neutrale Prüfung erforderlich

Ein Kontrollbetreuer ist besonders dann notwendig, wenn die betroffene Person dem Bevollmächtigten gegenüber mögliche Rückforderungen durchsetzen müsste. Der Beteiligte zu 2 müsste im Grunde gegen sich selbst vorgehen, was eine neutrale Bewertung unmöglich macht. Deshalb ist eine unabhängige dritte Person nötig.

Betreuung ist verhältnismäßig

Auch die Verhältnismäßigkeit wurde geprüft. Angesichts der Höhe der Schenkungen (insgesamt 900.000 Euro) sei die Prüfung durch eine Kontrollbetreuerin im objektiven Interesse der Betroffenen. Die Betreuerin soll unter anderem Krankenakten einholen und klären, ob die Betroffene im Juli 2018 geschäftsunfähig war.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2025 – XII ZB 178/24

Rechtzeitige Information des Energieversorgers bei Umzug

Ab 6. Juni 2025 wird der sogenannte 24-Stunden-Lieferantenwechsel eingeführt. Ziel ist es, Stromanbieterwechsel künftig innerhalb eines Werktages technisch umsetzen zu können. Diese Neuerung dient der Beschleunigung der Abläufe und soll den Wettbewerb auf dem Strommarkt fördern. Diese Verbesserung hat aber auch einen Haken: Rückwirkende An- und Abmeldungen sind dann nicht mehr möglich. Gerade bei Umzügen kann dies zur Herausforderung werden.

Keine rückwirkenden Meldungen mehr möglich

Künftig sind Stromverträge ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft an- oder abzumelden. Die bisher übliche Möglichkeit, Änderungen bis zu sechs Wochen rückwirkend vorzunehmen, entfällt ersatzlos.

Bei Ein- oder Auszügen ist damit eine rechtzeitige Planung zwingend erforderlich. Der Energieversorger sollte frühzeitig – idealerweise 14 Tage vor dem geplanten Wohnungswechsel – informiert werden. Durch pünktliche Abmeldung kann verhindert werden, dass weiter Stromkosten für leerstehende oder bereits verlassene Wohnungen entstehen.

MaLo-ID wird Pflichtangabe

Eine weitere zentrale Änderung betrifft die Identifikation der Verbrauchsstelle. Ab dem 6. Juni 2025 ist die Angabe der Marktlokations-Identifikationsnummer (MaLo-ID) bei jeder An-, Ab- oder Ummeldung verpflichtend. Diese ersetzt die bisher übliche Zählernummer als primäres Identifikationsmerkmal.

Die MaLo-ID ist in der Regel auf der letzten Stromrechnung oder im Kundenportal des Versorgers zu finden. Rechtliche Betreuer sollten diese Information im Rahmen der Aktenführung griffbereit halten und auf ihre Richtigkeit prüfen, denn ohne sie ist eine An- oder Abmeldung künftig nicht mehr möglich.

Familiäre Beziehungen genießen bei der Betreuerauswahl Vorrang

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Grundsatzbeschluss die Rechte von Angehörigen bei der Bestellung zum rechtlichen Betreuer erheblich gestärkt. Künftig dürfen Familienmitglieder nur noch in gut begründeten Ausnahmefällen durch Berufsbetreuer ersetzt werden.

Vorrang ehrenamtlicher Betreuung

Im Zentrum des am 5. März 2025 ergangenen Beschlusses (Az.: XII ZB 260/24) steht der Fall eines Sohnes, der zum Betreuer seiner pflegebedürftigen Mutter bestellt werden wollte. Die Gerichte der Vorinstanzen hatten ihm diese Rolle jedoch verweigert und stattdessen einen externen Berufsbetreuer eingesetzt. Begründet wurde dies mit früherem Fehlverhalten des Sohnes, etwa nächtlichen Besuchen im Pflegeheim und einem übergriffig interpretierten Umgang mit der Mutter.

Der BGH hat diese Entscheidung nun aufgehoben – mit klaren Worten: Familiäre Beziehungen genießen bei der Betreuerauswahl Vorrang.

Der BGH verweist ausdrücklich auf das Zusammenspiel mehrerer gesetzlicher Vorschriften: So legt § 1816 Abs. 5 BGB fest, dass ehrenamtliche Betreuung Vorrang vor beruflicher Betreuung hat. Da Angehörige die Betreuung typischerweise unentgeltlich übernehmen, verstärkt dies ihre rechtliche Bevorzugung zusätzlich.

Diese gesetzliche Wertung reflektiert auch das Grundgesetz: Die Familie steht unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung – und dieser Schutz endet nicht bei gesundheitlicher Hilfsbedürftigkeit.

Ein Angehöriger darf laut § 1816 Abs. 3 BGB nur dann übergangen werden, wenn er nachweislich ungeeignet ist.

Geeignetheitsprüfung: Aktuelles Verhalten und Prognose ausschlaggebend

Die Karlsruher Richter übten scharfe Kritik an der vorinstanzlichen Entscheidung. Das Landgericht hatte seine Entscheidung ausschließlich auf vergangene Vorfälle gestützt – ohne dabei eine aktuelle Einschätzung des Verhaltens des Sohnes ausreichend zu würdigen. Dabei lag dem Gericht sogar eine Bescheinigung der Pflegeeinrichtung vor, in der von einer nachweislichen Verhaltensänderung die Rede war: Der Sohn habe sich an die Situation angepasst, unterstütze das Personal und kümmere sich fürsorglich um seine Mutter.

Für den BGH steht fest: Die Eignungsprüfung müsse sich an der Zukunftsfähigkeit orientieren, nicht an alten Verfehlungen. Dabei gelte der gesetzliche Vorrang der Familie als Richtschnur, nicht als Option. Nur wenn konkrete Umstände die künftige ordnungsgemäße Wahrnehmung der Betreuungspflichten (gemäß § 1821 BGB) ausschließen, könne ein Angehöriger ausgeschlossen werden.

Betreuungsverfahren darf nicht wegen Auslandsaufenthalt eingestellt werden

Auch wenn eine betroffene Person mit deutscher Staatsangehörigkeit während eines laufenden Betreuungsverfahrens in ein Land außerhalb des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens zieht, bleibt ein deutsches Gericht zuständig. Das Verfahren darf nicht allein deshalb eingestellt werden, weil die betroffene Person eine Anhörung verweigert und keine zwangsweise Vorführung im Ausland möglich ist. Vielmehr muss das Gericht anhand der übrigen Erkenntnisse entscheiden, ob eine Betreuung erforderlich ist.

Der Bundesgerichtshof stellte damit mit seiner Entscheidung vom 12. Februar 2025 (XII ZB 128/24) klar: Der effektive Schutz erwachsener Personen steht im Vordergrund.

Sachverhalt

Der 1956 geborene Mann leidet an einer Psychose. Er hatte mehreren Personen, darunter seiner Ehefrau, Vorsorgevollmachten erteilt. Im Juni 2021 ordnete das Amtsgericht Fulda eine rechtliche Betreuung mit einem umfassenden Aufgabenkreis an, da es Zweifel an der Wirksamkeit und Eignung der Vollmachten gab. Nach mehreren Umzügen lebte der Mann zuletzt in einem Heim in Polen. Eine Anhörung im Ausland kam nicht zustande, da er dieser nicht zustimmte. Das Landgericht Dresden stellte daraufhin das Betreuungsverfahren ein. Dagegen legte der Verfahrenspfleger Rechtsbeschwerde ein.

So hat das Gericht entschieden

Deutsche Gerichte bleiben zuständig

Der Bundesgerichtshof erklärte, dass die deutschen Gerichte weiterhin international zuständig sind. Zwar könne nach dem Haager Erwachsenenschutzübereinkommen bei einem Umzug in einen anderen Vertragsstaat die Zuständigkeit auf das neue Land übergehen. Da Polen aber kein Vertragsstaat ist und der Betroffene deutscher Staatsangehöriger ist, ergibt sich die Zuständigkeit aus § 104 FamFG.

Deutsches Recht bleibt anwendbar

Auch nach dem Umzug ins Ausland gilt deutsches Recht. Das ergibt sich entweder direkt aus dem Haager Übereinkommen (Art. 13 ErwSÜ) oder über Art. 24 EGBGB, der bei im Inland angeordneten Fürsorgemaßnahmen deutsches Recht vorsieht. Maßgeblich sei, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der ersten gerichtlichen Entscheidung in Deutschland lebte.

Keine Einstellung des Verfahrens wegen fehlender Anhörung

Das Landgericht Dresden hatte argumentiert, ohne persönliche Anhörung sei das Verfahren nicht fortzusetzen. Der BGH wies dies zurück. Auch wenn eine Anhörung gesetzlich vorgesehen ist (§ 278 FamFG), dürfe das Gericht in Ausnahmefällen – etwa bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit – nach § 34 Abs. 3 FamFG entscheiden. Entscheidend sei, dass alle anderen Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und das Gericht dennoch die Betreuungsbedürftigkeit feststellt.

Der Schutz des Betroffenen steht im Vordergrund

Die Vorinstanzen hatten festgestellt, dass der Mann nicht zu freier Willensbildung fähig sei und seine Bevollmächtigten nicht geeignet seien. Dennoch stellte das Landgericht das Verfahren ein. Das widerspricht nach Ansicht des BGH dem Ziel des Erwachsenenschutzes. Auch wenn der Betroffene keine Zusammenarbeit zeigt, kann eine Betreuung notwendig und wirksam sein, etwa zur Durchsetzung eines Aufenthaltsbestimmungsrechts, wenn der Aufenthalt im Ausland nicht seinem Willen entspricht.

Betreuerauswahl muss neu geprüft werden

Da die ursprünglich eingesetzte Betreuerin eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit abgelehnt hat und keine gesetzliche Grundlage für eine „vorläufige Entlassung“ besteht, muss das Landgericht Dresden auch einen neuen Betreuer bestimmen.

Bundesgerichtshof vom 12. Februar 2025 (XII ZB 128/24)

Informationswoche zum Betreuungsrecht in NRW gestartet

Vom 28. April bis 3. Mai 2025 findet in Nordrhein-Westfalen eine landesweite Informationswoche zum Betreuungsrecht statt. Organisiert wird die Aktion gemeinsam vom Ministerium der Justiz und dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ziel ist es, Bürgerinnen und Bürger über rechtliche Betreuung, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu informieren und für die Bedeutung frühzeitiger Vorsorge zu sensibilisieren.

Insgesamt beteiligen sich 30 Amtsgerichte aus den Bezirken der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Hamm und Köln an der Aktionswoche. Vor Ort werden Informationsstände, Fachvorträge, Podiumsdiskussionen und persönliche Beratungsgespräche angeboten. Dabei stehen Expertinnen und Experten aus Justiz, Betreuungsvereinen und Betreuungsbehörden zur Verfügung, um Fragen zu beantworten und Unterstützung anzubieten.

Staatssekretärin Dr. Daniela Brückner betont die Bedeutung rechtlicher Vorsorge: „Rechtliche Betreuung und Vorsorge helfen dabei, dass unsere Wünsche und Überzeugungen auch dann Gewicht haben, wenn wir selbst nicht mehr für uns sprechen können.“ Staatssekretär Matthias Heidmeier hebt hervor, dass die Informationswoche auch dazu dient, neue ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer zu gewinnen. Das Land unterstützt die Arbeit der Betreuungsvereine in diesem Jahr mit 10,5 Millionen Euro.

Weitere Informationen zur Informationswoche und den beteiligten Gerichten auf der Website des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW zu finden: Landesweite Informationswoche zum Betreuungsrecht – MAGS NRW

Begrenzung des Betreuerverschuldens: BGH konkretisiert Zurechnungsvoraussetzungen

Mit seiner aktuellen Entscheidung vom 22. Januar 2025 (XII ZB 450/23) hat der Bundesgerichtshof wichtige Leitlinien zur Zurechnung von Betreuerverschulden bei gerichtlichen Verfahren (hier: Wiedereinsetzungsantrag) formuliert.

Sachverhalt:
Eine Mutter wurde durch das Amtsgericht zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Gegen den entsprechenden Beschluss wurde Beschwerde erst verspätet eingelegt. Im Wiedereinsetzungsantrag berief sich die Mutter auf das Versäumnis ihres im laufenden Verfahren bestellten Betreuers, der den Beschluss erhalten, jedoch nicht weitergeleitet oder reagiert hatte.

Entscheidung des BGH:
Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass das Verschulden eines Betreuers dem betreuten Beteiligten nur dann gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 51 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden kann, wenn der Betreuer als gesetzlicher Vertreter in das Verfahren eintritt und es für den Beteiligten als dessen gesetzlicher Vertreter (fort-)führt. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben: Der Betreuer hatte sich weder durch eigene Anträge noch durch inhaltliche Stellungnahmen aktiv am Verfahren beteiligt. Eine bloße Anwesenheit oder Unterstützungsleistung in der Verhandlung reicht für eine Zurechnung nicht aus.

Folge:
Da kein zurechenbares Verschulden vorlag, wurde der Mutter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Zugleich hob der BGH die ablehnende Entscheidung des OLG Hamm auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Bedeutung für die Betreuerpraxis

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer genauen Prüfung, ob ein Betreuer tatsächlich als gesetzlicher Verfahrensvertreter agiert hat. Erst dann ist sein Verhalten dem betreuten Beteiligten zuzurechnen.

Das Urteil hat damit eine Signalwirkung zum Thema „Verschulden des Betreuers“, weil es die Voraussetzungen dafür klar und einengend definiert, unter denen das Verhalten eines Betreuers in Gerichtsverfahren der betreuten Person zugerechnet werden darf.

  1. Keine automatische Zurechnung des Betreuerverhaltens
    Der BGH betont: Das Verhalten eines Betreuers kann nicht automatisch der betreuten Person zugerechnet werden. Entscheidend ist, ob der Betreuer das gerichtliche Verfahren aktiv als gesetzlicher Vertreter führt. Hat er das Verfahren lediglich „begleitet“, aber keine Verantwortung übernommen, liegt kein zurechenbares Verschulden vor.
  2. Hohe Anforderungen an die „Verfahrensführung“
    Es genügt nicht, wenn der Betreuer z. B. bei einer mündlichen Verhandlung anwesend ist oder im Hintergrund unterstützt. Es muss feststehen, dass er im Namen der betreuten Person Anträge stellt oder Erklärungen abgibt – also das Verfahren tatsächlich führt.
  3. Stärkung des effektiven Rechtsschutzes
    Diese Auslegung schützt betreute Personen davor, ihre Rechte zu verlieren, nur weil ein Betreuer passiv bleibt oder Fehler macht, ohne sich offiziell ins Verfahren einzubringen. Das stärkt den verfassungsrechtlich garantierten Zugang zum Gericht und das Vertrauen in das Betreuungsrecht.

Abbildung: fotalia – Picasa

Klare Regeln für Zwangsbehandlungen außerhalb von Krankenhäusern

Der Betreuungsgerichtstag e. V. (BGT) hat ein Thesenpapier zur geplanten Neuregelung ärztlicher Zwangsmaßnahmen nach § 1832 BGB vorgelegt. Anlass ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. November 2024, das den bisherigen sogenannten Krankenhausvorbehalt in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat. Der BGT begrüßt die geforderte gesetzliche Nachbesserung, warnt aber zugleich vor vorschnellen Lockerungen.

Hintergrund: Krankenhauspflicht nicht mehr ausnahmslos zulässig

Laut Bundesverfassungsgericht darf eine Zwangsbehandlung nicht mehr grundsätzlich nur in einem Krankenhaus erfolgen, wenn dies im Einzelfall unverhältnismäßig wäre. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis Ende 2026 eine verfassungskonforme Lösung zu schaffen.

BGT: Drei zentrale Forderungen für die Neuregelung

Der BGT fordert in seinem Papier:

  1. Verfassungskonforme Ausnahmeregelung: Eine Ausnahme vom Krankenhausvorbehalt soll nur dann möglich sein, wenn eine Verlegung in ein Krankenhaus aus subjektiven Gründen unzumutbar ist und die alternative Einrichtung nahezu den medizinischen Standard eines Krankenhauses erfüllt.
  2. Ultima-ratio-Prinzip stärken: Zwangsmaßnahmen dürfen nur als letztes Mittel („ultima ratio“) angewendet werden. Die gesetzlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben sollen laut BGT verschärft werden, um dies in der Praxis konsequenter sicherzustellen.
  3. Keine einstweilige Genehmigung für Ausnahmen: Die Ausnahme vom Krankenhausvorbehalt dürfe nicht im Eilverfahren (einstweilige Anordnung) zugelassen werden. Eine solche Entscheidung erfordere laut BGT eine gründliche Prüfung im Hauptverfahren.

Ablehnung weitergehender Ambulantisierung

Der BGT lehnt eine generelle Verlagerung von Zwangsbehandlungen in den ambulanten Bereich strikt ab. Voraussetzung für Ausnahmen sei, dass der sogenannte Krankenhausstandard am alternativen Ort gewährleistet ist – auch was Vorbereitung und Nachsorge betrifft.

Einheitliche Regelung auch für Bevollmächtigte

Auch wenn eine Zwangsmaßnahme mit Einwilligung eines Bevollmächtigten erfolgt, sollen laut BGT die gleichen strengen Anforderungen gelten – inklusive der ausdrücklichen und schriftlichen Erteilung der Vollmacht.

Evaluation zeigt Umsetzungsdefizite

Ein vom Justizministerium beauftragter Evaluationsbericht habe gezeigt, dass die bestehenden gesetzlichen Anforderungen in der Praxis häufig unzureichend geprüft würden. Der BGT fordert daher eine Überarbeitung auch der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorschriften, um Grundrechte besser zu schützen.

Das Thesenpapier kann auf den Seiten des BGT nachgelesen werden: Mediendatenbank BGT .

Betreuervergütung im Koalitionsvertrag

Der gestern veröffentlichte Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode legt den Fokus auch auf eine Reform der Betreuervergütung. Dieses Thema hat in den vergangenen Monaten erhebliche Aufmerksamkeit erhalten, insbesondere nach dem Bruch der vorherigen Regierungskoalition im November 2024, der die Umsetzung der Reform gefährdete.

Trotz der politischen Turbulenzen wurde noch von der alten Bundesregierung in letzter Minute das „Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025 – KostBRÄG 2025″ verabschiedet; am 10. April 2025 ist dieses im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Wir haben über die Neuerungen berichtet.

Der Bundesverband der Berufsbetreuer*innen (BdB) begrüßte das Gesetz als dringend erforderliche Zwischenlösung, betonte jedoch die Notwendigkeit einer umfassenden Reform. Dem trägt nun der Koalitionsvertrag Rechnung. In Zeile 2806-2808 findet sich die entsprechende Passage:

Screenshot aus dem Koalitionsvertrag mit dem Text: Reform der Betreuervergütung Wir werden das Betreuungsvergütungsgeesetz zeitnah evaluieren und eine nachhaltige, leistungs- und verantwortungsgerechte Reform der Vergütungsstruktur verabschieden.

Basieren werden etwaige Verbesserungen dann auf dem Ergebnis der Überprüfung des Finanzbedarfs. Eine solche Evaluierungsklausel, die eine Überprüfung bis spätestens Ende 2027 vorsieht, wurde ja im Gesetz verankert. Dies soll sicherstellen, dass das System langfristig tragfähig ist und den Anforderungen gerecht wird.

Mit der expliziten Nennung der Betreuervergütung im aktuellen Koalitionsvertrag unterstreicht die neue Regierungskoalition die Bedeutung dieses Themas. Es bleibt abzuwarten, wie die angekündigte Reform konkret ausgestaltet wird und inwieweit sie den Forderungen der Berufsverbände nach einer nachhaltigen und gerechten Vergütungsstruktur entsprechen.

Abbildung: pixabay.com – geralt