Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung ab 2026?

Mehr Geld für Betreuerinnen und Betreuer, Vormünder und im Familienrecht tätige Pflegerinnen und Pfleger: Bundesministerium der Justiz veröffentlichte am 16. September 2024 den  „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern“ als Referentenentwurf.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärte dazu:
„Zu kompliziert, zu bürokratisch, zu niedrig: Die Vergütung von beruflichen Betreuerinnen und Betreuern sowie Vormündern ist nicht mehr zeitgemäß. Viele Menschen in unserem Land sind auf eine rechtliche Betreuung angewiesen. Durch Alter, Krankheit oder Behinderung können sich viele Menschen nicht um ihre eigenen rechtlichen Angelegenheiten kümmern. Auch Vormünder leisten wichtige Arbeit: Gefragt sind sie dann, wenn Eltern nicht für ihr Kind sorgen und es nicht vertreten können. Wir wollen, dass diese Arbeit angemessen und möglichst unkompliziert vergütet wird. Dazu reformieren wir jetzt die Vormünder- und Betreuervergütung. Dabei haben wir auch die ehrenamtlichen Betreuer und Vormünder im Blick. Weniger Bürokratie – dafür angemessene Bezahlung und Aufwandsentschädigung: Das bleibt unser Ziel.“

Geplante Neuerungen

Erhöhung der Vergütung für berufliche Betreuerinnen und Betreuer
Die Vergütung der beruflichen Betreuerinnen und Betreuer wird um durchschnittlich 12,7 Prozent erhöht. Dieser Erhöhungsrahmen orientiert sich an den bei den Betreuungsvereinen zur Refinanzierung einer tarifgebundenen Vollzeit-Vereinsbetreuerstelle anfallenden Kosten im Vergleich zur aktuellen durchschnittlichen Vergütung.

Vereinfachung der Vergütungssystematik
Das neue Vergütungssystem sieht vor, die Fallpauschalen von bisher 60 auf nur noch acht monatliche Pauschalen zu reduzieren. Diese sollen sich in Grund- und Qualifikationsstufen gliedern, wobei die Differenzierung nach dem Aufenthaltsort des Betreuten entfällt. Künftig wird nur noch zwischen Betreuungen, die bis zu zwölf Monate dauern, und solchen, die länger andauern, unterschieden.

Wegfall von Sonderpauschalen
Die bisher vorgesehenen Pauschalen für spezielle Betreuungskonstellationen werden abgeschafft, was die Berechnung der Vergütung deutlich vereinfacht und die Bearbeitung in den Gerichten beschleunigen soll.

Anpassung an das Tarifniveau
Die Vergütung der beruflichen Betreuer wird künftig an die Tarifanpassungen im öffentlichen Dienst gekoppelt. Die Fallpauschalen sollen an die Kosten einer Vollzeit-Betreuungsstelle angelehnt werden, um eine auskömmliche Finanzierung zu gewährleisten.

Dauervergütungsfestsetzung als Regelform
Die Dauervergütungsfestsetzung, die bislang nur eine Option war, wird zur Regelform. Dies soll den Verwaltungsaufwand für die Rechtspfleger deutlich reduzieren und sicherstellen, dass Betreuer regelmäßig und planbar vergütet werden können.

Erhöhung der Aufwandspauschale für ehrenamtliche Betreuer
Auch die Aufwandspauschale für ehrenamtliche Betreuer wird an die gestiegenen Kosten angepasst, um den seit 2022 erhöhten Aufwand zu kompensieren. Deshalb soll die jährliche Aufwandschale nach § 1878 BGB von 425 Euro auf 450 Euro erhöht werden.

Anpassung der Vormündervergütung
Die Vergütung für berufliche Vormünder, Verfahrenspfleger sowie Umgangs- und Nachlasspfleger wird ebenfalls angehoben – ebenfalls um durchschnittlich 12,7 Prozent. Neu eingeführt wird eine Sondervergütung für Tätigkeiten außerhalb der Geschäftszeiten, um Anreize für die Übernahme dieser anspruchsvollen Aufgaben zu schaffen.

Entbürokratisierung der Schlussabwicklung bei Beendigung der Betreuung
Die Schlussabwicklung bei der Beendigung einer Betreuung wird vereinfacht, um bürokratische Hürden abzubauen und die Arbeit der Gerichte zu entlasten. So soll auf das Instrument der Schlussrechnungslegung weitgehend verzichtet werden. Die Verpflichtung soll lediglich in den Fällen einer fortdauernden Betreuung und der Amtsbeendigung durch Betreuerwechsel erhalten bleiben. In den übrigen Fällen soll sie durch eine Pflicht zur Einreichung einer Vermögensübersicht ersetzt werden. Auch die Pflicht zur Schlussberichterstattung soll neu geregelt werden: Sie soll auf den Fall der Beendigung des Betreueramtes durch Betreuerwechsel begrenzt werden und gleichzeitig hinsichtlich der Mitteilungspflichten konkretisiert werden.

Weiteres Vorgehen und Inkrafttreten

Der Referentenentwurf wurde am 16. September 2024 an die Bundesländer und Verbände mit der Bitte um Stellungnahme versendet. Im Laufe des Oktobers soll der Entwurf dann – ggf. bereits nachgebessert – in den Koalitionsausschuss eingebracht und dann als Regierungsentwurf in das Gesetzgebungsverfahren eingephast werden.

Bis der genannte Personenkreis eine erhöhte Vergütung erhält dauert es allerdings. Als Inkrafttreten ist derzeit der 1. Januar 2026 genannt. Bis dahin gelten die Regelungen der Inflationsausgleichs-Sonderzahlung, die seit 1. Januar 2024 als vorübergehende Zwischenlösung eine monatliche Sonderzahlung eingeführt hat und die zum 31. Dezember 2025 ausläuft.

Quelle: Pressemeldung BMJ vom 16.9.2024 und BMJ-Seite zum Gesetzgebungsverfahren

Abbildung: pixabay – wewewegrafikbaydeh

Pauschale bis Beendigung des Mietverhältnisses bei Leerstand

Einem beruflichen Betreuer, dem der Aufgabenbereich der Wohnungsangelegenheiten übertragen wurde, steht für den Zeitraum zwischen dem dauerhaften Umzug des nicht mittellosen Betroffenen aus dessen bisheriger, nicht vom Ehegatten des Betroffenen genutzter Mietwohnung in ein Pflegeheim und der Beendigung dieses Mietverhältnisses die gesonderte Pauschale nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG zu – so der BGH in seinem Beschluss vom 10. April 2024 (Az. XII ZB 559/23).

So sahen es die Gerichte bisher

Der zusätzliche Verwaltungsaufwand ergibt sich aus der Notwendigkeit der Bewirtschaftung und Instandhaltung. Keine zusätzliche Pauschale fällt an, wenn der bisher von dem Betreuten genutzte Wohnraum von dem Ehegatten weiter genutzt wird. Dies war bereits die Rechtsauffassung des LG Hamburg (Beschl. v. 8.12.2022 – 314 T 37/22).

Anders sah es das LG Freiburg (Beschl. v. 25.5.2020 – 4 T 52/20). Es war der Ansicht, dass die Aufgabe einer Abwicklung und Auflösung des vom Betroffenen zuletzt zur Miete genutzten Wohnraums ihren Tätigkeitsschwerpunkt nicht im Bereich einer (aufwändigeren) Vermögensverwaltung hat, sondern mit der allgemeinen Fallpauschale abgegolten wird. Auch in seinem Beschluss vom 24.11.2023 (Az. 4 T 183/23) blieb das LG Freiburg bei seiner Ansicht: wenn dem Betreuer der Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten zugewiesen ist, löst die Abwicklung und Auflösung des Wohnraum keine gesonderte Vergütung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG aus.

Die Entscheidung des BGH

In dieser bisher umstrittenen Frage, folgt der BGH der Argumentation, dass die zusätzliche Pauschale eben gerade den zusätzlichen Mehraufwand innerhalb des vorhandenen Aufgabenbereichs abdecken soll. Dazu gehört auch diese Fallkonstellation.

Zudem ergebe sich aus dem Wortlaut von § 10 Abs. 1 Ziffer 2 VBVG nichts Gegenteiliges: Nach dem Wortlaut steht dem beruflichen Betreuer die gesonderte Pauschale zu, wenn dieser die Verwaltung von Wohnraum, der nicht vom (nicht mittellosen) Betreuten oder seinem Ehegatten genutzt wird, zu besorgen hat. Eine Differenzierung nach der Art des Wohnraums lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält auch keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung in zeitlicher Hinsicht. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 VBVG fällt die gesonderte Pauschale bereits dann an, wenn einer der Fälle des Satzes 1 an mindestens einem Tag des Abrechnungszeitraums vorliegt. Unerheblich ist deshalb, ob sich die von der Pauschalvergütung erfasste Verwaltungstätigkeit des Betreuers auf die Kündigung und Abwicklung des Wohnraummietverhältnisses beschränkt oder dieses, etwa auf Wunsch des Betreuten, über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten wird – so der BGH in seiner Entscheidung.

Quelle: Rechtspflegerforum

Abbildung: fotolia – Picasa

Evaluation zu Zwangsmaßnahmen

Der Schlussbericht zum Forschungsvorhaben „Evaluierung des Gesetzes zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten vom 17. Juli 2017″ wurde veröffentlicht.

Siehe: 2024_Forschungsbericht_Zwangsmassnahmen_BR_kurz.pdf (bmj.de)

Das Bundesministerium der Justiz hatte 2022 die ,,Evaluierung des Gesetzes zur
Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten vom 17. Juli 2017″ in Auftrag gegeben. Mit dieser Evaluation wurden die Auswirkungen der vorgenommenen Gesetzesänderungen auf die Anwendungspraxis untersucht, insbesondere Art und Häufigkeit von betreuungsgerichtlich genehmigten ärztlichen Zwangsmaßnahmen, sowie die Wirksamkeit der Schutzmechanismen. Schwerpunktmäßig wurde dabei die Fragestellung untersucht, wie sich die Entkopplung der Durchführung einer solchen Maßnahme von der freiheitsentziehenden Unterbringung unter Beibehaltung des Erfordernisses eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus (= seit 1.1.2023 § 1832 BGB), in der Rechtspraxis ausgewirkt hat.

Das waren die Forschungsfragen, die in dem Schlussbericht beantwortet werden:

  • Bietet die Neuregelung einerseits den notwendigen Schutz der Betroffenen vor einer
    ungerechtfertigten Anwendung von Zwang und verhindert sie andererseits bestehende Behandlungsnotwendigkeiten nicht übermäßig?
  • Werden Patienten, die für eine zwangsweise durchgeführte Behandlung in ein Krankenhaus verbracht werden, durch diese Bestimmung in ihrer Gesundheit gefährdet und damit unverhältnismäßig belastet?
  • Wird die Neuregelung für alle Beteiligten als praktikabel angesehen oder bestehen
    Probleme/Defizite bzw. werden bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen gesehen?
  • Werden die Regelungen einheitlich ausgelegt und angewendet?

Kinderrechte ins Grundgesetz – die unerfüllte Mission

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, am 23. Mai 1949 in Kraft getreten, feiert seinen 75. Geburtstag. Ein Meilenstein der deutschen Geschichte, der die Werte von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verankert. Doch es gibt einen Schatten, der über diesem Jubiläum liegt: die fehlende explizite Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.

Vergangene Anstrengungen zur Verankerung der Kinderrechte

Die Forderung nach einer Aufnahme der Kinderrechte in unsere Verfassung hat eine lange Vorgeschichte. Insbesondere seit der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1992 wird eine stete Diskussion um die mögliche Aufnahme spezifischer Kindergrundrechte in das Grundgesetz geführt. Auch die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte setzt sich seit ihrer Einrichtung 2015 für diese Grundgesetzerweiterung ein. Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat wiederholt entsprechende Empfehlungen an Deutschland gerichtet.

Im Januar 2021 unternahm die damalige Bundesregierung einen erneuten Anlauf, indem sie einen Gesetzentwurf vorlegte, der die Kinderrechte in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes verankern sollte. Trotz der Bemühungen scheiterte dieser Versuch an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Auch die aktuelle Regierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Kinderrechte i Grundgesetz zu verankern – zumindest ist dies dem Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode zu entnehmen. Auf Seite 77 ist dort zu lesen:

„Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Dafür werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen und zugleich das Monitoring zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausbauen.“

Geschehen ist das bisher nicht.

Warum die Aufnahme bisher scheiterte

Die Gründe für das Scheitern sind vielschichtig. Kritiker befürchten, dass eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz zu Widersprüchen und Überschneidungen mit bestehenden Artikeln führen könnte. Als Argument wird dabei angeführt, dass die allgemeinen Grundrechte des Grundgesetzes – etwa die Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder das Diskriminierungsverbot – auch Kindern zugutekämen und daher eine zusätzliche Verankerung der Kinderrechte nicht notwendig bzw. eben zu Überschneidungen führen könnte.

Insbesondere besteht auch die Sorge, dass eine explizite Verankerung der Kinderrechte das im Grundgesetz festgeschriebene Elternrecht einschränken könnte.

Was wären die Vorteile einer Verankerung?

Durch den Beitritt zur UN-Kinderrechtskonvention hat sich Deutschland dazu verpflichtet, die darin verankerten umfassende Rechte von Kindern und Jugendlichen umzusetzen. Die Konvention bietet einen umfassenden Rahmen für den Schutz von Kindern. Sie legt fest, dass Kinder das Recht auf Leben, Gesundheit, Bildung, Schutz vor Ausbeutung und Diskriminierung haben. Sie betont auch die Bedeutung der Beteiligung von Kindern an Entscheidungen, die sie betreffen.

Allerdings sind die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention im deutschen Recht noch nicht vollständig verankert. Eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz würde diese Lücke schließen. Es würde unterstreichen, dass Deutschland die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern anerkennt und ihre Interessen zum Maßstab des Handelns macht.

Eine explizite Verankerung im Grundgesetz würde

  • den Schutz von Kindern stärken und sie als eigenständige Rechtssubjekte anerkennen,
  • die Rechtsdurchsetzung im Bereich des Kinderschutzes verbessern, da Gerichte und Behörden sich explizit an den Kinderrechten orientieren müssten,
  • die Beteiligung von Kindern an Entscheidungen, die sie betreffen, fördern.

Zudem hätte die Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz eine starke Signalwirkung an die gesamte Gesellschaft, dass Kinderrechte ernst genommen werden.

Vor allem aber wäre es ein Geschenk an die junge Generation und zugleich ein Ausdruck unseres Selbstverständnisses als moderner, kinderfreundlicher Rechtsstaat.

Quellen: BMFSJ, Deutsches Institut für Menschenrechte, Wissenschaftlicher Dienst Deutscher Bundestag

Abbildung: Adobe Stock, 216506289, Urheber: Azazello

Verbesserungen für pflegebedürftige Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

Zum Jahreswechsel gibt es im Leistungsbereich Verhinderungspflege Verbesserungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs, die schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit haben. Unser Autor Dr. André Wieprecht stellt diese vor.

Verbesserungen für pflegebedürftige Kinder ab 1. Januar 2024

Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG) kommt es ab dem 1. Januar 2024 speziell für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der Pflegegrade 4 und 5, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu Erleichterungen im Bereich der Verhinderungspflege.

Grundsatz der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI

Die Verhinderungspflege ermöglicht die zeitweise Übernahme der häuslichen Pflege durch einen „Ersatzpfleger“, wenn die Pflegeperson zum Beispiel wegen Krankheit oder eines Erholungsurlaubs an der Pflege des Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 gehindert ist. Für Eltern als (Vollzeit-)Pflegeperson bietet sich zudem die Möglichkeit eine Pause vom Pflegealltag einzulegen. Dies kann auch nur stundenweise sein, um etwa in Ruhe einzukaufen, gemeinsam mit Freunden etwas zu unternehmen oder eigene Termine wahrzunehmen.

Vorpflegezeit von sechs Monaten entfällt

Der Anspruch der Verhinderungspflege hängt in der Regel von der Einhaltung einer sechsmonatigen Vorpflegzeit des Pflegebedürftigen ab. Dies bedeutet, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in der häuslichen Umgebung gepflegt haben muss. Diese starre Frist wird ab 1. Januar 2024 bei pflegebedürftigen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Pflegegrade 4 oder 5, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht mehr angewendet. Das bedeutet, dass unmittelbar ab dem Vorliegen des Pflegegrades 4 bzw. 5 die Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden kann. Diese Erleichterung führt in der Praxis dazu, dass bei einer (erstmaligen) Verhinderung zum Beispiel der pflegenden Eltern innerhalb der ersten sechs Monate der häuslichen Pflege sie ihr Kind nicht in eine vollstationäre Kurzzeitpflege geben müssen, um die Pflege sicher zu stellen. Dem pflegebedürftigen Kind bleibt zudem ein in den meisten Fällen belastender Ortswechsel erspart.

Änderung des Anspruchszeitraums auf Verhinderungspflege

Neu ist außerdem, dass die Pflegeversicherung die nachgewiesenen Kosten einer Ersatzpflege bei pflegebedürftigen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs mit den Pflegegraden 4 und 5 für bis zu acht Wochen pro Kalenderjahr (Höchstdauer von 56 Tagen) übernimmt. Damit wird der Leistungszeitraum der Verhinderungspflege um zwei Wochen, also um 14 Tage erhöht, was zu einem Mehr an Handlungsspielraum führt.

Leistungsumfang der Verhinderungspflege

Im Vorgriff auf die Einführung des Gemeinsamen Jahresbetrags für die Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege zum 1. Juli 2025 besteht die Möglichkeit für die Gruppe der o. g. pflegebedürftigen Kinder, Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen den Leistungsbetrag auf ein Gesamtbudget von bis zu 3.386 Euro pro Kalenderjahr zu erhöhen. Dies setzt voraus, dass die Pflege durch eine Ersatzpflegeperson erfolgt, die mit der pflegbedürftigen Person weder bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist noch mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebt. In diesem Fall wird der finanzielle Rahmen des Grundbetrages der Verhinderungspflege von bis zu 1.612 Euro im Kalenderjahr statt der üblichen 806 Euro um den vollen Betrag der Kurzzeitpflege in Höhe von 1.774 Euro erweitert. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dies nur für nicht verbrauchte Mittel aus der Kurzzeitpflege gilt.

Ausnahme vom Grundsatz

Eine Ausnahme vom o. g. Grundsatz zur Verhinderungspflege gilt für den Fall, dass die Pflege durch eine Ersatzpflegperson erfolgt, die

  • mit dem pflegebedürftigen Kind, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, welches bzw. welcher das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und den Pflegegrad 4 oder 5 hat,
  • bis zum zweiten Grad verwandt (z.B. Großeltern, Enkelkinder) oder verschwägert (z.B. Schwiegereltern, Stiefkinder) ist oder mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebt und
  • die Ersatzpflege nicht erwerbsmäßig ausübt.

In diesem Fall können die Kosten bis auf den Betrag des Pflegegeldes für bis zu zwei Monate, also das 2-fache des Pflegegeldes (aber begrenzt auf den Höchstbetrag von 1.612 Euro), erstattet werden. Auch dies ist eine Neuerung, da sonst nur das 1,5-fache des Pflegegeldes als Höchstbetrag für sechs Wochen geltend gemacht werden kann (vgl. § 39 Abs. 3 SGB XI). Dies bedeutet letztlich für die o. g. Gruppe von Pflegebedürftigen, dass die Pflegekasse nachgewiesene Kosten nebst zusätzliche Aufwendungen, wie notwendige Fahrt- und Unterkunftskosten bis zu 1.612 Euro pro Kalenderjahr erstattet und es ferner die Möglichkeit gibt, diesen Betrag um bis zu 1.774 Euro aus der Kurzzeitpflege zu erhöhen.

Mehr zum Thema Pflegeversicherung und deren Leistungen sowie weiteren Neuerungen ab dem 1. Januar 2024 finden Sie in der aktualisierten Ausgabe „Praxisratgeber Pflegeversicherung“.

Inflationsausgleich für Betreuerinnen und Betreuer geplant

Der Druck der Fachverbände hat Wirkung gezeigt. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat heute (24.07.2023) einen Gesetzentwurf vorgestellt, nach dem Betreuerinnen und Betreuer eine Sonderzahlung erhalten sollen, um ihre inflationsbedingte finanzielle Mehrbelastung abzufedern.

Von der Sonderzahlung sollen Betreuungsvereine, selbständige berufliche Betreuerinnen und Betreuer und auch ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer profitieren.

Das geplante „Betreuer-Inflationsausgleichs-Sonderzahlungsgesetz (BetrInASG)“ sieht für berufliche Betreuerinnen und Betreuer pro geführter Betreuung eine monatliche Sonderzahlung in Höhe von 7,50 Euro vor. Bei eh­ren­amt­li­chen Be­treu­un­gen soll es eine jährliche Zahlung in Höhe von 24 Euro pro geführter Betreuung geben.

Um keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand entstehen zu lassen, soll dieser Inflationsausgleich zusammen mit der quartalsweisen Vergütungsfestsetzung beim zuständigen Betreuungsgericht geltend gemacht werden.

Die vorgesehene Zahlungshöhe orientiert sich am Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen vom 22. April 2023 entsprechend der im Vergütungsgesetz 2019 herangezogenen Bemessungsgrundlage TVöD SuE. Durch die Ausgestaltung als monatsweise Zahlung pro geführte Betreuung soll eine gerechte Mittelverteilung erreicht werden.

Die gesetzlich vorgegebene Evaluation des Vergütungssystems, wird durch die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung nicht ausgehebelt. Sie wird bis Ende 2024 durchgeführt. Mit dem Inkrafttreten eines auf Basis des Ergebnisses der Evaluierung angepassten Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) ist frühestens
Mitte bis Ende 2025 zu rechnen. Die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung ist daher als eine Art „Zwischenfinanzierung“ zu verstehen; sie soll daher auch nur für die Jahre 2024 und 2025 gelten.

Der Gesetzentwurf sieht daneben eine Änderung von § 21 BtOG vor: danach kann die zuständige Behörde künftig für potentielle ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer die Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis nun ausdrücklich auch selbst einholen.

Der vorliegende Referentenentwurf (abrufbar auf den Seiten des BMI) soll nun als Formulierungshilfe der Bundesregierung in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Länder und Verbände haben Gelegenheit, bis zum 31. August 2023 Stellung zu dem Entwurf zu nehmen.

Abbildung: pixabay.com, nattanan23

Details zum Bürgergeld

In dieser Artikelserie informieren wir Sie über wichtige Neuerungen im SGB II, die aufgrund des Bürgergeld-Gesetzes zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten sind bzw. ab 1. Juli 2023 gelten:

„BtOG“-Ausführungsgesetze der Länder

Die Bundesländer mussten aufgrund der Betreuungsrechtsreform bzw. des neuen Betreuungsorganisationsgesetzes ihre Ausführungsgesetze anpassen. Bis auf Berlin und Sachsen-Anhalt liegen die neuen Regelungen in den Ländern nun vor:

Baden-Württemberg: Gesetz zur Ausführung des Betreuungsrechts (AG BtG), Änderungsgesetz vom 21.12.2022 (GBl. S. 673)

Bayern: Bayerisches Gesetz zur Ausführung betreuungsrechtlicher Vorschriften (BayAGbtG), Änderungsgesetz vom 23.12.2022 (GVBl. S. 718)

Berlin: noch keine Veröffentlichung

Brandenburg: Brandenburgisches Betreuungsorganisationsausführungsgesetz – BbgAGBtOG) vom 16.12.2022 (GVBl. I Nr. 33) 

Bremen: Bremisches Betreuungsrechtsausführungsgesetz – BremBtRAG) vom 13.12.2022 (Brem. GBl. S. 896) 

Hamburg: Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Betreuungsorganisationsgesetzes (HmbAGBtOG) vom 20.12.2022 (HmbGVBl. S. 659) 

Hessen: Hessisches Ausführungsgesetz zum Betreuungsrecht
(HAG/BtR), Änderungsgesetz vom 09.12.2022 (GVBl. S. 761)

Mecklenburg-Vorpommern: Betreuungsrechtsausführungsgesetz – AG BtG, Änderungsgesetz vom 09.12.2022 (GVOBl. M-V S. 587)

Niedersachsen: Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Betreuungsrecht
(Nds. AGBtR), Änderungsgesetz vom 22.09.2022 (Nds. GVBl. S. 593)

Nordrhein-Westfalen: Landesbetreuungsgesetz, Änderungsgesetz vom 06.12.2022 (GV. NRW. S. 1062)

Rheinland-Pfalz: Landesgesetz zur Ausführung des Betreuungsrechts
(AGBtR), Änderungsgesetz vom 22.12.2022 (GVBl. S. 481)

Saarland: Gesetz zur Ausführung des Betreuungsgesetzes
(AG-BtG), Änderungsgesetz vom 18.01.2023 (Amtsbl. I Nr. 7 S. 138)

Sachsen: Gesetz zur Ausführung des Betreuungsrechts
(AGBtR), Änderungsgesetz vom 15.12.2022 (SächsGVBl. S. 626)

Sachsen-Anhalt: noch keine Veröffentlichung

Schleswig-Holstein: Landesbetreuungsgesetz, Änderungsgesetz vom 19.12.2022 (GVOBl. Schl.-H. S. 1006)

Thüringen: Thüringer Gesetz zur Ausführung des Betreuungsorganisationsgesetzes (ThürAGBtOG) vom 23.12.2022 (GVBl. S. 519) 

Schonvermögen erhöht

Das Bürgergeld-Gesetz brachte zum 1. Januar 2023 eine Erhöhung des in der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII geregelten Schonvermögens. Es stieg von bisher 5000 Euro auf nun 10.000 Euro.

Dies hat Auswirkungen zu den Bestimmungen der Mittellosigkeit des Betreuten (vgl. § 1880 BGB) und somit gegebenenfalls auf die Abrechnung gegenüber der Staatskasse.

Beträgt das Vermögen bis zu 10.000 Euro ist mit den Tabellenwerten für Mittellosigkeit zu rechnen. Dies gilt für alle Abrechnungsmonate, die nach dem 31.12.2022 enden.

Gesetzliche Notvertretungsrecht für Ehepartner

Ab 1. Januar 2023 gilt ein gegenseitiges Vertretungsrecht von Ehegatten in einer gesundheitlichen Notfallsituation. Bislang war eine Vertretung nur erlaubt, wenn der Ehepartner eine Vorsorgevollmacht für den anderen Ehegatten erstellt hat, die Regelungen zur Gesundheitssorge enthielt. War dies nicht der Fall musste der Ehegatte vom Betreuungsgericht zum rechtlichen Betreuer bestellt werden.

Der nun ab 1. Januar 2023 in Kraft tretende § 1358 BGB gibt den Ehegatten zukünftig für den Akutfall ein gesetzliches gegenseitiges Vertretungsrecht im Bereich der Gesundheitssorge. Kann ein Ehegatte aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls seine eigenen Angelegenheiten gegenüber Ärzten, der Krankenkasse, einem Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung nicht mehr alleine regeln, so darf der andere Ehegatte künftig für ihn tätig werden.

Dieses Notvertretungsrecht ist allerdings an enge Voraussetzungen gebunden und gilt nur maximal sechs Monate. Das Notvertretungsrecht kommt zudem auch nur dann zur Anwendung, wenn die Ehegatten (noch) keine Regelungen zur Vertretung im Erkrankungsfall getroffen haben.