§ 40a SGB XI und § 64j SGB XII
Pflegebedürftige haben Anspruch auf Versorgung mit Anwendungen, die wesentlich auf digitalen Technologien beruhen (Digitale Pflegeanwendungen). Die Anwendungen müssen geeignet sein, die Pflege in der Häuslichkeit sowie die pflegerische Betreuung durch professionelle Pflege- und Betreuungskräfte oder pflegende Angehörige zu unterstützen. Das heißt, die Anwendungen sollen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen mindern und und einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenwirken.
Digitale Pflegeanwendungen sind vorrangig software- oder webbasierte Versorgungsangebote auf mobilen Endgeräten oder browserbasierte Webanwendungen. Sie sollen Pflegebedürftige und deren Angehörige – ggf. unter Beteiligung professioneller Pflegefachkräfte – in konkreten pflegerischen Situationen anleitend begleiten oder einen Beitrag zur Erhaltung der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen leisten.
Die Nutzung von Daten, die bei der Anwendung etwa von Alltagsgegenständen des täglichen Lebens wie Fitnessarmbänder oder Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, fallen nicht unter den Leistungsanspruch.
Durch das Erfordernis, wonach digitale Pflegeanwendungen wesentlich auf digitalen Technologien beruhen müssen, werden umfangreiche Hardwareausstattungen von dem Anspruch ausgeschlossen.
Mögliche Anwendungen und Angebote
Aus der Gesetzesbegründung zu § 64j SGB XII
Hilfreich könnten Anwendungen zur Organisation und Bewältigung des pflegerischen Alltags sein, aber auch Angebote, die zur Bewältigung besonderer pflegerischer Situationen, etwa im Bereich der Erhaltung der Mobilität oder bei Demenz eingesetzt werden können.
Beispiel: Sturzprävention
Einige für die Pflege entwickelte digitale Anwendungen zielen direkt auf die Nutzung durch Pflegebedürftige ab wie beispielsweise die Stabilisierung bzw. Verbesserung des Gesundheitszustandes der pflegebedürftigen Person durch Übungen und Trainings. So ist etwa die Sturzprävention ein ganz wesentliches Element, um ältere Menschen in ihrer Autonomie zu stärken und diese darin zu unterstützen, länger in den eigenen vier Wänden zu verbleiben. Durch digitale Pflegeanwendungen kann die individuelle Sturzprävention unterstützt werden, etwa indem mit der Smartphone-Kamera der Gang des pflegebedürftigen Menschen aufgenommen wird, um KI-basierte Analysen und Anleitungen durchzuführen, die das Sturzrisiko minimieren können.
Beispiel: Demenzerkrankungen
Weiter können digitale Pflegeanwendungen Menschen mit einer Demenzerkrankung helfen, im Alltag auch im Zusammenspiel mit Angehörigen besser zu Recht zu kommen, therapeutische Maßnahmen per passgenauen Apps anzuleiten sowie passgenaue Informationen an die Hand zu geben und weitere Services anzubieten wie zum Beispiel personalisierte Gedächtnisspiele.
Beispiel: Dekubitus
Ein weiterer Anwendungsbereich digitaler Pflegeanwendungen kann die in der Pflege sehr relevante Versorgung von Dekubitus sein. Betroffen sind vor allem Menschen, die sehr schwach, gelähmt oder nicht bei Bewusstsein sind. Sie liegen oder sitzen oft sehr lange unbeweglich in einer Position. Mit Hilfe von digitalen Pflegeanwendungen können Pflegebedürftige und ihre Angehörigen unterstützt werden, Dekubitus besser vorzubeugen, zu erkennen und zu versorgen.
Austausch zwischen Pflegefachkräften und Angehörigen
Darüber hinaus können digitale Pflegeanwendungen auch dazu beitragen, den Austausch zwischen Pflegefachkräften und Angehörigen sowie den Pflegebedürftigen erheblich zu verbessern und diese passgenauer als andere Kommunikationsdienste auf den Pflegealltag auszurichten. Damit können Angehörige in ihrem Wunsch unterstützt werden, sich um ihre pflegebedürftigen Verwandten zu kümmern. Erfasst von dem Leistungsanspruch werden daher auch solche Anwendungen, die schwerpunktmäßig von pflegenden Angehörigen eingesetzt werden.
Anforderungen an eine Digitale Pflegeanwendung (DiPA)
§ 78a SGB XI
Eine DiPA muss ein Prüfverfahren beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) erfolgreich durchlaufen haben und in einem Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen (DiPA-Verzeichnis) gelistet sein. Das DiPA-Verzeichnis soll ab 1.1.2022 auf der Webseite des BfArM zur Verfügung stehen.
Weitere notwendigen Eigenschften einer DiPA sind:
– | Die Hauptfunktion der DiPA beruht auf digitalen Technologien. |
– | Der pflegerische Zweck wird wesentlich durch die digitale Hauptfunktion erreicht. |
– | die Anforderungen an den Datenschutz sind erfüllt und die Datensicherheit nach dem Stand der Technik gewährleistet |
Die Qualität einer digitalen Pflegeanwendung bemisst sich insbesondere nach folgenden Kriterien:
1. | Barrierefreiheit, |
2. | altersgerechte Nutzbarkeit, |
3. | Robustheit, |
4. | Verbraucherschutz, |
5. | Qualität der pflegebezogenen Inhalte und |
6. | Unterstützung der Pflegebedürftigen, Angehörigen und zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen bei der Nutzung der digitalen Pflegeanwendung. |
Ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen
§ 64k SGB XII
Pflegebedürftige haben bei der Nutzung digitaler Pflegeanwendungen Anspruch auf erforderliche ergänzende Unterstützungsleistungen durch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen, wenn diese bei der Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen erforderlich ist. Unterstützungshandlungen durch ambulante Pflegedienste im Kontext der digitalen Pflegeanwendungen können den pflegerischen oder betreuerischen Nutzen der digitalen Pflegeanwendung für den Pflegebedürftigen sicherstellen, wenn dieser dies wünscht.
Einzelheiten zum Anspruch auf ergänzende Unterstützung legt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Rahmen des Aufnahmeverfahrens in das Pflegeanwendungs-Verzeichnis fest. Der Anspruch bezieht sich alleine auf die Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen nach § 64j. Finanziert werden ausschließlich spezifische Begleitleistungen. Pflegehilfsmittel sind hiervon nicht erfasst.
Quellen: Bundestag, SOLEX
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