Zwei Jahre nach Einführung des Bürgergeldes hat der Verein Sanktionsfrei e.V. im Juni 2025 gemeinsam mit dem Umfrageinstitut Verian eine Befragung unter 1.014 Bürgergeldbezieher*innen durchgeführt. Ziel war es, drei Kernbereiche abzubilden:
- das Auskommen mit dem Regelsatz,
- die Arbeitssuche und den Kontakt zum Jobcenter
- sowie das Verhältnis zur Gesellschaft.
Die Datenerhebung erfolgte zwischen dem 8. und 28. April 2025 über das Payback Online-Access-Panel und wurde anschließend soziodemografisch gewichtet, um die Stichprobe an die offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit anzupassen.
Auskommen mit 563 € Regelsatz
Der zentrale Befund: 72 % der Befragten geben an, dass der monatliche Regelsatz von 563 € nicht ausreicht, um ein würdevolles Leben zu führen. Nur 9 % halten ihn für ausreichend, um sich gesund zu ernähren, und lediglich 50 % berichten, dass in ihrem Haushalt alle satt werden. Ein Drittel verzichtet regelmäßig auf eigene Mahlzeiten – unter Eltern trifft dies sogar auf 54 % zu. Notfallkosten wie Stromnachzahlungen oder die Reparatur einer Waschmaschine führen bei 28 % zu Verschuldung, und 77 % empfinden ihre finanzielle Situation als psychisch belastend.
Arbeitssuche und Kontakt zum Jobcenter
Obwohl 74 % der Befragten den Wunsch äußern, unabhängig vom Bürgergeld zu werden, ist nur ein Viertel zuversichtlich, tatsächlich eine entsprechende Stelle zu finden. Hauptgründe für Unsicherheiten sind körperliche Einschränkungen (59 %) und psychische Erkrankungen (57 %), daneben spielen auch regionale und Qualifizierungs-Mismatches eine Rolle.
Die Erfahrungen mit den Jobcentern sind gemischt: 32 % fühlen sich gerecht behandelt, 29 % hingegen ungerecht. Nur 16 % berichten, individuell gefördert zu werden, und rund 28 % erhalten Unterstützung bei der Stellensuche. Als wichtigste Hebel für den Ausstieg aus dem Bezug nennen die Befragten die Verbesserung ihres Gesundheitszustands, gefolgt von passender Arbeit, Weiterbildungen und besseren Betreuungsmöglichkeiten für Kinder bzw. Pflegebedürftige.
Beziehung zur Gesellschaft
Gefühlte Ausgrenzung und Stigma prägen den Alltag: Lediglich 12 % fühlen sich der Gesellschaft zugehörig, während 42 % angaben, sich für ihren Bezug zu schämen. Eine große Mehrheit (82 %) ist überzeugt, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, wie schnell man selbst in den Bürgergeldbezug geraten kann. Politische Debatten setzen zusätzlich unter Druck: 79 % glauben, dass die meisten Politiker*innen kein realistisches Bild von ihren Lebensumständen haben, und 80 % fürchten die abwertende Rhetorik in der öffentlichen Diskussion. Zudem gaben 72 % an, große Angst vor weiteren Verschärfungen – insbesondere einem vollständigen Leistungsentzug – zu haben, den sie als existenzgefährdend ansehen.
Fazit
Die Studie zeigt, dass das Bürgergeld – trotz seiner Reform – für viele Betroffene nicht ausreicht, um die Grundbedürfnisse abzusichern. Verzicht, psychische Belastung und gesellschaftliche Ausgrenzung sind für einen Großteil der Bezieher*innen Alltag. Gleichzeitig verdeutlicht die Erhebung, dass strukturelle Hürden im Gesundheitssystem, auf dem Arbeitsmarkt und in der öffentlichen Debatte dringend adressiert werden müssen, um eine menschenwürdige Teilhabe zu ermöglichen.
Quellen: Sanktionsfrei e.V., ZEIT, Verian, Payback Online-Access-Panel
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