Seniorin sitzt mit Pflegerin auf Sofa

Gemeindepsychiatrische Basisversorgung für schwer Erkrankte

Schwer psychisch erkrankte Erwachsene brauchen ein höchst individuelles Versorgungsangebot, das immer wieder überprüft und angepasst werden muss. Ein solches Angebot hat ein Projekt mit Geldern des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erfolgreich erprobt: Multiprofessionelle aufsuchende Teams unterstützten die Betroffenen und ihre Familien. Sie klärten den Bedarf und vernetzten leistungsträgerübergreifend die Behandlung und Betreuung zu passgenauen Hilfen. Durch diese Form der intensiven Betreuung konnten die Betroffenen stärker befähigt werden, selbstständig und eigenverantwortlich zu leben. Der Innovationsausschuss hat sich dafür ausgesprochen, die Erkenntnisse für die Gesundheitsversorgung zu nutzen und verschiedene Bundesministerien sowie den G-BA gebeten, eine Integration zu prüfen.

Ein bis zwei Prozent Betroffene

Die Zahl der Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, die mit erheblichen Einschränkungen in verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen einher gehen, wird aktuell auf ein bis zwei Prozent der Erwachsenen geschätzt. Im Rahmen des Projekts wurde die neue Versorgungsform der gemeindepsychiatrischen Basisversorgung in zwölf Modellregionen testweise aufgebaut: Schwer psychisch Erkrankte erhielten über 24 Monate hinweg bis zu zwei feste Bezugspersonen, die gemeinsam mit den Betroffenen einen individuellen Ziel-, Aktivitäts- und Krisenplan erstellten. Es wurden Netzwerkgespräche zwischen allen Beteiligten durchgeführt und eine Genesungsbegleitung angeboten. Ergänzend kam ein regional organisierter Krisendienst mit telefonischer Hotline und Ausweichwohnung hinzu. Grundlage dafür war eine Ermittlung des gesamten Behandlungsbedarfs, die eine Betreuung aus allen psychiatrischen und psychosozialen Leistungsbereichen einschloss.

Studie zeigt Erfolge

Die begleitende wissenschaftliche Studie zeigte, dass sich aus Sicht der Teilnehmenden ihr Empowerment – im Sinne erweiterter Möglichkeiten für eine eigenständige Lebensweise – im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserte. Mit Ausnahme der erkrankungsbedingten Beeinträchtigungen stieg bei ihnen die Lebensqualität und die Zufriedenheit mit der psychiatrischen Behandlung. Aus der Befragung der Angehörigen ergab sich ein ähnliches Bild: Die Zufriedenheit mit der neuen Versorgungsform war auch aus ihrer Perspektive im Vergleich zur regelversorgten Kontrollgruppe höher, sie fühlten sich ebenfalls weniger belastet. Die Evaluation lieferte außerdem Informationen aus der Perspektive der Leistungserbringenden. Sie äußerten sich zu Projektende überwiegend positiv u. a. über die Erfahrung des vernetzten Ansatzes, zur Arbeitszufriedenheit sowie zu den Instrumenten der Qualitätssicherung. An der generellen positiven Empfehlung des Innovationsausschusses zur Überführung der Ergebnisse in die Versorgung ändern auch die Einschränkungen im Studiendesign nichts, das nicht völlig frei von Verzerrungen war.

Prüfung durch die Ministerien

Damit der leistungsträgerübergreifende Versorgungsansatz leichter umgesetzt werden kann, bedarf es aus Sicht des Innovationsausschusses gesetzlicher Anpassungen. Das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden gebeten zu prüfen, ob sie dahingehende rechtliche Anpassungen vorschlagen können. Alle angeschriebenen Adressaten müssen sich innerhalb von 12 Monaten zurückmelden und darüber informieren, wie mit den Ergebnissen umgegangen wurde. Diese Rückmeldungen werden auf der Website des Innovationsauschusses veröffentlicht.

Quelle: G-BA

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