Mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz werden sowohl der Haushalt 2024 beschlossen als auch die Finanzplanung für die kommenden Jahre. Vorgesehen sind drastische Kürzungen im Sozialbereich, bei der poltitischen Bildung, bei der Digitalisierung. Die Kindergrundsicherung wird auf ein Minimum reduziert werden. Gleichzeitig sollen aber Unternehmen mit dem „Wachstumschancengesetz“ kräftig unterstützt werden.
Tabu-Politik
Der Streit geht letztendlich darum, ob es wichtiger ist, die Wirtschaft zu stärken oder Armut zu bekämpfen. Offenbar geht nicht beides gleichzeitig, die Schuldenbremse ist tabu. Ebenfalls tabu ist offenbar das Nachdenken über andere Finanzierungsmöglichkeiten, etwa über Erbschafts- oder Vermögenssteuer. Auch die mehr als 46 Milliarden jährliche fossile Subventionen dürfen nicht angetastet werden.
Vom SGB II ins SGB III
Sparpotential haben Arbeitsminister Heil und Finanzminister Lindner auch bei der Berufsberatung und der aktiven Förderung von jungen Menschen unter 25 Jahren im Grundsicherungsbezug entdeckt. Knapp eine Milliarde könne man sparen, wenn die gesetzlichen Regelungen dazu vom SGB II ins SGB III verlagert würden. Dies soll ab 2025 geschehen, so die Finanzplanung.
Das SGB III und damit die Arbeitsagenturen sind auf eine reine Vermittlung in Ausbildung und Arbeit fokussiert, während das SGB II und damit die Jobcenter ganzheitlichere Unterstützungsansätze für junge Menschen in besonderen Lebenslagen bietet.
spezifische Instrumente der Jobcenter
Im SGB II sind spezifische Instrumente für die individuellen, besonderen Bedarfe von jungen Menschen enthalten, die im SGB III nicht existieren. Dazu zählt u.a. die Förderung schwer zu erreichender Jugendlicher (§ 16h SGB II), in deren Rahmen auch verstärkt aufsuchende Arbeit stattfindet, und die ganzheitliche Betreuung junger Menschen zur Heranführung an eine oder Begleitung während einer Ausbildung (§ 16k II SGB II). Das letztgenannte Instrument wurde erst mit der Bürgergeld-Reform eingeführt und soll eine auf die jeweilige Lebenssituation abgestimmte begleitende Unterstützung der Auszubildenden bieten. Diese Instrumente drohen nun ins Leere zu laufen.
Ganzheitliche Betreuung und regionalisierter Ansatz
Hinzu kommt, dass die Maßnahmen im SGB II vielerorts stärker an die regionalen Gegebenheiten angepasst sind. Die ganzheitliche Betreuung junger Menschen erfordert genau diesen regionalisierten Ansatz. Die Angebote und Maßnahmen der Agenturen für Arbeit nach dem SGB III sind hingegen eher bundesweit einheitlich gestaltet.
lokale Netzwerke
Im Rahmen der Maßnahmen nach dem SGB II zur Unterstützung junger Menschen haben sich zudem Netzwerke zwischen lokalen Partnern gebildet. Jobcenter haben sich bspw. mit der Schuldner- und Suchtberatung und Jugendhilfe vernetzt. Diese Verzahnung der regionalen Partner trägt vielerorts zur Bewältigung der verschiedenen Problemlagen und der Beförderung der Integration der jungen Menschen bei.
Zuständigkeitsverlagerung wird abgelehnt
Eine Übertragung der Zuständigkeit geht nach Überzeugung des Paritätischen Gesamtverbandes auf Kosten einer ganzheitlichen Beratung und Betreuung. Daher lehnt der Paritätische Gesamtverband die Ideen einer Zuständigkeitsverlagerung ab.
Kommunen und Länder protestieren
Aber auch die Kommunen und die Länder haben massive Einwände. Länder und Kommunen befürchten nämlich eine massive Entwertung ihrer Jobcenter. Finanzierung, Ausrichtung und Arbeitsweise der 406 bundesweiten Jobcenter stünden „grundsätzlich in Frage“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Länder und Kommunalverbände. Nachdem ihnen bereits für 2024 Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro gekürzt werden sollen, würden die Handlungsmöglichkeiten der Jobcenter damit ab 2025 „weiter substanziell eingeschränkt“.
Die Jobcenter mit ihrer hohen Kontaktdichte und dezentralen Struktur seien für diese Form der Beratung besser geeignet als die Agenturen. Sie hätten mit umfassenden Netzwerken, Kooperationen und Beratungsangeboten belastbare Strukturen geschaffen – „nun wird dieser ganzheitliche Ansatz zerschlagen“.
parlamentarische Beratung im September
Das Haushaltsfinanzierungsgesetz wurde am 16. August im Kabinett beschlossen. Im September beginnen dann die parlamentarischen Beratungen im Bundestag.
Quellen: Paritätischer Gesamtverband, Finanzministerium, Merkur.de, Greenpeace, SOLEX
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