Entgeltsystem in Werkstätten

In Deutschland arbeiten mehr als 300.000 Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). WfbM sollen unterschiedliche Funktionen erfüllen (§ 219 SGB IX, rehabilitative Funktion, soziale Funktion, wirtschaftliche Funktion, Inklusionsfunktion), die auch in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen können. In der Diskussion stehen insbesondere die Vergütung der Tätigkeiten in WfbM und deren Öffnung zum allgemeinen Arbeitsmarkt. 

Auftrag des Bundestags

Schon 2019 hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, „innerhalb von vier Jahren unter Beteiligung der Werkstatträte, der BAG WfbM, der Wissenschaft und weiterer maßgeblicher Akteure zu prüfen, wie ein transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem entwickelt werden kann.“

Studie des ISG

Dazu hat das BMAS das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) beauftragt eine entsprechende Studie zu erstellen. Begleitet wird die Studie von einer Steuerungsgruppe, die bei den wesentlichen Weichenstellungen des Projekts und bei der Erstellung der Berichte einbezogen werden soll. Die Steuerungsgruppe besteht aus Vertretern der Ministerien, der Freien Wohlfahrtspflege, des Deutschen Behindertenrats, Werkstatträten, Trägervertretern und Vertretern der Werkstätten für behinderte Menschen (u. a.).

Vierte Sitzung der Steuerungsgruppe

Mitte Mai fand die vierte  Sitzung der Steuerungsgruppe statt. Beratungsgegenstand der vierten Sitzung war der Entwurf eines Fragebogens, der an ca. 1800 Werkstattbeschäftigte im Arbeitsbereich und ca. 600 Teilnehmer im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich versendet werden soll. Er enthält vor allem Aspekte zur Einschätzung der aktuellen Einkommenssituation sowie zu Wünschen und Vorstellungen hinsichtlich Veränderungsmöglichkeiten.

Wie ist die Situation?

Die Werkstätten zahlen aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten Menschen mit Behinderung ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften Menschen mit Behinderung im Berufsbildungsbereich leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der Menschen mit Behinderung, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.

  • Grund-Betrag: Der Grund-Betrag beträgt seit Januar 2021 mindestens 99 Euro monatlich. Jede Person im Arbeits-Bereich bekommt den gleichen Grund-Betrag.
  • Steigerungs-Betrag: Der Steigerungs-Betrag für Werkstatt-Beschäftigte ist unterschiedlich hoch. Es gibt verschiedene Modelle, die mit dem jeweiligen Werkstatt-Rat abgestimmt werden.
  • Arbeits-Förderungs-Geld: Das Arbeits-Förderungs-Geld heißt kurz auch: AFöG. Viele Beschäftigte bekommen im Arbeits-Bereich ein zusätzliches Arbeits-Förderungs-Geld von derzeit 52 Euro monatlich.

Unterhalb des Mindestlohns

Selbst mit dem Steigerungsbetrag liegt das Entgelt in einer WfbM weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Die meisten Beschäftigten dort sind auf Leistungen der Grundsicherung oder auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung angewiesen. Renten- und Krankenkassen-Beiträge müssen sie nicht bezahlen.

Neues Entgeltsystem

Anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai forderte die Bundesvereinigung Lebenshilfe ein neues System der Entlohnung für Menschen mit Beeinträchtigung, die in Werkstätten beschäftigt sind. Einkommensmodelle sollten so weiterentwickelt werden, dass Werkstattbeschäftigte von ihrem Entgelt leben können und nicht auf weitere existenzsichernde Leistungen angewiesen sind. Auch soll das Entgeltsystem gut verständlich und transparent sein.

Quelle: eu-schwerbehinderung.eu, Lebenshilfe, ISG, BMAS

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