Pflegekräfte und Ärzte als freie Mitarbeiter

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts beschäftigt sich am 4. Juni und am 7. Juni mit den Fragen, ob Ärzte als so genannte Honorarärzte in einem Krankenhaus und ob Pflegekräfte im stationären Bereich von Pflegeheimen als freie Mitarbeiter tätig sein können. Dies hätte zur Folge, dass sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen.

Pflegefachkräfte, die auf Honorarbasis tätig werden, sind häufig für eine Vielzahl von Auftraggebern, zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet auf Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig. Oft werden sie über Agenturen vermittelt und arbeiten für einen vorher festgelegten Stundensatz, der üblicherweise deutlich über dem Arbeitsentgelt einer vergleichbar eingesetzten angestellten Pflegefachkraft liegt.

Auch Honorarärzte und die Krankenhäuser, in denen sie tätig sind verstehen die Tätigkeit als selbstständige, freie Mitarbeit. Honorarärzte werden häufig nebenberuflich oder für eine Vielzahl von Auftraggebern, zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet auf Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig. Sie werden ebenfalls häufig über Agenturen vermittelt und verdienen auch in der Regel mehr als ein angestellter Arzt. Die Bezeichnung Honorararzt ist im Übrigen nicht gesetzlich definiert.

Begründet wird der Einsatz von Honorarkräften unter anderem mit dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Das Bundessozialgericht hat im Laufe des Verfahrens deswegen Stellungnahmen eingeholt unter anderem vom Bundesverband der Honorarärzte e.V., von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem Marburger Bund, dem Deutschen Pflegerat e.V. und vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

Zu den Verfahren kam es, weil die für die Beurteilung von Sozialversicherungspflicht zuständigen Rentenversicherungsträger und ihnen ganz überwiegend folgend die Landessozialgerichte Sozialversicherungspflicht aufgrund Beschäftigung angenommen haben. Ärzte und Pflegekräfte seine in den Betrieb der Krankenhäuser, bzw. Pflegeheime eingegliedert und weisungsgebunden. Die Tätigkeit prägende unternehmerische Risiken lägen nicht vor. Dagegen wenden sich die Krankenhausträger und/oder die betroffenen Ärzte, bzw. die Träger der Pflegeheime mit ihren Revisionen.

Die Rentenversicherungsträger berufen sich im Wesentlichen auf § 7 Abs.1 SGB IV, – Definition von Beschäftigung. Danach ist eine Beschäftigung eine nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Die Verfahren haben die Aktenzeichen B 12 R 11/18 R (Ärzte) und B 12 R 6/18 R (Pflegekräfte)

Quelle: Bundessozialgericht, Pressemitteilung 19 und 20

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Soziale Sicherung von Plattformarbeitern

Laut einer aktuellen Studie des Bundesarbeitsministeriums arbeiten fast 5 Prozent der über 18-Jähringen in Deutschland als Clickworker, Crowdworker, Gigworker oder Plattformarbeiter. Unternehmen lagern damit Arbeiten aus, mit denen sich für die Crowdworker ein kleiner Nebenverdienst bestreiten lässt. Die Arbeiten reichen vom Einfügen von Links oder Bildern in Webseiten über das Bestücken von Online-Shops mit neuen Artikeln bis hin zum Verfassen einfacher Texte.

Schlechter Verdienst – mangelnde Absicherung

Der Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), eine UN-Sonderorganisation, kommt zu dem Ergebnis, dass man als Crowdworker meistens schlecht verdient. Für die Studie wurden 3.500 Crowdworker in 75 Ländern befragt. Der Durchschnittsverdienst liegt unter 4 Euro in der Stunde, also weniger als die Hälfte des Mindestlohns. Problematisch auch die mangelnde soziale Absicherung. Lediglich sechs von zehn Befragten hatten eine Kranken– und nur rund ein Drittel verfügte über eine Rentenversicherung.

Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung hat nun Enzo Weber sein Konzept der „Digitale Soziale Sicherung“ vorgestellt.

Das Modell

Das Modell bietet eine Lösung für das Problem gravierender Lücken in der sozialen Absicherung von Plattformarbeitern. Digitalisierte und flexible Arbeit über Internetplattformen lässt sich weder an nationalstaatlichen Grenzen aufhalten, noch ausschließlich innerhalb einzelner Nationalstaaten regulieren. Das DSS-Modell nutzt eine transnationale Herangehensweise und die Digitalisierung selbst, um Sozialversicherung unter diesen Herausforderungen zu organisieren. Gleichzeitig berücksichtigt und erhält das DSS-Modell die Souveränität und Flexibilität der nationalen Systeme. Das Modell sieht vor, dass Plattformen überall auf der Welt einen bestimmten Prozentsatz des vereinbarten Entgelts auf das internationale DSS-Konto des/r Plattformarbeiters/in überweisen. In den DSS-Konten sammeln sich so die global generierten Beiträge, die in regelmäßigen Abständen in die Sozialversicherung des Heimatlandes der Plattformarbeiter/innen übertragen werden.

Soziale Sicherung ist sinnvoll

Der arbeitsrechtliche Status von Plattformarbeitern unterliegt noch erheblichen Unsicherheiten. DSS ist jedoch in jedem Falle sinnvoll: Für diejenigen, die als abhängig beschäftigt klassifiziert werden, bietet es ein effizientes Instrument, um soziale Sicherung in einem amorphen Arbeitsmarkt zu organisieren. Und für Selbständige und den großen Graubereich füllt DSS eine tatsächliche Lücke. Die Entlohnung in der Plattformarbeit liegt dabei oft sehr niedrig, was die Finanzierung von sozialer Sicherung erschwert. Ohne soziale Sicherung werden prekäre Situationen aber beim Eintritt von Notlagen noch verschärft, individuelle berufliche Zukunftsinvestitionen erschwert und die Löhne in einem unregulierten Markt auf ein nicht nachhaltiges Niveau gedrückt. DSS kann in dieser Hinsicht eine positive soziale Entwicklung initiieren und dazu beitragen, die Potentiale von Plattformarbeit auf einer nachhaltigen Basis zu entwickeln.

Quellen: Hans-Böckler-Stiftung, business-user.de

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Andere Räumlichkeiten (BTHG und SGB XI)

Ein Mensch mit Behinderung, der heute in sogenanten Stationären Einrichtungen („Wohnheimen“) lebt, wohnt ab 2020, ohne dass er umziehen muss, in höchst unterschiedlichen „Gebilden“. Je nach dem, von welchem Gesetz aus man das betrachtet.

  • SGB IX:
    In der Eingliederungshilfe lebt er nun in einer besondere Wohnform, in der Leistungen über Tag und Nacht erbracht werden (§ 115 SGB IX).
  • SGB XII:
    In der Grundsicherung lebt er in einer Räumlichkeit, bei dem ihm ein persönlicher Wohnraum zur Verfügung steht und er weitere Räume gemeinsam mit anderen Personen nutzen kann (§ 42a SGB XII).
  • SGB IX:
    In der Pflegeversicherung lebt er weiter in einer „stationäre Einrichtung der sozialen Teilhabe“. (§ 71 Abs.4 SGB XI Fassung ab 1.1.2020). Die Aufwendungen der Pflegekasse für Pflegeleistungen dürfen hier im Einzelfall je Kalendermonat 266 Euro nicht überschreiten.

Deckelung von Pflegeleistungen

Wichtig bei dem letzten Punkt ist die Regelung, dass, wenn außerhalb einer vollstationären Einrichtung ein vollstationäres Leistungsangebot gemacht wird, diese als „Räumlichkeiten“ den stationären Einrichtungen zugeordnet werden (§ 71 Abs.4 Nr.3 SGB XI).
Das bedeutet, dass der Deckelungsbetrag von 266 Euro für Pflegeleitungen unter Umständen auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf gilt, die nach allgemeinem Verständnis nicht in einer stationären Einrichtung leben, sondern vielleicht in einer Betreuten Wohngruppe, wenn die Gesamtversorgung regelmäßig einen Umfang erreicht, der weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht.

Eine weitere Voraussetzung für die Deckelung der Pflegeleitung ist, dass es sich um eine trägerverantwortete betreute Wohngemeinschaft handelt, bei der Vertrag über das Wohnen und über die Leistungen miteinander verknüpft ist, die Wohngemeinschaft also in den Anwendungsbereich des WBVG (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz) fällt.

Strittig ist, wie hoch der Umfang der Leistungen sein muss, damit die Wohnung des Betroffenen den stationären Einrichtungen im Sinne des SGB XI zugeordnet werden kann.

Entwurf einer Richtlinie

Der GKV Spitzenverband hat den Entwurf der Richtlinien zur Abgrenzung stationärer Einrichtungen von anderen Räumlichkeiten i. S. d. § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI vorgelegt. Die Verbände haben die Möglichkeit, eine Stellungnahme bis zum 7. Juni 2019 abzugeben.

Danach werden die Räumlichkeiten einer stationären Einrchtung gleichgestellt, wenn der Umfang einer anbietergestützten Gesamtversorgung typischerweise einer stationären Versorgung entspricht. Der Umfang ist dann erreicht, wenn durch einen oder mehrere Leistungserbringer eine umfassende Deckung des Bedarfs des in den Räumlichkeiten wohnenden Menschen mit Behinderungen erfolgt. Hiervon ist auszugehen, wenn durch den oder die Leistungserbringer Unterkunft und Verpflegung, Leistungen der Eingliederungshilfe sowie Pflege- und Betreuungsleistungen sowie die räumliche und sächliche Ausstattung zur Verfügung gestellt werden.

Alternative

Eine Möglichkeit, dem ganzen Prozedere zu entgehen, wäre es, die Verknüpfung von Wohnen und Betreuungsleistung aufzugeben, so dass das WBVG nicht mehr anwendbar ist. Da die beiden oben genannten Kriterien kumulativ vorliegen müssen, kommt es dann auf den Umfang der Betreuungsleistungen überhaupt nicht mehr an. Den Bewohner*innen müssten also Mietverträge und Betreuungsverträge angeboten werden, die auch tatsächlich nicht voneinander abhängig sein dürfen. Die Bewohner*innen müssen, jedenfalls gemeinschaftlich, rechtlich und tatsächlich in der Lage sein, die Leistungserbringer frei zu wählen und auch zu wechseln.
Die gesetzliche Regelung erweist sich hier als problematisch, da sie in Einzelfällen den „Status“ einer Wohneinrichtung von einem unbestimmten und schwer kontrollierbaren Merkmal – tatsächliche Abhängigkeit der beiden Verträge voneinander – abhängig macht.

Quellen: Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes, DPWV – Handreichung

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70 Jahre Grundgesetz: Unsere Grundrechte praxisnah erklärt

Heute läuft die Aktion „Kinderrechte ins Grundgesetz“ in den Social Media Kanälen (z.B. auf Twitter oder in Facebook) anläßlich des 70. Geburtstags des Grundgesetzes.

Dieser runde Geburtstag war Anlass für uns vom Walhalla Fachverlag ein Büchlein mit Erklärungen von Prof. Schade zu den Grundrechten zu veröffentlichen. Dieses kann als E-Book kostenlos downgeloadet werden.

Auf www.walhalla.de/service/whitepaper das E-Book auswählen und auf den Download-Knopf klicken. Adresse eingeben. Fertig!

 

Bundestag hebt Wahlausschluss von Vollbetreuten auf; neu: Regelung zu Assistenzleistungen

Am 16.05.2019 wurde der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze“ in 2./3. Lesung im Bundestag verabschiedet (Drs. 19/9228). Die Änderungen sollen am 1. Juli 2019 in Kraft treten. Zuvor muss das Gesetz noch den Bundesrat durchlaufen.

Wie berichtet, hatte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 29. Januar 2019 (Az.: 2 BvC 62/14) die derzeit bestehende Regelung in § 13 Ziffer 2 und Ziffer 3 für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar beurteilt und die Regelungen deshalb für nichtig erklärt. Per einstweiliger Anordnung hatte das Bundesverfassungsgericht am 15. April 2019 die Vorschriften zum Wahlrechtsausschluss von behinderten und psychisch kranken Menschen zur Europawahl gekippt und ermöglicht so, dass die Betroffenen an der Europawahl teilnehmen können (Voraussetzung ist eine Antragstellung – siehe die Ausführungen im gesonderten Beitrag!).

Die Wahlrechtsausschlüsse des § 13 Nummer 2 und 3 des Bundeswahlgesetzes
und des § 6a Absatz 1 des Europawahlgesetzes werden mit dieser Gesetzesänderung nun beendet.

Zugleich werden

  • die Grenzen zulässiger Assistenz bei der Ausübung des Wahlrechts bestimmt,
  • wird die Strafbarkeit der Wahlfälschung bei zulässiger Assistenz in § 107a des
    Strafgesetzbuches klargestellt
  • die notwendigen Folgeänderungen in der Bundeswahlordnung, der Europawahlordnung und in dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgenommen.

Grenzen zulässiger Assistenz:

Nach dem neu eingefügten § 14 Abs. 5 Bundeswahlgesetz kann ein Wahlberechtigter, der nicht lesen kann oder der wegen einer Behinderung seine Stimme nicht selbst abgeben kann, technische Unterstützung bekommen.

„(5) Ein Wahlberechtigter, der des Lesens unkundig oder wegen einer Behinderung an der Abgabe seiner Stimme gehindert ist, kann sich hierzu der Hilfe einer anderen Person bedienen. Die Hilfeleistung ist auf technische Hilfe bei der Kundgabe einer vom Wahlberechtigten selbst getroffenen und geäußerten Wahlentscheidung beschränkt. Unzulässig ist eine Hilfeleistung, die unter missbräuchlicher Einflussnahme erfolgt, die selbstbestimmte Willensbildung oder Entscheidung des Wahlberechtigten ersetzt oder verändert oder wenn ein Interessenkonflikt der Hilfsperson besteht.“

Die Hilfsperson muss das 16. Lebensjahr vollendet haben. Sie hat eine „Versicherung an Eides statt“ zu unterzeichnen, wenn sie bei der Wahl assistiert. Außerdem ist die Hilfsperson zur Geheimhaltung der Kenntnisse verpflichtet, die sie durch die Hilfeleistung erlangt hat.

Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht, macht sich strafbar (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe). Unbefugt wählt auch, wer im Rahmen zulässiger Assistenz entgegen der Wahlentscheidung des Wahlberechtigten oder ohne eine geäußerte Wahlentscheidung des Wahlberechtigten eine Stimme abgibt. Bereits der Versuch ist nach § 107a Abs. 1 und Abs. 3 StGB strafbar.

Kinderrechte im Grundgesetz

Noch hat das Familienministerium (BMFSJ) keinen Gesetzentwurf zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz vorgelegt. Dies soll im Laufe des Jahres, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, noch geschehen.

Für den 22.Mai ruft die Initiative „Kinderrechte ins Grundgesetz“ zu einer gemeinsamen Aktion über die sozialen Netzwerke auf. Jeder kann über Twiiter,  Facebook, Instagram und so weiter den Satz „Kinderrechte ins Grundgesetz, damit…“ in seinem Sinne genau am 22.Mai vervollständigen und absenden.

Zu der Initiative gehören unter anderem der Kinderschutzbund, das Deutsche Kinderhilfswerk und Unicef.

Treffen der zuständigen Minister in Weimar

Die Jugend- und Familienminister aller 16 Bundesländer haben sich letzte Woche in Weimar auf eine stärkere Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz der Bundesrepublik geeinigt. Entsprechend des bei einem Treffen am Freitag in Weimar einstimmig gefassten Beschlusses sollen Kinder stärker bei staatlichen Entscheidungen berücksichtigt werden. In der Verfassung soll unter anderem festgehalten werden, dass der Staat Sorge für kindergerechte Lebensbedingungen tragen soll. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll nun bis Ende des Jahres Vorschläge für die dazu nötige Verfassungsänderung ausarbeiten.

Begründungen der Initiative Kinderrechte

  • Deutschland hat sich mit der Ratifizierung der KRK verpflichtet, alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Rechte zu treffen. Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes (KRA) legt dafür den Vertragsstaaten die Aufnahme der Kinderrechte in die nationale Verfassung nahe.
  • Die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland ist durch die aktuelle Rechtslage nicht abgesichert: Es besteht ein erhebliches Umsetzungsdefizit in Rechtsprechung und Verwaltung, da die Rechte durch eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes oder eine Kombination mit anderen Verfassungsnormen erst kompliziert gewonnen werden müssen.
  • Eine Stärkung der Rechte von Kindern ist angezeigt, da Kinder nicht einfach nur eine gesellschaftliche Teilgruppe von vielen sind. Alle Menschen durchlaufen das Kindesalter und benötigen in dieser Altersphase besondere Rechte, so wie sie in der KRK normiert und von Deutschland mit Ratifizierung anerkannt wurden. Der beispiellose Schutzgehalt des Kindeswohls zeigt sich auch in der Normierung des Kindeswohlvorrangs in anderen menschenrechtlichen Verträgen, der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und der EU Grundrechtecharta.
  • Ein Kindergrundrecht i.S.d. KRK kann in das Grundgesetz eingefügt werden, ohne das grundsätzliche Verhältnis von Kindern, Eltern und Staat anzutasten. Eine Stärkung der Rechte von Kindern führt nicht automatisch zu einer Schwächung der Rechte von Eltern. Im Gegenteil erhalten Eltern dadurch also bessere Möglichkeiten, die Rechte ihrer Kinder gegenüber staatlichen Einrichtungen durchzusetzen.
  • Die Absicherung einer vorrangigen Berücksichtigung des Wohls von Kindern auch auf Verfassungsebene ist nötig, damit Rechtsanwenderinnen, wie Gerichte und Verwaltung, den Interessen von Kindern hinreichend Gewicht verleihen. Das Kindeswohl soll damit nicht eine Entscheidung vorgeben, sondern als eine wesentliche Leitlinie fungieren.
  • Insgesamt würde der Staat seine Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse, Kindesinteressen, die Beteiligung von Kindern und die Gewährleistung gleicher Entwicklungschancen für alle Kinder stärker wahrnehmen. Angesichts der aktuellen Debatte über wachsende Kinderarmut, unterschiedliche Bildungschancen, ein Auseinanderdriften der Gesellschaft in Reich und Arm und häufige Fälle von Vernachlässigung wäre dies ein wichtiges Signal.

Bildungspflicht – Schulpflicht

Ein wesentlicher Punkt in der Kinderrechtskonvention ist das Recht eines jeden Kindes auf Bildung und die Verpflichtung des Staates, jedem Kind, auch Flüchtlingskindern, die Möglichkeit zur Bildung zu bieten. In Deutschland soll dies mit der allgemeinen Schulpflicht gewährleistet sein. Schulpflicht, im Sinne von Bildungspflicht gibt es in vielen Ländern. Allerdings ist damit nur in Deutschland, Nordkorea, Kuba und der Türkei der Zwang damit verbunden, sich in bestimmten Gebäuden aufzuhalten.
Wenn mit Hilfe eines Zusatzartikels über die Menschenrechte des Kindes im Grundgesetz verdeutlicht würde, dass auch Artikel 1 und Artikel 2 des Grundgesetzes für Kinder uneingeschränkt gilt, müsste der Schulgebäude-Anwesenheits-Zwang in Deutschland abgeschafft werden.

Quellen: BMFSFJ, Deutsches Kinderhilfswerk,
zum Thema Bildung außerhalb der Schule hier ein Interview von Alex Capistran  mit Rechtsanwalt Andreas Vogt, erschienen in „Oya – anders denken.anders leben“

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Bundestag stimmt für die Erhöhung der Betreuervergütung

Am 16.05.2019 hat der Bundestag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 19/8694 ) in 2./3. Lesung unverändert zugestimmt. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen wurden nicht berücksichtigt.

Obwohl einige Fraktionen das Gesetz für nicht ausreichend bezeichneten, stellte sich keine Fraktion gegen das Gesetz, lediglich die FDP enthielt sich der Abstimmung. Übereinstimmend bestand die Meinung, dass die 17 Prozent Erhöhung eigentlich zu wenig seien und nur einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern geschuldet. Einig war man sich auch, dass diese Erhöhung noch nicht das Ende des Reformprozesses sein dürfe. Qualitätsorientiert sei das Betreuungsrecht weiterzuenwickeln.

Eine Aufzeichnung der Debatte kann in der Mediathek des Bundestages abgerufen werden.

Der Bundesrat soll nun möglichst zeitnah – noch vor der parlamentarischen Sommerpause – über das Gesetz abstimmen. Vor der Sommerpause kommt der Bundesrat noch am 7. Juni und am 28. Juni zusammen. Wie bekannt, besteht eine Zustimmungspflicht; sollte die Zustimmung nicht erteilt werden, muss der Vermittlungsausschuss angerufen werden.

Der voraussichtliche Zeitplan:

  • 01.03.2019: Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • 04.04.2019: Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • 16.05.2019: Zweite und dritte Lesung im Bundestag; Verabschiedung des Gesetzes
  • vorauss. 7.06.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat, Zustimmung
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat.

Reform der Hebammenausbildung

In allen EU-Mitgliedsstaaten außer in Deutschland werden Hebammen bereits an Hochschulen ausgebildet. Das Bundeskabinett hat heute den Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine Reform der Hebammenausbildung in Form eines dualen Studiums verabschiedet. Alle Hebammen sollen zukünftig an Hochschulen ausgebildet werden. Die Akademisierung der Hebammenausbildung setzt die Berufsanerkennungsrichtlinie der Europäischen Union um. Das ermögliche künftigen Hebammen und Entbindungshelfern, überall in Europa in ihrem Beruf arbeiten zu können.

EU-Vorgabe

Die Hebammenausbildung muss aufgrund der EU-Richtlinie 2005/36/EG bis zum 18. Januar 2020 novelliert werden. Um die daraus folgenden Vorgaben umzusetzen, soll die Zugangsvoraussetzung zur Hebammenausbildung von einer zehnjährigen auf eine zwölfjährige allgemeine Schulausbildung angehoben werden. Die Hebammenausbildung wird vollständig akademisiert. Das zukünftige Hebammenstudium wird sich an dem dualen Studium orientieren und einen hohen Praxisanteil aufweisen. Vergleichbar einem Bachelor-Studiengang werde das Hebammenstudium sechs bis acht Semester dauern.

Ab 2021

Ab 2021 soll nur noch die Ausbildung an einer Hochschule möglich sein. Bis dahin werden die neuen Studien- und Prüfungsordnungen erarbeitet.

In der Pressemitteilung der Bundesregierung vom 15.5.2019 heißt es: „Wer bereits Hebamme ist und die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Hebamme hat, wird diese Erlaubnis behalten – egal wo und wie die Ausbildung erfolgte. Auch wer derzeit an einer Hebammenschule lernt, darf sich sicher sein: Wer die Ausbildung erfolgreich abschließt, ist und bleibt Hebamme.“

Stellungnahme des DHV

Der Deutsche Hebammenverband  begrüßt ausdrücklich den vorgelegten Gesetzentwurf, plädiert aber für einige Änderungen im Gesetzentwurf:

  • für die bestmögliche Betreuung der Schwangeren soll eine Vorbehaltstätigkeit durch Ärztinnen und Ärzte und Hebammen festgelegt werden,
  • ein weniger umständlicher Weg für die Kostenerstattung der freiberuflichen Externats-Hebammen müsse gefunden werden und
  • den nachträglichen Titelerwerb aller Hebammen zum Bachelor soll ermöglicht werden.

Quellen: Bundesregierung, Deutscher Hebammenverband

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Bundesteilhabegesetz (Teil 16) – Teilhabe an Bildung

Eingliederungshilfe – Leistungen zur Teilhabe an Bildung

§ 112 SGB IX

Die Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe entsprechen inhaltlich den Leistungen zur Teilhabe an Bildung aus dem Teil 1 des SGB IX. Es werden aber konkret die Leistungspflichten benannt und der Umfang der Leistungen näher beschrieben.

Es geht hier, wie auch im § 75 SGB IX nicht um die Bildungleistungen als solche, sondern um unterstützende Maßnahmen, um die Bildungsangebote wahrnehmen zu können.

Der Leistungskatalog ist offen gestaltet, daher kommen alle Leistungen in betracht, die geeignet und wirtschaftlich sind, die Teilhabe an Bildung zu verwirklichen. Eingeschlossen sind die Bildung sowohl an allgemeinbildenden Schulen, an Hochschulen und bei der Weiterbildung

Schulen

§ 112 Abs.1 Nr.1 und Abs.1 Satz 2, Satz 3, Satz 5 bis 8 SGB IX

Zu den Leistungen bei der Schulbildung gehören

  • Unterstützung schulischer Ganztagsangebote in der offenen Form, die im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule stehen und unter deren Aufsicht und Verantwortung ausgeführt werden, an den stundenplanmäßigen Unterricht anknüpfen und in der Regel in den Räumlichkeiten der Schule oder in deren Umfeld durchgeführt werden,
  • heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, der leistungsberechtigten Person den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern
  • Gegenstände und Hilfsmittel, die wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zur Teilhabe an Bildung erforderlich sind.

Voraussetzung für eine Hilfsmittelversorgung ist, dass die leistungsberechtigte Person das Hilfsmittel bedienen kann. Die Versorgung mit Hilfsmitteln schließt eine notwendige Unterweisung im Gebrauch und eine notwendige Instandhaltung oder Änderung ein. Die Ersatzbeschaffung des Hilfsmittels erfolgt, wenn sie infolge der körperlichen Entwicklung der leistungsberechtigten Person notwendig ist oder wenn das Hilfsmittel aus anderen Gründen ungeeignet oder unbrauchbar geworden ist.

Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf

§ 112 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 SGB IX

Zu den Hilfen zur (hoch-)schulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf gehören

  • Hilfen zur Teilnahme an Fernunterricht,
  • Hilfen zur Ableistung eines Praktikums, das für den Schul- oder Hochschulbesuch oder für die Berufszulassung erforderlich ist,
  • Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Vorbereitung auf die schulische oder hochschulische Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf,
  • Gegenstände und Hilfsmittel, die wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zur Teilhabe an Bildung erforderlich sind.

Zweitausbildung

§ 112 Abs.1 Satz 4 SGB IX

Hilfen zu einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung können erneut erbracht werden, wenn dies aus behinderungsbedingten Gründen erforderlich ist. Dies könnte der Fall sein, wenn die Behinderung erst während des Berufslebens eintritt oder sich eine Verschlimmerung einer bisherigen Behinderung ergibt.

Höherqualifizierung

§ 112 Abs.1 Nr.2 und Abs.2 SGB IX

Möglich sind auch Unterstützungsleitungen bei dem Wunsch nach Höherqualifizierung. Unter folgenden Voraussetzungen werden Hilfen bei einer höherqualifizierenden Weiterbildung erbracht. Die Weiterbildung muss

  • in einem zeitlichen Zusammenhang an eine duale, schulische oder hochschulische Berufsausbildung anschließen,
  • in dieselbe fachliche Richtung weiterführen oder im Fall eines Masterstudiums diese interdisziplinär ergänzen und
  • es dem Leistungsberechtigten ermöglichen, das von ihm angestrebte Berufsziel zu erreichen.

Mit dem zeitlichen Zusammenhang ist nicht eine Zeitspanne zwischen den Bildungsabschnitten gemeint, sondern eine Altersgrenze. In der Gesetzesbegründung wird von einer Orientierung an § 10 Abs.3 Satz 1 BaföG gesprochen. Die leistungsberechtigte Person dürfte zu Beginn der Zweitausbildung noch nicht 30 Jahre alt sein, bei einem Masterstudium noch nicht 35. Es handelt sich aber hier eher um Ermessensentscheidungen, weil im Gestz keine Altersgrenzen angegeben werden und in der Begründung nur von einer „Orientierung“ an der BaföG – Regelung gesprochen wird.

Gemeinsame Leistungserbringung

§ 112 Abs.4 SGB IX

Der Eingliederungshilfeträger kann mit den Leistungserbringern vereinbaren, dass Leistungen zur Teilhabe an Bildung an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden, wenn diese das wünschen und es ihnen zumutbar ist (siehe Wunsch- und Wahlrecht, § 104 SGB IX)

In der Praxis macht es an Schulen Sinn, wenn eine Assistenzkraft für eine Lerngruppe zuständig ist. So können sich die Assistenzkräfte bei einer Schule bei Krankheit und Urlaub gegenseitig vertreten.

Beitrag zu den Leistungen

§ 138 Abs.1 Nr.4 und Nr.5 SGB IX

Leistungen zur Teilhabe an Bildung sind beitragsfrei bei Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu nach § 112 Abs.1 Nummer 1 SGB IX.

Bei Leistungen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf nach § 112 Abs.1 Nummer 2 SGB IX sind sie nur beitragsfrei, soweit diese Leistungen in besonderen Ausbildungsstätten über Tag und Nacht für Menschen mit Behinderungen erbracht werden. Beispielsweise in Ausbildungsstätten mit Internat der Berufsbildungswerke. (Siehe auch: Bundesteilhabegesetz (Teil 3) – Einkommensanrechnung)

Quelle: SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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Bundesteilhabegesetz (Teil 15) – Teilhabe am Arbeitsleben

§ 111 SGB IX

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die im § 111 geregelt werden, sind die Leistungen, die in den Zuständigkeitsbereich der Träger der Eingliederungshilfe fallen.

Im § 49 SGB IX hingegen werden in einem offenen Leistungskatalog eine Vielzahl von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beschrieben und geregelt, die von unterschiedlichsten Trägern zur Verfügung gestellt und finanziert werden müssen. (Bundesanstalt für Arbeit, Rentenversicherung, Unfallversicherung, Versorgungsämter, Eingliederungshilfe)

Beim Leistungskatalog der Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen der Eingliederungshilfe handelt es sich aber um eine abschließende Aufzählung. Die Leistungen umfassen ausschließlich

  • Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen nach den §§ 58 und § 62 SGB IX, einschließlich Arbeitsförderungsgeld nach § 59 SGB IX,
  • Leistungen bei anderen Leistungsanbietern nach den §§ 60 und § 62 SGB IX, einschließlich Arbeitsförderungsgeld nach § 59 SGB IX,
  • das Budget für Arbeit für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei einem privaten und öffentlichen Arbeitgeber nach § 61 SGB IX, sowie
  • Gegenstände und Hilfsmittel, die erforderlich sind, um die vorgenannten Beschäftigungen ausüben zu können.

Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM

§ 58 SGB IX

Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für Menschen mit Behinderung nach § 58 SGB IX oder bei anderen Anbietern nach § 60 SGB IX (s.u.) erhalten Menschen mit Behinderung, bei denen eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in einem Inklusionsbetrieb (§ 215 SGB IX) oder eine Berufsvorbereitung, individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung, berufliche Anpassung und Weiterbildung oder berufliche Ausbildung im Rahmen wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommen und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen.

Leistungen bei anderen Leistungsanbietern

§ 60 SGB IX

Neu mit dem Bundesteilhabegesetz eingeführt wurden „andere Anbieter“. Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen haben, können seit 01.01.2018 alternativ die ihnen zustehenden Leistungen auch außerhalb bei anderen Leistungsanbietern in Anspruch nehmen (Wahlrecht nach § 62 SGB IX). Die Voraussetzungen, die andere Leistungsanbieter mitbringen müssen sind im Prinzip dieselben, wie sie auch für Werkstätten für behinderte Menschen gelten – mit den Ausnahmen, dass keine Mindestgröße und auch keine Aufnahmepflicht vorgegeben sind.

Budget für Arbeit

§ 61 SGB IX

Mit dem Budget für Arbeit wird für Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen haben, eine weitere Alternative zur Beschäftigung in dieser Werkstatt geboten. Die Alternative besteht darin, dass ein dauerhafter Lohnkostenzuschuss nebst Anleitung und Begleitung (Arbeitsassistenz) ermöglicht wird, der einen Arbeitgeber dazu bewegt, mit dem Menschen mit Behinderungen trotz dessen voller Erwerbsminderung einen regulären Arbeitsvertrag zu schließen.

Arbeitsförderungsgeld

§ 59 SGB IX

Arbeitsförderungsgeld ist eine finanzielle Leistung, die Leistungsberechtigte erhalten, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderung beschäftigt sind. Es wird an Institutionen gezahlt, die Arbeit für Menschen mit Förderungsbedarf im Rahmen einer Behinderung anbieten und von diesen zusammen mit dem Werkstattlohn überwiesen, aber getrennt ausgewiesen. Auch Beschäftigte anderer Leistungsanbieter können zusätzlich zu ihrem Arbeitslohn ein Arbeitsförderungsgeld beanspruchen.

Wahlrecht

§ 62 SGB IX

Menschen mit Behinderungen haben ein Wahlrecht, wie bzw. bei welchem Anbieter er die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen möchte. Möglich ist auch, dass er einzelne Module bei unterschiedlichen Anbietern wählt (z. B. Leistungen der beruflichen Bildung in der Werkstatt und Leistungen zur Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter). Aus diesem Wunsch- und Wahlrecht des Betroffenen ergibt sich die Verpflichtung der Werkstatt, mit anderen Leistungsanbietern zusammenzuarbeiten und entsprechende Leistungen anzubieten. Der unmittelbar verantwortliche Leistungsanbieter bleibt in dieser Zeit auch Verantwortlicher für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge, soweit diese nicht durch den Leistungsträger zu entrichten sind.

Dagegen besteht kein Wahlrecht zur „Mischung“ von Leistungen, wenn ein Budget für Arbeit in Anspruch genommen wird.

Der Passus in § 62 Abs.2 SGB IX, dass die Leistungserbringung der Zustimmung des unmittelbar verantwortlichen Leistungsanbieters widerspricht eigentlich dem Wahlrecht, der verantwortliche Leistungsanbieter könnte den Wunsch Leistungen von einem anderen Anbietere zu beziehen ja auch ablehnen. Laut Gesetzesbegründung soll aber damit nur geregelt werden, wer die Koordinierung und die Zusammenarbeit organisiert und letztlich darum, wer die Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.

Gegenstände und Hilfsmittel

§ 111 Abs.2 SGB IX

Die für Beschäftigungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen geltende Regelung, wonach die Leistungen zur Beschäftigung in Bedarfsfällen Gegenstände und Hilfsmittel einschließen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung erforderlich sind, wird auf Beschäftigungen bei anderen Leistungsanbietern und bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern ausgedehnt.

Voraussetzung für eine Hilfsmittelversorgung ist, dass der Leistungsberechtigte das Hilfsmittel bedienen kann. Die Versorgung mit Hilfsmitteln schließt eine notwendige Unterweisung im Gebrauch und eine notwendige Instandhaltung oder Änderung ein. Die Ersatzbeschaffung des Hilfsmittels erfolgt, wenn sie infolge der körperlichen Entwicklung der Leistungsberechtigten notwendig ist oder wenn das Hilfsmittel aus anderen Gründen ungeeignet oder unbrauchbar geworden ist.

Auch die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs ist möglich, wenn eine leistungsberechtigte Person zur Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung darauf angewiesen ist. Dabei gilt die Kraftfahrzeughilfeverordnung.

Beitrag zu den Leistungen

§ 138 Abs.1 Nr.3 SGB IX

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind beitragsfrei bei Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen nach § 111 Abs.1 SGB IX, bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern und bei anderen Leistungsanbietern nach § 60 SGB IX. (Siehe auch Bundesteilhabegesetz (Teil 3) – Einkommensanrechnung)

Quelle: SOLEX,
dort finden Sie auch ausführlichere Beschreibungen der Themen in den einzelnen Absätzen (nur mit SOLEX-Zugangsdaten):

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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