Auch an Alzheimer Erkrankte können einen Anspruch auf Blindengeld haben. Diese Leistung sei nur ausgeschlossen, wenn krankheitsbedingte Mehraufwendungen aufgrund des Krankheitsbilds unter keinen Umständen anfallen können.Der Sachverhalt: Die Klägerin leidet an einer schweren Alzheimer-Demenz. Das beantragte Blindengeld lehnte der beklagte Freistaat Bayern ab mit der Begründung, bei der Klägerin bestehe eine sehr weit fortgeschrittene Demenz; eine Kommunikation sei nicht mehr möglich, Sinneseindrücke könnten nicht mehr verarbeitet werden. Es gebe jedoch keinerlei Anhalt dafür, dass für die fehlende Wahrnehmung von optischen Reizen eine spezielle Schädigung der Sehstrukturen ursächlich sei.
Das Sozialgericht Landshut hat die Klage abgewiesen, das Bayerische Landessozialgericht (LSG) der Klage stattgegeben. Es sei nachgewiesen, dass bei der Klägerin eine Verarbeitungsstörung vorliege, so dass sie die Signale der (auch) visuellen Sinnesmodalität nicht identifizieren, mit früheren Erinnerungen nicht vergleichen und nicht benennen könne. Soweit das Bundsozialgericht (BSG) in seiner bisherigen Rechtsprechung (z.B. BSG Urteil vom 11.08.2015 – B 9 BL 1/14 R) einschränkend verlangt habe, dass bei zerebralen Schäden eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliege, komme es hierauf nicht mehr an – so das LSG in seiner Begründung.
Mit seiner Revision rügte der beklagte Freistaat Bayern die Verletzung materiellen Rechts. Blindheit setze eine Schädigung im optischen Apparat bzw in der Verarbeitung optischer Reize voraus. Der Verlust der kognitiven Verarbeitung bedinge keine Blindheit.
Die Entscheidung des BSG: Dieser Argumentation folgte das Bundessozialgericht nicht, jedenfalls nicht grundsätzlich. Mit Urteil vom 14. Juni 2018 (Az. B 9 BL 1/17 R) stellte das BSG fest, dass auch schwerst Hirngeschädigte, die keine visuelle Wahrnehmung haben, grundsätzlich Anspruch auf Blindengeld haben können. Nach Auffassung des BSG ist auch bei cerebralen Störungen Blindheit anzunehmen, wenn der Betroffene nichts sieht, obwohl keine spezifische Sehstörung nachweisbar ist. Liege Blindheit vor, werde Blindengeld zum Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen als Pauschalleistung erbracht. Könne ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes aber gar nicht erst entstehen, werde der Zweck des Blindengelds verfehlt (sog. Zweckverfehlung). Versorgungsbehörden könnten daher die Leistung dann ablehnen, wenn krankheitsbedingte Mehraufwendungen aufgrund des Krankheitsbilds unter keinen Umständen anfallen können. Als Beispiel nannte das Bundessozialgericht Komapatienten.
Im zugrundeliegenden Fall war unklar, ob der Ausschlussgrund der Zweckverfehlung gegeben sei. Das BSG hat den Rechtsstreit deshalb zur Tatsachenprüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
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