Neuregelung des § 218 im Bundestag

Bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche soll ein Abbruch der Schwangerschaft grundsätzlich nicht mehr rechtswidrig sein. Das fordert eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten in einem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs (20/13775), der auf eine Initiative von Grünen und SPD zustande gekommen ist und am Donnerstag, 5. Dezember 2024in erster Lesung beraten wurde. 

Beratung im Rechtsausschuss

Im Anschluss an die Aussprache wurde der Gesetzentwurf zusammen mit dem Antrag einer Gruppe von Abgeordneten mit dem Titel „Versorgungslage von ungewollt Schwangeren verbessern“ (20/13776) zur Weiterberatung an die Ausschüsse überwiesen. In beiden Fällen übernimmt der Rechtsausschuss die Federführung. 

Nach der 12. Woche rechtswidrig

Der Entwurf (20/13775) läuft auf eine Neuregelung von Paragraf 218 Strafgesetzbuch hinaus. Laut Gesetzentwurf soll der Abbruch einer Schwangerschaft nach Ende der zwölften Woche grundsätzlich rechtswidrig bleiben, jedoch wie nach bisheriger Rechtslage, bei Vorliegen einer medizinischen Indikation nach deren ärztlicher Feststellung bis zum Beginn der Geburt rechtmäßig sein. Die Initiatoren erläutern im Entwurf: „Aufgrund der praktischen Auswirkungen stellt die geltende Regelung des Schwangerschaftsabbruchs eine erhebliche Einschränkung der Selbstbestimmung, der persönlichen Integrität und der körperlichen Autonomie Schwangerer dar und kann ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit Schaden zufügen

Ausgleich grundrechtlicher Positionen

Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, Regelungen über den Schwangerschaftsabbruch widerspruchsfrei so in die Gesamtrechtsordnung zu integrieren, dass die grundrechtlichen Positionen in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. Das erfordert die Akzeptanz eigenverantwortlicher Entscheidungen Schwangerer über die Schwangerschaft jedenfalls in den ersten Wochen der Schwangerschaft. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht zugunsten von Embryonen und Feten steht einem solchen Konzept nicht entgegen. Die Schutzpflicht adressiert den Staat, nicht die Schwangere. Die Grundrechte der Schwangeren setzen staatlichem Handeln Grenzen.“

Antrag einer Gruppe von Abgeordneten

Eine Studie, die durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert und im April veröffentlicht wurde, habe gezeigt, dass fast 60 Prozent der befragten Frauen, die eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen, Schwierigkeiten haben, den Schwangerschaftsabbruch zu organisieren, insbesondere weil sie den Schwangerschaftsabbruch geheim halten wollen oder müssen, heißt es in dem Antrag (20/13776). Fast 60 Prozent der Befragten hätten demnach Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Informationen, zitiert der Antrag die Studienergebnisse weiter.

Finanzierung durch die Krankenkassen

Die Abgeordneten fordern von der Bundesregierung unter anderem, sicherzustellen, dass Schwangerschaftsabbrüche kostendeckend durch die Krankenkassen finanziert werden und Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen werden. Den Krankenkassen müsse möglichst gleichzeitig ermöglicht werden, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten und für eine Kostenübernahme bei Geringverdienenden zu sorgen. Ebenfalls möglichst gleichzeitig soll der Zugang zu nicht verschreibungspflichtigen Notfallkontrazeptiva wie der sogenannten Pille danach gewährleistet werden. Auch sollen mehr Forschungsmittel für Verhütungsmittel für alle Geschlechter, gerade auch für Männer, im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden.

Quelle: Bundestag

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Belästigungen vor Beratungsstellen

Schwangere sollen vor Beratungsstellen und Kliniken oder Arztpraxen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, besser vor Belästigungen durch Abtreibungsgegner und -gegnerinnen geschützt werden. Eine entsprechende Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 27. September 2024 gebilligt.

Schwangerschaftsabbruch

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nur legal, wenn er von einem Arzt oder einer Ärztin innerhalb von 12 Wochen ab der Empfängnis durchgeführt wird und die Schwangere sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen.

Protestaktionen vor Beratungsstellen

Vor entsprechenden Beratungsstellen komme es zunehmend zu Protestaktionen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern. Darauf weist die Bundesregierung, auf die das Gesetz zurückgeht, in ihrer Begründung hin. Dabei wirkten die Protestierenden häufig direkt auf Schwangere ein. Die Betroffenen würden gezielt belästigt und mit verstörenden Bildern und Schriften konfrontiert und so unter erheblichen psychischen Druck gesetzt und zum Teil nachhaltig verunsichert. Auch Mitarbeitende in den Beratungsstellen würden durch die Gehsteigbelästigungen daran gehindert, ihrer Arbeit nachzugehen. Gleiches geschehe vor Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden.

100-Meter-Schutzbereich

Mit der Gesetzesänderung müssen die Länder sicherstellen, dass Schwangere ungehinderten Zugang zu Beratungsstellen und Einrichtungen, die solche Eingriffe vornehmen, erhalten. Das Gesetz untersagt es zudem, in einem Eingangsbereich von 100 Metern Schwangeren das Betreten einer Beratungsstelle oder einer entsprechenden Einrichtung absichtlich zu erschweren oder ihnen gegen ihren Willen die eigene Meinung zu Schwangerschaftsabbrüchen aufzudrängen. Schwangere dürfen dort nicht bedrängt, unter Druck gesetzt oder in ihrer Entscheidung zur Fortsetzung der Schwangerschaft beeinflusst werden. Ihnen gegenüber dürfen keine unwahren Tatsachen über Schwangerschaftsabbrüche behauptet oder sie mit Materialien konfrontiert werden, die sie stark verwirren oder beunruhigen könnten. Auch darf das Personal nicht an der Ausübung seiner Tätigkeit behindert werden. Verstöße dagegen werden mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 € bestraft.

Rücksichtnahme auf besondere Konfliktsituation

Ziel des Gesetzes sei es, Schwangere zu schützen, die sich beim Besuch der Beratungsstellen oder medizinischen Einrichtungen zumeist in einer besonderen psychischen Konfliktsituation befänden, schreibt die Bundesregierung. Die Entscheidung, eine Schwangerschaft fortzuführen oder abzubrechen, gehöre zu den höchstpersönlichen Entscheidungen des Lebens. Bei Gehsteigbelästigungen seien die Schwangeren vielfach in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen, das zu schützen auch ein staatlicher Schutzauftrag sei. Wenn die Beratung gesetzliche Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch sei, müsse der Gesetzgeber auch einen ungehinderten Zugang zu Beratungsstellen sicherstellen.

Inkrafttreten

Das Gesetz kann nun ausgefertigt und verkündet werden und tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Quelle: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Schutz von Schwangeren vor Beratungsstellen

Eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes soll den Schutz von Schwangeren vor Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch sicherstellen.

Gehsteigbelästigungen

Schwangere sollen vor Schwangerschaftsberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, wirksamer vor sogenannten Gehsteigbelästigungen durch Abtreibungsgegner und -gegnerinnen geschützt werden. Mit einer Reform des Schwangerschaftskonfliktgesetzes sollen die Rechte der Schwangeren sowie das Beratungs- und Schutzkonzept in seiner Gesamtheit gestärkt werden.

Schwangerschaftskonfliktberatung

Unter den Voraussetzungen des § 218a StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland straffrei. Damit ein Schwangerschaftsabbruch, für den keine medizinische oder kriminologische Indikation (§ 218a Absatz 2 und 3 StGB) vorliegt, straffrei ist, muss die Schwangere sich zuvor einer Schwangerschaftskonfliktberatung unterziehen (§ 218a Absatz 1 Nummer 2 StGB). Die Inanspruchnahme der Beratung und der Zugang zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sind daher auch mit Blick auf den Versorgungsauftrag der Länder und die Schutzpflicht des Staates zu gewährleisten.

Schwangere und Fachpersonal wirksamer schützen

Vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, finden mit zunehmender Häufigkeit Protestaktionen von Abtreibungsgegnern und -gegnerinnen statt. Dabei werden sowohl Schwangere als auch das Fachpersonal zum Teil gezielt gegen ihren Willen angesprochen, um ihnen zum Beispiel eine andere Meinung zu Schwangerschaftsabbrüchen aufzudrängen. Oder sie werden mit unwahren oder verstörenden Inhalten, die geeignet sind, die Beratung zu beeinträchtigen, konfrontiert. Die Schwangeren trifft das oftmals in einer schon bestehenden besonderen physischen und psychischen Belastungssituation.

Solche Verhaltensweisen, die nicht auf einen einvernehmlichen Austausch von Argumenten und sachlich zutreffenden Informationen abzielen, können das gesetzlich geschützte Regelungskonzept unterlaufen und die Inanspruchnahme der Schwangerschaftskonfliktberatung oder den Zugang zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, beeinträchtigen. Deshalb ist es zum einen erforderlich, die Letztverantwortung der Schwangeren in dieser höchstpersönlichen Angelegenheit sicherzustellen. Zum anderen geht es auch darum, dass das Fachpersonal seine Aufgabe möglichst ungestört ausüben kann. Diese Ziele will das geplante Zweite Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erreichen, indem es einen bundeseinheitlichen und rechtssicheren Umgang mit sogenannten Gehsteigbelästigungen festlegt.

Nicht hinnehmbare Verhaltensweisen als Ordnungswidrigkeiten untersagen

Durch die geplanten Änderungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz sollen bestimmte, nicht hinnehmbare Verhaltensweisen untersagt werden, wenn diese geeignet sind, die Inanspruchnahme der Beratung in der Beratungsstelle oder den Zugang zu Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, zu beeinträchtigen. Dies gilt nur für wahrnehmbare Verhaltensweisen in einem Bereich von 100 Metern um den Eingangsbereich der Beratungsstellen und Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Unter diesen Voraussetzungen soll mit dem geplanten Gesetz beispielweise untersagt werden, das Betreten der Einrichtungen durch Hindernisse absichtlich zu erschweren, eine Schwangere gegen ihren erkennbaren Willen die eigene Meinung aufzudrängen, sie erheblich unter Druck zu setzen oder sie mit unwahren Tatsachenbehauptungen oder verstörenden Inhalten zu konfrontieren.

Verstöße gegen diese Verbote stellen dann eine Ordnungswidrigkeit dar und werden mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt.

Bundesstatistik wird angepasst

Das geplante Gesetz enthält außerdem Änderungen zur Bundesstatistik zu Schwangerschaftsabbrüchen. Sie dienen einem genaueren Überblick über die Versorgungssituation in den Ländern. Bisher werden die Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen nur auf Bundes- und Länderebene ausgewertet. Damit die Länder ihrem Versorgungsauftrag besser nachkommen können, gibt die Bundesstatistik mit Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes jährlich auch Auskunft über die regionale Verteilung der Schwangerschaftsabbrüche unterhalb der Länderebene. Zudem werden die Stellen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, künftig jährlich auf Bundes- und Länderebene nach Größenklassen gestaffelt dargestellt, um das Bild der Versorgungslage zu verbessern.

Quelle: BMFSFJ

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Bundesratsbeschlüsse vor der Sommerpause

In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause hat der Bundesrat unter anderem der BAFöG-Reform zugestimmt. Sie kann daher wie geplant zum neuen Schuljahr, bzw. zum neuen Semester in Kraft treten.

Inflationsausgleich

Die 27. Novelle des Bundeausbildungsförderungsgesetzes beinhaltet eine Erhöhung der Bedarfssätze um 5,75 Prozent und eine Erhöhung der Freigrenzen um 20,75 Prozent, als Ausgleich für steigende Lebenshaltungskosten.

höhere Altersgrenze

Der Wohnzuschlag für auswärts Wohnende liegt künftig bei 360 Euro, der Vermögensfreibetrag von Geförderten bis zum 30. Lebensjahr bei 15.000 Euro sowie für Auszubildende, die das 30. Lebensjahr vollendet haben, bei 45.000 Euro. Die Altersgrenze zu Beginn des zu fördernden Ausbildungsabschnittes wird vereinheitlicht und auf 45 Jahre angehoben.

Darlehen

Die Erlassmöglichkeit der Darlehensrestschulden nach 20 Jahren für Altfälle gilt künftig auch für jene Rückzahlungsverpflichteten, die es versäumt hatten, innerhalb der gesetzten Frist der vorangegangenen 26. BAföG-Novelle den Erlass der Darlehensrestschulden zu beantragen.

Notfall-BAFöG

Ebenfalls am 8. Juli 2022 hat sich der Bundesrat mit Plänen zur nächsten, der 28. BAföG-Änderung befasst: Er äußerte keine Einwände gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der diese zur Ausweitung des Berechtigtenkreises im Falle einer nationalen Notlage vorsieht. Vermutlich im Herbst kommt die Vorlage nochmal zur abschließenden Beratung in den Bundesrat.

§ 219a ersatzlos gestrichen

Ebenfalls gebilligt hat der Bundesrat ersatzlose Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche in Paragraf 219a Strafgesetzbuch gebilligt. Der Bundestag hatte die Aufhebung am 24. Juni 2022 beschlossen.

Künftig können Ärztinnen und Ärzte ausführlich über Möglichkeiten zum Abbruch einer Schwangerschaft informieren, ohne mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen zu müssen. Schwangere sollen so einfacher als bisher Ärztinnen und Ärzte für eine Abtreibung finden können, heißt es in der amtlichen Gesetzesbegründung.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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